VwGH vom 31.03.2010, 2007/01/1216

VwGH vom 31.03.2010, 2007/01/1216

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des D S (geboren 1964) in W, vertreten durch Mag. Alexandra Cervinka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 3/13, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 213.818/0/35E-VIII/23/99, betreffend § 8 iVm § 15 Abs. 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien, stammt aus Belgrad und stellte am einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.) und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum erteilt (Spruchpunkt III.).

Mit Bescheid des BAA vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG die "befristete" Aufenthaltsberechtigung bis zum erteilt.

Mit Bescheid des BAA vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 (AsylG 2005), die "befristete" Aufenthaltsberechtigung bis zum erteilt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid gemäß § 8 iVm § 15 Abs. 2 AsylG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das BAA habe zu Unrecht bereits die Rechtslage des AsylG 2005 angewendet. Vielmehr hätten gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 und § 44 Abs. 3 AsylG die §§ 8 und 15 AsylG idF der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 angewendet werden müssen. Dieser dem BAA "unterlaufene Fehler" führe jedoch nicht zu einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides, da sich die Lage im Kosovo im Verhältnis zum Jahr 1999 stark gebessert habe ("kein Krieg mehr, Konsolidierung des politischen Prozesses, auch wenn es nach wie vor Ungereimtheiten gibt, die sich jedoch mehr auf diplomatischer Ebene abspielen"). In seiner Stellungnahme vom habe sich der Beschwerdeführer auf das bisherige Vorbringen berufen, ohne jedoch auf die angesprochene aktuelle, sich zusehends normalisierende Situation im Kosovo einzugehen. Gerade die derzeitige Lage gebiete es jedoch, den Aufenthalt des subsidiär Schutzberechtigten mit einem Jahr zu befristen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über welche der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Gemäß § 75 Abs. 6 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 (im Folgenden: AsylG 2005) gilt einem Fremden, dem am eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 oder des AsylG 1997 zugekommen ist, der Status des subsidiär Schutzberechtigten als zuerkannt.

Im Beschwerdefall kam dem Beschwerdeführer (in diesem Sinne) am eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu, sodass ihm mit In-Kraft-Treten des AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten als zuerkannt galt und die Verlängerung daher auch - wie das BAA zutreffend erkannt hat - nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zu beurteilen war.

Im Übrigen spricht auch die für die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde ins Treffen geführte Literatur ( Frank/Anerinhof/Filzwieser , AsylG 2005 (2006), 666, K8) davon, dass sich Verlängerungen von befristeten Aufenthaltsberechtigungen nach der neuen Rechtslage (gemeint: des AsylG 2005) richten.

2. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Während § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 für die erstmalige Erteilung der Aufenthaltsberechtigung eine Gültigkeitsdauer von einem Jahr normiert (arg.: "gilt ein Jahr"), ist für die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung eine derartige Gültigkeitsdauer nicht vorgesehen (arg.: "wird … verlängert"). So gehen auch Frank/Anerinhof/Filzwieser , AsylG 2005 (2006), 243, K27, davon aus, dass (in § 8 Abs. 4 AsylG 2005) für die Verlängerung keine Frist vorgesehen ist. Die gegenteilige Auffassung von Feßl/Holzschuster , Asylgesetz 2005 - Kommentar (2006), 299, wonach der Behörde auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung kein Ermessen im Hinblick auf die Gültigkeitsdauer eingeräumt wird, wird vom Wortlaut des § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 nicht gedeckt. Auch der Hinweis von Feßl/Holzschuster auf Art. 24 Abs. 2 der Statusrichtlinie (vgl. § 2 Z. 9 AsylG 2005) führt zu keinem anderen Ergebnis, da diese Bestimmung nur davon spricht, dass die Mitgliedstaaten einen Aufenthaltstitel ausstellen, "der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss". Über die Dauer der Verlängerung trifft diese Bestimmung keine Aussage. Ebenso enthalten die Materialien zu § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR XXII. GP, 37) keine Aussage in Richtung einer Gültigkeitsdauer der Verlängerung von einem Jahr, sondern sprechen im Gegenteil davon, dass das Aufenthaltsrecht "nach den europarechtlichen Vorgaben mindestens ein Jahr zu dauern" hat und "anschließend über Antrag gegebenenfalls verlängert wird". Am Fehlen einer Gültigkeitsdauer für die Verlängerung in § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ändert auch die mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, mit Wirkung vom (§ 73 Abs. 7) erfolgte Änderung des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 nichts, nach der (auch) die Verlängerung nur für ein weiteres Jahr zu erteilen ist. Diese Änderung kann vielmehr als Argument dafür gesehen werden, dass der Bundesgesetzgeber eine Ergänzung des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 in diese Richtung für erforderlich gehalten hat (vgl. insoweit die Materialien RV 330 BlgNR XXIV. GP, 9, die von der "Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten" sprechen).

Zu den Voraussetzungen der Verlängerung und damit auch ihrer Dauer ergibt sich aus § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 (arg.: "im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen"), dass die Verlängerung auf Antrag des Betroffenen und nach Maßgabe des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den subsidiären Schutz zu erfolgen hat. Dies entspricht auch Art. 16 der Statusrichtlinie, wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen.

3. Ausgehend von dieser Rechtslage hat die belangte Behörde bei der Prüfung der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil sie ohne erkennbaren Grund davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer nicht - wie im bisherigen Verfahren unstrittig und auch im Kopf des angefochtenen Bescheides angeführt - aus Serbien (konkret aus Belgrad), sondern aus dem Kosovo stammt.

Insoweit erweist sich auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Begründung, welche auf einer Besserung der Lage im Kosovo beruht, als verfehlt.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am