Suchen Hilfe
VwGH 21.10.2009, 2009/06/0165

VwGH 21.10.2009, 2009/06/0165

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS 1
Das Rechtsinstitut der Streitanhängigkeit iSd § 233 ZPO ist dem AVG als solches fremd, wenn man von dem Sonderfall absieht, daß die in erster Instanz zuständige Behörde vor Rechtskraft, aber während eines anhängigen Berufungsverfahrens nicht neuerlich über die Sache entscheiden darf; diese aus § 66 Abs 4 AVG abgeleitete - und daher nur im Verhältnis der Behörde erster Instanz zu ihrer Berufungsbehörde geltende - Rechtslage (Hinweis E , 87/09/0166), kommt dem Rechtsinstitut des Verbots einer neuerlichen Entscheidung bei Streitanhängigkeit nahe.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 89/06/0087 E RS 3 Hier: ohne den Satz nach dem Strichpunkt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X Gesellschaft m.b.H. in Y, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer und Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Tirolerstraße 30/2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-8-1/545-2, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Y, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall geht es um bauliche Anlagen im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde; die Baubehörde hatte hiezu als Ergebnis von Überprüfungen die Auffassung vertreten, für diese bereits errichteten, nach wie vor baubewilligungspflichtigen baulichen Anlagen gebe es keine Baubewilligungen, weshalb die Beschwerdeführerin darum einzukommen habe. Hiezu brachte die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Gemeinde zwei gesonderte Baugesuche jeweils vom ein (Eingangsvermerk jeweils vom ):

1. betreffend die Errichtung eines Kontrollgebäudes in G. sowie weiterer baulicher Maßnahmen,

2. für die Errichtung eines Kontrollgebäudes in K. und eines Archivcontainers, sowie ebenfalls weiterer baulicher Maßnahmen.

Der Bürgermeister erteilte mit den erstinstanzlichen Bescheiden vom (zu 1.) bzw. (zu 2.) die angestrebten Bewilligungen mit verschiedenen Vorschreibungen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese beiden Bescheide (in einem Schriftsatz) Berufung. Sie brachte vor, dass sie bereits im Jahr 1966 bei der zuständigen Baubehörde erster Instanz, nämlich beim Bürgermeister, um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligungen für die in Rede stehenden Pumpstationen K. und G. angesucht habe. Das Ansuchen sei "mit " erfolgt, die Verhandlung im Rahmen der gewerberechtlichen Verhandlung am . Da bislang Baubescheide nicht vorlägen, sei es offensichtlich, dass das Ansuchen vom bislang, somit seit mehr als 40 Jahren, noch nicht erledigt sei. Nach den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung (TBO) könne ein Bauverfahren nur durch folgende taxative Möglichkeiten abgeschlossen werden:

der Antrag werde vom Bewilligungswerber zurückgezogen, oder die Behörde habe im Bescheidweg zu entscheiden. Eine Zurückziehung des Antrages sei bislang nicht erfolgt. Da die Behörde seit 1966 keine weiteren Verfahrensschritte gesetzt habe, müsse zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass das baubehördliche Bewilligungsverfahren für die beiden Pumpstationen nach wie vor anhängig sei und eine Erledigung offensichtlich durch die bekämpften erstinstanzlichen Bescheide hätte erfolgen sollen. Auf dieser Grundlage seien jedoch die Bescheide rechtswidrig, weil sie von der Rechtslage nach der TBO 2001 ausgingen. Vielmehr wäre nach den Übergangsregelungen der TBO 2001 bzw. TBO 1998 das Verfahren nach den Bestimmungen der TBO 1989 zu Ende zu führen gewesen. Die Baubehörde erwähne in keiner Weise, welche Maßnahmen auf Grund der seinerzeitigen Ansuchen im Bauverfahren getroffen worden seien, was hinsichtlich des Bauaktes unternommen worden sei, wo überhaupt der Bauakt verblieben sei oder das nachweislich eingebrachte Ansuchen samt Antragsunterlagen. Vielmehr sei seitens des Bürgermeisters unter Fristsetzung die Aufforderung erteilt worden, eine neuerliche Baubewilligung zu beantragen. Von Seiten der Beschwerdeführerin sei (zu ergänzen wohl: dies) in einem klärenden Gespräch vor dem Amt der Tiroler Landesregierung mitgeteilt worden und es habe darüber Übereinkommen bestanden, dass es sich dabei lediglich um die Nachreichung aktualisierter Fassungen der verloren gegangenen Einreichungsunterlagen handeln könne, welche seitens der Beschwerdeführerin in der Folge entsprechend bereitgestellt worden seien. Soweit diese Nachreichung von Unterlagen als neuerlicher Antrag bezeichnet worden sei, schade diese allfällige Fehlbezeichnung nicht.

Beantragt wurde, der Berufung Folge zu geben, die bekämpften Bescheide "vollinhaltlich" zu beheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen, "allenfalls mit dem Hinweis, dass die Bescheide auf Grund der Rechtsgrundlage Tiroler Bauordnung 1989 Landesgesetzblatt Nr. 33/1989 zu erlassen sind".

Der Berufung waren verschiedene Unterlagen angeschlossen, darunter eine an den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gerichtete Eingabe vom des Inhaltes, in der Anlage würden dem Bürgermeister "als baupolizeiliches Amtsorgan" in zweifacher Ausfertigung die Projekte für die Pumpstationen G. und K. übermittelt. Es werde höflichst gebeten, die Genehmigung für dieses Bauvorhaben erteilen zu wollen (Anm.: diese genannte Anlage wurde nicht vorgelegt). Weiters angeschlossen waren zwei Erledigungen der Gemeinde jeweils vom (mit dem gleichen Aktenzeichen), mit denen eine mündliche Verhandlung für den 16. bzw., 9.00 Uhr, an einem gewissen Ort anberaumt wurden. Es heißt darin, die Beschwerdeführerin habe mit der Eingabe vom um die Bewilligung für den Bau einer Pumpstation in K. (bzw. in G.) angesucht. Hierüber werde im Sinne des § 48 der Tiroler Landesbauordnung die mündliche Verhandlung angeordnet.

Der Gemeindevorstand wies mit Bescheid vom die Berufung als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges folgt eine Liste der bei der Baubehörde vorhandenen rechtskräftigen Baubewilligungen (beginnend mit dem Jahr 1970). Darüber hinaus gebe es, von den beiden nun anhängigen Bauverfahren abgesehen, bei der Gemeinde, welche stets eine exakte und ordnungsgemäße Archivierung aller Bauakten in feuersicheren Schränken vorgenommen habe bzw. vornehme, keine Baubescheide bzw. Bauakten betreffend die beiden Pumpstationen K. und G. Das von der Beschwerdeführerin genannte Bauansuchen vom scheine bei der Baubehörde nicht auf, Bauansuchen der Beschwerdeführerin aus dem Jahr 1966 betreffend die beiden Pumpstationen seien nicht aktenkundig. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass sie ihr Bauansuchen aus dem Jahr 1966 nicht zurückgezogen habe, könne nicht verifiziert werden. Der Inhalt des damaligen Bauansuchens sei nicht mehr feststellbar, weil die "Anlage" gemäß Eingabe vom nicht mehr existiere und auch von der Bauwerberin nicht habe beigebracht werden können.

Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin bereits im Jahr 1966 um die baubehördliche Bewilligung für die beiden Pumpstationen angesucht habe, weshalb für die von ihr gewünschte Anwendung der TBO 1998 keine Grundlage bestehe.

Zusammengefasst heißt es abschließend, die Beschwerdeführerin habe nunmehr im Jahr 2008 Baugesuche eingebracht und über diese sei nach den Bestimmungen der TBO 2001 entschieden worden.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe nunmehr ein Schreiben vom an die Gemeinde vorgelegt, worin um Genehmigung für die Pumpstationen gebeten werde. Nicht vorgelegt worden seien die darin erwähnten Anlagen (Projektunterlagen) bzw. ein entsprechendes Baugesuch. Weiters seien Kopien von Ladungen über die Anberaumung zweier mündlicher Verhandlungen zur Erteilung der baubehördlichen Genehmigung für den Bau je einer Pumpstation in K. und G. übermittelt worden.

Die Berufungsbehörde habe in einem umfangreichen Ermittlungsverfahren entsprechende Nachforschungen in ihren Archiven zur Frage der Vollständigkeit der Verwaltungsakten getätigt (Anmerkung: die belangte Behörde bezieht sich dabei offensichtlich auf eine Darstellung der Gemeinde aus Anlass der Vorlage der Akten an die belangte Behörde zur Entscheidung über die Vorstellung). Hervorgekommen sei, dass Bauakten für die auf den fraglichen Grundstücken errichteten Gebäude bereits aus dem Jahr 1944 vorhanden seien. Rechtskräftig bestehende Baubewilligungen für die beiden Pumpstationen G. und K. lägen ab dem Jahr 1970 vor und seien aufgelistet. Weiters sei festgestellt worden, dass Bauansuchen, Planunterlagen, Bauakte oder gar Baubescheide betreffend die von der Beschwerdeführerin behaupteten, im März 1966 eingereichten Bauansuchen in den Archiven nicht vorhanden bzw. nicht auffindbar seien. Für alle wesentlichen baulichen Anlagen der Beschwerdeführerin seien von ihr jedenfalls erst später, nämlich erst ab den 1970er Jahren bis nunmehr, baubehördliche Anträge eingebracht und Bewilligungen erwirkt worden. Weiters sei festgestellt worden, dass das gewerbebehördliche und das wasserrechtliche Bewilligungsverfahren für die Pumpstationen zwischen dem 1. und sowie zwischen dem 9. und durchgeführt worden seien und die entsprechenden Verhandlungen zu den genannten Terminen (16. bzw. , 9.00 Uhr) stattgefunden hätten. Wie den betreffenden dazu ergangenen Edikten entnommen werden könne, sei im Punkt "besondere Baumaßnahmen" (betreffend beide Pumpstationen) lediglich darauf hingewiesen worden, dass diese errichtet würden und die Planunterlagen sowie die Beschreibung dieser Anlagen der Verhandlungsausschreibung angeschlossen seien. Der Verhandlungsschrift vom 9. bis zum wasserrechtlichen Verfahren sei der Hinweis zu entnehmen, dass die Durchführung des baupolizeilichen Genehmigungsverfahren für diese Bauvorhaben (betreffend die beiden Pumpstationen) der Baubehörde erster Instanz obliege. Weiters sei aktenkundig, dass am

16. / ausschließlich die mündlichen Verhandlungen im Rahmen des gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahrens stattgefunden hätten und es gehe aus einer näher bezeichneten Verhandlungsschrift hervor, dass baubehördliche Bewilligungen betreffend diese beiden Pumpstationen tatsächlich nicht erfolgt seien. Nachdem Rohrleitungsanlagenteile schon damals nicht in die Zuständigkeit der Baubehörde gefallen seien, werde davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin ihre behaupteten Anträge zurückgenommen habe und mangels entsprechender Bauansuchen für die bewilligungspflichtigen gegenständlichen Kontrollgebäude keine Erledigung mehr durch die Baubehörde erfolgt sei bzw. erfolgen habe können.

Zweifellos treffe die Verpflichtung zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes in erster Linie die Behörde und dürfe nicht auf die Partei überwälzt werden. Auf Grund der Mitwirkungspflicht der Parteien sei jedoch davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Grundstücke und als seinerzeitige Bauwerberin jedenfalls entsprechende Unterlagen zur Verfügung stellen würde, wenn diese vorhanden seien. Es sei anzunehmen, dass sich Bauansuchen oder gar Baugenehmigungen auch in den Archiven des Bauwerbers bzw. Eigentümers befänden, dies allein schon wegen allfälliger späterer Veräußerungen und dergleichen, und es lasse sich dies von einer Gesellschaft wie der Beschwerdeführerin geradezu erwarten. Nachdem jedoch lediglich die Ladung zu einer Bauverhandlung aus dem betreffenden Zeitraum vorliege, sei davon auszugehen, dass das seinerzeitige Verfahren über dieses Stadium nicht hinausgekommen sei. In zeitlicher Nähe zu den damaligen Verhandlungen bis zum nunmehrigen Zeitpunkt sei kein Baugesuch für die Kontrollgebäude aktenkundig. Ein antragsbedürftiges Verfahren, als welches ein Bauverfahren zweifellos zu qualifizieren sei, sei dann anhängig, wenn zumindest ein entsprechender verfahrenseinleitender Antrag vorliege. Nachdem dieser Antrag nicht vorhanden sei, könne von keinem bereits seit 40 Jahren anhängigen Bauverfahren ausgegangen werden. Es sei vielmehr auf Grund der gegenwärtigen Rechtslage zu entscheiden. Der Versuch der Beschwerdeführerin, nunmehr die Anhängigkeit eines Verfahrens aus den 1960er-Jahren zu konstruieren, verwundere umso mehr, als in einer Besprechung vom und in der Bauverhandlung vom keinerlei derartige Einwände formuliert worden seien. Es wäre auch unerfindlich, weshalb die Baubehörde eine solche Baubewilligung bei Vorliegen eines entsprechenden Bauansuchens nicht erteilt hätte.

Die belangte Behörde sehe in der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung (gemeint: im Jahr 1966) allein jedenfalls kein ausreichendes Indiz dafür, dass tatsächlich ein Baugesuch eingereicht worden sei. Die Berufungsbehörde habe dezidierte Feststellungen darüber getroffen, dass für den in Frage kommenden Zeitraum sämtliche Baubewilligungen auffindbar seien und es sei ein vermuteter Konsens dann nicht anzunehmen, wenn gerade für den fraglichen Bau Unterlagen fehlten, für andere auf den Grundstücken befindliche Baulichkeiten aber eine baubehördliche Bewilligung erwirkt worden sei, und dies gelte vor allem dann, wenn es sich um ein Gebiet handle, von dem Unterlagen für Bauführungen aus der fraglichen Zeit bei der Behörde vorlägen. (Es folgen weitere Ausführungen zu diesem Thema).

Abschließend sei festzuhalten, dass Gegenstand dieser Entscheidung die am "" eingereichten Baugesuche gewesen und diese mit den erstinstanzlichen Bescheiden antragsgemäß genehmigt worden seien. Selbst wenn es, wie die Beschwerdeführerin darzulegen versuche, für diese Gebäude bereits konkretisierte Bauansuchen aus den 1960er-Jahren gegeben hätte, wäre es nicht unzulässig, zu einem anderen Zeitpunkt wiederum Bauansuchen betreffend denselben Bereich einzureichen. Dies sei hinsichtlich der die Sache dieses Vorstellungsverfahrens bildenden Baugesuche nicht hervorgekommen, weshalb für die belangte Behörde nicht ersichtlich sei, in welchem Recht die Beschwerdeführerin verletzt sein könnte, deren Bewilligungsanträgen vollinhaltlich stattgegeben worden sei.

Im Übrigen sei ganz allgemein zu bemerken, dass im Zuge der Erteilung einer Baubewilligung bereits im Jahr 1966 Erschließungskosten vorzuschreiben gewesen seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren einfachgesetzlichen Rechten insofern verletzt, "als die belangte Behörde ihre Entscheidungspflicht in dem 1966" durch den Antrag vom eingeleiteten und durch den Bürgermeister als Baubehörde mittels Kundmachung vom und Bauverhandlung vom 15. und betriebenen Bauverfahren verletzt "und nunmehr auf Grund eines - nach Aufforderung der Behörde eingebrachten neuerlichen Bauansuchens entschieden hat und nicht auf Grund des Ansuchens vom das möglicherweise damals nicht beendete Verfahren fortgesetzt hat. Bedeutung besteht für die Beschwerdeführerin insbesondere darin, als durch diese Entscheidung erschließungskosten- und baurechtlich relevante Feststellungen getroffen werden. Richtigerweise hätte die Tiroler Bauordnung 1998 respektive die Tiroler Bauordnung 1989 angewendet werden müssen".

In ihrem weiteren Vorbringen vertritt die Beschwerdeführerin auch die Auffassung, es wäre Aufgabe der Behörde gewesen, einen offensichtlich bei ihr in Verstoß geratenen Akt zu rekonstruieren. Daraus hätte sich jedenfalls ergeben, dass ein Bauverfahren eingeleitet worden und nur der Abschluss dieses Bauverfahrens fraglich sei. Es treffe nicht zu, dass sie einen Antrag zurückgezogen habe. Außerdem sprächen die vorliegenden Unterlagen eindeutig für die Rechtskonstruktion eines vermuteten Konsenses. Es sei nämlich gerade der Fall gegeben, dass keine Baubewilligung existiere oder dieser nicht mehr auffindbar sei und in Kenntnis der Behörde eine langjährige Nutzung stattgefunden habe. Gegebenenfalls hätte der Beschwerdeführerin Gelegenheit geboten werden müssen, nach weiteren Unterlagen zu suchen und diese vorzulegen.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Das Rechtsinstitut der Streitanhängigkeit im Sinne der Zivilprozessordnung ist dem AVG als solches fremd (wenn man von dem hier sachverhaltsmäßig nicht behaupteten Sonderfall absieht, dass die in erster Instanz zuständige Behörde vor Rechtskraft, aber während eines anhängigen Berufungsverfahrens nicht neuerlich über die Sache entscheiden darf - siehe dazu aus jüngerer Zeit beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/12/0026, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/06/0087). Auch wenn es sich bei jenem Bauverfahren aus dem Jahr 1966 und bei den beiden nunmehrigen Bauverfahren um dieselben Gebäude handeln und der diesbezügliche Gegenstand des Vorhabens ident sein sollte, bestünde kein rechtliches Hindernis, während der Anhängigkeit des früheren Bauverfahrens ein neuerliches Baugesuch (neuerliche Baugesuche) desselben Inhaltes einzubringen. Die Beschwerdeführerin hält ihr ansatzweise in der Berufung angedeutetes Vorbringen, die nunmehrigen Baugesuche seien lediglich aktualisierte Fassungen des früheren (unbekannten Inhaltes) im Beschwerdeverfahren nicht mehr aufrecht. Im Übrigen bedürfte es zur Beurteilung der Frage, ob sich ein neues Baugesuch vom früheren soweit unterscheidet, dass nicht mehr von derselben "Sache" gesprochen werden kann, einer näheren Kenntnis des seinerzeitigen Projektes, was hier eben nicht der Fall ist. Gleiches gilt sinngemäß für die Beurteilung der Frage, inwieweit eine rechtskräftig erteilte Baubewilligung (deren Existenz hier allerdings nicht angenommen werden kann) wegen des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache einem neuerlichen Baugesuch entgegenstünde.

Jedenfalls bestehen für den Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall keine Bedenken an der Beurteilung der Behörden des Verwaltungsverfahrens, dass es sich bei den Baugesuchen vom um neuerliche, "eigenständige" Baugesuche handelt; sie wurden auch nicht zurückgezogen. Auf Grund dieser im Jahr 2008 eingebrachten Baugesuche war die Tiroler Bauordnung 2001 anzuwenden; ausgeschlossen war es, etwa die Tiroler Bauordnung 1998 (die als Tiroler Bauordnung 2001 wiederverlautbart wurde) oder auch die Tiroler Bauordnung 1989 (Wiederverlautbarung der Tiroler Bauordnung 1978, diese war wiederum eine Wiederverlautbarung der Tiroler Bauordnung 1974) anzuwenden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Auf welcher Sachverhalts- oder Rechtsgrundlage Erschließungskostenbeiträge vorzuschreiben sind, hat nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens zu sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer
Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2009060165.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAE-88604