VwGH vom 30.11.2021, Ra 2021/11/0161

VwGH vom 30.11.2021, Ra 2021/11/0161

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des O B in W, vertreten durch Mag. Peter Petz, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wohllebengasse 16/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-2546/001-2020, betreffend Übertretung des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Krems), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft mit Sitz in Slowenien zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin sechs namentlich genannte Arbeitnehmer in einem näher genannten Zeitraum im Jahr 2020 nach Österreich entsendet und dort beschäftigt habe, ohne ihnen zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten. Dadurch habe der Erstmitbeteiligte gegen § 29 Abs. 1 Lohn- und Sozialdumping Bekämpfungsgesetz - LSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016, verstoßen, weswegen über ihn pro Arbeitnehmer eine Geldstrafe (und jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe) sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verhängt wurden.

2Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen - in der mündlichen Verhandlung auf die Strafhöhe eingeschränkten - Beschwerde des Revisionswerbers insoweit Folge, als fünf der sechs Geldstrafen samt Ersatzfreiheitsstrafen sowie die Verfahrenskosten herabgesetzt wurden. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ( u.a, Maksimovic u.a.) sowie des Verwaltungsgerichtshofs (, 0034) zu „Formaldelikten“ nach dem AVRAG sei zwar auch im Rahmen des LSD-BG zu beachten, sie gelte jedoch nicht für Unterentlohnungen nach § 29 LSD-BG. Angesichts der Schwere der zuletzt genannten Übertretungen sei weiterhin für jeden unterentlohnten Arbeitnehmer eine Strafe zu verhängen.

4Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, zu der das Verwaltungsgericht die Verfahrensakten vorgelegt hat. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

5Die Revision erweist sich mit ihrem gegen die verhängten Strafen gerichteten Vorbringen aus folgenden Gründen als zulässig und begründet:

6Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2019/11/0015, 0016, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, wird durch die mit der Novelle BGBl. I Nr.174/2021 in den §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG vorgenommenen Änderungen klargestellt, dass - unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer - nur mehr eine einzige Verwaltungsübertretung vorliegt, die mit einer einzigen Geldstrafe zu bestrafen ist. Gleichzeitig wird eine Höchstgrenze für diese Geldstrafe festgelegt, während die Untergrenze (Mindeststrafe) entfällt. Diese Bestimmung ist nach § 72 Abs. 10 letzter Satz der Novelle auf alle am - auch vor dem Verwaltungsgerichtshof - anhängigen Verfahren anzuwenden. Der Verwaltungsgerichtshof hat somit in bei ihm anhängigen Revisionsverfahren sämtliche angefochtenen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in Verwaltungsstrafsachen nach dem LSD-BG, unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Erlassung, am Maßstab der §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 zu prüfen (vgl. auch , 0034).

7Vor diesem Hintergrund erweist sich das angefochtene Erkenntnis, da es § 29 Abs. 1 LSD-BG idF der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 widerspricht, als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

8Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021110161.L00

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