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VwGH vom 28.02.2022, Ra 2021/09/0251

VwGH vom 28.02.2022, Ra 2021/09/0251

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Mag. A B in C, vertreten durch die B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , 1. W116 2241025-1/8E und 2. W116 2241898-1/8E, betreffend 1. vorläufige Suspendierung und 2. Suspendierung nach § 112 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Justiz [ad. 1.], Bundesdisziplinarbehörde [ad. 2.]; weitere Partei: Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport [ad. 2.]),

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes A)1) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen - soweit sie sich gegen Spruchpunkt A)2) des angefochtenen Erkenntnisses wendet - wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1. Verfahrensgang:

11.1. Der 1963 geborene Revisionswerber steht als Leiter der im Wesentlichen für die legistischen Angelegenheiten des Strafgesetzbuchs, der strafgerichtlichen Nebengesetze und des Strafverfahrensrechts zuständigen Sektion des Bundesministeriums für Justiz in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Einzelstrafsachen sowie berichtspflichtige Strafsachen fallen nicht (mehr) in die Zuständigkeit der vom Revisionswerber geleiteten Sektion.

21.2. Mit Bescheid der Dienstbehörde (Bundesministerin für Justiz) vom wurde der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 1 Z 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) mit sofortiger Wirkung vorläufig vom Dienst suspendiert.

3Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Revisionswerber von der Staatsanwaltschaft Wien im Verfahren 48 St 22/21k als Beschuldigter verdächtigt werde, am in Wien als damaliger Generalsekretär und Leiter der vormaligen Sektion IV des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart zu haben, dessen Offenbarung geeignet gewesen sei, ein öffentliches Interesse zu verletzen, indem er Dr. D E mitgeteilt habe, dass in dem von der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) zu 62 St 1/19x geführten Ermittlungsverfahren gegen (u.a.) den Unternehmer DDr. F G am eine gerichtlich bewilligte Durchsuchung von dessen Geschäftsräumlichkeiten stattfinden werde. Gegen ihn liege daher der Verdacht vor, das Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs. 1 StGB begangen zu haben.

4Die Dienstbehörde stützte ihre Feststellungen dabei auf die ihr am selben Tag anlässlich einer in den Räumlichkeiten des Justizministeriums durchgeführten Sicherstellung zur Kenntnis gelangte Sicherstellungsanordnung der Staatsanwaltschaft Wien vom .

5Würde sich - so führte die Dienstbehörde rechtlich aus - der derzeit bestehende Verdacht bewahrheiten, läge eine gravierende Dienstpflichtverletzung des Revisionswerbers im Kernbereich seines damaligen Aufgabengebiets vor. Schon der Verdacht der Verletzung des Amtsgeheimnisses durch einen Amtsträger in leitender Funktion sei offenkundig geeignet, das Ansehen des Amtes und darüber hinaus auch der Strafverfolgungsbehörden insgesamt zu gefährden.

61.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

71.4. Die Dienstbehörde teilte die vorläufige Suspendierung gemäß § 112 Abs. 2 BDG 1979 der Bundesdisziplinarbehörde mit und machte gemäß § 91 Abs. 1 BDG 1979 den darin behandelten Vorwurf zum Gegenstand der Disziplinaranzeige vom wegen des Verdachts der Verletzung der Dienstpflichten nach den §§ 43 und 46 BDG 1979 [Tatvorwurf 1].

81.5. Mit Nachtragsdisziplinaranzeige vom zeigte die Dienstbehörde der Bundesdisziplinarbehörde an, der Revisionswerber stehe ferner im begründeten Verdacht,

1. am 15. und in Wien einer namentlich genannten Redakteurin der Tageszeitung „Kurier“ die zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich bekannte Information offenbart zu haben, dass mehrere Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte der WKStA gegen eine namentlich genannte Journalistin der Tageszeitung „Die Presse“ wegen eines näher bezeichneten Artikels Strafanzeige erstattet hätten, die Staatsanwaltschaft Wien jedoch beabsichtige, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, und die Redakteurin dabei ersucht habe, über die weitere Vorgehensweise bei der Veröffentlichung dieser Information noch mit ihm Rücksprache zu halten, weil bei verfrühtem Bekanntwerden offensichtlich gewesen wäre, „wer geleakt hätte“ [Tatvorwurf 2];

2. am in Wien den Kabinettschef im Bundesministerium für Finanzen über die Mobiltelefon-Applikation „Signal“ mit u.a. den Worten „Das ist ein Putsch“ und „Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ...“ geraten zu haben, Rechtsmittel gegen eine von der WKStA im Verfahren 17 St 5/19d vollzogene Hausdurchsuchung im Finanzministerium sowie Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter zu erheben, ihm rechtliche und prozesstaktische Überlegungen dazu mitgeteilt und sich erkundigt zu haben, wer den Bundesminister für Finanzen auf seine Beschuldigtenvernehmung vorbereite, nachdem ihm der Kabinettschef Fotos einer anlässlich der Hausdurchsuchung erhaltenen Sicherstellungsanordnung übermittelt gehabt habe [Tatvorwurf 3];

3. es im Februar 2021 treuepflichtwidrig unterlassen zu haben, die wiederkehrende Zusendung von ungeschwärzten Aktenbestandteilen aus verschiedenen Verfahren, für deren Bearbeitung er nicht zuständig gewesen sei - jedenfalls teilweise durch den Leiter oder allenfalls einen anderen Mitarbeiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien - zu unterbinden, obwohl dies der Zielsetzung der mit durch Aufteilung der Zuständigkeiten für Straflegistik und Einzelstrafsachen auf zwei Sektionen vollzogenen Organisationsänderung im Bundesministerium für Justiz zuwider gelaufen sei [Tatvorwurf 4];

und dadurch schuldhaft seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979, zu 1. überdies nach § 46 Abs. 1 BDG 1979, verletzt zu haben.

91.6. Mit Bescheid vom sprach die Bundesdisziplinarbehörde aus, dass der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 2 BDG 1979 nicht vom Dienst suspendiert werde.

10Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass hinsichtlich des in der Disziplinaranzeige vom erhobenen Vorwurfs keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Revisionswerber Träger des Amtsgeheimnisses gewesen sei und es offenbart habe. Aus Tatvorwurf 2 ergebe sich zwar der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung, die aber nicht so schwerwiegend sei, dass sie eine Suspendierung erforderlich mache. Zu Tatvorwurf 3 verneinte die Bundesdisziplinarbehörde das Vorliegen eines begründeten Verdachts einer Dienstpflichtverletzung, weil der Revisionswerber seit der Organisationsänderung nur mehr für die Straflegistik und nicht mehr auch für Einzelstrafsachen zuständig sei. Deshalb könne ein besonderer Funktionsbezug im Zusammenhang mit diesem Vorwurf nicht angenommen werden. Ein allgemeiner Funktionsbezug, wie etwa bei unsachlicher öffentlicher Kritik, liege vor, wenn Verhaltensweisen unabhängig von der Stellung des jeweiligen Beamten eine unsachliche Amtsführung befürchten ließen. Im konkreten Fall habe der Revisionswerber jedoch bloß in privaten Nachrichten Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft geübt sowie rechtliche und prozesstaktische Überlegungen zur Erhebung von Rechtsmitteln mitgeteilt, sodass von einer unsachlichen öffentlichen Kritik nicht ausgegangen werden könne. Bei Tatvorwurf 4 könne angesichts oben genannter Organisationsänderung kein Zusammenhang mit den dienstlichen Aufgaben des Revisionswerbers erkannt werden. Ebenso wenig könne eine Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben (Strafrechtslegistik) angenommen werden. Ob durch die Zusendung ungeschwärzter Aktenbestandteile öffentliche oder berechtigte private Interessen verletzt worden seien, was allenfalls zu einer Verletzung der Meldepflicht nach § 53 Abs. 1 BDG 1979 führen könnte, sei erst im anhängigen Strafverfahren gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu prüfen. Derzeit könne nicht vom Verdacht einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung ausgegangen werden.

111.7. Gegen diesen Bescheid erhob der Disziplinaranwalt beim Bundesministerium für Justiz Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

2. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts

122.1. Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer über beide Beschwerden gemeinsam durchgeführten mündlichen Verhandlung ergangenen, Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Dienstbehörde vom gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Z 1 VwGVG in Verbindung mit § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 als unbegründet ab [Spruchpunkt A)1)], und sprach über die Beschwerde des Disziplinaranwalts beim Bundesministerium für Justiz gegen den Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde vom gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Z 1 VwGVG aus, dass dieser stattgegeben, der Bescheid behoben und der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 2 BDG 1979 vom Dienst suspendiert werde [Spruchpunkt A)2)]. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

132.2.1. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensverlaufs unter „Feststellungen“ zu Tatvorwurf 1 aus, dass auf Grundlage der vorliegenden Beweismittel für eine Suspendierung nach § 112 BDG 1979 aktuell kein ausreichend begründeter Verdacht bestehe, dass der Revisionswerber am als damaliger Generalsekretär und Leiter der vormaligen Sektion IV des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, somit als Beamter, ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart habe, dessen Offenbarung geeignet gewesen sei, ein öffentliches Interesse zu verletzen, indem er Dr. E mitgeteilt habe, dass in den von der WKStA zu 62 St 1/19x geführten Ermittlungsverfahren gegen den Unternehmer und weitere Beschuldigte am eine gerichtlich bewilligte Durchsuchung von dessen Geschäftsräumlichkeiten stattfinden werde. In dieser Angelegenheit sei von der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Revisionswerber ein strafgerichtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, in dem er wegen § 302 StGB als Beschuldigter geführt werde. Dieses Strafverfahren sei nach wie vor anhängig.

142.2.2. Hinsichtlich Tatvorwurf 2 bestehe der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber am 15. und in Wien der Redakteurin der Tageszeitung „Kurier“ die zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich bekannte Information offenbart habe, dass mehrere Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte der WKStA gegen eine Journalistin der Tageszeitung „Die Presse“ wegen ihres Artikels mit dem Titel „Weniger Intimes darf in die Akten“ Strafanzeige erstattet hätten, die Staatsanwaltschaft Wien jedoch beabsichtige, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen und er die Redakteurin dabei ersucht habe, über die weitere Vorgehensweise bei der Veröffentlichung dieser Information noch mit ihm Rücksprache zu halten, weil bei verfrühtem Bekanntwerden offensichtlich gewesen wäre, „wer geleakt hätte“. In dieser Angelegenheit sei von der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Revisionswerber als Beschuldigten wegen § 310 Abs. 1 StGB ein nach wie vor anhängiges strafgerichtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

152.2.3. Zu Tatvorwurf 3 bestehe der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber am in Wien dem Kabinettschef im Bundesministerium für Finanzen, über die Mobiltelefon-Applikation „Signal“ mit unter anderem den Worten „Das ist ein Putsch“ und „Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ...“ geraten habe, Rechtsmittel gegen eine von der WKStA im Verfahren zu 17 St 5/19d vollzogene Hausdurchsuchung im Finanzministerium sowie Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter zu erheben, ihm rechtliche und prozesstaktische Überlegungen dazu mitgeteilt und sich erkundigt zu haben, wer den Bundesminister für Finanzen auf seine Beschuldigtenvernehmung vorbereite, nachdem ihm der Kabinettschef Fotos einer anlässlich einer Hausdurchsuchung an das Bundesministerium für Finanzen gerichteten Sicherstellungsanordnung der WKStA vom übermittelt habe. Das von der Staatsanwaltschaft Wien in dieser Angelegenheit gegen den Kabinettschef eingeleitete strafgerichtliche Ermittlungsverfahren wegen § 310 Abs. 1 StGB sei nach wie vor anhängig.

162.2.4. Auch bei Tatvorwurf 4 bestehe der ausreichend begründete Verdacht, dass es der Revisionswerber im Februar 2021 unterlassen habe, die wiederkehrende Zusendung von ungeschwärzten Aktenbestandteilen aus verschiedenen Verfahren für deren Bearbeitung er nicht zuständig gewesen sei, jedenfalls teilweise durch den Leiter oder allenfalls einen anderen Mitarbeiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, zu unterbinden und gemäß § 53 Abs. 1 BDG 1979 eine Meldung an den Leiter der Dienststelle zu erstatten. In dieser Angelegenheit sei von der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Leiter der Oberstaatsanwalt Wien ein strafgerichtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, in dem er wegen § 310 Abs. 1 StGB als Beschuldigter geführt werde. Dieses Strafverfahren sei nach wie vor anhängig.

172.3.1. Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht zu Tatvorwurf 1 zusammengefasst aus, dass sich dieser vor allem auf die Anordnung zur Sicherstellung der Staatsanwaltschaft Wien vom stütze.

18Die Staatsanwaltschaft habe die Sicherstellungsanordnung im Wesentlichen damit begründet, dass die Kriminalpolizei und die WKStA, als sie am zur Durchführung der Hausdurchsuchung die Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers aufsuchten, von diesem und dessen Rechtsanwältin in Kenntnis des genauen Termins bereits erwartet worden seien. Die Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons des Dr. E habe mehrere Chatprotokolle zwischen diesem und dem Revisionswerber hervorgebracht, wonach Dr. E zumindest seit Einleitung des Verfahrens durch die WKStA im Jänner 2019 für den Unternehmer in dieser Sache beim Revisionswerber interveniert und zwischen Jänner und April 2019 mindestens dreimal mit dem Revisionswerber, der damals Generalsekretär im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz gewesen sei, Gespräche über das Verfahren gegen den Unternehmer geführt habe. Am Tag vor der Hausdurchsuchung habe es mehrere (allenfalls nur versuchte) Telefongespräche zwischen Dr. E und dem Unternehmer und dessen Nachricht an diesen um 15:40 Uhr gegeben: „Bin gerade im BMJ melde mich sobald möglich.“ 90 Minuten vor der Hausdurchsuchung habe er ihm noch unter anderem geschrieben: „Wenn die heute kommen: ganz ruhig bleiben ... Rechtsmittel gegen diese HD machen absolut Sinn. ...“. Die Chatprotokolle würden nach Ansicht der WKStA belegen, dass Dr. E, der in den Jahren 2013 bis 2017 Bundesminister für Justiz gewesen sei und in dieser Zeit eng mit dem Revisionswerber - dem damaligen Leiter der Strafrechtssektion - zusammengearbeitet habe, seine guten Kontakte zu Letztgenanntem genutzt habe, um in mindestens drei Treffen/Gesprächen für den Unternehmer im Zusammenhang mit dem von der WKStA gegen diesen geführten Verfahren zu intervenieren.

19Aus dem E-Mail-Verkehr ergebe sich jedoch, dass die zuständige Bearbeiterin bei der Oberstaatsanwaltschaft den am per Boten von der WKStA übermittelten Informationsbericht am um 13:19 Uhr per E-Mail an den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt habe, der die E-Mail um 14:58 Uhr an den Revisionswerber weitergeleitet habe. Daraus ergebe sich zweifelsfrei, dass dem Revisionswerber der Informationsbericht der WKStA betreffend Anordnung und Vollzug der Hausdurchsuchung bei dem Unternehmer entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft Wien erst am nach Beginn des Vollzugs übermittelt worden sei. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Revisionswerber bereits vorher auf anderem Weg Kenntnis von der geplanten Hausdurchsuchung erlangt habe, konkrete Anhaltspunkte dafür lägen jedoch nicht vor. Darüber hinaus hätten die weiteren Erhebungen der Dienstbehörde im Auftrag der Bundesdisziplinarbehörde ergeben, dass Dr. E am um 16:00 Uhr einen Termin beim damaligen Bundesminister für Justiz gehabt habe, was seinen Aufenthalt im Justizministerium grundsätzlich erkläre. Es könne zwar auch hier nicht ausgeschlossen werden, dass er zuvor oder danach im Justizministerium mit dem Revisionswerber zusammengetroffen sei, jedoch fehlten auch dafür konkrete Anhaltspunkte. Schließlich spreche auch der Bericht der Rechtsanwältin des Unternehmers an die WKStA vom gegen die Annahme, dass der Revisionswerber die Information betreffend die geplante Hausdurchsuchung am Nachmittag des an Dr. E weitergegeben habe, weil die Rechtsanwältin bereits in diesem Bericht, der nachweislich am um 09:04 Uhr per ERV an die WKStA übermittelt worden sei, ausdrücklich ausgeführt habe, dass sie nunmehr die Information bekommen habe, dass die Hausdurchsuchung definitiv diese Woche stattfinden werde. Die verbleibenden greifbaren Anhaltspunkte, die für den gegenständlichen Verdacht sprächen, seien lediglich die gesicherten Chat-Verläufe zwischen Dr. E und dem Unternehmer, aus welchen sich ergebe, dass Dr. E zuvor mehrmals beim Revisionswerber in der Strafsache gegen den Unternehmer interveniert habe. Für die Annahme, dass der Revisionswerber schon vor dem Kenntnis von der geplanten Hausdurchsuchung und ihrem konkreten Termin gehabt habe und diese Information am Nachmittag des an Dr. E im Justizministerium weitergegeben habe, lägen auf Grundlage der aktuell vorliegenden Beweismittel jedoch keine ausreichend greifbaren Anhaltspunkte vor, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung, welche eine Suspendierung rechtfertige, begründen könnten. Eine Beurteilung, ob die Verdachtslage für die Durchführung eines strafgerichtlichen Verfahrens ausreichend sei, stehe dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu.

202.3.2. Die Feststellungen zu Tatvorwurf 2 - so führte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend zusammengefasst weiter aus - ergäben sich unter anderem im Wesentlichen aus dem Chat-Verlauf zwischen dem Revisionswerber und der Journalistin der Tageszeitung „Kurier“ vom 15. und , die der Revisionswerber zunächst am persönlich getroffen und ihr dabei offenbar von der zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich bekannten Strafanzeige mehrerer Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte der WKStA gegen die Redakteurin der Presse erzählt habe. Am darauffolgenden Tag habe er ihr ergänzend mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft Wien beabsichtige, in dieser Sache von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. So habe er ihr am um 20:16 Uhr geschrieben „... hoffe, Sie sind auch bald zu Hause; habe mich gefreut, Sie zu sehen.“, worauf diese geantwortet habe „Bin schon zu Hause. Aber das mit der [...] ist schlimm - irgendwie stasi Methode“, worauf der Revisionswerber geantwortet habe, „Absolut, Kritik zu kriminalisieren geht gar nicht, bin noch am überlegen, was ich mit diesem Wissen mache.“. Am nächsten Tag habe der Revisionswerber der Redakteurin, die ihm ein Bild des Zeitungsartikels übermittelt habe, bestätigt „... ja, das ist der Artikel; zur weiteren Vorgehensweise möchte ich noch mit Ihnen sprechen, weil es schon möglich, dass das gar nicht öffentlich wird, weil die StA Wien kein Verfahren einleiten will, in welchem Fall [...] gar nicht verständigt wird“.

21Die Nachfrage der Journalistin und die Antwort des Revisionswerbers sprächen dafür, dass dieser im Zuge des Treffens die Information weitergegeben habe und gegen seine Verantwortung, wonach er im Zuge einer Recherche von dieser auf die Information angesprochen worden wäre. Zudem lege es den Schluss nahe, dass dem Revisionswerber zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen sei, dass es sich dabei um eine nicht öffentlich bekannte Information gehandelt habe, für deren Geheimhaltung zumindest ein berechtigtes privates Interesse vorgelegen sei. Auf die weitere Frage „Das heißt die StA Wien ist anderer Meinung als die WKStA“, habe der Revisionswerber geantwortet: „Ja, das Ganze liegt bei der OStA, so wäre klar, wer geleakt hätte“. Auf die folgende Mitteilung „Verstehe. Ich mache eh nichts“, habe der Revisionswerber geantwortet: „Habe ich auch nicht angenommen, wollte das nur erklären; vielleicht geht das auf anderem Weg (parl. Anfrage); dann wäre ich froh, wenn Sie was machen ....“. Daraus ergebe sich der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber der Journalistin auch mitgeteilt habe, dass die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt beabsichtigt habe, kein Verfahren gegen die Redakteurin durchzuführen und er unter bestimmten Umständen durchaus ein Interesse an der medialen Verwertung der Information gehabt hätte.

222.3.3. Tatvorwurf 3 ergebe sich zweifelsfrei aus der Auswertung des Mobiltelefons des Revisionswerber und seines Signal-Chat-Verlaufs mit dem Generalsekretär des Finanzministeriums vom , wonach dieser ihm zunächst eine Sicherstellungsanordnung der WKStA vom betreffend die Sicherstellung konkret genannter Daten des Finanzministeriums im Zuge eines gegen mehrere Personen geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens übermittelt habe. Darauf habe der Revisionswerber mit der Nachricht: „Das ist ein Putsch!!, lauter Mutmaßungen, es muss Beschwerde gegen HD eingelegt werden, wer vorbereitet [den Bundesminister für Finanzen] auf seine Vernehmung?“ reagiert. Wenig später habe er geschrieben: „Was da steht ist ein schlichter Skandal; rate dringend zur Dienstaufsichtsbeschwerde an VK H“, und „Meine bisherige Einschätzung zu Verdacht und Verhältnismäßigkeit bleibt aufrecht ...“. Nach kurzen rechtlichen Kommentaren zum Inhalt des Sicherstellungsbeschlusses laute seine nächste Nachricht „Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ....“, worauf jener mit „Ja du hast völlig recht“, reagiert habe. Danach seien noch vier weitere Nachrichten des Revisionswerbers gefolgt: „Meine Empfehlung wäre. Das BMF sucht auf Grund der Ao das dazu Passende heraus. Wenn das der StA nicht genügt, muss sie sehen, wie sie zu mehr kommt ...“; „Zusammengefasst: In Wahrheit ist man auf die Kooperation mit dem BMF angewiesen; mit Zwangsgewalt werden die angestrebten Beweismittel von Externen kaum zu finden sein ...“; „Einspruch wäre dennoch anzuraten ...“; „Vernünftig und der einzige Weg, aus der Misere herauszukommen; man darf ja nicht übersehe(n), dass Weisung des Beschuldigten, nicht auszufolgen, strafgesetzwidrig und daher nicht zu befolgen wäre ... Einspruch würde ich dennoch empfehlen.“.

232.3.4. Tatvorwurf 4 - so führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst beweiswürdigend weiter aus - ergebe sich aus dem Informationsbericht der Staatsanwaltschaft Wien vom , wonach im Zuge der Sicherung des am sichergestellten Mobiltelefons des Revisionswerbers ein Chat-Verlauf mit dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien festgestellt worden sei, der darauf hindeute, dass dieser dem Revisionswerber auf inoffiziellem Weg vorab über bedeutende Verfahrensschritte in dem Verfahren der WKStA gegen den Unternehmer informiert haben könnte. So habe dieser am um 08.33 Uhr, und damit nur wenige Minuten vor der Sicherstellung des Mobiltelefons, einen Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom in diesem Verfahren an den Revisionswerber über die Mobiltelefon-Applikation „Signal“ übermittelt, obwohl der Revisionswerber seit der Neuorganisation der Strafrechtsektion im Bundesministerium für Justiz mit Wirksamkeit vom nicht mehr mit der Fachaufsicht in Einzelstrafsachen betraut gewesen sei. Insofern sei es naheliegend, dass der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien den Revisionswerber auch im Juni 2019 vorab über die geplanten Hausdurchsuchungen informiert habe, zumal er damals noch die Fachaufsicht über die WKStA ausgeübt habe. Weitere Chat-Nachrichten zwischen den Genannten hätten nicht gesichert werden können, weil die Nachrichten in diesem Chat von „Signal“ nach zwölf Stunden automatisch gelöscht würden. Im Zuge der Datensicherung seien jedoch zahlreiche Aktenteile zumeist aus dem Verschlussakt der WKStA zu 17 St 5/19d gefunden worden, die dem Revisionswerber vermutlich auch durch mittlerweile gelöschte Nachrichten per „Signal“ übermittelt worden seien. Dem Revisionswerber seien daher offensichtlich auch lange nachdem er nicht mehr die Fachaufsicht in Einzelstrafsachen übergehabt habe, zahlreiche Dokumente aus Strafakten übermittelt worden.

24Die Verantwortung des Revisionswerbers, dass er als Leiter der Sektion IV auch für die Erlässe betreffend die Anwendung der StPO zuständig und ihm das Dokument zur Qualitätssicherung übermittelt worden sei, sei nicht überzeugend, weil in einem solchen Fall auch die Übermittlung einer geschwärzten Ausfertigung gereicht hätte und zudem eine sinnvolle Weiterbearbeitung per selbstlöschender Nachrichten übermittelter und nur auf Vorschaubildern allenfalls wiederherstellbarer Dokumente durch den Revisionswerber oder Mitarbeiter seiner Sektion nur schwer vorstellbar sei.

252.4.1. Rechtlich beurteilte das Bundesverwaltungsgericht den festgestellten Sachverhalt - nach Darstellung maßgeblicher Rechtsvorschriften und von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - dahingehend, dass zu Tatvorwurf 1 keine ausreichend begründete Verdachtslage für den Ausspruch einer Suspendierung vorliege.

262.4.2. Hinsichtlich Tatvorwurf 2 stehe der Revisionswerber im Verdacht, mit der ihm hier zum Vorwurf gemachten Tathandlung gegen die Dienstpflicht der Amtsverschwiegenheit nach § 46 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen zu haben. Unter die Verschwiegenheitspflicht des § 46 Abs. 1 BDG 1979 fielen alle einem Beamten ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, an deren Geheimhaltung ein gesetzliches Interesse bestehe. Lägen diese Voraussetzungen vor, sei der Beamte gegenüber jedermann, dem er über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mitteilung zu machen habe, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Voraussetzung für die Verschwiegenheitspflicht sei das Vorliegen einer Tatsache, welche nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sei. Davon sei hier auszugehen. Auch liege der Verdacht nahe, dass dem Revisionswerber diese Tatsache im Zuge seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sei. Es bestehe ferner der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber diese geheime Tatsache am 15. und der Redakteurin, der jedenfalls keine amtliche Mitteilung darüber zu machen gewesen sei, offenbart habe. Zum Zeitpunkt dieser Weitergabe der Informationen sei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft noch nicht endgültig gewesen, weil die Oberstaatsanwaltschaft Wien im Zuge der Prüfung des Berichts zu einem anderen Ergebnis hätte kommen und eine entsprechende Weisung an die Staatsanwaltschaft hätte erteilen können. Zum Tatzeitpunkt habe daher nach wie vor ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Geheimhaltung dieser Tatsache zur Vorbereitung einer Entscheidung vorgelegen. Ob mit der Weitergabe des Geheimnisses Druck auf die Entscheidung habe ausgeübt werden sollen sei für diese Beurteilung irrrelevant. Auch ein berechtigtes privates Interesse der Anzeiger an der Geheimhaltung komme in Frage, insbesondere solange von der Staatsanwaltschaft Wien ein Strafverfahren nicht eingeleitet worden sei. Darüber hinaus könne ein berechtigtes rechtliches Interesse der Angezeigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Jedenfalls im Verdachtsbereich sei daher vom Vorliegen entsprechender gesetzlicher Interessen an einer Geheimhaltung der gegenständlichen Tatsachen auszugehen.

27Zusammengefasst bestehe somit der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber mit der ihm hier zum Vorwurf gemachten Handlung in objektiver Hinsicht gegen die Dienstpflicht des § 46 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen habe. Zudem sei im Verdachtsbereich von vorsätzlichem Handeln des Revisionswerbers auszugehen. Es sei auch ein gerichtliches Strafverfahren nach § 310 Abs. 1 StGB (Verrat eines Amtsgeheimnisses) anhängig. Bei einer Verurteilung wäre das Vorliegen eines disziplinären Überhangs nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 zu prüfen. Das Redaktionsgeheimnis nach § 31 Abs. 2 Mediengesetz schütze - entgegen dem Einwand des Revisionswerbers - lediglich Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes, nicht aber Beamte.

282.4.3. Bei Tatvorwurf 3 sei zu prüfen, ob der Revisionswerber mit dieser Handlung allenfalls ein Verhalten gesetzt habe, das geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu erschüttern, und damit gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen habe. Im konkreten Fall habe der Revisionswerber in privaten Nachrichten Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft geübt sowie rechtliche und prozesstaktische Überlegungen zur Erhebung von Rechtsmitteln mitgeteilt. Von einer unsachlichen öffentlichen Kritik könne daher nicht ausgegangen werden. Der Tatvorwurf beschränke sich jedoch nicht auf die Äußerung unsachlicher Kritik. Dem Revisionswerber werde darüber hinaus der Vorwurf gemacht, er habe dem Kabinettschef im Finanzministerium über die Mobiltelefon-Applikation „Signal“ mit unter anderem den Worten „Das ist ein Putsch“ und „Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ...“ geraten, Rechtsmittel gegen eine von der WKStA im Bundesministerium für Finanzen vollzogene Hausdurchsuchung sowie Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter zu erheben, ihm rechtliche und prozesstaktische Überlegungen dazu mitgeteilt und sich erkundigt, wer den Finanzminister auf seine Beschuldigtenvernehmung vorbereite, nachdem ihm der Kabinettschef Fotos einer anlässlich einer Hausdurchsuchung an das Bundesministerium für Finanzen gerichteten Sicherstellungsanordnung der WKStA vom übermittelt habe. Es sei anzuzweifeln, dass der Revisionswerber vor dem Hintergrund der konkreten Umstände davon habe ausgehen können, dass es sich dabei lediglich um eine Kommunikation mit einem Freund handle, von der er habe annehmen können, dass sie über den Kreis der Kommunikationspartner nicht hinausgehen werde, habe es sich dabei doch um eine Kommunikation mit dem Kabinettschef eines anderen Ministeriums gehandelt, in der er Ratschläge im Zusammenhang mit einem Verfahren der WKStA erteilt habe, das nicht gegen diesen, sondern unter anderem auch gegen den Finanzminister geführt worden sei. Vor dem Hintergrund des § 43 Abs. 2 BDG 1979 und der dazu ergangenen Rechtsprechung sei daher die Frage, ob es das Vertrauen der Allgemeinheit in die konkrete Erfüllung der allgemeinen Dienstpflichten im Sinn des § 43 Abs. 1 BDG 1979 gefährde, wenn bekannt werde, dass ein für allgemeine Strafrechtsangelegenheiten zuständiger Sektionschef des Justizministeriums dem Kabinettschef eines anderen Ministeriums in der dargestellten Art und Weise Ratschläge erteile, wie in einem laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am besten gegen konkrete Maßnahmen der WKStA, aber auch gegen handelnde Justizorgane vorgegangen werden könne, zu bejahen. Für eine funktionierende Verwaltung sei nicht nur die Beachtung der geltenden Rechtsordnung Grundvoraussetzung, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit, dass die handelnden Organe in ihrem Amt rechtmäßig und unparteilich agierten. Dies gelte besonders für den Bereich der Justiz, weil die Handlungen und Entscheidungen ihrer Organe mitunter weitreichende Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten von Normadressaten hätten. Dabei müssten sich auch die Organe der Justizverwaltung, besonders wenn sie eine hochrangige Funktion bekleideten, ihrer Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines solchen Vertrauens bewusst sein, weil deren Handeln in der Öffentlichkeit oft zu Rückschlüssen auf das ganze Justizsystem führten.

29Die dem Revisionswerber hier vorgeworfenen Handlungen erschienen insofern geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu erschüttern, als sie in der Öffentlichkeit den Schluss zuließen, dass der Revisionswerber auch bei Erfüllung seiner unmittelbaren Aufgaben andere Interessen über jene seines Dienstes stellen könnte, und damit generell nicht treu und unparteilich agiere. Gerade in einem derart brisanten Strafverfahren mit entsprechendem Medieninteresse wie dem hier betroffenen, würde sich die Öffentlichkeit von einem unparteiischen hohen Funktionsträger der Justizverwaltung erwarten, dass er sich zumindest jeder aktiven, gegen Organe der eigenen Behörden gerichteten Einmischung enthalte. In einer solchen Anforderung könne auch kein mit Art. 10 EMRK unvereinbares Verbot, sachliche Kritik am Vorgehen der WKStA zu üben, erblickt werden.

30Es bestehe daher der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber mit den ihm hier zum Vorwurf gemachten Tathandlungen zumindest fahrlässig ein Verhalten gesetzt habe, das durchaus geeignet sei, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben nicht unmaßgeblich zu erschüttern, womit er schuldhaft gegen seine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen hätte.

312.4.4. In der Unterlassung, die wiederkehrende Zusendung von ungeschwärzten Aktenbestandteilen aus verschiedenen Verfahren für deren Bearbeitung er nicht zuständig gewesen sei, zu unterbinden - so führte das Verwaltungsgericht rechtlich zu Tatvorwurf 4 zusammengefasst aus - sei zwar keine Verletzung der Treuepflicht nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 zu erkennen. Dies könne jedoch eine Verletzung der Meldepflicht gemäß § 53 Abs. 1 BDG 1979 darstellen, wonach jeder Beamte, dem in Ausübung seines Dienstes der begründete Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung bekannt werde, die den Wirkungsbereich seiner Dienststelle betreffe, dies unverzüglich deren Leiter/Leiterin zu melden habe. Ein solcher Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung liege hier vor, weshalb die Staatsanwaltschaft Wien gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft auch ein strafgerichtliches Ermittlungsverfahren wegen § 310 Abs. 1 StGB eingeleitet habe. So habe sich am Mobiltelefon des Revisionswerbers ein ungeschwärzter Beschluss des Oberlandesgerichts Wien zu 21 Bs 28/20a sowie eine Vielzahl von Vorschaubildern von Dokumenten aus dem Verschlussakt 17 St 5/19d gefunden. Es sei davon auszugehen, dass es sich dabei um nicht allgemein bekannte Dokumente gehandelt habe. Ebenso sei vom Vorliegen berechtigter öffentlicher und/oder privater Interessen an der Geheimhaltung auszugehen. Ferner habe dem Revisionswerber zum Übermittlungszeitpunkt klar sein müssen, dass er in konkreten Einzelstrafsachen keine Zuständigkeit mehr habe, die die Übermittlung solcher Dokumente an ihn gerechtfertigt hätte. Sein Einwand, dass für ihn als Leiter der Sektion IV, die auch für Erlässe betreffend die Anwendung der Strafprozessordnung zuständig sei, ein dienstliches Interesse bestanden habe, überzeuge nicht, weil ihm in diesem Fall einerseits auch mit der Übermittlung von geschwärzten Ausfertigungen solcher Dokumente gedient gewesen wäre und andererseits eine sinnvolle weitere Bearbeitung bei Übersendung mittels selbstlöschender Nachrichten nur schwer vorstellbar sei. In Anbetracht der Tatsache, dass der Revisionswerber ein ausgewiesener Experte des Strafrechts sei, habe er auch die strafrechtliche Relevanz dieser Aktenübermittlung erkennen müssen, sodass ein ausreichend begründeter Verdacht bestehe, dass er es nach Erhalt der Dokumente pflichtwidrig unterlassen habe, dem Leiter der Dienststelle eine entsprechende Meldung gemäß § 53 Abs. 1 BDG 1979 zu erstatten.

322.5. Zusammengefasst bestehe somit der begründete Verdacht, dass der Revisionswerber mit den ihm zum Vorwurf gemachten Tathandlungen in drei Fällen seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt habe, wobei insbesondere der Tatvorwurf 2 den Verdacht einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung, die zudem auch den Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung darstelle, begründe. Da die vorliegenden Beweismittel den Verdacht von insgesamt schwerwiegenden Pflichtverletzungen begründeten, sei bei einer Weiterbelassung des Revisionswerbers im Dienst bis zu einer endgültigen Klärung der strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Vorwürfe mit einer weiteren Gefährdung des Ansehens des Amtes zu rechnen. Es müsse eine weitere Schädigung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Justiz befürchtet werden, wenn ein derart hoher Funktionsträger der Justizverwaltung im Verdacht stehe, eine gerichtlich strafbare Handlung und mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben und bis zur abschließenden Klärung der Angelegenheit seinen Dienst als Sektionschef und Vorgesetzter im Justizministerium weiter versehen würde. Bereits darin sei im gegenständlichen Fall ein ausreichendes gerechtfertigtes dienstliches Interesse im Sinn des § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 zu erkennen.

33Da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 für eine Suspendierung des Revisionswerbers vorlägen, sei - so führte das Verwaltungsgericht zu Spruchpunkt A)2) aus - der Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde zu beheben und der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 vom Dienst zu suspendieren gewesen.

34Zu Spruchpunkt A)1) führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung ausschließlich auf den Tatvorwurf 1 gestützt habe. Diesbezüglich sei dem Revisionswerber Recht zu geben, dass gemäß § 105 BDG 1979 die Bestimmungen der §§ 37 und 45 Abs. 3 AVG betreffend das Recht auf Parteiengehör auch im Suspendierungsverfahren anzuwenden seien. Die Dienstbehörde wäre daher verpflichtet gewesen, dem Revisionswerber vor Erlassung des Bescheids Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Dem stehe auch § 109 Abs. 1 BDG 1979 nicht entgegen, wonach sich der Dienstvorgesetzte jeder weiteren Erhebung zu enthalten habe, wenn der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung begründe, weil die Einräumung von Parteiengehör nicht mit solchen Erhebungen gleichzusetzen sei. Die Verletzung des Rechts auf Parteiengehör werde jedoch durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geheilt. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sei dem Revisionswerber ausreichend Gelegenheit gegeben worden, zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Der gerügte Verfahrensmangel der belangten Behörde sei damit geheilt.

35Hinsichtlich des der vorläufigen Suspendierung zugrundeliegenden Tatvorwurfs 1 bestehe kein ausreichend begründeter Verdacht, um eine vorläufige Suspendierung gemäß § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 zu rechtfertigen. Die weiteren Anschuldigungspunkte (Tatvorwürfe 2 bis 4) seien dem Revisionswerber erst mit Nachtragsdisziplinaranzeige vom zum Vorwurf gemacht worden und noch nicht Gegenstand der vorläufigen Suspendierung gewesen. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG könne dieser Umstand jedoch nicht automatisch zu einer ersatzlosen Behebung des Bescheids führen. Das Verwaltungsgericht habe nämlich grundsätzlich in der Sache zu entscheiden und seine Entscheidung dabei an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten. Das gegenständliche Verfahren habe auf Grundlage der aktuell vorliegenden Sach- und Rechtslage jedoch ergeben, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Suspendierung nach § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 insgesamt vorlägen, weshalb die Beschwerde des Revisionswerbers abzuweisen gewesen sei.

362.6. Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

373. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , E 2773/2021-12, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

384. In der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhob der Revisionswerber außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete die Dienstbehörde eine Revisionsbeantwortung.

39Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst aus, das Bundesverwaltungsgericht habe die durch die Dienstbehörde ausgesprochene vorläufige Suspendierung nur anhand der weiteren Anschuldigungspunkte (Tatvorwürfe 2 bis 4) bestätigt, während jene die vorläufige Suspendierung ausschließlich auf den Tatvorwurf 1 gestützt gehabt habe. Hinsichtlich dieses Tatvorwurfs sei vom Bundesverwaltungsgericht kein ausreichend begründeter Verdacht gesehen worden, der eine vorläufige Suspendierung gemäß § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 rechtfertige. Es fehle in diesem Zusammenhang an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine vorläufige Suspendierung nur auf Grund weiterer Anschuldigungspunkte (Tatvorwürfe) bestätigt werden dürfe, die der vorläufigen Suspendierung noch nicht zugrunde gelegen seien und Gegenstand eines anderen Verfahrens ohne vollständiger Parteienidentität seien.

40Ferner habe das Verwaltungsgericht zwar „in der Sache selbst“ zu entscheiden, eine „Auswechslung des Tatvorwurfs“ sei jedoch unzulässig. Bei einem Abspruch über eine Angelegenheit, die noch nicht Gegenstand der Entscheidung der Verwaltungsbehörde gewesen sei, überschreite das Verwaltungsgericht die Sache des Verfahrens und nehme eine ihm nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch, wodurch es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belaste. Indem das Bundesverwaltungsgericht die vorläufige Suspendierung, welcher ausschließlich der Tatvorwurf 1 zugrunde gelegen sei, auf die Tatvorwürfe 2 bis 4 gestützt habe, wechsle es den Tatvorwurf aus und überschreite damit die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens. Darüber hinaus sieht der Revisionswerber dadurch das - einen tragenden Grundsatz des Verfahrensrechts darstellende - Überraschungsverbot verletzt. Damit, dass das Bundesverwaltungsgerichts bei der vorläufigen Suspendierung jene Anschuldigungspunkte heranziehe, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens gewesen seien, habe er nicht rechnen müssen. In diesem Zusammenhang sei auch sein rechtliches Gehör verletzt worden, weil ihm in diesem Verfahren keine Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu den Tatvorwürfen 2 bis 4 eingeräumt worden sei.

41Des Weiteren fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob im Suspendierungsverfahren ein wesentlicher Verfahrensmangel im Verfahren über eine (hier: vorläufige) Suspendierung vor der Dienstbehörde wie die Verletzung im Recht auf Parteiengehör durch das Verfahren samt mündlicher Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht geheilt werde. Dies besonders auch im Hinblick darauf, dass § 112 Abs. 7 BDG 1979 die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausschließe. Mit seiner dahingehenden Ansicht weiche das Bundesverwaltungsgericht überdies von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf ; , Ra 2019/09/0135) ab, in der ausgesprochen worden sei, dass im Suspendierungsverfahren dem Bediensteten das Recht auf Parteiengehör zustehe. Gelte dies nicht bereits für das Verfahren vor der Dienstbehörde, entstünde eine eklatante Rechtsschutzlücke.

42Schließlich wird zur Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführt, dass das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen gehabt hätte und dazu Feststellungen hätte treffen müssen, ob hinreichend konkrete Anhaltspunkte für sämtliche Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Anschuldigungspunkte, sowohl hinsichtlich des äußeren als auch des inneren Tatbildes vorlägen. Dies habe das Bundesverwaltungsgericht zumindest hinsichtlich des inneren Tatbildes unterlassen. So setze die Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäß § 310 StGB als Vorsatzdelikt einen Vorsatz auf sämtliche Tatbestandsmerkmale voraus. Das Bundesverwaltungsgericht habe beispielsweise bei Tatvorwurf 2 keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob die Offenbarung oder Verwertung geeignet gewesen sei, ein öffentliches oder berechtigtes privates Interesse zu verletzen und ob diesbezüglich konkrete Anhaltspunkte für einen Vorsatz des Revisionswerbers vorlägen.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

435.1. Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

44Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.

45Liegen - wie hier im Hinblick auf die Entscheidung über zwei Beschwerden verschiedener Beschwerdeführer gegen zwei Bescheide unterschiedlicher Verwaltungsbehörden betreffend vorläufiger Suspendierung und Suspendierung - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. etwa , mwN; , Ra 2019/09/0107).

465.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333/1979, in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020, lauten (auszugsweise):

„Allgemeine Dienstpflichten

§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

...

Amtsverschwiegenheit

§ 46. (1) Der Beamte ist über alle ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist, gegenüber jedermann, dem er über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mitteilung zu machen hat, zur Verschwiegenheit verpflichtet (Amtsverschwiegenheit).

...

Meldepflichten

§ 53. (1) Wird dem Beamten in Ausübung seines Dienstes der begründete Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung bekannt, die den Wirkungsbereich der Dienststelle betrifft, der er angehört, so hat er dies unverzüglich dem Leiter der Dienststelle zu melden.

...

8. Abschnitt

DISZIPLINARRECHT

1. Unterabschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Dienstpflichtverletzungen

§ 91. (1) Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.

...

Suspendierung

§ 112. (1) Die Dienstbehörde hat die vorläufige Suspendierung einer Beamtin oder eines Beamten zu verfügen,

1.wenn über sie oder ihn die Untersuchungshaft verhängt wird oder

2.wenn gegen sie oder ihn eine rechtswirksame Anklage wegen eines in § 20 Abs. 1 Z 3a angeführten Delikts vorliegt und sich die Anklage auf die Tatbegehung ab dem bezieht oder

3.wenn durch ihre oder seine Belassung im Dienst wegen der Art der ihr oder ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentlicher Interessen des Dienstes gefährdet werden.

Im Falle eines Strafverfahrens gegen eine Beamtin oder einen Beamten hat das Strafgericht die zuständige Dienstbehörde zum frühest möglichen Zeitpunkt über die Verhängung der Untersuchungshaft oder vom Vorliegen einer rechtskräftigen Anklage zu verständigen.

(2) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Bundesdisziplinarbehörde mitzuteilen, die über die Suspendierung innerhalb eines Monats zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit rechtskräftiger Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde oder des Bundesverwaltungsgerichts über die Suspendierung. Ab dem Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Bundesdisziplinarbehörde hat diese bei Vorliegen der in Abs. 1 genannten Voraussetzung die Suspendierung zu verfügen.

(3) Der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt steht gegen die Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde, gemäß Abs. 2 keine Suspendierung zu verfügen, und gegen die Aufhebung einer Suspendierung durch die Bundesdisziplinarbehörde das Recht der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu.

(4) Jede Suspendierung, auch eine vorläufige, hat die Kürzung des Monatsbezuges der Beamtin oder des Beamten auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Für die Dauer der vorläufigen Suspendierung erfolgt eine Auszahlung ohne Kürzung. Nach Verfügung der Suspendierung durch die Bundesdisziplinarbehörde nach Abs. 2 oder durch das Bundesverwaltungsgericht nach Abs. 3 ist der über die gekürzten Bezüge hinausgehend ausbezahlte Betrag unter sinngemäßer Anwendung des § 13a Abs. 2 bis 4 Gehaltsgesetz hereinzubringen. Die Dienstbehörde, ab Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Bundesdisziplinarbehörde diese, hat auf Antrag der Beamtin oder des Beamten oder von Amts wegen, die Kürzung zu vermindern oder aufzuheben, wenn und soweit das monatliche Gesamteinkommen der Beamtin oder des Beamten und ihrer oder seiner Familienangehörigen, für die sie oder er sorgepflichtig ist, die Höhe des Mindestsatzes im Sinne des § 26 Abs. 5 PG 1965 nicht erreicht.

(5) Nimmt die Beamtin oder der Beamte während der Suspendierung eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung auf oder weitet eine solche aus oder übt sie oder er während der Suspendierung eine unzulässige Nebenbeschäftigung aus, erhöht sie die Kürzung des Monatsbezuges gemäß Abs. 4 um jenen Teil, um den ihre oder seine Einkünfte aus dieser Nebenbeschäftigung ein Drittel ihres oder seines Monatsbezugs übersteigen. Zu diesem Zweck hat die Beamtin oder der Beamte unverzüglich ihre oder seine Einkünfte aus dieser Nebenbeschäftigung bekannt zu geben. Kommt sie oder er dieser Pflicht nicht nach, so gilt der ihrer oder seiner besoldungsrechtlichen Stellung entsprechende Monatsbezug als monatliches Einkommen aus der Nebenbeschäftigung.

(6) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens, fallen die Umstände, die für die Suspendierung der Beamtin oder des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist Suspendierung von der Bundesdisziplinarbehörde unverzüglich aufzuheben.

(7) Die Beschwerde gegen eine (vorläufige) Suspendierung oder gegen eine Entscheidung über die Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung.

(8) Wird die Bezugskürzung auf Antrag des Beamten vermindert oder aufgehoben, so wird diese Verfügung mit dem Tage der Antragstellung wirksam.“

475.3. Voranzustellen ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Suspendierung - ebenso wie die nach denselben inhaltlichen Vorschriften zu verfügende vorläufige Suspendierung - als sichernde, bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zu treffende Maßnahme keine endgültige Lösung darstellt; sie steht in engem Zusammenhang mit dem Verdacht gegen einen Beamten, eine gravierende Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, und weist damit auch einen engen Nahebezug zum Disziplinarverfahren auf. Es braucht daher im Suspendierungsverfahren noch nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Im Suspendierungsverfahren genügt es vielmehr zur Rechtfertigung des Ausspruchs einer Suspendierung, wenn gegen den Beschuldigten ein begründeter Verdacht einer Dienstpflichtverletzung besteht, die „ihrer Art nach“ geeignet ist, das Ansehen des Amtes oder wesentliche dienstliche Interessen zu gefährden. Ein „begründeter Verdacht“ liegt vor, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der das Disziplinarverfahren abschließenden Entscheidung eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen.

48Im Hinblick auf diese Funktion der Suspendierung können an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Vielmehr muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das im Verdachtsbereich als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden; die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen reichen für eine vorläufige Suspendierung nicht aus. Vielmehr müssen greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung in ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie die subjektive Tatseite gegeben sein. Allerdings ist eine Suspendierung unzulässig, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Verfügung offenkundig ist, das heißt auf der Hand liegt, dass die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Dies wäre etwa bei inzwischen eingetretener Verjährung, bei bloßem Bagatellcharakter der zur Last gelegten Tat oder bereits diagnostizierter Schuldunfähigkeit des Beschuldigten der Fall. Ob diese Offenkundigkeit gegeben ist, kann jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden (vgl. zum Ganzen etwa , mwN - zu § 80 LDG 1984; ebenso u.a. , VwSlg. 18347 A/2012; , 2010/09/0231).

49Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern. Da die Verfügung der Suspendierung den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraussetzt, die wegen „ihrer Art“ das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, können nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z. B. bei denkbarer Verdunkelungsgefahr im Dienst oder schwerer Belastung des Betriebsklimas (siehe etwa ; , Ro 2015/09/0004; ebenso - zu § 94 DO 1994, je mwN).

5.4. Zu Spruchpunkt A)2) des angefochtenen Erkenntnisses - Suspendierung:

505.4.1. Das Zulässigkeitsvorbringen des Revisionswerbers richtet sich in erster Linie gegen die in Spruchpunkt A)1) erfolgte Entscheidung über die vorläufige Suspendierung. In Hinblick auf Spruchpunkt A)2) wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, dass das Verwaltungsgericht zu prüfen und dazu Feststellungen zu treffen gehabt hätte, ob hinreichend konkrete Anhaltspunkte für sämtliche Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Anschuldigungspunkte sowohl hinsichtlich des äußeren als auch des inneren Tatbildes vorlägen. So sei die Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäß § 310 StGB ein reines Vorsatzdelikt. Der Vorsatz müsse sich dabei auf sämtliche Tatbestandsmerkmale beziehen. Hinsichtlich Tatvorwurf 2 seien keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob die Offenbarung oder Verwertung geeignet gewesen sei, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen und ob diesbezüglich konkrete Anhaltspunkte für einen Vorsatz des Revisionswerbers vorlägen. Ohne solche konkreten Anhaltspunkte liege kein konkreter Anhaltspunkt für eine Tatbegehung nach § 310 Abs. 1 StGB vor, sodass dies nicht zur Rechtfertigung der Suspendierung herangezogen werden könne.

515.4.2. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision, soweit sie sich gegen Spruchpunkt A)2) wendet, nicht aufgezeigt:

525.4.2.1. Hinsichtlich Spruchpunkt A)2) ist zuerst klarzustellen, dass der dazu gefasste Spruch dahingehend zu verstehen ist und offenbar sowohl vom Bundesverwaltungsgericht so intendiert war als auch von den Parteien in diesem Sinn gelesen wurde, dass damit der angefochtene (die Suspendierung nicht aussprechende) Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde insofern abgeändert wurde, als die Suspendierung verfügt wurde. Einer - in diesem Zusammenhang vom Bundesverwaltungsgericht dafür zunächst ausgesprochenen - Aufhebung des angefochtenen Bescheids bedarf es dafür nicht. Vielmehr tritt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Sache des Verwaltungsverfahrens an die Stelle des Bescheids der belangten Behörde, der bereits damit aus dem Rechtsbestand beseitigt wird (siehe ausführlich , VwSlg. 19189 A/2015). Dass eine Aufhebung des Bescheids zur Zurückverweisung der Sache nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht gewollt war ergibt sich bereits daraus, dass sich das Verwaltungsgericht spruchgemäß auf § 28 Abs. 1 und 2 Z 1 VwGVG stützte und durch das Verfügen der Suspendierung in der Sache selbst entschied. Eine - wegen der erfolgten Verfügung der Suspendierung ebenso wenig beabsichtigte - ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids würde für sich bereits eine Entscheidung in der Sache darstellen und zudem einer neuerlichen Entscheidung in der Sache entgegenstehen (vgl. ).

53Spruchpunkt A)2) ist deshalb berichtigend so zu lesen, dass der angefochtene Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde dahingehend abgeändert wurde, dass die Suspendierung ausgesprochen wurde.

545.4.2.2. Mit dem dargestellten, gegen Spruchpunkt A)2) gerichteten Zulässigkeitsvorbringen zeigt der Revisionswerber zunächst schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage auf, weil damit übersehen wird, dass die Suspendierung zu Tatvorwurf 2 nicht wegen des Verdachts der Verwirklichung des Strafdelikts nach § 310 StGB ausgesprochen wurde, sondern wegen des Verdachts der Verletzung der Dienstpflicht der Amtsverschwiegenheit nach § 46 Abs. 1 BDG 1979. Unter den Schuldbegriff des § 91 BDG 1979 fallen jedoch sowohl die Schuldform des Vorsatzes wie auch der Fahrlässigkeit, weshalb auch die fahrlässige Verletzung der Dienstpflicht nach § 46 Abs. 1 BDG 1979 die disziplinäre Verantwortung des Beamten begründet (vgl. ). Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich in diesem Zusammenhang auch mit der inneren Tatseite ausreichend auseinander und ging (im Verdachtsbereich) davon aus, dass der Revisionswerber die Information im Bewusstsein, dass es sich dabei um eine nicht öffentlich bekannte Information handelte, für deren Geheimhaltung zumindest ein berechtigtes privates Interesse vorgelegen haben könne, weitergab.

55Zudem stützte das Bundesverwaltungsgericht die Suspendierung auf zwei weitere Tatvorwürfe wegen des Verdachts von Dienstvergehen nach § 43 Abs. 2 bzw. § 53 Abs. 1 BDG 1979. Wird aber eine Suspendierung nach ihrer Begründung auf mehrere Dienstpflichtverletzungen (im Verdachtsbereich) gestützt, so genügt schon, dass auf Grund einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung (im Verdachtsbereich) das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes bei Belassung gefährdet wären. Es muss im Allgemeinen nicht geprüft werden, ob auch alle anderen dafür herangezogenen Dienstpflichtverletzungen (für sich allein oder im Zusammenhalt) eine Suspendierung rechtfertigen würden (vgl. etwa ; siehe auch , zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht). Im Zusammenhang mit den weiteren zur Begründung der Suspendierung herangezogenen Tatvorwürfen wird ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

565.4.3. Die Revision war daher, soweit sie sich gegen Spruchpunkt A)2) richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

57Die alleine eine Revisionsbeantwortung erstattende Dienstbehörde war in diesem Verfahren über die Suspendierung nicht Verfahrenspartei (Partei nach § 21 Abs. 1 Z 3 und § 22 zweiter Satz VwGG in Verfahren der Bundesdisziplinarbehörde ist der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport), sodass ihr in diesem Zusammenhang kein Kostenersatz zusteht.

5.5. Zu Spruchpunkt A)1) des angefochtenen Erkenntnisses - vorläufige Suspendierung:

585.5.1. Von der Suspendierung, über die in erster Instanz die Bundesdisziplinarbehörde abspricht, ist die unmittelbar von der Dienstbehörde verfügte vorläufige Suspendierung zu unterscheiden.

59Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid, mit dem er vorläufig vom Dienst suspendiert worden war, zusammengefasst damit, dass zwar nicht der von der Dienstbehörde zur Suspendierung herangezogene Grund (Tatvorwurf 1) diese tragen könne, jedoch die in der Nachtragsanzeige an die Bundesdisziplinarbehörde erhobenen Vorwürfe.

605.5.2. Im Hinblick auf das oben dargestellte Zulässigkeitsvorbringen ist die Revision insoweit zulässig. Sie ist im Ergebnis auch begründet.

615.5.2.1. Der Revisionswerber bringt zu diesem Spruchpunkt in seiner Revision begründend ferner vor, dass nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Tatvorwurf 1 kein ausreichend begründeter Verdacht gegeben gewesen sei, der eine vorläufige Suspendierung zu tragen geeignet gewesen wäre. Da die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung ausschließlich auf Tatvorwurf 1 gestützt habe, hätte das Bundesverwaltungsgericht daher seiner Beschwerde insoweit Folge zu geben gehabt.

62Die Tatvorwürfe 2 bis 4 seien ausschließlich im Verfahren über die Suspendierung gegenständlich und erst in einer nach dem Ausspruch der vorläufigen Suspendierung erstatteten Nachtragsdisziplinaranzeige an die Bundesdisziplinarbehörde enthalten gewesen. Sie könnten daher nicht zur - nachträglichen - Begründung der vorläufigen Suspendierung herangezogen werden. Das Verwaltungsgericht habe zwar „in der Sache selbst“ zu entscheiden. Nehme es jedoch eine Auswechslung des Tatvorwurfs vor, komme es zu einer „Überschreitung der Sache“ des Verfahrens, wodurch das Verwaltungsgericht eine ihm nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch nehme.

63Zudem sei durch das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und die mündliche Verhandlung keine Heilung der Verletzung des rechtlichen Gehörs eingetreten. Auch im Suspendierungsverfahren komme dem Bediensteten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Recht auf Parteiengehör zu. Gelte dies nicht bereits vor der Dienstbehörde, entstünde eine eklatante, mit den Grundrechten des Disziplinarbeschuldigten unvereinbare Rechtsschutzlücke. Dieser verlöre eine volle Tatsacheninstanz, was ihn in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzen würde. Es käme einem „Freibrief“ für die Behörde gleich, willkürlich jedwedes Ermittlungsverfahren zu unterlassen und die Parteirechte schlichtweg zu ignorieren, was mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip unvereinbar wäre. Da die vorläufige Suspendierung sofortige Wirkung entfalte und der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukomme, müssten im Suspendierungsverfahren zwingend die Parteienrechte bereits im Verfahren vor der erstinstanzlichen Dienstbehörde gewahrt werden.

64Schließlich habe das Verwaltungsgericht diesem Verfahren den Sachverhalt und die Ergebnisse zugrunde gelegt, die aus dem anderen Verfahren resultierten, ohne die beiden Verfahren miteinander verbunden zu haben und obwohl in den beiden Verfahren keine (vollständige) Parteienidentität bestanden habe, womit das Recht auf rechtliches Gehör, Erörterungspflicht und Überraschungsverbot verletzt worden seien.

655.5.2.2. Diesem Vorbringen ist - soweit es zum Vorliegen eines Verfahrensmangels erstattet wird - bereits vorweg entgegenzuhalten, dass damit nicht konkret aufgezeigt wird, welches weitere Vorbringen der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren über die vorläufige Suspendierung erstattet hätte, das er nicht bereits im Verfahren vorbrachte und inwieweit dies zu einem für ihn günstigeren Ergebnis bei der Entscheidung über die vorläufige Suspendierung geführt hätte. Ein relevanter Verfahrensmangel wird daher nicht aufgezeigt. Auch das in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Argument einer nicht vollständigen Parteienidentität in den beiden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht überzeugt nicht. Jedenfalls der Revisionswerber ist in beiden Verfahren über seine (vorläufige) Suspendierung Partei. Er hatte daher die Möglichkeit in der - auch für den Revisionswerber erkennbar - vom Bundesverwaltungsgericht über beide Beschwerden gemeinsam durchgeführten mündlichen Verhandlung zu beiden Verfahren Vorbringen zu erstatten. Zudem hatte auch die Bundesdisziplinarbehörde bei ihrer Entscheidung über die Suspendierung bereits sämtliche von der Dienstbehörde in den Disziplinaranzeigen erhobenen Vorwürfe zu prüfen.

665.5.2.3. Soweit der Revisionswerber eine Verletzung des Parteiengehörs vor der Dienstbehörde moniert und meint, diese könne auch durch ein Verfahren mit mündlicher Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht saniert werden, zeigt er ein Abweichen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf.

67Die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann, wurde nämlich auf das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen. Eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann daher durch die mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden. Bedenken im Hinblick auf das Fehlen einer weiteren gerichtlichen Ebene mit voller Tatsachenkognition bestehen nicht (siehe , mwN).

685.5.2.4. Im vorliegenden Fall ist überdies zu berücksichtigen, dass die vorläufige Suspendierung eine besonders dringliche, von vornherein jedoch zeitlich befristete Maßnahme ist. So hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung unverzüglich der Bundesdisziplinarbehörde mitzuteilen, die über die Suspendierung innerhalb eines Monats zu entscheiden hat (§ 112 Abs. 2 BDG 1979). Es findet also auch ohne die Erhebung eines Rechtsmittels durch den vorläufig suspendierten Beamten eine gewisse unmittelbare Überprüfung der Maßnahme durch eine unabhängige Behörde statt. Diese hat in ihrem Verfahren ebenfalls Parteiengehör zu gewähren. Davon ausgehend und unter Berücksichtigung des Zwecks der vorläufigen Suspendierung, nämlich den einer gravierenden Dienstpflichtverletzung verdächtigen Beamten rasch von seinem Arbeitsplatz zu entfernen, weil andernfalls das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet wären, kann ein - zumindest ein auch durch die Gewährung von Parteiengehör im weiteren Verfahren nicht sanierbarer - relevanter Verfahrensmangel darin, dass die Dienstbehörde vor der vorläufigen Suspendierung in dringenden Fällen Parteiengehör nicht einräumt, nicht erblickt werden. Dem steht auch die vom Revisionswerber zitierte, in Verfahren über (endgültige) Suspendierungen ergangene und Verhandlungen vor den Verwaltungsgerichten betreffende jüngere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; , Ra 2018/09/0156) nicht entgegen.

695.5.2.5. Das in der Revision in diesem Zusammenhang durch die Gewährung von Parteiengehör erst im Verfahren vor der Bundesdisziplinarbehörde oder (bei Erhebung einer Beschwerde gegen die vorläufige Suspendierung) im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete Rechtschutzdefizit liegt nicht vor. So tritt die Kürzung des Monatsbezugs erst dann - rückwirkend - ein, wenn die Bundesdisziplinarbehörde, also eine von der Dienstbehörde verschiedene Behörde mit selbständigen und unabhängigen Mitgliedern (siehe § 102 Abs. 3 BDG 1979), die Suspendierung ausspricht. Ein subjektives Recht auf tatsächliche Erbringung der dem Beamten auf seinem Arbeitsplatz zugewiesenen Aufgaben kommt diesem hingegen nicht zu (vgl. ; siehe auch , VwSlg. 18220 A/2011, zur Frage des Verzichts auf die Erbringung der Dienstleistung eines Beamten).

705.5.2.6. Die Dienstbehörde war auch nicht gehalten eigene Ermittlungen im Hinblick auf den Beschluss der Staatsanwaltschaft durchzuführen. So ist der Disziplinarvorgesetzte zur Beurteilung, ob ein begründeter Verdacht vorliegt, schon wegen des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 46 AVG) berechtigt, alles als Beweismittel heranzuziehen, was einen derartigen Verdacht beinhalten könnte und geeignet und nach Lage des Falles zweckdienlich ist. Die Forderung nach eigenen Ermittlungen der Disziplinarbehörde im Suspendierungsverfahren geht daher ins Leere ().

5.5.3. Zur zeitlichen Dauer der vorläufigen Suspendierung:

71Wie sich aus § 112 Abs. 2 BDG 1979 ergibt endet die vorläufige Suspendierung spätestens mit rechtskräftiger Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde oder des Bundesverwaltungsgerichts über die Suspendierung.

72Im Hinblick auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine (vorläufige) Suspendierung durch § 112 Abs. 7 BDG 1979 endet die vorläufige Suspendierung in einem Fall wie dem vorliegenden, wenn also die Bundesdisziplinarbehörde die vorläufige Suspendierung dadurch nicht „bestätigt“, dass sie keine Suspendierung ausspricht, das über Beschwerde der Disziplinaranwältin oder des Disziplinaranwalts angerufene Bundesverwaltungsgericht (§ 112 Abs. 3 BDG 1979) diese jedoch verfügt (zur Abänderung des angefochtenen Bescheids mit dieser Entscheidung siehe die Ausführungen zu Spruchpunkt A)2) oben), mit der Rechtskraft des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts.

73Bis zur Dienstrechts-Novelle 2013, BGBl. I Nr. 210/2013, war nach § 112 Abs. 2 BDG 1979 gegen eine vorläufige Suspendierung kein Rechtsmittel zulässig.

74Nach den Materialien (IA 41/A 25. GP 31) war die Beseitigung des § 112 Abs. 2 BDG 1979 in seiner alten Fassung und der damit verbundene Entfall des Rechtsmittelausschlusses aufgrund der Verwaltungsgerichtsbarkeit-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wegen der in der Bundesverfassung nicht vorgesehenen Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers, Ausnahmen von der in Art. 132 B-VG normierten Möglichkeit einer Beschwerde gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde an das Verwaltungsgericht zu schaffen, notwendig.

75Da bis zur Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ein ordentliches Rechtsmittel gegen den Bescheid, mit dem die vorläufige Suspendierung verfügt wurde, gesetzlich ausgeschlossen war, wurde - worauf auch die Revisionsbeantwortung hinweist - in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen, dass eine Beschwerde (an den zunächst ausschließlich mit kassatorischen Befugnissen ausgestatteten Verwaltungsgerichtshof) gegen eine vorläufige Suspendierung nach Entscheidung über die (endgültige) Suspendierung gegenstandslos geworden und das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof einzustellen war (vgl. unter vielen etwa ).

76Nunmehr ist auch der Bescheid über eine vorläufige Suspendierung selbständig mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht bekämpfbar. Schon deshalb, weil nach dem dargestellten Willen des Gesetzgebers die Beschwerde gegen die vorläufige Suspendierung an das Verwaltungsgericht zulässig ist, andererseits die vorläufige Suspendierung durch die Dienstbehörde überdies unverzüglich der Bundesdisziplinarbehörde mitzuteilen ist, die innerhalb eines Monats über die Suspendierung zu entscheiden hat (§ 112 Abs. 2 BDG 1979), kann nach der nunmehrigen Rechtslage nicht mehr davon ausgegangen werden, dass mit der Entscheidung über die Suspendierung die Beschwerde gegen die vorläufige Suspendierung gegenstandslos geworden wäre.

77Die vom Revisionswerber ergriffene Beschwerde ermöglichte daher die Überprüfung der ursprünglichen Zulässigkeit der vorläufigen Suspendierung. Zwar hat die Bundesdisziplinarbehörde gemäß § 112 Abs. 2 BDG 1979 obligatorisch nach vorläufiger Suspendierung über die (endgültige) Suspendierung zu entscheiden. Die Bundesdisziplinarbehörde kann in diesem Fall die Suspendierung verhängen oder sie nicht verhängen. In beiden Fällen endet mit der Rechtskraft dieses Bescheids (oder im Fall eines anschließenden Beschwerdeverfahrens mit jener des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses) die vorläufige Suspendierung. Eine Überprüfung der Zulässigkeit der vorläufigen Suspendierung bis zu ihrer Beendigung findet durch die Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde jedoch nicht statt.

78Diese Rechtsschutzlücke schließt die nun eingeräumte Rechtsmittelmöglichkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher zu Recht inhaltlich über die Beschwerde gegen die vorläufige Suspendierung entschieden.

5.5.4. Zum Maßstab der Prüfung der vorläufigen Suspendierung:

79Zwar trifft es zu, dass das Verwaltungsgericht - wenn es in der Sache selbst entscheidet - seine Entscheidung grundsätzlich an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hat. Dies gilt jedoch nicht in jenen Fällen, in denen die Rechtsvorschriften auf die Rechts- und Sachlage während eines bestimmten in der Vergangenheit liegenden Stichtags oder Zeitraums abstellen (vgl. etwa , u.a., mwN).

80Bereits zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 hat der Verwaltungsgerichtshof in Fällen, in welchen der Beamte während des Verfahrens über die Berufung gegen seine Suspendierung in den Ruhestand versetzt worden war, erkannt, dass zwar infolge Ruhestandsversetzung die Suspendierung geendet habe, die Entscheidung der Disziplinaroberkommission „vom Sachregelungsbereich her sich nur auf den ‚Aktivzeitraum‘ beziehen kann“. Eine derartige zeitraumbezogene Entscheidung über eine Suspendierung hat der Verwaltungsgerichtshof auch im Fall der Einstellung des Disziplinarverfahrens während des Berufungsverfahrens über die Suspendierung für geboten erachtet. Im Hinblick auf den untrennbaren Zusammenhang der Suspendierung mit der Bezugskürzung ist auch nach Aufhebung der Suspendierung durch einen nicht rückwirkenden Bescheid eine Berufungserledigung dahin zu treffen, ob die Suspendierung rechtens war und sich der Ausspruch der Disziplinarbehörde zweiter Instanz auf den Zeitraum von der Verfügung der Suspendierung bis zu deren Beendigung zu beziehen hat. Diese Rechtsprechung wurde vom Verwaltungsgerichtshof auch für die nach der Verwaltungsgerichtsbarkeit-Novelle 2012 maßgebende Rechtslage, nach welcher die Verwaltungsgerichte gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG (ähnlich wie davor die Berufungsbehörden gemäß § 66 Abs. 4 AVG) „in der Sache“ zu entscheiden haben, als weiterhin maßgeblich angesehen (siehe dazu ; vgl. auch , zum Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses an einer Beschwerde trotz Wegfalls der Suspendierung).

81Dies bedeutet, dass dann, wenn die (endgültige) Suspendierung durch die Bundesdisziplinarbehörde oder das Bundesverwaltungsgericht verhängt wird, im Verfahren über eine Beschwerde gegen eine vorläufige Suspendierung zunächst noch zu entscheiden ist, ob die Verhängung der vorläufigen Suspendierung zu Recht erfolgte.

82Ob auch für den Fall, dass eine Suspendierung - nach einer vorläufigen Suspendierung - endgültig nicht verhängt wird, ein Rechtsschutzinteresse an einer Beschwerde gegen die vorläufige Suspendierung fortbesteht, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden. Bei einer solchen Konstellation wäre jedoch zu beachten, dass es nach § 112 Abs. 4 BDG 1979 (in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153/2020) für die Dauer der vorläufigen Suspendierung zu einer ungekürzten Auszahlung des Gehalts kommt und es auch zu keiner - nur für den Fall, dass die Bundesdisziplinarbehörde oder das Bundesverwaltungsgericht die Suspendierung ausspricht, eintretenden - (rückwirkenden) Bezugskürzung käme.

83Die Materialien (RV 461 Blg. NR 27. GP, 3) führen dazu aus:

„Bei einer vorläufigen Suspendierung ist unverzüglich die Bundesdisziplinarbehörde bzw. die landesgesetzlich zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde zu verständigen. In der Vergangenheit haben die seinerzeit zuständigen Disziplinarkommissionen oftmals nicht innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist eine Entscheidung getroffen. Ungeachtet dessen führte bisher bereits die Verfügung einer vorläufigen Suspendierung durch die Dienstbehörde zu einer sofortigen Kürzung des Bezuges, indem nur mehr zwei Drittel des Monatsbezuges ausbezahlt wurden. Durch die vorliegende Regelung soll es nun zu einer deutlichen Verbesserung für die betroffenen Bediensteten kommen und eine Gehaltskürzung im Endeffekt nur bei einer tatsächlich bestätigten Suspendierung zulässig sein.“

84Im vorliegenden Fall hatte das Bundesverwaltungsgericht im hier noch gegenständlichen Verfahren daher zunächst die Frage zu untersuchen, ob die vorläufige Suspendierung von der Dienstbehörde zu Recht ausgesprochen wurde. Dies ist vorweg - hier ist dem Revisionswerber zuzustimmen - ausgehend von dem Vorwurf zu prüfen, den die Dienstbehörde für die vorläufige Suspendierung herangezogen hat.

85Bei dieser zeitraumbezogenen Prüfung ist jedoch auch § 112 Abs. 6 BDG 1979 im Blick zu behalten, wonach für den Fall, dass Umstände, die für die Suspendierung der Beamtin oder des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher wegfallen, die Suspendierung von der Bundesdisziplinarbehörde unverzüglich aufzuheben ist. Aus dieser Bestimmung ist einerseits auch abzuleiten, dass bereits die Dienstbehörde für die Dauer der vorläufigen Suspendierung stets zu berücksichtigen hat, ob die vorläufige Suspendierung noch aufrechterhalten werden kann. Andererseits kann die Dienstbehörde eine vorläufige Suspendierung auch auf - später hervorgekommene - weitere Sachverhalte stützen.

86Der Verwaltungsgerichthof hat zu dieser Frage zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach den damaligen Bestimmungen des Kärntner Dienstrechtsgesetzes (KDRG), LGBl. Nr. 35/1985, in seinem Erkenntnis vom , 92/09/0318, das Folgende ausgeführt:

„Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß das Gesetz eine ‚Ausdehnung‘ der Suspendierung auf neu hinzukommende Vorwürfe gegen einen Beamten, der bereits wegen anderer Dienstpflichtverletzungen vom Dienst suspendiert ist, nicht ausdrücklich vorsieht.

Dennoch hält der Verwaltungsgerichtshof diese Vorgangsweise aus folgenden Gründen für notwendig:

- Aus § 114 Abs. 5 iVm Abs. 3 KDRG ergibt sich, daß zwischen der Rechtsfolge Suspendierung und den hiefür maßgebenden Gründen (Ursachen) - welche diese sind, ergibt sich aus der Begründung des Suspendierungsbescheides - ein enger Konnex besteht, ist doch bei Wegfall derselben vor rechtskräftigem Abschluß des Disziplinarverfahrens die Suspendierung unverzüglich aufzuheben. Dies ist aber nur der für einen besonderen Fall hervorgehobene Ausdruck eines allgemeinen Aktualisierungsgebotes, das bei jeder nachträglichen maßgebenden Änderung der Sach- und/oder Rechtslage gilt.

- Eine Sicherungsfunktion ist auch mit der ‚Ausdehnung‘ der Suspendierung auf später hervorkommende Verdachtsmomente, die weitere Dienstpflichtverletzungen betreffen, gegeben, ist es doch für die Anwendbarkeit des § 114 Abs. 5 KDRG von Bedeutung, auf welche maßgebenden Umstände die Suspendierung gestützt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß es bloß vom Zufall (Zeitpunkt der Verfügung der Suspendierung) abhängen soll, ob bzw. wann es der Behörde erlaubt sein soll, ihr nach der Suspendierung des Beamten zur Kenntnis gelangte weitere Dienstpflichtverletzungen unter dem Gesichtspunkt der Suspendierung zu verwerten. Dem Einwand, sie könne dies doch auch zum Zeitpunkt tun, in dem der bisherige (alte) Suspendierungsgrund wegfalle, ist zu entgegnen, daß dann eine erstmalige Verwertung zB. im Hinblick auf die in der Zwischenzeit verstrichene Zeit unter dem Gesichtspunkt der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 114 Abs. 1 KDRG rechtlich ausgeschlossen sein könnte. Die Suspendierungsgründe sind auch unter dem Gesichtspunkt des § 147 KDRG relevant (siehe dazu unten).

- Der ‚Ausdehnung‘ der Suspendierung steht auch der Wortlaut des § 114 Abs. 1 KDRG nicht zwingend entgegen: die 2. Tatbestandsalternative (‚... würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet ...‘) schließt nämlich nicht aus, daß auch die bloß ‚potentielle‘ Belassung eines Beamten im Dienst darunter zu verstehen ist.

- Dazu kommt, daß die aus Anlaß der Suspendierung grundsätzlich schon kraft Gesetzes eintretende Kürzung der Bezüge (die nur durch Bescheid der Behörde aus besonderen in der Person des Beamten gelegenen Gründen gemindert oder ausgeschaltet werden kann) nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 GG 1956, dem § 147 KDRG entspricht, nur dann endgültig wird, wenn zwischen dem der Suspendierung zugrundegelegten Sachverhalt und der in der strafgerichtlichen Verurteilung (im Disziplinarerkenntnis) festgestellten Tat ein sachlicher Zusammenhang besteht, der jeweils im Einzelfall zu prüfen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/12/0187, sowie vom , Zl. 421/65). Völlige Deckungsgleichheit (Identität) zwischen der im Verdachtsbereich im Suspendierungsbescheid vorgeworfenen Tat und der in der Verurteilung festgestellten Tat muß allerdings nicht bestehen. So hat der Verwaltungsgerichtshof im oben genannten Erkenntnis vom einen derartigen Sachzusammenhang bejaht; in jenem Fall hatte die DK die Suspendierung des Beschwerdeführers (Gendarm) auf den Verdacht eines verschuldeten Verkehrsunfalles mit Personenschaden, den der Beschwerdeführer im alkoholisierten Zustand begangen hätte, gestützt, während seine strafgerichtliche Verurteilung wegen dieses Vorfalles ohne ‚Alkoholkomponente‘ erfolgte.

Auch dieser (enge) Zusammenhang zwischen Suspendierungsgrund und dem Ausgang des strafgerichtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Verfahrens für die Endgültigkeit der (grundsätzlich kraft Gesetzes eintretenden) Kürzung der Bezüge spricht für die Zulässigkeit der ‚Ausdehnung‘ der Suspendierung auf nachträglich hervorkommende Dienstpflichtverletzungen (im Verdachtsbereich): bei einem Verwertungsverbot während der Dauer einer schon aufrechten Suspendierung würde in Kauf genommen werden, daß wegen des Verfahrensausganges im strafgerichtlichen bzw. Disziplinarverfahren zu jenen sachverwandten Vorwürfen, die der Suspendierung zugrundelagen, die Nachzahlung der Kürzung zu erfolgen hätte, obwohl die nach der Suspendierung bekanntgewordenen Dienstpflichtverletzungen, die zB. bloß deshalb für die Suspendierung nicht verwertet werden konnten, weil alle Disziplinarverfahren unter einem abgeführt wurden, zu einer Verurteilung geführt haben, die die Kürzung der Bezüge hätte endgültig werden lassen.

Aus diesen Gründen war es daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht von vornherein rechtswidrig, wenn die zweitbelangte Behörde das Hervorkommen neuer Dienstpflichtverletzungen zum Anlaß nahm, die über den Beschwerdeführer bereits verhängte Suspendierung auch auf diese neuen Verdachtsmomente auszudehnen.“

87Diese Rechtslage lässt sich für den vorliegenden Fall dahingehend verallgemeinern, dass Veränderungen - zugunsten des Revisionswerbers wie auch zu seinen Lasten - im Zeitraum der hier zu überprüfenden vorläufigen Suspendierung zu berücksichtigen sind.

885.5.6. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich bei seiner Prüfung dabei - wie ausgeführt - zunächst an dem von der Dienstbehörde herangezogenen Suspendierungsgrund zu orientieren. Da das Bundesverwaltungsgericht diesen Prüfmaßstab verkannte, indem es die vorläufige Suspendierung von Beginn an an Hand der erst später hervorgekommenen Tatvorwürfe maß, belastete es sein Erkenntnis im Spruchpunkt A)1) mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

89Im fortzusetzenden Verfahren wird daher für den dargelegten Zeitraum zu prüfen sein, ob der von der Dienstbehörde herangezogene Sachverhalt in dem oben dargelegten Zeitraum die vorläufige Suspendierung zu tragen geeignet war.

5.5.7. Bei der Prüfung im konkreten Fall ist zu berücksichtigen:

90Zunächst ist bei der - wie hier - im Nachhinein erfolgenden Prüfung der Zulässigkeit der vorläufigen Suspendierung die Dringlichkeit der Maßnahme zu berücksichtigen. So wurden im vorliegenden Fall vom Revisionswerber, der zu diesem Zeitpunkt Leiter einer Strafrechtssektion im Bundesministerium für Justiz war, aufgrund eines Beschlusses einer Staatsanwaltschaft sein Dienstmobiltelefon sowie weitere dienstliche elektronische Geräte in den Räumlichkeiten des Ministeriums sichergestellt. Das dadurch in der Öffentlichkeit entstehende Bild und die Gefahr einer Verdunkelung wäre daher mit der Möglichkeit, ihn an seinem für das Strafrecht zentralen Arbeitsplatz belassen zu können, abzuwägen gewesen.

91Die Dienstbehörde begründete die vorläufige Suspendierung zusammengefasst damit, dass nach der schlüssigen Sicherstellungsanordnung der Staatsanwaltschaft Wien der Unternehmer bei der Durchsuchung seiner Geschäftsräumlichkeiten am sichtlich von diesem Termin vorinformiert gewesen sei. Schriftverkehr zwischen diesem und Dr. E legten nahe, dass letzterer mehrfach mit dem Revisionswerber über das Ermittlungsverfahren gegen jenen gesprochen und zu dessen Gunsten zu intervenieren versucht habe. Dr. E habe während seines Aufenthalts im Justizministerium am mehrfach versucht, den Unternehmer zu erreichen und sei von diesem schließlich zurückgerufen worden. Zuletzt habe Dr. E am Tag der Hausdurchsuchung eine aufmunternde Nachricht an den Unternehmer geschrieben, aus der zu erschließen sei, dass beide von der anstehenden Hausdurchsuchung gewusst hätten. Zwar ergebe sich aus der Sicherstellungsanordnung kein unmittelbarer Beweis für ein Gespräch zwischen Dr. E und dem Revisionswerber, dennoch begründeten die Begleitumstände auch einen hinreichenden und entsprechend dringenden Verdacht gegen den Revisionswerber, weil zumindest mehrere einschlägige Gespräche mit Dr. E im Vorfeld durch Nachrichten zwischen diesem und dem Unternehmer angesprochen worden seien und nicht anzunehmen sei, dass Dr. E just die Information über die Hausdurchsuchung über einen anderen Kanal im Justizministerium erhalten habe.

92Demgegenüber betonte das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Einschätzung, dass der Tatvorwurf 1 eine vorläufige Suspendierung nicht tragen könne, im Wesentlichen, dass nach dem E-Mail-Verkehr dem Revisionswerber der Informationsbericht der WKStA an die Oberstaatsanwaltschaft Wien über die Anordnung der Hausdurchsuchung am erst nach deren Vollzug vom Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt worden sei und konkrete Anhaltspunkte für den nicht auszuschließenden Umstand, dass der Revisionswerber bereits vorher auf anderem Weg Kenntnis von der geplanten Hausdurchsuchung erlangt habe und diese Information an Dr. E weitergeleitet habe, nicht vorlägen.

93Mag auch - wie dem Verwaltungsgericht zuzugestehen ist - kein unmittelbarer Beweis für die inkriminierte Weitergabe der Information über die Hausdurchsuchung durch den Revisionswerber an Dr. E vorgelegen haben, gab es dafür doch durchaus beachtliche Indizien - wie den regen Austausch dieser Personen über das Strafverfahren gegen den Unternehmer. Hinweise auf andere Personen aus der Justiz, die diese Information weitergeleitet hätten, gab es offenbar nicht. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der vorläufigen Suspendierung wäre zudem zu berücksichtigen gewesen, dass die verwerteten Ergebnisse erst durch weitere Erhebungen hervorkamen und bei der Entscheidung der Dienstbehörde noch nicht vorlagen. In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass dem Revisionswerber - dem Leiter einer Strafrechtssektion - auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Begehung einer Straftat sämtliche - dienstliche - elektronischen Geräte abgenommen und beschlagnahmt wurden.

94Es ist daher nicht von der Hand zu weisen, dass zum Zeitpunkt der vorläufigen Suspendierung der Vorwurf gegen den Revisionswerber noch nicht konkret abzugrenzen war und - schon im Hinblick auf die Position des Revisionswerbers im Bundesministerium für Justiz - die Gefahr allfälliger Handlungen zur Erschwerung der Aufklärung der Vorwürfe nicht auszuschließen war.

95Dass bereits der Tatvorwurf 1 seiner Art nach als schwer zu beurteilen ist, bedarf keiner weitwendigen Ausführungen. Ferner kann angesichts der in einem Strafverfahren wegen des Verdachts des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs. 1 StGB gegen den Revisionswerber erlassenen Sicherstellungsanordnung keineswegs davon gesprochen werden, dass es sich bei diesen Vorwürfen um bloße Gerüchte oder vage Vermutungen gehandelt hätte.

96Ausgehend von der dargelegten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur (vorläufigen) Suspendierung hätte das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine solche ausgehend von Tatvorwurf 1 zumindest nicht von vornherein verneinen dürfen.

97Ob die zunächst anzunehmenden Voraussetzungen zwischen dem Ausspruch der vorläufigen Suspendierung durch die Dienstbehörde und der Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde über die Suspendierung durch in der Folge hervorgekommene Umstände weggefallen sind, wird das Bundesverwaltungsgericht im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen haben.

98Auf der anderen Seite ist jedoch der Umstand hervorzuheben, dass das Bundesverwaltungsgericht die (endgültige) Suspendierung auf Grund der der Bundesdisziplinarbehörde in der Nachtragsdisziplinaranzeige übermittelten Tatvorwürfe für zulässig erachtete, und deshalb den Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde mit Spruchpunkt A)2) abänderte (siehe oben). Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn jedenfalls ab dem Datum der Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde auch die vorläufige Suspendierung vom Bundesverwaltungsgericht als zu Recht erfolgt beurteilt wurde.

99Es verbleibt somit der Zeitraum zwischen dem Ausspruch der vorläufigen Suspendierung durch die Dienstbehörde und dem Zeitpunkt der Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde, für den die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Suspendierung zu prüfen ist. Nur für diesen Zeitraum stellt sich noch die Frage, ob die vorläufige Suspendierung zu Recht verhängt (und aufrechterhalten) wurde.

1005.5.8. Im Umfang seines Spruchpunktes A)1) war das angefochtene Erkenntnis daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

1015.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

1025.7. Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall und Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090251.L00

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