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VwGH vom 31.03.2010, 2007/01/0991

VwGH vom 31.03.2010, 2007/01/0991

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde 1. der F P und

2. des C P, beide in E, beide vertreten durch Mag. Christoph Rechberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ia- 15.183/26-2007, betreffend Wiederaufnahme eines Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahrens,

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens der erstbeschwerdeführenden Partei sowie der Erstreckung der Verleihung auf die zweitbeschwerdeführende Partei wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Beschwerde, insoweit sie sich gegen die Wiederaufnahme des Erstreckungsverfahrens der Kinder richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am in der Türkei geboren. Sie hat seit Oktober 1990 ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Der Zweitbeschwerdeführer wurde am in der Türkei geboren. Er hat seit Juli 1991 seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführer haben in der Türkei am geheiratet.

Am beantragte die Erstbeschwerdeführerin bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie die Erstreckung der Verleihung auf den Zweitbeschwerdeführer (Ehegatte) und die Kinder C und I (beide geboren am ), A (geboren am ) und T (geboren am ).

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde gemäß § 20 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) der Erstbeschwerdeführerin die Verleihung und dem Zweitbeschwerdeführer sowie den Kindern die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass sie binnen zwei Jahren aus dem Verband ihres bisherigen Heimatstaates ausscheiden.

Am beantragten beide Beschwerdeführer für das am geborene Kind M die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft.

Mit Bescheid vom ergänzte die belangte Behörde ihren Zusicherungsbescheid vom dahingehend, dass auch dem Kind M gemäß § 20 StbG die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert wurde.

Am legten die Beschwerdeführer (jeweils am vom Innenministerium der Türkischen Republik ausgestellte) Genehmigungen zum Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband vor.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Erstbeschwerdeführerin "mit Wirkung vom " nach § 10 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen und diese Verleihung gemäß § 16 StbG auf den Zweitbeschwerdeführer (Ehegatten) sowie gemäß § 17 StbG auf die Kinder C, I, A, T und M erstreckt.

Mit Schreiben vom teilte das türkische Generalkonsulat (in Salzburg) der belangten Behörde mit, in der Zwischenzeit sei gerichtlich festgestellt worden, dass C und I nicht die Kinder der Beschwerdeführer sondern von H und G P (den Eltern des Zweitbeschwerdeführers) sind. Die standesamtliche Registrierung sei "offiziell berichtigt"; C und I seien als Kinder von H und G P eingetragen.

Die belangte Behörde führte daraufhin eine "Staatsbürgerschaftsüberprüfung" durch. Beide Beschwerdeführer wurden am von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Auf Grund eines Rechtshilfeersuchens des Bezirksgerichtes K im Pflegschaftsverfahren der minderjährigen Kinder I und C wurde deren leiblicher Vater H P in der Türkei (Oberstaatsanwaltschaft U) als Zeuge "angehört" bzw. vernommen.

Mit Schreiben vom gewährte die belangte Behörde den Beschwerdeführern zur beabsichtigten Wiederaufnahme Parteiengehör.

In ihrer Stellungnahme vom führten die Beschwerdeführer - nunmehr rechtsfreundlich vertreten - aus, dass der Wiederaufnahme des Verfahrens an sich "auf Grund der eindeutigen Sach- und Rechtslage" nicht entgegengetreten werde. Sollte die Behörde auch in der Sache selbst entscheiden, werde ersucht, Gelegenheit zur Erstattung von Sachvorbringen zu geben.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde


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das Verfahren über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Erstbeschwerdeführerin sowie die Erstreckung auf den Zweitbeschwerdeführer (Ehegatten) und die Kinder (C, I, A, T und M) gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG wieder aufgenommen;
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ausgesprochen, dass der Bescheid der belangten Behörde vom über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Erstbeschwerdeführerin und die Erstreckung der Verleihung auf den Zweitbeschwerdeführer und die Kinder gemäß §§ 69 und 70 AVG außer Kraft tritt und der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie Erstreckung der Verleihung auf den Zweitbeschwerdeführer und die Kinder C, I, A, T und M wieder offen und neu zu entscheiden sei.
Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, dass I und C (P) nicht die Kinder der beiden Beschwerdeführer seien; dieser Sachverhalt sei unbestritten. Trotzdem hätten die Beschwerdeführer der belangten Behörde im Verleihungsverfahren Geburtsurkunden vorgelegt, in denen sie als leibliche Eltern von I und C angeführt seien. Damit sei die Einbürgerung dieser "Kinder" im Wege der Erstreckung erschlichen worden. Der Wiederaufnahmetatbestand nach § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG sei erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die Beschwerdeführer erstatteten zu dieser Gegenschrift eine Replik, die belangte Behörde erwiderte auf diese mit einer Äußerung.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging bei ihrer von Amts wegen (§ 69 Abs. 3 AVG) verfügten Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens davon aus, die Erstbeschwerdeführerin habe die mit dem Verleihungsbescheid verfügte Erstreckung der Verleihung auf I P und C P durch Gebrauch inhaltlich falscher Geburtsurkunden erschlichen. Dies wertete die belangte Behörde als Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG (Erschleichung).
Vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens ist es unstrittig, dass die Erstbeschwerdeführerin der Verleihungsbehörde verschwieg, wer die leiblichen Eltern von C und I sind.
Die Beschwerde erweist sich aber aus nachstehenden Erwägungen als berechtigt:
Die Erstreckung der Verleihung darf zufolge § 18 StbG nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden. Daher sind Erstreckungs- und Verleihungsverfahren unter einem zu führen. Diese zwingende Verfahrensverbindung ändert aber nichts daran, dass bei allen Verleihungs- und Erstreckungswerbern die Voraussetzungen jeweils gesondert zu prüfen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/01/0206). Demnach kommen (auch) unterschiedliche Ergebnisse der Prüfung der Voraussetzungen in Betracht.
Davon ausgehend sind Bescheide über die Verleihung und Erstreckung der Staatsbürgerschaft selbständige Bescheide, die nur insofern in einem Zusammenhang stehen, als die Rechtmäßigkeit der Erstreckung eine gleichzeitige Verleihung voraussetzt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich der Verleihung führt notwendigerweise zur Wiederaufnahme auch des Verfahrens betreffend die Erstreckung wegen abweichender Vorfragenentscheidung. Umgekehrt hat die Wiederaufnahme eines Erstreckungsverfahrens auf das Verleihungsverfahren oder ein anderes Erstreckungsverfahren nicht automatisch Auswirkung; diese Verfahren müssen daher nicht notwendigerweise unter einem wieder aufgenommen werden.
Für den Beschwerdefall bedeutet das, dass die belangte Behörde das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen lediglich hinsichtlich der falsch als Kinder der Beschwerdeführer bezeichneten Minderjährigen (namens C und I) feststellte und darlegte. Wiederaufnahmegründe für die Verfahren der Beschwerdeführer (Verleihungswerberin und ihr Ehegatte als Erstreckungswerber) wurden weder festgestellt noch ins Treffen geführt.
Die (auch) im Umfang des Verleihungsverfahrens der Erstbeschwerdeführerin und des Erstreckungsverfahrens des Zweitbeschwerdeführers verfügte Wiederaufnahme erweist sich daher als rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belehrenden Ausführungen im zweiten Absatz des Spruches des angefochtenen Bescheides haben keinen normativen Charakter. Diese sind bezüglich der Beschwerdeführer gegenstandslos.
Die Beschwerde wendet sich - wie insbesondere (auch) aus den Anträgen deutlich wird - gegen den "gesamten" Bescheid der belangten Behörde und damit auch gegen die Wiederaufnahme des Erstreckungsverfahrens der Kinder. Nach dem Vorgesagten liegen aber (betreffend Verleihung und Erstreckung der Staatsbürgerschaft) trennbare Bescheide vor.
Da die Beschwerde ausschließlich von den Eltern im eigenen Namen erhoben wurde - die Kinder sind nicht Beschwerdeführer - und Anhaltspunkte, dass die Beschwerdeführer im Namen der Kinder auftreten, nicht bestehen, können die Beschwerdeführer, die nicht Adressaten der Wiederaufnahme dieser Erstreckungen sind, durch die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Kinder in Rechten nicht verletzt sein. Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung mit Beschluss zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere auf 50 und 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-88547