VwGH vom 03.12.2021, Ra 2021/12/0029
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision des J E in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W246 2230209-1/20E, betreffend Gebührlichkeit einer Funktionszulage gemäß § 74 GehG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Der Revisionswerber stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand (mit Wirkung vom ) als Beamter des Exekutivdienstes in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und war zunächst auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe E2a/Funktionsgruppe 5 ernannt. Mit Weisung vom wurde er mit Wirksamkeit ab vorübergehend mit der Führung der Gruppe 4 des Ermittlungsbereichs 4 (Wirtschaftskriminalität) im Ermittlungsdienst (ED) des Landeskriminalamtes Wien (LKA) betraut.
2Der Revisionswerber übte die damit verbundenen Tätigkeiten durchgehend von bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand aus. Dem Arbeitsplatz kam durchgehend die Wertigkeit der Verwendungsgruppe E2a der Funktionsgruppe 6 zu.
3Mit Schreiben vom beantragte der Revisionswerber die bescheidmäßige Feststellung der „Ablehnung seines Ansuchens um Bestätigung“ der ihm vorübergehend übertragenen Leitung der Gruppe 4 des Ermittlungsbereiches 4 (Wirtschaftskriminalität) des Ermittlungsdienstes und „der damit verbundenen Gewährung einer Ergänzungszulage“.
4Die Dienstbehörde des Revisionswerbers erließ daraufhin einen mit datierten Bescheid, mit dem das Verfahren bezüglich des „Antrags vom [gemeint wohl: ] auf Zuerkennung einer Verwendungsabgeltung/-zulage (§§ 75, 79 GehG) und Ergänzungszulage (§ 77a GehG) ... gemäß § 38 AVG ausgesetzt“ wurde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
5Am und am stellte der Revisionswerber jeweils auf die Erledigung des Antrags vom bezogene Anträge („Urgenzantrag“, „Ersuchen um Weiterführung des Verfahrens“), die die Behörde jeweils (mit Bescheiden vom und vom ) zurückwies. Die gegen diese Zurückweisungsbescheide gerichteten Beschwerden des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht jeweils ab.
6Mit Wirksamkeit vom wurde der Revisionswerber auf die Planstelle des Gruppenführers der Gruppe 4 des Ermittlungsbereichs 4 (Wirtschaftskriminalität) im ED des LKA (Verwendungsgruppe E2a/Funktionsgruppe 6) ernannt.
7In der gegen den Zurückweisungsbescheid vom gerichteten (mit datierten und bei der Behörde am eingelangten) Beschwerde brachte der Revisionswerber vor, dass bereits sein Antrag vom 21. (gemeint wohl: 15.) April 2015 so zu verstehen gewesen sei, dass er damit die Feststellung der Gebührlichkeit einer Funktionszulage beantragt habe.
8Mit (laut Eingangsstempel am bei der Behörde eingelangtem) Schreiben vom stellte der Revisionswerber den Antrag, über die ihm ab gebührenden Bezüge, „insbesondere auch betreffend die Funktionszulage“, bescheidmäßig abzusprechen. Dazu führte er im Wesentlichen aus, dass er seit auf einem Arbeitsplatz verwendet werde, welcher im Sinne des § 143 BDG 1979 der Funktionsgruppe 6 der Verwendungsgruppe E2a zugeordnet sei. Dem Revisionswerber würden daher die der Arbeitsplatzbewertung dieses Arbeitsplatzes entsprechenden Bezüge zustehen, welche insbesondere eine entsprechende Funktionszulage umfassen würden.
9Mit dem - im Säumnisweg ergangenen - angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht über diesen Antrag in der Weise ab, dass es in einem Spruchpunkt A) I. feststellte, dass dem Revisionswerber „für den Zeitraum vom bis eine Funktionszulage gemäß § 74 GehG für einen Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe E2a der Funktionsgruppe 6“ gebühre, und in einem Spruchpunkt A) II. den Antrag des Revisionswerbers „im Übrigen“ abwies. In seiner rechtlichen Würdigung führte das Bundesverwaltungsgericht (unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aus, dass eine vorläufige oder vorübergehende Betrauung mit einem Arbeitsplatz in der Regel dann in eine dauernde Betrauung übergehe, wenn der Beamte die Aufgaben des höherwertigen Arbeitsplatzes länger als sechs Monate durchgehend ausübe. Dass zum Zeitpunkt des „Beginns des verfahrensgegenständlichen Zeitraums ()“, zu dem der Revisionswerber bereits seit beinahe vier Jahren mit den Tätigkeiten dieses Arbeitsplatzes betraut gewesen sei, von einer dauernden Verwendung im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auszugehen sei, stehe für das Bundesverwaltungsgericht außer Frage.
10Den antragsabweisenden Teil seines Erkenntnisses (Spruchpunkt A) II.) begründete das Bundesverwaltungsgericht wie folgt:
„Da gemäß § 13b Abs. 1 GehG der Anspruch auf Leistungen verjährt, wenn er nicht innerhalb von drei Jahren, nachdem die anspruchsbegründende Leistung erbracht oder der anspruchsbegründende Aufwand entstanden ist, geltend gemacht wird, war der Antrag im Hinblick auf den vor dem liegenden Zeitraum ( bis ) abzuweisen.“
11Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
12Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zum Anfechtungsumfang führt die Revision aus, dass das Erkenntnis in seinem Spruchpunkt A) II. angefochten werde, das heißt insoweit, als damit über den Antrag vom (auf Feststellung der Gebührlichkeit einer Funktionszulage der Funktionsgruppe 6 der Verwendungsgruppe A2) in Bezug auf den Zeitraum vom bis abschlägig entschieden wurde. Ihre Zulässigkeit begründet die Revision unter anderem damit, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Begründungspflicht verletzt habe und in diesem Zusammenhang von jener Rechtsprechung abgewichen sei, wonach zur Beurteilung, ob ein Anbringen den Lauf der Verjährungsfrist unterbreche, der objektiv erkennbare Parteiwille maßgeblich sei. Das Verwaltungsgericht habe sich mit der Frage, ob dem Antrag vom im Lichte der (in der Revision näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verjährungsunterbrechende Wirkung zugekommen sei, nicht auseinandergesetzt, obwohl im Antrag vom auf diesen verwiesen worden sei. Zudem sei es aktenwidrig, dass nur der Zeitraum vom bis „verfahrensgegenständlich“ sei, weil der verfahrenseinleitende Antrag ausdrücklich die bescheidmäßige Absprache für den Zeitraum „ab “ begehrt habe.
13Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
14Die Revision ist im Hinblick auf die im Zulässigkeitsvorbringen angesprochene Beurteilung der Gebührlichkeit der Funktionszulage und der Verjährungsfrage zulässig.
15Sie ist auch begründet.
16Aus dem angefochtenen Erkenntnis geht hervor, dass das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht war, dass der Antrag des Revisionswerbers vom , soweit er auf die Feststellung der Gebührlichkeit von Ansprüchen seit dem gerichtet war, insoweit abzuweisen sei, als Ansprüche des Revisionswerbers „im Hinblick auf den vor dem liegenden Zeitraum“ verjährt seien.
17Diese Ansicht entspricht nicht der Rechtslage. Der Eintritt der Verjährung führt - wie sich aus § 13b Abs. 3 GehG 1956 ergibt - nicht zum Erlöschen eines Anspruches, sondern bewirkt lediglich, dass sich dieser in eine Naturalobligation verwandelt. Die Gebührlichkeit eines Anspruches darf daher nicht unter Hinweis auf Verjährung verneint werden (vgl. , mwH). Eine derartige Herangehensweise liegt jedoch dem angefochtenen, antragsabweisenden Spruchpunkt A) II. des Erkenntnisses zugrunde.
18Das Verwaltungsgericht belastete bereits dadurch sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
19Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Prämisse des Verwaltungsgerichts, wonach der Lauf der Verjährungsfrist erst durch den Antrag vom unterbrochen worden sei (sodass hinsichtlich der vor entstandenen Ansprüche Verjährung eingetreten sei) vor dem Hintergrund des Akteninhalts nicht nachvollziehbar ist.
20Der Revisionswerber hat in seiner gegen den Zurückweisungsbescheid vom gerichteten (bei der Behörde am eingelangten) Beschwerde vorgebracht, dass bereits sein Antrag vom so zu verstehen gewesen sei, dass er damit die Feststellung der Gebührlichkeit einer Funktionszulage beantragt habe.
21Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter, sondern auf den Inhalt der Eingabe, also auf das daraus erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an. Entscheidend ist, wie das Erklärte, also der Wortlaut des Anbringens unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel darf nicht davon ausgegangen werden, dass eine Partei einen von vornherein sinnlosen oder unzulässigen Antrag gestellt hat. Bei eindeutigem Inhalt eines Anbringens sind aber davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck gebrachte Absichten und Beweggründe ohne Belang. Es ist unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann, mag auch das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein (vgl. , mwN).
22Es mag sein, dass das in der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom erstattete Vorbringen des Revisionswerbers, wonach bereits sein Antrag vom so zu verstehen gewesen sei, dass er damit die Funktionszulage geltend gemacht habe, angesichts des gemäß der zitierten Rechtsprechung maßgeblichen eindeutigen Wortlauts des genannten Antrags unzutreffend ist. Spätestens ab dem Zeitpunkt der genannten Beschwerde lag angesichts des darin enthaltenen Vorbringens jedoch eine Erklärung des Revisionswerbers dahingehend vor, dass er (zumindest nunmehr) - auch - die Zuerkennung einer Funktionszulage begehrt. Die dem angefochtenen Erkenntnis offenbar zugrundeliegende Annahme, dass der Lauf der Verjährungsfrist erst durch den Antrag vom unterbrochen worden sei, lässt sich daher mit dem Akteninhalt nicht in Einklang bringen. Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses war der Antrag, über die ab gebührenden Bezüge „insbesondere auch betreffend die Funktionszulage“ bescheidmäßig abzusprechen. Es wäre daher über einen Zeitraum mit Beginn dieses Datums eine Feststellung betreffend die Gebührlichkeit der Zulage und (gegebenenfalls) in der Folge eine Feststellung betreffend die Verjährung zu treffen gewesen.
23Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im angefochtenen Umfang, also im Umfang des Spruchpunkts A) II. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
24Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021120029.L00 |
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