VwGH vom 07.12.2021, Ra 2021/13/0094

VwGH vom 07.12.2021, Ra 2021/13/0094

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Rechnungs- und Abgabenwesen, in 1082 Wien, Ebendorferstraße 2, 3. Stock, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7400045/2021, betreffend Kommunalsteuer 2015 bis 2017 und Säumniszuschlag (mitbeteiligte Partei: M K in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde (und nunmehrige revisionswerbende Partei) dem Mitbeteiligten mit, auf dem Konto der K KG bestünden Abgabenrückstände betreffend Kommunalsteuer (samt Nebengebühren). Der Mitbeteiligte sei Kommanditist der K KG und in dieser Eigenschaft gemäß § 6 KommStG Gesamtschuldner hinsichtlich der Kommunalsteuer. Der Mitbeteiligte werde aufgefordert, den Rückstand binnen zwei Wochen zu zahlen.

2Mit E-Mail vom teilte Steuerberater Dr. K mit, er sei vom Mitbeteiligten „bevollmächtigt und beauftragt“, für die Klärung des Sachverhalts zu sorgen; es werde ersucht, einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen.

3Mit Bescheid vom schrieb die belangte Behörde dem Mitbeteiligten Kommunalsteuer für die in der Betriebsstätte der K KG in Wien gewährten Arbeitslöhne für die Jahre 2015 bis 2017 vor; weiters wurde ein Säumniszuschlag auferlegt.

4Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde (nach Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde und Vorlageantrag des Mitbeteiligten) gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurück. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht zunächst zum Verfahrensgang aus, dem Mitbeteiligten sei der Bescheid vom zu Handen seines steuerlichen Vertreters zugestellt worden, der dagegen im Namen des Mitbeteiligten Beschwerde eingebracht habe. Der angefochtene Bescheid sei dem Mitbeteiligten persönlich niemals im Original übermittelt worden; der steuerliche Vertreter des Mitbeteiligten habe zu keinem Zeitpunkt über eine Zustellbevollmächtigung verfügt. Aus diesem Grund sei die Beschwerdevorentscheidung - nachdem sie zunächst auch zu Handen des steuerlichen Vertreters zugestellt worden sei - an den Mitbeteiligten persönlich adressiert worden. Im wiederum vom steuerlichen Vertreter des Mitbeteiligten eingebrachten Vorlageantrag habe der Vertreter ein weiteres Mal darauf hingewiesen, dass er über keine Zustellungsvollmacht verfüge. Auf Nachfrage durch das Bundesfinanzgericht habe der Mitbeteiligte bekannt gegeben, dass sein steuerlicher Vertreter auch zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides über keine Zustellungsvollmacht verfügt habe; dem Mitbeteiligten sei der angefochtene Bescheid niemals im Original zugekommen.

6Zur Beweiswürdigung führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der steuerliche Vertreter habe in seinen Schriftstücken stets dargelegt, dass er über keine Zustellungsvollmacht verfügt habe; daher sei es glaubwürdig, dass er auch anlässlich der Zustellung des bekämpften Bescheides nicht zustellungsbevollmächtigt gewesen sei. Da der steuerliche Vertreter im Namen des von ihm vertretenen Mitbeteiligten Beschwerde gegen diesen Bescheid eingebracht habe, erscheine es auch nachvollziehbar, dass er diesen zwar über den Bescheid informiert, ihm aber den Bescheid nicht im Original ausgehändigt habe.

7Die als Bescheid intendierte Erledigung sei von der belangten Behörde an den Mitbeteiligten zu Handen seines steuerlichen Vertreters adressiert worden, der jedoch über keine Zustellungsvollmacht verfügt habe. Dieser Zustellungsmangel sei im vorliegenden Fall auch nicht durch Übermittlung an den Mitbeteiligten geheilt. Die als Bescheid intendierte Erledigung habe daher mangels rechtswirksamer Zustellung keine Rechtswirksamkeit gegenüber dem Mitbeteiligten entfalten können. Da sich die Bescheidbeschwerde somit gegen einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid richte, sei sie als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

8Gegen diesen Beschluss wendet sich die Revision der belangten Behörde. Zur Zulässigkeit wird insbesondere die Verletzung des Parteiengehörs geltend gemacht: Die Nachfrage des Bundesfinanzgerichts samt Antwort des Mitbeteiligten sei der belangten Behörde nicht zur Kenntnis gebracht worden. Wäre der belangten Behörde Parteiengehör gewährt worden, hätte sie darlegen können, dass ihr gegenüber nie behauptet worden sei, zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom sei keine Zustellvollmacht vorgelegen.

9Der Mitbeteiligte hat sich - nach Einleitung des Vorverfahrens - am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

10Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11Die Revision ist zulässig und begründet.

12Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Bei schriftlichen Erledigungen erfolgt die Bekanntgabe im Allgemeinen durch Zustellung (§ 97 Abs. 1 lit. a BAO).

13Gemäß § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien u.a. durch voll handlungsfähige Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Nach § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 BAO von Amts wegen zu veranlassen.

14Beruft sich ein Berufsberechtigter (im Sinne des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes 2017) im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt diese Berufung den urkundlichen Nachweis (§ 77 Abs. 11 leg. cit.). Berufsrechtliche Vorschriften, wonach die Berufung auf eine erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt, gelten auch im Anwendungsbereich der BAO (vgl. ).

15Eine allgemeine Vertretungsbefugnis schließt eine Zustellungsbevollmächtigung mit ein. Dies gilt auch, wenn sich ein Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. , mwN).

16Das Sich-Berufen auf die Vollmacht ersetzt jedoch lediglich den urkundlichen Nachweis. Die tatsächliche Erteilung einer Vollmacht wird dadurch nicht ersetzt. Im Fall von konkreten Zweifeln ist zu prüfen, ob tatsächlich eine Vollmacht (und in welchem Umfang) eingeräumt wurde (vgl. ; vgl. weiters - zu § 10 Abs. 1 AVG - z.B. ; , Ra 2018/07/0476; vgl. weiters - zur ähnlichen Bestimmung des § 30 Abs. 2 ZPO - z.B. ). Derartige Zweifel können sich allenfalls auch erst im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens ergeben (vgl. - zu § 10 Abs. 1 AVG - ).

17Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden eingeräumt sind. Zu solchen Obliegenheiten und Befugnissen zählen insbesondere Beweisaufnahmen sowie die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs (vgl. , mwN). Nach Maßgabe der Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 167 BAO ist sodann in Auseinandersetzung mit den bisherigen Verfahrensergebnissen und den Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt festzustellen (vgl. ).

18Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die Schilderung des Verfahrensgangs im angefochtenen Beschluss - wie in der Revision zutreffend gerügt - unvollständig ist. Im vorliegenden Verfahren hatte der steuerliche Vertreter mit E-Mail (vgl. zu dessen Wirksamkeit § 86b BAO) vom zum Schreiben der belangten Behörde vom eine Eingabe erstattet. Er hatte darin vorgebracht, er sei vom Mitbeteiligten „bevollmächtigt und beauftragt“, für die Klärung der Sache zu sorgen. Damit hatte sich der steuerliche Vertreter als Berufsberechtigter gemäß § 77 Abs. 11 WTBG auf die erteilte Bevollmächtigung berufen (vgl. auch Ritz, BAO6, § 83 Tz 10). Eine zur Unwirksamkeit führende Einschränkung der Vollmacht nach § 103 Abs. 2 BAO wurde nicht erklärt. Zweifel am Umfang der Bevollmächtigung bestanden im Hinblick auf dieses Berufen ebenfalls nicht.

19Aufgrund dieser Eingabe musste von einer Bevollmächtigung des steuerlichen Vertreters auch betreffend Zustellungen ausgegangen werden. Die Zustellung des Bescheides vom erfolgte demnach auch an ihn.

20Die vom steuerlichen Vertreter eingebrachte Beschwerde gegen diesen Bescheid enthielt ebenso wie die folgende Korrespondenz (insbesondere im Hinblick auf eine beantragte Akteneinsicht bzw. Antrag auf Übermittlung von Unterlagen) kein Vorbringen zu einer allfälligen Einschränkung der Vertretungsbefugnis.

21Erst die Beschwerdevorentscheidung wurde vom steuerlichen Vertreter mit dem handschriftlichen Vermerk „keine Vollmacht - falsch zugestellt“ per Telefax an die belangte Behörde zurückgestellt. Die belangte Behörde verfügte daraufhin - ohne Erhebungen zum Umfang der Vertretungsbefugnis vorzunehmen - eine neuerliche Zustellung der Beschwerdevorentscheidung unmittelbar an den Mitbeteiligten.

22Im sodann durch den steuerlichen Vertreter eingebrachten Vorlageantrag wurde vorgebracht, der Mitbeteiligte habe den steuerlichen Vertreter (wiederum) beauftragt und bevollmächtigt; die Vollmacht umfasse keine Zustellvollmacht.

23Damit konnte zweifelhaft sein, ob bereits ursprünglich keine Zustellvollmacht vorgelegen war oder ob eine früher bestandene Zustellvollmacht geendet hatte. Es war Aufgabe der Behörde und auch des Verwaltungsgerichts, diese Zweifel zum Umfang der Vertretungsbefugnis zu beurteilen (§ 83 Abs. 2 BAO). Dazu kam - wie vom Bundesfinanzgericht vorgenommen - auch eine Anfrage an den Mitbeteiligten (persönlich) in Frage. Es wäre sodann aber auch Aufgabe des Bundesfinanzgerichts gewesen, zu diesen Erhebungsergebnissen den Verfahrensparteien (insbesondere der belangten Behörde) Gehör zu gewähren und sich mit dem dazu erstatteten Vorbringen im Rahmen der Beweiswürdigung auseinander zu setzen.

24Vom Bundesfinanzgericht wurde aber - wie in der Revision zutreffend gerügt - Parteiengehör nicht gewährt. Die Relevanz dieses Verfahrensmangels wird in der Revision insoweit ausreichend dargelegt, als sich die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts sodann nicht mit dem (von der belangten Behörde somit erst in der Revision geltend gemachten) Vorbringen auseinandergesetzt hat. Demnach sei der belangten Behörde gegenüber nie behauptet worden, dass zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom keine Zustellvollmacht vorgelegen sei. Dieses Vorbringen würde zwar nicht ausschließen, dass (tatsächlich) damals keine Zustellvollmacht vorgelegen hatte. Im Rahmen der Beweiswürdigung wäre dazu aber ebenfalls zu berücksichtigen, dass ein derartiges Ergebnis eine Irreführung durch einen Berufsberechtigten iSd WTBG (vgl. insoweit - wenn auch zu § 30 Abs. 2 ZPO und einen Rechtsanwalt betreffend - ) implizieren könnte.

25Da sohin das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift (Parteiengehör) zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021130094.L00

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