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VwGH vom 27.05.2010, 2007/01/1286

VwGH vom 27.05.2010, 2007/01/1286

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des M K in I, geboren 1973, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 232.382/0/4E-V/13/02, betreffend §§ 7, 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Elfenbeinküste (Cote d'Ivoire), beantragte am die Gewährung von Asyl. Sein Vater - K K, ein sunnitischer Imam - sei am bei religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Mitgliedern der "Tidjani", einer ebenfalls islamisch-religiösen Gruppierung, in einer Moschee in der Stadt Bouafle getötet worden. Diesem sei vorgeworfen worden, die Inhalte seiner Predigten würden nicht mit den religiösen Auffassungen der "Tidjani" übereinstimmen. An diesem Vorfall seien insgesamt etwa 100 Personen beteiligt gewesen, es habe mehrere Tote gegeben. Der Beschwerdeführer sei geflüchtet, als die Auseinandersetzung gewalttätig geworden sei. Er befürchte, von Mitgliedern der genannten Gruppierung ebenfalls verfolgt und getötet zu werden.

Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Elfenbeinküste gemäß § 8 AsylG für zulässig. In seiner Begründung ging das Bundesasylamt im Wesentlichen davon aus, dass eine Auseinandersetzung zwischen religiösen Gruppierungen, bei denen der Vater des Beschwerdeführers ums Leben gekommen sei, "denkmöglich" sei. Gegen derartige, von Privatpersonen ausgehende Verfolgungshandlungen bestehe aber Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Staates Elfenbeinküste sowie die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde eine dagegen erhobene Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt 1.) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach der Elfenbeinküste" gemäß § 8 AsylG iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 für zulässig (Spruchpunkt 2.).

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer habe die von ihm im Verfahren behauptete Identität und sei Staatsangehöriger der Elfenbeinküste. Darüber hinaus könnten die von ihm vorgebrachten Fluchtgründe mangels Glaubwürdigkeit nicht festgestellt werden. Gemäß dem vorliegenden Auslandserhebungsergebnis habe es "im Staat Elfenbeinküste bezogen auf das Jahr 2002 tatsächlich religiöse Unruhen" gegeben, der Beschwerdeführer sei jedoch nicht in der Lage gewesen, seine persönliche Involvierung glaubhaft aufzuzeigen.

Begründet wurde dies mit der - aus Sicht der belangten Behörde - Vagheit und mangelnden Konkretisierung des Fluchtvorbringens. Der Beschwerdeführer habe lediglich die Eckpunkte einer leeren Rahmengeschichte geliefert, ohne diese durch eine detaillierte und lebendige Schilderung mit Leben erfüllen zu können. Zudem enthielten die Angaben des Beschwerdeführers eine "grobe Unstimmigkeit": Während er nämlich vor der belangten Behörde ausgesagt habe, er selbst habe gesehen, wie sich einige Menschen auf seinen Vater gestürzt und diesen geschlagen hätten und Blut aus dessen Körper geflossen sei, habe er vor dem Bundesasylamt angegeben, er habe erst später erfahren, dass sein Vater getötet worden sei und den Vorfall nicht so dargestellt, als ob er eigene Wahrnehmungen über die Misshandlung und Tötung des Vaters gehabt habe. Auch zur Frage, ob er mit Behörden Probleme gehabt habe, würden Unstimmigkeiten in den Angaben des Beschwerdeführers vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde wendet sich im Ergebnis zu Recht gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde.

Dem vorgelegten Verwaltungsakt zufolge veranlasste die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren Erhebungen zur Verifizierung der vom Beschwerdeführer behaupteten gewalttätigen Auseinandersetzung in einer Moschee in Bouafle am . In ihrem Erhebungsbericht vom führt die österreichische Botschaft Abidjan dazu - nach einer kurzen Darstellung des inner-islamischen Konfliktes zwischen orthodoxen Sunniten und "Tidjanis" - unter Berufung auf vor Ort durchgeführte Erkundigungen aus:

"Auf politischer Ebene wurde K K und seine Gruppe der Zusammenarbeit mit dem herrschenden ivorischen Regime (FPI) und der Spaltung des Islams bezichtigt. Mit diesem Hintergrund müssen die Vorfälle vom 20., 21. und in Bouafle gesehen werden. Es kam zu Zusammenstößen, in deren Verlauf K K und zwei weitere Personen getötet wurden."

Dem gegenüber verweist die belangte Behörde im Rahmen ihrer Länderfeststellungen (nur) auf allgemeine Berichte zu dem in der Elfenbeinküste ab September 2002 herrschenden Bürgerkrieg und dessen Aufarbeitung und führt zum individuellen Fluchtvorbringen aus, es habe dem vorliegenden Auslandserhebungsergebnis zufolge im Jahr 2002 - nicht näher dargestellte - religiöse Unruhen gegeben, wobei der Beschwerdeführer eine persönliche Involvierung nicht glaubhaft gemacht habe.

Die zuletzt genannte Annahme lässt allerdings unberücksichtigt, dass durch die von der belangten Behörde veranlassten Auslandserhebungen bestätigt wurde, dass der Anführer einer religiösen Gruppierung namens K K bei religiös bzw. politisch motivierten Zusammenstößen in Bouafle zwischen 20. und getötet wurde. Da die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität der Entscheidung zugrunde gelegt wurden und der Beschwerdeführer das fluchtauslösende Ereignis der Tötung seines Vaters mit datiert hat, hat die belangte Behörde nicht schlüssig begründet, warum diesem insoweit die Glaubhaftmachung einer "persönlichen Involvierung" in die genannten Vorfälle nicht gelungen sei. Eine Beweiswürdigung kann nämlich dann nicht als schlüssig im Sinne des Beurteilungsmaßstabes des Verwaltungsgerichtshofes angesehen werden, wenn dabei ein maßgeblicher Umstand nicht berücksichtigt wurde, der nach der Aktenlage zum Beweis strittiger Tatsachen objektiv geeignet ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/19/1031, mwH). Davon ausgehend hätte die belangte Behörde den realen Hintergrund der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Fluchtgründe berücksichtigen und die ihrer Ansicht nach gegen die Glaubwürdigkeit seiner Angaben sprechenden Argumente daran messen müssen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/01/0845, vom , Zl. 2004/01/0556, und vom , Zl. 2003/01/0300, mwH).

Anzumerken ist, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung nur darauf gestützt hat, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe nicht festgestellt werden könnten. Weder sind dem angefochtenen Bescheid Ausführungen zu entnehmen, aus welchen Gründen sich für den Beschwerdeführer (bei Zugrundelegung des sich aus dem Erhebungsbericht ergebenden Ereignisses) aus der religiös bzw. politisch motivierten Tötung seines Vaters eine ihn selbst betreffende begründete Furcht vor Verfolgung nicht ableiten ließe, noch hat sich die belangte Behörde die Annahmen des Bundesasylamtes zu eigen gemacht, es bestehe in der Elfenbeinküste gegen die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungsgefahr Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Staates bzw. eine innerstaatliche Fluchtalternative.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
UAAAE-88632