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VwGH vom 21.10.2009, 2009/06/0163

VwGH vom 21.10.2009, 2009/06/0163

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X, Rechtsanwältin in Y, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. 009812/2008, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Z GmbH in Y, vertreten durch Pacher & Partner Rechtsanwälte in 8020 Graz, Kaiserfeldgasse 1/II; weitere Partei:

Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 305,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am eingebrachten Baugesuch vom selben Tag kam die mitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines unterkellerten, vier- bis fünfgeschossigen Wohnhauses mit 21 Wohneinheiten, 5 Pkw-Abstellplätzen sowie einer Tiefgarage für 20 Pkw und Geländeveränderungen auf einer (im Flächenwidmungsplan als Bauland gewidmeten) Liegenschaft in Graz ein. Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin eines Grundstückes, das unmittelbar an das zu bebauende Areal grenzt. Der Bauplatz und die umliegenden Grundstücke befinden sich im HQ30- Hochwassergefährdungs- und Ausuferungsbereich des S-Baches.

In der von der (auf Grund eines Devolutionsantrages der Bauwerberin als Behörde erster Instanz zuständig gewordenen) belangten Behörde am durchgeführten Bauverhandlung erhob unter anderem die Beschwerdeführerin Einwendungen gegen das Vorhaben, und zwar, soweit für das Beschwerdeverfahren noch erheblich, hinsichtlich der behaupteten Überschreitung der Bebauungsdichte einerseits und (unter Hinweis auf eine projektierte Absenkung des Geländes) der Vergrößerung der Hochwassergefahr für ihr Grundstück durch das Vorhaben andererseits.

In einem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom heißt es zu den projektierten Geländeveränderungen, die verbleibenden Freibereiche (nicht verbauten Teile) des Grundstückes würden um ca. 40 cm abgesenkt, wobei im Übergangsbereich zu den Nachbargrundstücken das Urgelände in einer Mindestbreite von 0,50 m verbleibe; entlang der Straße bleibe das Gelände auf einer Länge von 8 m unverändert. Die Oberflächenwässer und die Dachflächenwässer eines bestimmten Bereiches sollten über Humusmulden, unter denen sich unterirdische Rigolversickerungen befänden, entsorgt werden (die Versickerungssohle befinde sich ca. 3,20 m unter dem ursprünglichen Gelände). Die weiteren Dachflächenwässer sollten über zwei Sickerschächte entsorgt werden.

Nach verschiedenen Verfahrensschritten hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die angestrebte Baubewilligung mit einer Reihe von Vorschreibungen erteilt. Bezogen auf die Einwendungen der Beschwerdeführerin führte die belangte Behörde zur Begründung aus, die höchstzulässige Bebauungsdichte werde durch das Vorhaben eingehalten; abgesehen davon, komme der Beschwerdeführerin diesbezüglich kein Mitspracherecht zu. Der Einwendung, durch das Vorhaben entstünde eine Verschärfung der Hochwassersituation, sei entgegenzuhalten, dass Einwendungen, die sich auf wasserrechtliche Bestimmungen stützten, nicht im Bauverfahren zu behandeln seien; wasserrechtliche Bestimmungen begründeten kein subjektivöffentliches Nachbarrecht im Bauverfahren.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat zu diesen Beschwerdeverfahren und zum hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2009/06/0182 (betreffend die Beschwerde einer anderen Person) die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer gemeinsamen Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat die kostenpflichtige Zurückweisung, hilfsweise Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 6/2008 anzuwenden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 27 Stmk. BauG die Parteistellung behalten hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;


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2.
die Abstände (§ 13);
3.
den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
4.
die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
5.
die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);
6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

"(1) Bei baulichen Anlagen ist eine einwandfreie Entsorgung der anfallenden Abwässer und Beseitigung der Niederschlagswässer auf Bestandsdauer sicherzustellen. Dafür erforderliche Anlagen sind so anzuordnen, herzustellen und in Stand zu halten, dass sie betriebssicher sind und Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Bei Veränderungen des Geländes im Bauland und auf daran angrenzenden Grundstücken im Freiland dürfen damit verbundene Änderungen der Abflussverhältnisse keine Gefährdungen oder unzumutbaren Beeinträchtigungen verursachen."

Zur Frage, ob das Vorhaben die höchstzulässige Bebauungsdichte überschreitet, kommt der Beschwerdeführerin als Nachbarin nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kein Mitspracherecht zu (vgl. hiezu beispielsweise aus jüngerer Zeit die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/06/0149, und vom , Zl. 2007/06/0337, mwN).

Die Beschwerdeführerin bringt weiters (zusammengefasst) vor, sie sei in ihren Nachbarrechten auch dadurch verletzt, dass durch die Errichtung der geplanten Rückhaltemulde auf dem Baugrundstück ihrem Grundstück Hochwasser direkt zugeleitet werde. Die Begründung des angefochtenen Bescheides, wasserrechtliche Bestimmungen begründeten kein subjektiv-öffentliches Recht im Bauverfahren, ginge am Kern der Sache vorbei. Ihre Beschwer stütze sich auch nicht auf mangelnde Bauplatzeignung des zu bebauenden Grundstückes im Allgemeinen, sondern auf die durch die projektierte Geländeveränderung hervorgerufene direkte Wasserzuleitung einer Hochwasserwelle auf ihr Grundstück. Dass diese eintreten werde, sei eindeutig durch die "Umleitung" (im Original unter Anführungszeichen) des S-Baches durch eine genau gleich ausgebildete Hochwassermulde auf einem etwas bachaufwärts gelegenen Grundstück belegt. Dieses (näher bezeichnete) Grundstück habe die letzte bachnahe Retentionsfläche des exundierenden S-Baches dargestellt und sei vor mehreren Jahren verbaut worden. Wie sich in der Praxis am und gerade nun am gezeigt habe, habe die als Rückhaltebecken projektierte Geländevertiefung als Bachbett fungiert, welches die Hochwasserwelle gebündelt und gezielt in das Ortsgebiet geleitet habe. Sowohl das nunmehr gegenständliche Baugrundstück als auch ihr Grundstück seien durch das Hochwasser massiv in Mitleidenschaft gezogen worden. Wenn nun auf dem Baugrundstück eine genau gleich ausgestaltete Hochwassermulde ausgehoben werde, werde das nächstfolgende Hochwasser immense Wassermassen direkt auf ihr Grundstück leiten und dieses mit noch größerer Gewalt verwüsten. Wenn ihr nun § 65 Abs. 1 Stmk. BauG einen subjektivöffentlichen Abwehranspruch gegen auf dem Baugrundstück entstehende Meteorwässer im Umfang von einigen wenigen Kubikmetern pro Regenereignis zugestehe, so müsse dieser Abwehranspruch gegen eindringende Fluten erst recht gegen eine gezielte Weiterleitung eines Hochwassers auf ihr Grundstück greifen.

Dem ist Folgendes zu entgegnen: § 26 Abs. 1 Z 5 iVm § 65 Abs. 1 Stmk. BauG gewährt dem Nachbarn ein Mitspracherecht betreffend die im § 65 Abs. 1 zweiter Satz umschriebenen Anlagen einerseits (nämlich zur einwandfreien Entsorgung der anfallenden Abwässer und Beseitigung der Niederschlagswässer auf Bestanddauer) und (dritter Satz) hinsichtlich näher umschriebener Geländeveränderungen andererseits. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezieht sich nicht auf bauliche Anlagen im Sinne des zweiten Satzes leg. cit., sondern auf eine befürchtete Vergrößerung der Hochwassergefahr; die von diesem zweiten Satz nicht umfasst ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/06/0205, mwN). Zu prüfen ist aber, ob für die Beschwerdeführerin, wie von ihr vorgetragen, aus dem dritten Satz dieses Absatzes (Geländeveränderungen) etwas zu gewinnen ist. Dies ist aber zu verneinen: Dieser mit der Novelle LGBl. Nr. 78/2003 angefügte Satz ist im Zusammenhang mit der ebenfalls durch diese Novelle geänderten Bestimmung des § 19 Z 5 Stmk. BauG. zu sehen (wonach Veränderungen des natürlichen Geländes von nach dem Flächenwidmungsplan im Bauland gelegenen Grundflächen sowie von im Freiland gelegenen Grundflächen, die an das Bauland angrenzen, bewilligungspflichtig sind, sofern sich aus den §§ 20 und 21 leg. cit. nichts anderes ergibt). Nach den Erläuterungen zu dieser Novelle (wiedergegeben beispielsweise in Hauer/Trippl, Stmk. Baurecht4, Seite 199) ging es dabei darum, dass Veränderungen des natürlichen Geländes im Bauland oftmals Nachbarbeeinträchtigungen durch eine damit verbundene Änderung der Oberflächenwässer-Abflussverhältnisse bewirkten, ohne dass der Baubehörde ein geeignetes Instrumentarium zur Verhinderung derartiger unzumutbarer Beeinträchtigungen zur Verfügung stehe; Ziel der Novelle war, diesem Problem zu begegnen (damit korrespondiert die Bestimmung des § 65 Abs. 1 dritter Satz leg. cit.). Allerdings ist weder dem § 65 Abs. 1 BauG noch diesen Erläuterungen zur Novelle zu entnehmen, dass § 65 Abs. 1 dritter Satz leg. cit. über den Gesichtspunkt einer durch die Geländeveränderung bewirkte Änderung der Abflussverhältnisse der Oberflächenwässer hinaus auch einen Nachbarschutz im Katastrophenfall, nämlich bei einem Hochwasser, bewirken sollte. Vielmehr steht der Beschwerdeführerin im Bauverfahren, auch wenn sie sich auf Geländerveränderungen (Absenkung des Geländes) beruft, kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zur Abwehr von Hochwassergefahren zu; die genannte Novelle bietet keinen Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung, wie im zitierten Erkenntnis vom dargestellt (siehe zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0082), abzurücken. Dabei ist auch darauf zu verweisen, dass das Stmk. BauG den Hochwasserschutz zwar berücksichtigen kann (so im Zusammenhang mit der Bauplatzeignung in seinem § 5, die von Amts wegen wahrzunehmen ist), es aber in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers im Rahmen der Sachmaterie "Wasserrecht" gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG fällt, Regelungen zum Schutz vor Hochwasser zu treffen (Wasserrechtsgesetz).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Da die Gegenschrift gemeinsam zu zwei Beschwerdeverfahren erstattet wurde, was sinngemäß für die Aktenvorlage gilt, wurde in diesem Beschwerdeverfahren die Hälfte des Schriftsatz- und Vorlageaufwandes zugesprochen.

Wien, am