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VwGH vom 30.07.2014, 2013/22/0189

VwGH vom 30.07.2014, 2013/22/0189

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Stephansplatz 10/5.2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 163.829/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (im Folgenden: Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines tunesischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

In ihrer Begründung führte die Behörde aus, einem Fremden dürften gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen worden sei oder ein aufrechtes Rückkehrverbot oder Aufenthaltsverbot bestehe. Gemäß § 125 Abs. 16 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) blieben vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011), BGBl. I Nr. 38, erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen worden. Der dagegen erhobenen Berufung habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom nicht stattgegeben. Die dagegen eingebrachte Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof (mit Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0776) als unbegründet abgewiesen worden.

Damit sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG zwingend zu versagen gewesen. Nach § 11 Abs. 3 NAG seien nämlich nur die Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 und 6 sowie Abs. 2 Z 1 bis 6 NAG (nicht hingegen gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG) "hinsichtlich Art. 8 EMRK zu überprüfen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass es sich beim vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nicht um einen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Weiters wird festgehalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () nach den Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 50/2012 richtet.

Gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder § 67 FPG besteht. Nach § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 bis 6 NAG erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Gemäß § 125 Abs. 16 FPG bleiben vor Inkrafttreten des FrÄG 2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass gegen ihn ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht. Er weist allerdings darauf hin, dass er seine vormalige Lebensgefährtin im Jahr 2012 geheiratet habe, dass seine nunmehrige Ehefrau - ebenso wie drei der vier gemeinsamen Kinder - mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten habe und dass sie an schweren Depressionen leide, weshalb ihr eine Übersiedlung ins Ausland unzumutbar wäre. Ausgehend davon vertritt er die Auffassung, dass § 11 Abs. 1 Z 1 NAG verfassungskonform einschränkend zu interpretieren sei, wenn dies Art. 8 EMRK erfordere. Es sei daher jedenfalls eine Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG vorzunehmen. Weiters führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass ihm aus den vom EuGH in seinem Urteil vom , Rs C- 256/11, Dereci u.a., angeführten Gründen ein Aufenthaltsrecht nicht verwehrt werden dürfe, wenn die österreichische Ankerperson im Fall der Verweigerung des begehrten Aufenthaltstitels de facto gezwungen wäre, sowohl Österreich als auch das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Eine derartige Ausnahmesituation liege hier vor. Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer Feststellungs- und Begründungsmängel geltend. Die Behörde habe es insbesondere unterlassen, im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu untersuchen, ob der "Anlass dieses Aufenthaltsverbotes" noch gewichtig genug wäre, um die Verweigerung des begehrten Aufenthaltstitels zu rechtfertigen.

Zum zuletzt genannten Punkt hat bereits die Behörde unter Verweis auf die hg. Rechtsprechung zutreffend darauf hingewiesen, dass es für das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG nicht von Belang ist, aus welchen Gründen das Aufenthaltsverbot erlassen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0286).

Mit der Frage, ob die in § 11 Abs. 1 Z 1 NAG erfolgte Anknüpfung des Gesetzgebers an das bloße Bestehen eines von einer inländischen Behörde erlassenen Aufenthaltsverbotes im Zusammenhang mit der Versagung eines Aufenthaltstitels aus verfassungsrechtlichen oder unionsrechtlichen Gesichtspunkten Bedenken hervorruft, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0262, ausführlich auseinandergesetzt und diese Frage verneint. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Das Gesetz trifft ausreichend Vorsorge, um - auch bei nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblich geänderten Verhältnissen - den Vorgaben des Art. 8 EMRK bzw. den unionsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-88597