VwGH vom 30.05.2011, 2011/12/0056
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des G K in F, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom , Zl. BMJ-Pr45102/0001-Pr 7/2010, betreffend Entzug einer Naturalwohnung nach § 80 Abs. 5 Z. 1 BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Oberst in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und war im Jahr 1989 von seiner damaligen Dienststelle, der Justizanstalt M zur Justizanstalt I versetzt worden. Mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom wurde ihm mit Wirksamkeit vom die Wohnung in V im Gesamtausmaß von 121,15 m2 gemäß § 80 BDG 1979 als Naturalwohnung zur Benützung überlassen.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Bewerbung um die Stelle des Stellvertreters des Leiters der Justizanstalt F mit Wirksamkeit vom zur Justizanstalt F versetzt und am zu deren Leiter bestellt wurde.
Mit Bescheid vom entzog die Vollzugsdirektion als Dienstbehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer die ihm mit Bescheid vom zugewiesene Naturalwohnung gemäß § 80 Abs. 5 Z. 1 BDG und gewährte ihm gemäß § 80 Abs. 7 BDG 1979 eine Räumungsfrist bis , weil - so die wesentliche Begründung - im gegenständlichen Fall der Entziehungsgrund vorliege, da der Beschwerdeführer mit über eigenen Antrag zur Justizanstalt F versetzt worden sei.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, der Erstbescheid lasse jegliche Auseinandersetzung mit dem "historischen Sachverhalt, welcher zur verfahrensgegenständlichen Entziehung der Naturalwohnung führt, vermissen". Es liege keinesfalls im freien Ermessen der Dienstbehörde, eine Naturalwohnung zuzuweisen oder zu entziehen. Vielmehr seien solche Ermessensbescheide - wie auch alle anderen - zu begründen. Der Beschwerdeführer sei vor Erlassung des Erstbescheides mit einem Schreiben an die belangte Behörde herangetreten und habe zur Entziehung seiner Naturalwohnung eine klare und unmissverständliche Stellungnahme abgegeben. Die Naturalwohnung werde von ihm seit 21 Jahren gemeinsam mit seiner Frau innegehabt und die Bereitstellung der Naturalwohnung im Jahr 1989 sei von wichtigem dienstlichen Interesse gewesen. Mittlerweile habe er mehr als EUR 45.000,-- für Einrichtung in die gegenständliche Naturalwohnung investiert, da er mit dem Versprechen - eines namentlich genannten - Beamten des Bundesministeriums für Justiz eingezogen sei, auch nach seiner Ruhestandsversetzung in dieser Wohnung verbleiben zu können, weil es sich um eine Natural- und keine Dienstwohnung handle. Im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstgebers wäre auch zu beachten, dass die Entziehung der gegenständlichen Naturalwohnung für den Beschwerdeführer und dessen Ehegattin unüberwindbare finanzielle Nachteile nach sich ziehen würde. Aus seiner Sicht sei die Entziehung auch eine weitere Folge einer Ungleichbehandlung seiner Person im Zuge der Versetzung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung nicht Folge. Begründend führte sie unter Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus (Schreibungen im Original):
"Gemäß § 80 Abs. 5 Z 1 des Beamtendienstrechtsgesetzes (BDG) kann die Dienstbehörde …
Zwar weist die Verwendung des Wortes 'kann' im Wortlaut einer Gesetzesstelle grundsätzlich darauf hin, dass es sich bei der Bestimmung um eine Ermessensbestimmung handelt, jedoch ist dies für sich allein dennoch kein ausreichender Grund, in jedem Fall eine Ermessensbestimmung anzunehmen. Vielmehr ist auch auf den Zusammenhang sowie auf den Willen des Gesetzgebers Bedacht zu nehmen (historische bzw. teleologische Interpretation), sodass auch ungeachtet des Wortes 'kann' eine zwingende gesetzliche Bestimmung, eine 'unechte kann-Bestimmung' vorliegen kann. Im vorliegenden Fall liegt bei genauer Betrachtung aus folgenden Gründen eine ebensolche zwingende Bestimmung vor: Dem Begriff 'kann' im einleitenden Satz des § 80 Abs. 5 BDG idF vor der Novelle BGBl I 1998/123 wurde durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs … gerade nicht die Bedeutung beigemessen, dass dadurch dem Beamten ungeachtet des Vorliegens einer der im § 80 Abs. 5 BDG aufgeführten Tatbestände ein Anspruch auf eine begründete Ermessensentscheidung eingeräumt werden würde, sondern eine zwingende Bestimmung vorliegen würde, wobei im genannten Erkenntnis insbesondere das Vorliegen des Tatbestandes der auch im vorliegenden Fall anzuwendenden Z 1 leg. cit. als ausreichende Begründung angesehen wurde.
Zwar wurde dem Abs. 5 durch die genannte Novelle BGBl I 1998/123 ein Abs. 4a vorangestellt, der die Wortfolge 'hat zu entziehen' enthält, jedoch ergibt sich daraus keine Änderung des Bedeutungsgehalts des Abs. 5, da dieser nicht verändert wurde und auch den Gesetzesmaterialien zu dieser Novelle (RV 1258 BlgNR 20.GP 46) keine Hinweise darauf zu entnehmen sind, dass sich an dem - zu diesem Zeitpunkt durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bereits gefestigten - Bedeutungsinhalt des Abs. 5 etwas ändern sollte …
Aus all dem folgt, dass es sich bei der Bestimmung des § 80 Abs. 5 Z 1 BDG nicht um eine Ermessensbestimmung handelt, was auch bereits mehrfach vom Verwaltungsgerichtshof judiziert wurde ...
Die Inanspruchnahme eines der in § 80 Abs. 5 BDG genannten Entziehungsgründe ist als eine an die Dienstbehörde gerichtete Vorschrift zu werten, aus der bei Vorliegen der Voraussetzungen die Berechtigung und Verpflichtung der Dienstbehörde zur Entziehung der Dienstwohnung, nicht aber eine über die Feststellung des Vorliegens der der im Gesetz genannten Tatbestände hinausgehende Begründungspflicht im Sinne einer Ermessensregelung folgt. Auch eine Interessenabwägung hat die Dienstbehörde bei der Handhabung des § 80 Abs. 5 nicht vorzunehmen
...
Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der Bescheid der Vollzugsdirektion sowohl inhaltlich richtig, als auch in ausreichendem Maße begründet ist, da das Vorliegen der Voraussetzung des § 80 Abs. 5 Z 1, nämlich die Versetzung an einen anderen Dienstort, in der Begründung angeführt und darüber hinaus auch zu keiner Zeit vom Berufungswerber bestritten wurde."
Der Berufung sei daher nicht Folge zu geben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die - mit einem Antrag, ihr nach § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, verbundene - Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in seinem Recht auf Erlassung einer fehlerfreien Ermessensentscheidung sowie ausführlichen Begründung des Bescheides zur Ermöglichung einer zweckmäßigen Rechtsverfolgung verletzt".
Er sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, die Voraussetzung nach § 80 Abs. 5 Z. 1 BDG 1979, nämlich eine - rechtmäßige - Versetzung an einen anderen Dienstort liege im gegenständlichen Fall nicht vor. Der Beschwerdeführer sei auf Grund eines rechtswidrigen und anschließend ersatzlos aufgehobenen Bescheides des Präsidenten des Oberlandesgerichtes vom (als Dienstbehörde erster Instanz) wegversetzt worden. Die anschließende, auf Antrag des Beschwerdeführers erfolgte Versetzung zur Justizanstalt F sei ausschließlich eine Folge der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Versetzungsbescheides des Präsidenten des Oberlandesgerichtes. Der Beschwerdeführer sei gezwungen gewesen, einen Antrag auf Versetzung zu stellen, um seinen Schadensminderungspflichten nachzukommen. Die Ergänzungsbedürftigkeit des angefochtenen Bescheides betreffe die ursprüngliche, rechtswidrig erfolgte Versetzung des Beschwerdeführers und die dadurch für ihn entstandenen Notstandssituation, durch die er gezwungen gewesen sei, einen Versetzungsantrag zur Justizanstalt F zu stellen. Vor allem hätte die belangte Behörde auch darauf Bezug nehmen müssen, dass er alles in seiner Macht stehende getan habe, um eine Rückversetzung zur Justizanstalt I zu erreichen. Jegliche von ihm gestellte Anträge seien jedoch aus unerfindlichen Gründen abgelehnt worden. Die belangte Behörde habe auch den Umstand unberücksichtigt gelassen, dass er gemeinsam mit seiner Ehegattin die Naturalwohnung bereits seit 21 Jahren bewohne und davon habe ausgehen können, auch nach seiner Ruhestandsversetzung dort wohnhaft zu bleiben. Er habe mehr als EUR 45.000,-- in die Naturalwohnung investiert. Ein Umzug wäre für ihn und seine Familie unzumutbar.
§ 80 Abs. 2, 3, 5 Z. 1 und Abs. 9 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 - BDG 1979, Abs. 5 Z. 1 in der Fassung der 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 123, lautet:
"Sachleistungen
§ 80. …
(2) Dem Beamten kann im Rahmen des Dienstverhältnisses eine Dienst- oder Naturalwohnung zugewiesen werden. Dienstwohnung ist eine Wohnung, die der Beamte zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben beziehen muss, Naturalwohnung ist jede andere Wohnung. Die Zuweisung oder der Entzug einer Dienst- oder Naturalwohnung hat durch Bescheid zu erfolgen.
(3) Durch die Zuweisung einer Dienst- oder Naturalwohnung an den Beamten wird kein Bestandverhältnis begründet.
…
(5) Die Dienstbehörde kann die Dienst- oder Naturalwohnung entziehen, wenn
1. der Beamte an einen anderen Dienstort versetzt wird oder aus dem Dienststand ausscheidet, ohne dass das Dienstverhältnis aufgelöst wird,
…
(9) Die Dienstbehörde kann dem Beamten, der an einen anderen Dienstort versetzt wurde, dem Beamten des Ruhestandes oder den Hinterbliebenen des Beamten, die mit diesem bis zu dessen Tod im gemeinsamen Haushalt gelegt haben, so lange die tatsächliche Benützung der Naturalwohnung gestatten, als diese nicht für einen Beamten des Dienststandes dringend benötigt wird. Die Abs. 3 bis 8 gelten sinngemäß."
Vorab ist festzuhalten, dass Gegenstand des im Instanzenzug ergangenen Bescheides lediglich die Entziehung der Naturalwohnung (§ 80 Abs. 5 BDG 1979) sowie die Festlegung der Räumungsfrist war.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Inanspruchnahme der in § 80 Abs. 5 BDG 1979 genannten konkreten Entziehungsmöglichkeiten als eine an die Dienstbehörde gerichtete Vorschrift zu werten, aus der bei Vorliegen der gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen die Berechtigung (und Verpflichtung) der Dienstbehörde zur Entziehung der Dienst- oder Naturalwohnung, nicht aber eine über die Feststellung des Vorliegens der im Gesetz genannten Tatbestände hinausgehende Begründungspflicht im Sinne einer Ermessensregelung folgt. Eine Interessenabwägung, wie sie § 80 Abs. 9 BDG 1979 vorsieht, hat die Dienstbehörde bei Handhabung des § 80 Abs. 5 BDG 1979 nicht vorzunehmen. Die Entscheidung über den Entzug der Naturalwohnung nach § 80 Abs. 5 Z. 1 BDG 1979 stellt - anders, als es die vorliegende Beschwerde vermeint - ungeachtet der Verwendung des Wortes "kann" im Wortlaut der Bestimmung keine Ermessensentscheidung dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/12/0063, den hg. Beschluss vom , Zl. 2005/12/0199, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/12/0117, mwN).
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Prämisse der Beschwerde, wonach es sich beim angefochtenen Entzug der Naturalwohnung um eine Ermessensentscheidung handle, als verfehlt, womit auch das weitere Beschwerdevorbringen, das darauf abzielt, einen nach Ansicht der Beschwerde maßgeblichen "historischen Sachverhalt" zu relevieren, ins Leere gehen muss. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer an einen anderen Dienstort versetzt wurde, womit die erste Alternative des Tatbestandes des § 80 Abs. 5 Z. 1 BDG 1979 erfüllt ist. Damit müssen aber weitere Überlegungen der Beschwerde zur Motivation des Beschwerdeführers, seine Versetzung - und schließliche Funktionsbetrauung - im neuen Dienstort anzustreben, im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, womit sich eine Entscheidung über den Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigt.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, woraus insbesondere auch die Abweisung des Mehrbegehrens, soweit es die in der genannten Verordnung vorgesehenen Pauschbeträge übersteigt, folgt.
Wien, am