VwGH vom 07.02.2022, Ra 2021/11/0177
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des G A in N, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-652154/5/FP, betreffend Zurückverweisung i.A. (Wieder-)Erteilung einer eingeschränkten Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Perg), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit (rechtskräftigem) Mandatsbescheid der belangten Behörde vom wurde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers für näher genannte Klassen für die Dauer von acht Monaten gemäß §§ 7 Abs. 1 und 3, 24 Abs. 1 Z 1 und 3, 25 Abs. 1 erster Satz und Abs. 3, 26 Abs. 2 Z 1 und 29 Abs. 4 Führerscheingesetz (FSG) entzogen, weil dieser am ein Kraftfahrzeug mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,97 mg/l gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht habe. Weiters wurden die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme sowie eines amtsärztlichen Gutachtens und eine Nachschulung angeordnet.
2Mit (rechtskräftigem) Bescheid der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber die Lenkberechtigung unter Auflagen („Code 104“; Beibringung einer Haaranalyse auf Ethylglucuronid in dreimonatigen Abständen sowie einer Nachuntersuchung mit Haaranalyse auf Ethylglucuronid in einem Jahr, spätestens am ) befristet bis „erteilt“.
3Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber angesichts von Befunden, die erhöhte Ethylglucuronidwerte aufwiesen, und eines darauf basierenden negativen amtsärztlichen Gutachtens vom die Lenkberechtigung für die Dauer der fehlenden gesundheitlichen Eignung entzogen. Nach Vorlage weiterer Befunde durch den Revisionswerber und Einholung eines ergänzenden amtsärztlichen Ergänzungsgutachtens vom hob die Behörde - über Vorstellung - mit (rechtskräftigem) Bescheid vom die mit Bescheid vom ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung auf, schränkte aber unter einem die Lenkberechtigung unter Befristung bis sowie unter den Auflagen „Code 104“ und „Code 68 [kein Alkohol]“ ein.
4Am wurde dem Revisionswerber der (am ausgestellte) Führerschein ausgefolgt und ihm eine Bestätigung gemäß § 8 Abs. 5 FSG (befristet bis zum ) ausgestellt.
5Im gegenständlichen Verfahren wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für näher genannte Klassen befristet bis zum unter der Auflage der Vorlage von Befunden im Zeitraum von bis (Kontrolluntersuchung zur Haaranalyse auf Ethylglucuronid alle drei Monate im ersten Halbjahr nach Aufforderung durch die Behörde zwecks Kontrolle der Konsumparameter in dreimonatigen Abständen; alle drei Monate unaufgefordert zu übermittelnde Besuchsbestätigung einer Alkoholberatung; bei der nächsten amtsärztlichen Untersuchung in einem Jahr, spätestens am , vorzulegende Unterlagen, nämlich eine Haaranalyse auf Ethylglucuronid sowie eine Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie) wieder erteilt. Als Rechtsgrundlagen wurden §§ 5 Abs. 5, 8 Abs. 3, 3a und 4 FSG sowie § 24 Abs. 1 Z 2 FSG angeführt.
6Die Behörde verwies auf ein amtsärztliches Gutachten vom , in dem grundsätzlich von der aktuellen, gesundheitlichen Eignung des Revisionswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausgegangen worden sei. Durch den Amtsarzt sei jedoch auch festgestellt worden, dass „in der Vorgeschichte“ trotz der Auflagen ein wiederholter Alkoholkonsum stattgefunden habe. Dieser werde zwar vom Revisionswerber negiert, könne aber mittels „Haaranalyse“ nachgewiesen werden. Dem Revisionswerber sei es offensichtlich nicht möglich gewesen, seinen Alkoholkonsum für diesen Zeitraum einzuschränken. Dies sei als Hinweis auf eine Alkoholkrankheit zu werten und erfordere eine erneute Befristung der Lenkberechtigung unter Auflagen, um von einer gesundheitlichen Eignung ausgehen zu können. Dieses schlüssige und nachvollziehbare Gutachten werde der behördlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens sei die Lenkberechtigung des Revisionswerbers „spruchgemäß einzuschränken“.
7Der Revisionswerber erhob Beschwerde und brachte vor, über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren eine ganze Reihe von „Haaranalysen“ vorgelegt zu haben, wobei sich aus den entsprechenden Befunden kein bzw. lediglich ein moderater Alkoholkonsum ergebe. Es liege keine Krankheit im Sinn von § 5 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) vor. Gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV sei eine fachärztlich-psychiatrische Stellungnahme nur bei Alkoholabhängigkeit oder gehäuftem Missbrauch von Alkohol zu verlangen; diese Voraussetzungen lägen gegenständlich nicht vor.
8Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in Stattgabe der Beschwerde und ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Bescheid vom auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
9Nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie diverser Gutachten und Befunde hielt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fest, der Revisionswerber habe bis in die jüngere Vergangenheit Alkohol gehäuft missbraucht. Es bestehe der Verdacht, dass er von Alkohol abhängig sei.
10Dem amtsärztlichen Gutachten vom sowie dem darauf gestützten Bescheid vom fehle es an im Hinblick auf § 14 Abs. 5 FSG-GV erforderlichen Feststellungen zur Frage, ob der Revisionswerber von Alkohol abhängig gewesen sei oder damit gehäuften Missbrauch begangen habe. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers sei von einem relevanten, gehäuften Missbrauch von Alkohol „in der rezenten Vergangenheit“ auszugehen. Im Rahmen des verkehrspsychologischen Anamnesegespräches habe dieser selbst dargelegt, zweimal pro Woche acht bis neun Bier konsumiert zu haben. Die Konsumation von derart hohen Mengen von Alkohol habe auch zum gegenständlichen Verkehrsunfall geführt. An anderer Stelle habe der Revisionswerber angegeben, zwei- bis dreimal pro Woche zwei bis drei Bier konsumiert zu haben. Es handle sich dabei um Trinkmengen, die das gesellschaftlich übliche Maß bei Weitem überstiegen, sodass es nicht verwundere, dass die Verkehrspsychologin eine Gewöhnung an Alkohol angenommen habe, die auch dazu geführt habe, dass der Revisionswerber in der Lage gewesen sei, „mit fast 2 Promille“ ein Kraftfahrzeug noch über eine nennenswerte Strecke zu lenken. Zwar liege der Verkehrsunfall bereits mehr als zwei Jahre zurück, jedoch lasse sich aus der Stellungnahme der den Revisionswerber aktuell begutachtenden Fachärztin sowie der Verkehrspsychologin ableiten, dass diese von der Notwendigkeit einer nachhaltigen Änderung von dessen Trinkgewohnheiten ausgingen. Der Revisionswerber habe zunächst Abstinenz eingehalten, jedoch zeigten die „Haaranalysen“, dass er dann seine Konsumation wieder gesteigert und mit 67 pg/ml Ethylglucuronid („Barthaaranalyse“) einen durchaus markanten Wert erreicht habe, der wiederum auf einen übermäßigen Alkoholkonsum schließen lasse. Dementsprechend hege auch die Amtsärztin in Zusammenschau mit einem zwischenzeitlich eingelangten weiteren hohen Ethylglucuronidwert den Verdacht einer Abhängigkeitserkrankung, der vor Ergehen des amtsärztlichen Gutachtens durch Einholung einer fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme abzuklären gewesen wäre.
11Beim Revisionswerber sei von einem noch relevanten, weil in die rezente Vergangenheit reichenden gehäuften Missbrauch im Sinn von § 14 Abs. 5 FSG-GV auszugehen. Er habe bis vor ca. zwei Jahren ganz erhebliche Mengen an Alkohol konsumiert, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts durchaus den Verdacht einer Abhängigkeit rechtfertigten. Auch die in der verkehrspsychologischen Stellungnahme beschriebene Gewöhnung des Revisionswerbers an Alkohol sei evident, zumal eine nicht ganz erheblich an Alkohol gewöhnte Person bei fast 2 Promille Alkohol im Blut derartige Ausfallserscheinungen aufwiese, dass ihr das Lenken eines Fahrzeuges nicht mehr möglich wäre. Der Revisionswerber sei noch in der Lage gewesen, sein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und es über eine gewisse Strecke zu lenken. Üblicherweise werde in solchen Fällen eine Gewöhnung an Alkohol angenommen. Weiters sei gerichtsbekannt, dass eine Stabilisierung eines „solchen“ Zustandes längerfristige Abstinenz erfordere, um eine Rückfallgefahr in alte Konsummuster zu unterbinden. Davon könne beim Revisionswerber nach dem Gesagten allerdings nicht ausgegangen werden, weil er noch bis etwa Jänner 2021 beträchtlich dem Alkohol zugesprochen haben müsse. Dies ergebe sich aus dem hohen Ethylglucuronidwert. Dementsprechend habe auch die Amtsärztin in ihrem Gutachten vom den Verdacht des Vorliegens einer Alkoholkrankheit geäußert, der gemäß § 14 Abs. 1 FSG-GV ebenfalls zwingend zur Einholung einer fachärztlichen Stellungnahme hätte führen müssen.
12Weder das amtsärztliche Gutachten noch der vor dem Verwaltungsgericht bekämpfte Bescheid enthielten eine konkrete Aussage zu einem Krankheitsbild des Revisionswerbers im Sinn von § 14 FSG-GV. Diesbezüglich habe die Behörde keine Subsumtion vorgenommen. Da zumindest ein gehäufter Missbrauch, jedenfalls aber auch der Verdacht einer Abhängigkeitssymptomatik offensichtlich seien, sei der wesentliche Sachverhalt angesichts des Fehlens einer zwingend einzuholenden fachärztlichen Stellungnahme unvollständig erhoben worden. Ob, wann und in welcher Form ein allfälliger, gehäufter Missbrauch stattgefunden habe und welches Gewicht diesem beizumessen sei, bleibe (sowie auch das allfällige Vorliegen einer Abhängigkeit) im Bescheid vom offen, weil die diesbezügliche fachärztliche Äußerung fehle. Das vorliegende amtsärztliche Gutachten sei weder als Grundlage für eine eingeschränkte Erteilung der Lenkberechtigung noch für die Vorschreibung von Auflagen in Form von Kontrolluntersuchungen geeignet. Die Behörde hätte zunächst unter Einbeziehung der Amtsärztin ermitteln müssen, ob beim Revisionswerber eine Krankheit im Sinn von § 14 FSG-GV vorliege; eine solche sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichts in Form eines gehäuften Missbrauchs gegeben. Folglich wäre es an der Behörde gewesen, den Revisionswerber mit Verfahrensanordnung aufzufordern, eine befürwortende fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen, die Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung sei.
13Die erforderlichen „Mindestfeststellungen“ betreffend die Frage des Vorliegens eines gehäuften Missbrauchs von Alkohol, insbesondere in Bezug auf die Häufigkeit und die Intensität eines allfälligen Alkoholkonsums, seien unterblieben. Die Feststellung einer nach der FSG-GV relevanten Gegebenheit (gehäufter Missbrauch von Alkohol bzw. Alkoholabhängigkeit [in der Vergangenheit]) sei nicht getroffen worden. Aufgrund des Fehlens der fachärztlichen Stellungnahme, die gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV die zentrale Entscheidungsgrundlage bzw. erst die Basis für das amtsärztliche Gutachten betreffend die Notwendigkeit und die Modalitäten der eingeschränkten Erteilung einer Lenkberechtigung (durch konkrete Auflagen und einen konkreten Befristungszeitraum) darstelle, könne bestenfalls von bloß ansatzweise vorhandenen Ermittlungsergebnissen gesprochen werden.
14Die Zurückverweisung der Angelegenheit sei im Interesse der Raschheit und Kostenersparnis gelegen. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht liege nicht im Sinn der Verfahrensökonomie, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung des Revisionswerbers durch die der belangten Behörde beigeordnete Amtsärztin bedeutend rascher durchgeführt werden könne. Der vorliegende Fall und dessen Umstände seien der Behörde und der Amtsärztin bereits bekannt. Diese Kenntnisse könnten in den neuen Bescheid und das neu zu erstellende Gutachten einfließen.
15Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit u.a. vorgebracht wird, die Voraussetzungen für eine aufhebende und zurückverweisende Entscheidung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG lägen fallbezogen nicht vor. Im Hinblick auf die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ein gehäufter Missbrauch von Alkohol und der Verdacht auf eine Alkoholabhängigkeit bestünden, wäre die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten gewesen.
16Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
17Der Revisionswerber übermittelte dazu eine Äußerung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
18Die Revision ist im Hinblick auf das oben wiedergegebene Zulässigkeitsvorbringen zulässig und berechtigt.
19§ 5 FSG in der Fassung BGBl. I Nr. 76/2019 lautet auszugsweise:
„Verfahren bei der Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 5 ...
(5) Die Lenkberechtigung ist, soweit dies auf Grund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen (§ 8 Abs. 3 Z 2). Personen, die nach dem ärztlichen Gutachten ‚beschränkt geeignet‘ sind, darf nur eine eingeschränkte Lenkberechtigung erteilt werden, die ausschließlich zum Lenken eines oder mehrerer, auf Grund der Beobachtungsfahrt bestimmter Ausgleichkraftfahrzeuge berechtigt (§ 9 Abs. 5). Die aufgrund des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befristungen, Beschränkungen oder Auflagen sind dem Antragsteller von der Behörde zur Kenntnis zu bringen.“
20§ 14 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV), BGBl. II Nr. 322/1997 in der Fassung BGBl. II Nr. 427/2002, lautet auszugsweise:
„Alkohol, Sucht- und Arzneimittel
§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, daß sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.
...
(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Mißbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.“
21Vorauszuschicken ist, dass mit dem vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid vom dem Revisionswerber die Lenkberechtigung mit Einschränkungen neuerlich erteilt (vgl. § 5 Abs. 5 FSG) und nicht etwa eine bestehende Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 FSG eingeschränkt wurde. Soweit im Bescheid vom als Rechtsgrundlage auch § 24 Abs. 1 Z 2 FSG angeführt wurde, ist dieses Zitat unzutreffend.
22Zuletzt war eine nachträgliche Befristung der Lenkberechtigung bis erfolgt, sodass die Lenkberechtigung ungeachtet eines rechtzeitigen Verlängerungsantrages mit Ablauf dieser Frist erlosch (§ 27 Abs. 1 Z 2 FSG). Im Revisionsfall geht es somit weder um die Entziehung noch um die Einschränkung einer bestehenden Lenkberechtigung. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit des Führerscheinentziehungsverfahrens liegt entgegen den Ausführungen der Revision nicht vor.
23Das Verwaltungsgericht ist jedoch aus nachstehenden Gründen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen:
24Der angefochtene Beschluss beruht im Wesentlichen auf der Ansicht, es liege in der jüngeren Vergangenheit ein gehäufter Missbrauch von Alkohol durch den Revisionswerber vor, sodass gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV die Einholung einer fachärztlichen Stellungnahme erforderlich und daher die Sache zum Zweck der Einholung einer solchen Stellungnahme an die Behörde zurückzuverweisen gewesen sei.
25Wenn das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall die Zurückverweisung der Sache gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG damit begründet, es fehle die unbedingt erforderliche fachärztliche Stellungnahme gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV und damit das entscheidende Ermittlungsergebnis des Verfahrens, so legt es damit - trotz Bestreitung durch den Revisionswerber - zugrunde, dass bei diesem (eine der) Tatbestandsvoraussetzungen der letztgenannten Bestimmung (fallbezogen: gehäufter Missbrauch von Alkohol in der Vergangenheit) erfüllt sei(en), weil andernfalls die Einholung der fachärztlichen Stellungnahme gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV nicht zwingend wäre, und überbindet diese Ansicht gleichzeitig der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde (§ 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG; vgl. ; , Ra 2021/11/0164).
26In diesem Zusammenhang ist dem Verwaltungsgericht jedoch vorzuwerfen, dass die Sachverhaltsvoraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 5 FSG-GV gegenständlich zunächst einer Klärung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bedurft hätten.
27Wie das Verwaltungsgericht selbst ausführte, enthielten weder das amtsärztliche Gutachten vom noch der Bescheid vom zur Frage, ob ein gehäufter Alkoholmissbrauch vorgelegen sei, konkrete Ausführungen. Die vom Verwaltungsgericht dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegte Sachverhaltsannahme (gehäufter Alkoholmissbrauch in der Vergangenheit) hatte der Revisionswerber in seiner Beschwerde ausdrücklich bestritten. Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits ca. 27 Monate seit dem (im Mittelpunkt der verwaltungsgerichtlichen Erwägungen stehenden) Vorfall vom vergangen waren. Im amtsärztlichen Gutachten vom wurde (soweit ersichtlich auch) in Ansehung der (für die verwaltungsgerichtliche Betrachtung ebenfalls ausschlaggebenden) Befunde vom sowie , die jeweils eine relevante Erhöhung des Ethylglucuronidwertes aufwiesen, und eines weiteren Befundes vom zur „derzeitigen Situation mit Haaranalysen“ festgehalten, dass diese den Hinweis auf einen lediglich geringen Alkoholkonsum ergäben. In der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom wurde ausgeführt, dass aktuelle Tendenzen des Revisionswerbers zum Alkoholmissbrauch auch testmäßig nicht zu erschließen seien. Überdies ist dem ergänzenden amtsärztlichen Gutachten vom nicht zu entnehmen, dass die Ergebnisse der „Haaranalysen“ vom und Anlass für die Annahme eines gehäuften Missbrauchs von Alkohol oder einer Alkoholabhängigkeit geboten hätten.
28Vor diesem Hintergrund irrte das Verwaltungsgericht, wenn es davon ausging, dass seiner Entscheidung ein gehäufter Missbrauch von Alkohol im Sinn des § 14 Abs. 5 FSG-GV in der Vergangenheit ohne weitere Ermittlungsschritte „als offensichtlich“ zugrunde zu legen gewesen sei. Vielmehr erforderten die Sachverhaltsannahmen, auf denen der angefochtene Zurückverweisungsbeschluss beruhte, gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine Klärung im Rahmen einer Verhandlung (, 0020). Insofern fehlt es der genannten Beurteilung des Verwaltungsgerichts an einer verfahrensrechtlich tragfähigen Grundlage (siehe auch ). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung schließt es auch nicht von vornherein aus, danach die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen (vgl. ).
29Soweit das Verwaltungsgericht auf einen „jedenfalls aber auch“ bestehenden Verdacht auf eine Alkoholabhängigkeit und eine aus diesem Grund beizubringende fachärztliche Stellungnahme verwies, ist Folgendes festzuhalten:
30Für einen Verdacht im Sinn des § 14 Abs. 1 letzter Satz FSG-GV, es bestehe eine (aktuelle) Alkoholabhängigkeit, reicht ein einmaliger oder in großen zeitlichen Abständen vorkommender Alkoholmissbrauch nicht aus (; siehe auch ; , Ra 2020/11/0146). Weiters ist zu den Überlegungen des Verwaltungsgerichts betreffend eine bereits in der Vergangenheit bestehende Gewöhnung des Revisionswerbers an Alkohol anzumerken, dass eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie in einem (im Akt auszugsweise in Kopie befindlichen) „Befund“ vom zur Beurteilung gelangte, dass zum damaligen Zeitpunkt eine Alkoholkrankheit nicht habe diagnostiziert werden können.
31Im Übrigen hat der Revisionswerber in seiner Beschwerde das Bestehen einer Erkrankung im Sinn von § 5 FSG-GV, insbesondere einer Alkoholabhängigkeit, ausdrücklich unter Hinweis auf diverse Befunde bestritten und vorgebracht, über einen längeren Zeitraum freiwillig eine Alkoholkarenz eingehalten zu haben. Insofern greifen die obenstehenden Ausführungen zur Verhandlungspflicht Platz; dies gilt auch für die allfällige verwaltungsgerichtliche Annahme einer (früheren) Alkoholabhängigkeit im Sinn von § 14 Abs. 5 FSG-GV. Im Übrigen würde für die zuletzt genannte Tatbestandsvoraussetzung ein bloßer Verdacht nicht ausreichen.
32Schließlich ist klarzustellen, dass die (vom Verwaltungsgericht angenommene) Erforderlichkeit einer Stellungnahme nach § 14 Abs. 1 zweiter Satz FSG-GV ohnehin keinen Einfluss auf den Ausgang des gegenständlichen Revisionsverfahrens haben könnte. Jenen Passagen des angefochtenen Beschlusses, in denen die Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG wegen eines gehäuften Missbrauchs von Alkohol in der Vergangenheit tragend auf § 14 Abs. 5 FSG gestützt wird, kommt - wie dargelegt - Bindungswirkung zu. Daraus folgt aber, dass dem Revisionswerber im weiteren Verfahren, wenn eine befürwortende fachärztliche Stellungnahme im Sinn von § 14 Abs. 5 FSG-GV beigebracht werden sollte, die Lenkberechtigung nur unter der Auflage (näher zu präzisierender) ärztlicher Kontrolluntersuchungen (in Verbindung mit einer Befristung und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung, dazu ; , Ra 2017/11/0232) zu erteilen wäre. Im Fall des § 14 Abs. 1 zweiter Satz FSG-GV wäre indes bei Vorlage einer fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme, aus der sich das Nichtbestehen einer aktuellen Alkoholabhängigkeit ergäbe, die Lenkberechtigung (sofern nicht andere Gründe entgegenstehen) dem Revisionswerber uneingeschränkt zu erteilen. Anderenfalls, d.h. wenn die fachärztliche psychiatrische Stellungnahme eine aktuelle Alkoholabhängigkeit attestierte, wäre aber die Lenkberechtigung nicht bloß eingeschränkt, sondern gar nicht zu erteilen ().
33Die in § 14 Abs. 1 und Abs. 5 FSG-GV vorgesehenen Rechtsfolgen sind nicht ident. Daher ist es rechtlich nicht bedeutungslos, ob im weiteren Verfahren - infolge der Bindung an den angefochtenen Zurückverweisungsbeschluss - eine fachärztliche Stellungnahme gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV und/oder gemäß § 14 Abs. 1 zweiter FSG-GV einzufordern ist (). Da die auf Abs. 1 und Abs. 5 des § 14 FSG-GV bezogenen Überlegungen des Verwaltungsgerichts somit rechtlich nicht zum selben Ergebnis führen, stellt die im angefochtenen Beschluss zu § 14 Abs. 1 FSG-GV vertretene Auffassung keine taugliche Alternativbegründung für die durch den angefochtenen Beschluss betreffend § 14 Abs. 5 FSG-GV überbundene Rechtsansicht dar. Daher vermögen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu § 14 Abs. 1 FSG-GV, selbst im Fall, dass sie rechtlich zutreffend wären (dazu aber oben), jedenfalls nichts an der hinsichtlich § 14 Abs. 5 FSG-GV aufgezeigten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses zu ändern.
34Aus den dargelegten Erwägungen belastete das Verwaltungsgericht den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. In einer Konstellation wie der vorliegenden ist eine Vorgangsweise nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht zulässig.
35Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
36Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110177.L00 |
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Fundstelle(n):
IAAAE-88610