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VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0124

VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0124

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der G, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 321.492/3-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei seit durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet.

Am habe die Beschwerdeführerin bei der Behörde erster Instanz den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehemann eingebracht. Weiters habe sie sich auf den im Juni 2008 geborenen Sohn, der ebenfalls österreichischer Staatsbürger sei, berufen.

Die Beschwerdeführerin hätte ihren Antrag aber gemäß § 21 Abs. 1 NAG bei der örtlich zuständigen Berufungsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung über den Antrag im Ausland abwarten müssen. Die in § 21 Abs. 2 NAG enthaltenen Ausnahmen von der Auslandsantragstellung lägen nicht vor. Auch im Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung halte sich die Beschwerdeführerin immer noch im Bundesgebiet auf.

Die Beschwerdeführerin habe beantragt, die Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG zuzulassen. Dies habe sie damit begründet, dass sie sich bereits seit dem Jahr 2007 in Österreich aufhalten und bei ihrer Tante leben würde. Sie wäre nach Österreich gekommen, um ihren Freund - ihren nunmehrigen Ehemann - zu besuchen und um hier zu arbeiten. Seit September 2008 hätte die Beschwerdeführerin mit ihrem nunmehrigen Ehemann und dem gemeinsamen Kind in der Wohnung ihrer Schwiegereltern in Wien gelebt. In Serbien würden noch drei Geschwister und die Eltern der Beschwerdeführerin leben. Die Beschwerdeführerin habe weiters ausgeführt, dass sie ihr Kind nicht alleine lassen könnte. Jedoch sei - so die belangte Behörde in ihren Feststellungen - die alleinige Obsorge über den Sohn auf die Schwiegermutter übertragen worden. Diese beziehe auch die Familienbeihilfe. In einer später erstatteten Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin darauf verwiesen, dass in Serbien keine Verwandten mehr leben würden und sie auf Grund ihrer Familiensituation nicht ausreisen könnte. Es werde aber der "persönlichen Niederschrift" mehr Glaubwürdigkeit geschenkt als der "schriftlichen Stellungnahme".

In ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, es sei nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführerin eine kurzfristige Ausreise und die Antragstellung bei der zuständigen Botschaft nicht zumutbar sein sollte. Das Kind werde schon "seit Jahren" von der Schwiegermutter betreut; dieser sei auch die alleinige Obsorge zugesprochen worden.

Somit verletze die gegenständliche Antragsabweisung nicht Art. 8 EMRK. Vielmehr stelle die Vorgangsweise der Beschwerdeführerin eine Umgehung der Einwanderungsbestimmungen dar.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach die österreichischen Familienangehörigen der Beschwerdeführerin im Fall der Verweigerung der Erteilung eines Aufenthaltstitels an sie nicht de facto gezwungen seien, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat insofern die Rechtslage verkannt hat, als sie bei ihrer Beurteilung nach Art. 8 EMRK auch hätte berücksichtigen müssen, dass seit der mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (FrÄG 2011 BGBl. I Nr. 38) geänderten und auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () geltenden Rechtslage infolge § 65b Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Ausweisung eines Ehegatten eines österreichischen Staatsbürgers, selbst wenn Letzterer sein ihm unionsrechtlich zustehendes Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, nur aus den im § 66 FPG genannten Gründen zulässig ist. Insoweit gleicht der vorliegende Fall jenem, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/22/0111, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Die belangte Behörde hat nicht geprüft, ob die Voraussetzungen des § 66 FPG erfüllt wären, und infolge Verkennung der Rechtslage auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die diese Prüfung ermöglicht hätten.

Der angefochtene Bescheid war sohin schon deswegen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Im Hinblick auf die mittlerweile erfolgte Änderung des FPG mit BGBl. I Nr. 68/2013 ist aber für das fortzusetzende Verfahren noch ergänzend festzuhalten, dass die im angefochtenen Bescheid tragend enthaltene, nicht näher auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin eingehende Begründung, die Obsorge über den Sohn der Beschwerdeführerin sei ihrer Schwiegermutter übertragen worden, fallbezogen jedenfalls zu kurz greift. Die Beschwerdeführerin hat nämlich bereits im Verwaltungsverfahren, insbesondere in der Berufung, mit ausführlicher Begründung dargelegt, weshalb ihrer Ansicht nach ungeachtet der Übertragung der Obsorge für ihr Kind auf ihre Schwiegermutter von einem gemäß Art. 8 EMRK schützenswerten Familienleben auszugehen sei. Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde jedenfalls auch eingehend mit diesem Vorbringen zu befassen und diesbezüglich auch entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das den in der genannten Verordnung für Schriftsatzaufwand festgelegten Pauschalsatz übersteigende Mehrbegehren war hingegen abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
NAAAE-88481