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VwGH vom 20.01.2011, 2007/01/1205

VwGH vom 20.01.2011, 2007/01/1205

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des M V (geboren 1958) in S, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 200.154-2/2E-V/15/07, betreffend § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheids (betreffend Ausweisung) gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste am in das Bundesgebiet ein und stellte am einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei.

Mit hg. Beschluss vom , Zl. 2006/01/0163-10, wurde die Behandlung der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG iVm Art. 129c B-VG abgelehnt.

Am stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den "Asylantrag" (richtig: Antrag auf internationalen Schutz) vom gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (I.) und wies den Beschwerdeführer gemäß "§ 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG" aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Demokratische Republik Kongo aus (II.).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde zur Ausweisung des Beschwerdeführers aus, um Wiederholungen zu vermeiden und im Hinblick darauf, dass die allgemeine Situation im Herkunftsland sich nicht entscheidungsrelevant verändert habe, werde auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen. In der Demokratischen Republik Kongo sei keine extreme Gefahrenlage gegeben. Dass der Beschwerdeführer über familiäre Bindungen im Bundesgebiet verfüge, sei nicht erkennbar; sämtliche Verwandten (Eltern, Ehegattin und drei Kinder) würden in seinem Herkunftsland leben. Die öffentlichen Interessen an der ausgesprochenen Ausweisung würden "in Summe zweifelsfrei überwiegen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter anderem geltend gemacht wird, die belangte Behörde habe verkannt, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers im Hinblick auf das Privatleben bzw. seinen Aufenthalt in Österreich in der Dauer von 10 Jahren nach Art. 8 EMRK unzulässig sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde abzuweisen und die Kosten für den Vorlageaufwand zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu I.:

Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 leg. cit. unzulässig, wenn diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

Auch nach der neuen Rechtslage des § 10 Abs. 2 Z. 2 AsylG 2005 erfordert Art. 8 Abs. 2 EMRK eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt somit eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0060, mwN).

Zu dem nach Art. 8 EMRK geschützten Recht auf Achtung des Familienlebens geht die belangte Behörde - von der Beschwerde unbestritten - davon aus, der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Die Ausweisung des Beschwerdeführers ist insoweit nicht zu beanstanden.

Im Hinblick auf das nach Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Privatleben traf die belangte Behörde zu den für die Frage der Ausweisung des Beschwerdeführers fallbezogen in Betracht kommenden Kriterien jedoch keine eigenständigen Feststellungen und nahm keine entsprechende Interessenabwägung vor. Auch die von der belangten Behörde übernommene erstinstanzliche Begründung enthielt keine Ausführungen zum Recht auf Privatleben.

Angesichts der im angefochtenen Bescheid fehlenden Interessenabwägung wird zur notwendigen Begründung einer Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 (bzw. § 8 Abs. 2 AsylG) und der damit verbundenen fallbezogenen Abwägung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2007/01/0537 mwH (auf hg. Rechtsprechung sowie Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR und die darin entwickelten Kriterien) verwiesen.

Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Bestätigung der erstinstanzlichen Ausweisung des Beschwerdeführers einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid insofern mit wesentlichen Begründungsmängeln behaftet. Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Ausspruch betreffend die Ausweisung des Beschwerdeführers (Bestätigung des Spruchpunktes II. des erstinstanzlichen Bescheides) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Bestätigung der Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-88600