VwGH vom 02.09.2021, Ra 2021/09/0095

VwGH vom 02.09.2021, Ra 2021/09/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Mag. László Szabó, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , I406 2222399-1/6E, betreffend Versagung der Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Bescheid vom versagte die mit dessen Antrag vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“ gemäß § 20d Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) befasste vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde dem Revisionswerber, einem ivorischen Staatsangehörigen, die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf (Restaurantfachmann) gemäß § 12a AuslBG.

2Dieser Bescheid wurde - soweit für die vorliegende Revision von Bedeutung - damit begründet, dass die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B des Ausländerbeschäftigungsgesetzes angeführten Kriterien nicht erreicht worden sei. So seien die Sprachkenntnisse durch kein anerkanntes Sprachzertifikat nach dem Europäischen Referenzrahmen für Sprachen belegt worden, weshalb hiefür keine Punkte gemäß Anlage B hätten vergeben werden können.

3Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er im Wesentlichen vorbrachte, am Tourismuskolleg seien mehrere Gegenstände auf Englisch unterrichtet worden. Zudem wären ihm Französisch- und Spanischkenntnisse anzurechnen, weil diese im Tourismus wie Englisch als Sprachqualifikationen dienen würden. Mit Eingabe vom legte er im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eine Bestätigung über die von ihm am mit gutem Erfolg bestandene Prüfung in Englisch auf dem Niveau A2 vor.

4Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

5Das Bundesverwaltungsgericht ging dabei davon aus, dass der Revisionswerber ein „international anerkanntes Sprachdiplom oder Zertifikat über seine Englischkenntnisse“ nicht vorgelegt habe. Er habe auch keinen Nachweis dafür erbracht, dass er für mehr als zwei Jahre eine Schule mit Englisch als Unterrichtssprache besucht habe. Der Unterricht in Englisch in einzelnen Fächern genüge hierfür nicht.

6In seiner rechtlichen Beurteilung kam das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, der Revisionswerber erreiche lediglich 50 Punkte, weil für die „Sprachkenntnisse Englisch“ keine Punkte zu vergeben seien. Die erforderliche Mindestpunkteanzahl von 55 Punkten sei somit nicht erreicht und die Voraussetzungen für die Zulassung als Fachkraft im Mangelberuf nicht erfüllt.

7Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren wurde eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit der Revision darin gelegen, dass das Bundesverwaltungsgericht aktenwidrig angenommen habe, dass kein international anerkanntes Sprachdiplom oder Zertifikat über seine Englischkenntnisse vorgelegt worden sei, obwohl dies mit Schriftsatz vom (Sprachzertifikat Niveau A2) erfolgt sei.

9Damit erweist sich die Revision als zulässig; sie ist auch begründet.

10Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung können nicht nur solche des materiellen Rechts, sondern auch solche des Verfahrensrechts sein, etwa jedenfalls bei Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts oder gegebenenfalls dann, wenn der vom Verwaltungsgericht angenommene Sachverhalt in unvertretbarer Weise nicht mit den vorgelegten Akten übereinstimmt, also Aktenwidrigkeit vorliegt.

12Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn die Entscheidung in ihrer Begründung von Sachverhalten ausgeht, die sich aus dem Akt überhaupt nicht oder nicht in der angenommenen Weise ergeben, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. zum Ganzen ; , Ra 2019/02/0227, jeweils mwN)

13Im vorliegenden Fall stellte das Bundesverwaltungsgericht nun ausdrücklich fest, dass der Revisionswerber ein international anerkanntes Sprachdiplom oder Zertifikat über seine Englischkenntnisse nicht vorgelegt habe.

14Diese - nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts auf dem behördlichen Akt und dem Vorbringen des Revisionswerbers samt vorgelegten Urkunden basierende - Feststellung lässt sich mit dem Inhalt der vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Akten nicht in Einklang bringen. So findet sich in dem verwaltungsgerichtlichen Akt die in der Revision genannte Eingabe vom , mit der der Nachweis eines Sprachinstituts über die mit gutem Erfolg bestandene Prüfung in der Sprache Englisch auf dem Level A2 vorgelegt wurde. Da bei einem Nachweis von Sprachkenntnissen in Englisch auf dem Niveau A2 dem Revisionswerber weitere fünf Punkte anzurechnen wären, kann die Relevanz dieses Verfahrensmangels auch nicht von vornherein verneint werden. Eine Auseinandersetzung mit dieser Urkundenvorlage erfolgte im angefochtenen Erkenntnis nicht.

15Die in der vom Bundesverwaltungsgericht im Vorverfahren unaufgefordert übermittelten „Stellungnahme zur außerordentlichen Revision“ nachgetragenen Überlegungen waren nicht geeignet, eine allenfalls fehlende Entscheidungsbegründung nachzutragen (siehe etwa ; , 2000/07/0013). Zudem ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu erkennen, weshalb das vorgelegte, auf die Einteilung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) des Europarats Bezug nehmende Zeugnis eines Sprachinstituts zum Nachweis der in Anlage C zum Ausländerbeschäftigungsgesetz geforderten „Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)“ im konkreten Fall nicht ausreichen sollte (siehe ausführlich ; , 2012/09/0025).

16Das angefochtenen Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a und c VwGG aufzuheben.

17Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090095.L00
Schlagworte:
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

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