VwGH vom 15.11.2021, Ra 2021/09/0213
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG-751428/2/MB/NIF, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (mitbeteiligte Partei: A GmbH in B), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde und nunmehr revisionswerbende Partei) vom wurde u.a. dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Vergütung für den Verdienstentgang infolge Absonderung eines bei ihr beschäftigten Arbeitnehmers in der Zeit vom 29. November bis gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) im Ausmaß des fortbezahlten Entgelts von 2.733,97 Euro und des Dienstgeberanteils in der gesetzlichen Sozialversicherung bzw. des Zuschlags nach § 21 Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz von 479,27 Euro (in Summe 3.213,24 Euro) stattgegeben und der Antrag im Übrigen abgewiesen.
2Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der gegen den abweisenden Teil erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei insoweit Folge, als es den zugesprochenen Ersatz an fortbezahltem Entgelt auf 2.907,15 Euro und den zweitgenannten Betrag auf 509,63 Euro (in Summe 3.416,78 Euro) abänderte. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
3Das Verwaltungsgericht begründete sein Erkenntnis zusammengefasst dahingehend, dass eine Vergütung nach § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG für den Zeitraum der Absonderung gemäß §§ 7 oder 17 EpiG zustehe. Deren Höhe sei gemäß § 32 Abs. 3 EpiG nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinn des Entgeltfortzahlungsgesetzes zu bemessen. Ebenso sei der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 Bauarbeiterurlaubsgesetz 1972 vom Bund zu ersetzen.
4Nach § 3 Abs. 3 EFZG gelte als regelmäßiges Entgelt das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Berücksichtigt würden neben dem laufenden Lohn (Gehalt) auch noch die übrigen Leistungen wie z.B. die Entlohnung für erwartete Überstunden (Mehrstunden) bzw. Überstundenpauschalen, Zulagen, Zuschläge, Prämien, Provisionen, Sonderzahlungen, Zeitguthaben für Nachtarbeit, nicht aber echte Aufwandsentschädigungen. Der Gesetzgeber stelle auf den konkreten Zeitraum und den konkret für diesen Zeitraum bestehenden Entgeltanspruch ab. Die von einer behördlichen Verfügung betroffene Person solle durch die Vergütung nicht insgesamt schlechter gestellt werden, als ohne eine solche Verfügung und solle demnach insgesamt auch keine Vermögensnachteile auf Grund ihrer Krankheit und der dadurch notwendigen behördlichen Verfügung erleiden. Schon auf Grund des Wortlauts des § 32 Abs. 3 EpiG gehe der Anspruch auf Vergütung jedoch nur in der tatsächlich ausbezahlten Höhe über.
5Ausgehend von einem Entgelt des Mitarbeiters der mitbeteiligten Partei im November 2020 von 7.791,40 Euro und im Dezember 2020 von 3.895,70 Euro ergebe sich für November ein zu ersetzender Tagessatz von 259,71 Euro und für Dezember ein solcher von 125,67 Euro. Ferner sei der Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung - also die Dienstgeberbeiträge zu Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung - zu ersetzen. Im November sei der (im angefochtenen Erkenntnis näher erläuterte) Prozentsatz von 17,53 % von der Bemessungsgrundlage für den laufenden Bezug und die Sonderzahlung pro Tag der Absonderung zu ersetzen; für die Tage der Absonderung im Dezember ausgehend von der Bemessungsgrundlage für den laufenden Bezug.
6Die Unzulässigkeit der Revision trotz Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründete das Verwaltungsgericht mit dem klaren und eindeutigen Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen.
7Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts. Eine Revisionsbeantwortung wurde in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8Die Revision erweist sich wegen des in der Zulässigkeitsbegründung geltend gemachten Abweichens des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Berücksichtigung der Sonderzahlungen bei der Ermittlung des Vergütungsanspruchs nach § 32 EpiG als zulässig und berechtigt.
9Der Verwaltungsgerichtshof hat die in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob bei der Vergütung nach § 32 EpiG der gesamte Auszahlungsbetrag an Sonderzahlungen im Auszahlungsmonat der Berechnung zugrunde zu legen ist, mittlerweile im Erkenntnis vom , Ra 2021/09/0094, beantwortet. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Demnach ist bei der Bemessung der für jeden Tag der Absonderung zu leistenden Vergütung (im Regelfall) auch jenes Entgelt zu berücksichtigen, das aus kollektiv- oder einzelvertraglich eingeräumten Sonderzahlungen resultiert. Dem Epidemiegesetz 1950 lässt sich eine Norm des Inhalts, dass Sonderzahlungen nur dann zu vergüten seien, wenn die Absonderung in einen Monat (oder anderen Abrechnungszeitraum) fällt, in dem Sonderzahlungen ausbezahlt werden, nicht entnehmen. Sonderzahlungen stellen als aperiodisches Entgelt gerade nicht das Entgelt für die nur im Auszahlungsmonat geleistete Arbeit dar, sodass eine - wie vom Verwaltungsgericht vertreten - auf die Tage der Absonderung umgelegte Berücksichtigung des gesamten Auszahlungsbetrages an Sonderzahlungen im Auszahlungsmonat zu einer Überbemessung des Vergütungsbetrags führen würde (siehe zum Ganzen auch , u.a.; , Ra 2021/09/0109; , Ra 2021/09/0193, u.a.).
10Von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wich das Verwaltungsgericht bei der Ermittlung des Vergütungsbetrags insofern ab, als es die Sonderzahlung im November und den auf diese zu leistenden Dienstgeberanteil bloß im Auszahlungsmonat berücksichtigte.
11Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090213.L01 |
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