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VwGH vom 23.08.2022, Ra 2021/13/0061

VwGH vom 23.08.2022, Ra 2021/13/0061

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des R B in H, vertreten durch Mag. Harald Redl, Rechtsanwalt in 2460 Bruckneudorf, Lagerstraße 2a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-129/002-2021, betreffend Aufschließungsabgabe gemäß § 38 NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde H, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Gemeinde H hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Nach den im Revisionsverfahren nicht bestrittenen Sachverhaltsannahmen des Verwaltungsgerichts erwarb der Revisionswerber mit Kaufvertrag vom von der Gemeinde H eine näher bezeichnete Liegenschaft (laut Teilungsplan neu aufgestelltes Grundstück). In diesem Kaufvertrag wurde u.a. vereinbart, dass für die Fläche einer bestehenden Bodenschutzanlage keine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben werde und für die Berechnung der Aufschließungsabgabe der Einheitssatz bei der Errechnung herangezogen werde, der im Jahr 2000 gegolten habe.

2Mit Schreiben vom beantragte der Revisionswerber die Bewilligung für die Errichtung einer Überdachung auf diesem Grundstück.

3Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister dem Revisionswerber die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung dieser Überdachung auf dem genannten Grundstück. Gleichzeitig wurde dieses Grundstück für die Fläche, die im Bauland liegt, zum Bauplatz erklärt. Dieser Bescheid blieb unbekämpft.

4Mit Abgabenbescheid vom schrieb der Bürgermeister dem Revisionswerber für dieses Grundstück eine Aufschließungsabgabe gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 vor. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Aufschließungsabgabe sei u.a. dann vorzuschreiben, wenn ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz erklärt worden sei; dies sei mit dem Bescheid vom erfolgt.

5Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid eine als „Einspruch“ bezeichnete Berufung. Er beantragte, die Aufschließungsabgabe „auf Basis des Kaufvertrages zu bestimmen“.

6Mit Bescheid des Gemeindevorstands vom wurde dieser Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, die Behörde sei verpflichtet eine Abgabenvorschreibung gemäß der NÖ Bauordnung 2014 durchzuführen; eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen den Parteien über Abgaben finde hier keine Anwendung.

7Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid eine als „Einspruch“ bezeichnete Beschwerde. Er beantragte neuerlich, die Aufschließungsabgabe „auf Basis des Kaufvertrages zu bestimmen“. In einem weiteren Schriftsatz führte der - nunmehr anwaltlich vertretene - Revisionswerber aus, die Aufschließungsabgabe sei verjährt. Die Gemeinde habe bereits seit 2007 das Grundstück als Baugrundstück behandelt sowie die darauf befindlichen Gebäude (letztmals 2011) bewilligt und „mit Fertigstellungsanzeige quittiert“. Die Gemeinde habe auch immer wieder bestätigt, dass es sich bei dem gegenständlichen Grundstück um Bauland handle, die Gemeinde sei auch davon ausgegangen, dass es sich um einen Bauplatz handle. Der Revisionswerber legte dazu Unterlagen betreffend frühere Baubewilligungen vor.

8Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Berechnungen der Abgabenbehörde stünden außer Streit. Strittig sei lediglich, ob die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe nur auf Basis der im Kaufvertrag vorgesehenen Vereinbarung hätte erfolgen dürfen.

10Die - erstmalige - Erklärung des Grundstückes zum Bauplatz sei mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Bürgermeisters vom erfolgt, in dem (auch) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Überdachung auf dem Grundstück erteilt worden sei. Für die Frage der Verpflichtung zur Entrichtung einer Aufschließungsabgabe nach § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 wegen rechtskräftiger Bauplatzerklärung sei es ohne Bedeutung, ob das Grundstück überhaupt zum Bauplatz zu erklären gewesen wäre. Diese Frage sei in dem Verfahren zur Bauplatzerklärung zu klären, nicht jedoch nach Eintritt der Rechtskraft des Bauplatzerklärungsbescheides in dem Verfahren betreffend Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe. Die Vorschreibung der Abgabe habe daher grundsätzlich unabhängig davon erfolgen können, ob das Grundstück zuvor bereits ein Bauplatz gewesen sei.

11Wenn der Revisionswerber auf die Bestimmungen des Kaufvertrages verweise, so seien die abgabenrechtlichen Tatbestände nach den Vorschriften des Abgabenrechts und nicht nach anderen Gesetzen zu beurteilen. Treffe eine Gemeinde beim Verkauf einer Liegenschaft mit einer Privatperson eine Übereinkunft, die sich auf die Anwendung bestimmter Vorgaben bei der Vorschreibung von Abgaben beziehe, so könne eine derartige Vereinbarung keinen Einfluss auf die hoheitliche Abgabenvorschreibung einer Behörde haben. Der Revisionswerber könne versuchen, die Differenz zwischen vereinbartem und angewendetem Einheitssatz auf zivilrechtlichem Weg einzufordern.

12Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach die Abgabenbehörde entsprechende Feststellungen zu treffen habe, die die Beurteilung ermöglichten, ob eine allfällige Verjährung des Abgabenanspruches eingetreten sei (Hinweis auf ). Das Verwaltungsgericht habe diese Frage augenscheinlich für irrelevant erachtet, womit es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet habe.

13Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde (Gemeindevorstand) eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

14Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

15Die Revision ist aus dem aufgezeigten Grund zulässig und begründet.

16Nach § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 ist dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 leg. cit. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11 leg. cit.) erklärt wird. Nach § 38 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 ist die Aufschließungsabgabe eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe.

17Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht der Grundsatz der Einmaligkeit einem weiteren Anfall der Abgabe auch dann entgegen, wenn der Abgabentatbestand bereits in der Vergangenheit verwirklicht wurde, die Abgabe aber nicht vorgeschrieben wurde und nunmehr Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Von der Behörde und vom Verwaltungsgericht sind dazu Erhebungen vorzunehmen und Feststellungen zu treffen, ob bereits früher entsprechende Abgabenansprüche (und - gegebenenfalls - in welcher Höhe) entstanden waren (vgl. , mwN).

18Der Revisionswerber hatte dazu - in einer ergänzenden Eingabe zur Beschwerde - auf frühere Baubewilligungen und insbesondere auch darauf verwiesen, dass die Baubehörde damals davon ausgegangen sei, dass ein Bauplatz vorliege. Aus den im Rahmen des Revisionsverfahrens vorgelegten Verfahrensakten geht hervor, dass mit Bescheid des Bürgermeisters vom (Baubewilligung für die Errichtung eines überdachten Mistplatzes) ausdrücklich ausgeführt wurde, das Grundstück sei bereits zum Bauplatz erklärt worden und gelte als Bauplatz im Sinne des § 11 NÖ Bauordnung (nach dem Vorlagebericht der belangten Behörde an das Verwaltungsgericht im Rahmen der Beschwerdevorlage wurden die früheren Baubewilligungen dem Verwaltungsgericht nicht vorgelegt).

19Es wäre - gerade im Hinblick auf das ergänzende Vorbringen des Revisionswerbers - Aufgabe des Verwaltungsgerichts gewesen, insbesondere auch die historischen Bau- und Abgabenakten darauf zu prüfen, ob vor dem Jahr 2020 ein Sachverhalt verwirklicht wurde, der einen Abgabentatbestand betreffend die Aufschließungsabgabe erfüllt hätte (vgl. dazu etwa ). Derartige Erhebungen hat das Verwaltungsgericht, das davon ausgegangen ist, dass die Vorschreibung der Abgabe unabhängig davon erfolgen könne, ob das Grundstück zuvor bereits ein Bauplatz war (also auch, ob es zuvor zu einem solchen erklärt worden war), in Verkennung der Rechtslage unterlassen. Dass das Grundstück aber erstmals mit dem Bescheid vom zum Bauplatz erklärt worden sei, wovon das Verwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausgeht, wurde vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt; es fehlen dazu auch beweiswürdigende Erwägungen. Soweit dazu in der Revisionsbeantwortung ausgeführt wird, die Baubehörde habe das Grundstück in der Vergangenheit fälschlicher Weise als Bauplatz behandelt, ein normativer Abspruch dazu sei aber früher nicht erfolgt, ist darauf zu verweisen, dass in einer Revisionsbeantwortung nachgetragene Überlegungen nicht geeignet sind, eine fehlende Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu ersetzen (vgl. , mwN).

20Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

21Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

22Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021130061.L00

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