VwGH vom 18.12.2012, 2011/11/0206

VwGH vom 18.12.2012, 2011/11/0206

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der I E in W, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- u. Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. 41.550/275-9/11, betreffend Feststellung der Nichtzugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzten.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass mit Bescheid des Bundessozialamtes (Landesstelle Wien) vom - basierend auf einem Amtssachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom - festgestellt worden war, dass die Beschwerdeführerin ab dem mit einem Grad der Behinderung von 50 vH. dem Kreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) angehörte. Im Gutachten, dessen Beilage einen Bestandteil der Begründung des Bescheides bildet, wurde als führendes Leiden eine "1) Operation eines N.mammae rechts mit Quadrantenresektion und Lymphknotenentfernung" (Richtsatzposition g.Z.702 Tabelle links, Zeile 4) mit 50 vH. eingeschätzt, da kein Lymphstau vorliege und eine brusterhaltende Operation erfolgt sei. Der führende Grad der Behinderung unter laufender Nr. 1 werde durch eine "2) Z.n. Bandscheibenoperation L4/L5" (Richtsatzposition 190) mit 20 vH. nicht erhöht, da das Leiden unter Position 2 kein relevantes Zusatzleiden darstelle. Eine Nachuntersuchung sei für Jänner 2012 vorgesehen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom wurde ausgesprochen, die Beschwerdeführerin gehöre mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung dieses Bescheides folge, nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten an. Begründend wurde ausgeführt, in dem von der Bundesberufungskommission eingeholten Sachverständigengutachten vom werde Folgendes festgestellt:


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"Lfd. Nr.
Art der Gesundheitsschädigung
Position in den Richtsätzen
Grad der Behinderung
1.
Zustand nach Brustcarcinom - Operation rechts. Unterer Rahmensatz, da abgelaufene Heilungsbewährung und ohne Hinweis auf Rezidiv.
702 Tabelle links/3.Zeile
30 vH.
2.
Degenerative Veränderung der Wirbelsäule. Unterer Rahmensatz, da nur geringgradige Funktionsbehinderungen in Hals- und Lendenwirbelsäule.
190
20 vH.
3.
Reaktive depressive Verstimmung mit Somatisierung (inkludiert die Migräne). Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da durch nervenfachärztliche und psychotherapeutische Behandlung Remissionstendenz gegeben.
gZ 585
20 vH.
4.
Radikuläres Defizit L4/5 links nach zweimaliger Bandscheibenoperation. Oberer Rahmensatz, da anhaltend, trotz konservativer Therapie.
533
20 vH.
Gesamt
30 vH.

Folgende Gesundheitsschädigungen mit einem GdB von weniger als 20 vH., die auch im Zusammenwirken mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachten, würden bei der Einschätzung des GdB nicht berücksichtigt:


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Lfd Nr.
Art der Gesundheitsschädigung
Position in den Richtsätzen
Grad der Behinderung
5.
Hormonell bedingte Stressinkontinenz. Unterer Rahmensatz, da medikamentös gut behandelbar.
gZ 245
10 vH.
6.
Funktionsbehinderung im Bereiche des rechten Ellenbogengelenkes (Gebrauchsarm). Mittlerer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da endlagige Streckhemmung.
45
10 vH."

Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 30 vH., weil der Grad der Behinderung des führenden Leidens Nr. 1 aufgrund des Ausmaßes der übrigen Leiden nicht weiter erhöht werde.

Zu den erhobenen Einwänden sei auszuführen, eine höhere Einschätzung der Veränderungen an der Wirbelsäule sei aufgrund des Ausmaßes der Funktionsbehinderungen nicht möglich. Offensichtlich werde das Beschwerdebild durch Einnahme geeigneter Medikamente und unter Zuhilfenahme eines TENS-Gerätes hintangehalten. Somit könne eine höhere Einschätzung nicht erfolgen. Die tumoröse Erkrankung im Bereiche der rechten Brust sei nach Ablauf der 5-Jahres Heilungsbewährung konsolidiert. Somit könne eine höhere Einschätzung dieses Leidens als mit 30 vH. nicht erfolgen. Gleichfalls werde eine Funktionsbehinderung im Bereiches des rechten Ellenbogengelenkes neu aufgelistet. Aufgrund des Ausmaßes der neurologisch­psychiatrisch festgestellten Leiden und der oben erwähnten neu aufgenommenen Diagnose sei jedoch gleichfalls eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung nicht möglich.

Abweichungen zu den erstinstanzlich vorgelegten Befunden ergäben sich nicht. Die in einem Befund beschriebenen degenerativen Hüftgelenksveränderungen (Coxarthrose) beidseits erreichten bei Fehlen relevanter Funktionseinbußen keinen Grad der Behinderung. Die urologische Diagnose unter Punkt 3 sei nach wie vor unverändert berücksichtigt. Gesamt ergebe sich keine Abweichung zu den erstinstanzlichen Befunden.

In Bezug auf das Vergleichsgutachten vom und das Gutachten aus dem erstinstanzlichen Verfahren sei hinsichtlich der Diagnose 1 eindeutig eine Besserung verifizierbar. Nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren sei somit das Ausmaß dieser Gesundheitsschädigung von 50 vH. auf 30 vH. herabzusetzen. Die Diagnose des Vorgutachtens unter Punkt 2 sei unverändert im nunmehrigen zweitinstanzlichen Gutachten enthalten. Zusätzlich seien eine hormonell bedingte Stressinkontinenz, eine reaktive depressive Verstimmung, sowie das radikuläre Defizit L4/L5 und eine funktionelle Behinderung im Bereich des rechten Ellenbogens neu aufgenommen worden. Aufgrund des Ausmaßes dieser neu hinzugekommenen Gesundheitsschädigungen sei jedoch eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung nicht gerechtfertigt. Sämtliche Befunde seien eingesehen und berücksichtigt worden.

Mit Schreiben vom habe die Beschwerdeführerin dagegen unter Vorlage von Beweismitteln (u.a. einer fachärztlichen Stellungnahme eines Orthopäden vom und eines Befundes vom ) im Wesentlichen vorgebracht, die Untersuchungen seien zu oberflächlich und zu kurz gewesen, die Behinderung der Beschwerdeführerin wäre mit mindestens 50 vH. festzustellen.

In den von der Bundesberufungskommission zusätzlich eingeholten ärztlichen Stellungnahmen vom und vom werde festgestellt, aus dem "Befund des Orthopäden" ergebe sich nervenfachärztlich kein neuer Aspekt und auch keine veränderte Einschätzung. Aufgrund des übermittelten Befundes müsste keine höhere Einschätzung des beklagten Leidens erfolgen, sondern eine niedrigere Einstufung. Bei der "hierortigen" Untersuchung hätten sich radiculäre Defizite gezeigt, die der Orthopäde am nicht festgestellt habe. Demnach müsste aus nervenfachärztlicher Sicht Leiden 2 entfallen. Es bleibe jedoch unverändert, da dieses Defizit bei der Untersuchung am zu finden gewesen sei. Die Positionen und Einstufungen des nervenfachärztlichen Gutachtens vom blieben unverändert aufrecht.

Bezüglich des Einwandes, dass die Untersuchung oberflächlich und zu kurz gewesen sei, sei zu sagen, die reine Untersuchung habe 20 Minuten gedauert (Exploration, neurologischer Status, psychischer Status). Nicht mitgerechnet seien das Aktenstudium und das Verfassen des Gutachtens.

Der (von der Beschwerdeführerin vorgelegte) Befund vom beschreibe ein depressives Zustandsbild, das unter Punkt 4 im Gutachten ausreichend berücksichtigt worden sei. Dieser nachgereichte Befund bedinge keine Änderung bzw. Erweiterung der bisherigen Beurteilung.

Von der Durchführung eines weiteren Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG sei abgesehen worden, weil die neuerlich eingeholten Stellungnahmen die bis dato eingeholten ärztlichen Beurteilungen bestätigten und keine neuen Sachverhaltselemente hervorgebracht hätten.

Nach Wiedergabe der wesentlichen Verfahrensbestimmungen und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum BEinstG wurde weiter ausgeführt, die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten und die Stellungnahmen seien schlüssig, nachvollziehbar und wiesen keine Widersprüche auf. Es werde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen klinischen Befund, entsprächen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegten Befunde ständen nicht im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen, der vorgebrachte Einwand sei nicht geeignet gewesen, das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entkräften. Die Angaben der Berufungswerberin hätten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden können.

Zu den Einwendungen im Parteiengehör werde bemerkt, dass aus der Formulierung des Sachverständigengutachtens zu entnehmen sei, dass sich der Gutachter mit der Aktenlage eingehend beschäftigt und die vorgelegten Befunde seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Die Sachverständigengutachten und die Stellungnahme würden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Eine Verbesserung des Leidenszustandes könne insofern objektiviert werden, als nach Ablauf der Heilungsbewährungfrist von fünf Jahren und ohne Hinweis auf Rezidiv der Zustand nach Brustcarzinomentfernung um zwei Stufen geringer zu bewerten war, woraus ein um zwei Stufen geringerer Gesamtgrad der Behinderung resultierte. Auch die zusätzlich neu aufgenommen Leiden vermögen den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter zu steigern.

Es habe ein Grad der Behinderung von 30 vH. objektiviert werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die maßgebenden Bestimmungen des BEinstG (idF BGBl. I Nr. 7/2011) lauten (auszugsweise):

"Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. …

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;

b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

Übergangsbestimmungen

§ 27. (1) In am noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Dies gilt bis auch für Verfahren nach § 14, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem über die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten abgesprochen wurde oder ein rechtskräftiger Bescheid nach den Bestimmungen der §§ 40ff des Bundesbehindertengesetzes vorliegt.

…"

1.2. Da das Verfahren im Beschwerdefall am noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, ist der Grad der Behinderung auf Grund der gemäß § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152/1957, ergangenen Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl. Nr. 150/1965, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und den in der Anlage zu dieser Verordnung enthaltenen Ansätzen einzuschätzen, welche (auszugsweise) wie folgt lauten:

"Anlage

Richtsätze

für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit

(MdE.) gemäß § 7 KOVG.

ABSCHNITT I

Chirurgische und orthopädische Krankheiten

c) Schultergürtel und obere Extremitäten:

Schultergelenk:

… 45. Geringgradige Bewegungsbehinderung (einschließlich der Pro- und Supination) ...................... 0-20

f) Wirbelsäule:

190. Veränderungen der Wirbelsäule (posttraumatisch, entzündlich, degenerativ) mit röntgenologisch nachweisbaren geringgradigen Veränderungen und geringgradiger Funktionseinschränkung …………….............. 20-30

ABSCHNITT II

Urologische Krankheiten

b) Harnblase und Harnröhre:

245. Reizblase, Erkältungsharndrang ohne oder mit

leichtem Harnnachträufeln ......................... 10-20

ABSCHNITT IV

Nervenkrankheiten

….

n) Neuralgien:

Neuralgien im Bereich des Plexus brachialis und lumbosacralis:

533. Leichtere Formen .................................. 0-20

ABSCHNITT V

Geisteskrankheiten

e) Psychosen des manisch-depressiven und schizophrenen

Formenkreises einschließlich der Paranoia sowie der in den

letzten Jahren vorläufig als "bionegativer

Persönlichkeitswandel'', "Entwurzelungsdepression'' usw.

bezeichneten Zustandsbilder:

585. Defektzustände nach akuten Schüben ................ 0-100

ABSCHNITT IX

Haut- und Geschlechtskrankheiten

c) Narben, Pigmentstörungen, Ernährungsstörungen der Haut und ihrer Anhangsgebilde sind nach folgender

Tabelle zu beurteilen:

702. Tabelle


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Ausmaß oder kosmetisch störende Auswirkung
an üblicherweise bedeckten Körperstellen
an üblicherweise unbedeckten Körperstellen
geringgradig ...............
0
0-10
mittelgradig ...............
0-20
20-30
höhergradig ................
30-40
30- 50
hochgradig bis abstoßend ...
50-60
60-100

…"

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1.1. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, hat die Gesamteinschätzung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege der Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze zu erfolgen, vielmehr ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die den höchsten Grad der Behinderung verursacht, und dann zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist, wobei die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung auf die Erwerbsfähigkeit im Vordergrund zu stehen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0058, mwN).

2.1.2. Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen (§ 14 Abs. 2 BEinstG), wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , 2009/11/0058, mwN).

2.1.3. Die Beschwerde behauptet nicht, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von der in der zitierten Rechtsprechung beschriebenen Vorgangsweise abgewichen wäre.

2.2.1. Die Beschwerde rügt im Wesentlichen, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und das radikuläre Defizit seien mit mehr als 20 % zu bewerten gewesen und seien darüber hinaus mit dem psychischen Zustand durch die "immerwährenden Schmerzen" in Zusammenhang zu bringen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

2.2.2.1. Die belangte Behörde hat im Berufungsverfahren, nachdem bereits im Verfahren vor der Behörde erster Instanz ein Arzt für Allgemeinmedizin die Beschwerdeführerin untersucht und ihren Leidenszustand beurteilt hatte, aufgrund der vorgelegten Befunde zusätzliche Gutachten eingeholt, und zwar solche einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und eines Arztes für Allgemeinmedizin. Entgegen der Behauptung der Beschwerde haben insbesondere die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und der Arzt für Allgemeinmedizin auch die degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und das radikuläre Defizit berücksichtigt, kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass schon die Beurteilung des im erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen medizinischen Sachverständigen grundsätzlich richtig war. Eine Änderung ist nach ihren Ausführungen nur insofern eingetreten, als das radikuläre Defizit neu in die Beurteilung aufgenommen wurde. Die Leiden wurden entsprechend der Beschwerdesymptomatik und den funktionellen Einschränkungen eingestuft.

2.2.2.2. Selbst wenn die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und das radikuläre Defizit einander wechselseitig beeinflussten und zusammenwirkten, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die beiden Leiden für sich betrachtet einen Grad von 50 vH. erreichen würden. Die Beschwerdeführerin zeigt auch nicht konkret auf, warum diese beiden Leiden jeweils mit mehr als 20 vH. zu bewerten gewesen wären.

Die von der Beschwerdeführerin vorgelegte orthopädische Stellungnahme vom ist in ihrer Aussagekraft abgeschwächt, da sie nicht auf die Richtsatzpositionen in der Richtsatzverordnung eingeht. Sie listet zwar mehrere Gesundheitsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin auf, gibt aber ein Urteil nur in Bezug auf ein zu berücksichtigendes Anforderungsprofil bei der Berufsausübung der Beschwerdeführerin ab. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde bzw. die von ihr eingeholten Gutachten diese aufgezeigten Beeinträchtigungen nicht gewertet hätten.

2.2.2.3. Die eingeholten Gutachten haben die von der Beschwerde geltend gemachten Umstände berücksichtigt, haben aber dennoch kein Leiden erkannt, das eine Erhöhung des Grades der Behinderung mit sich bringen bzw. die Einschätzung des die Beschwerdeführerin am stärksten beeinträchtigenden Leidens beeinflussen würde. Die Beschwerdeführerin ist im Verwaltungsverfahren den Ausführungen der Sachverständigen auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten.

2.3.1. Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die Untersuchung bei der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie habe nur wenige Minuten gedauert und lasse in Anbetracht des depressiven Zustandsbildes keine ordnungsgemäße Beurteilung zu. Wirbelsäulenveränderungen seien nach der Richtsatzverordnung chirurgisch-orthopädisch zu beurteilen gewesen, wobei im gegenständlichen Fall nur ein nervenfachärztliches und ein allgemeinmedizinisches Gutachten eingeholt worden wäre. Dieses Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels aufzuzeigen.

2.3.2. Die Beschwerde rügt nämlich nicht mit konkretem Vorbringen die von der belangten Behörde, den eingeholten Gutachten folgend, zugrunde gelegten Einschätzungen des Grades der Behinderung, der den einzelnen Leiden zukommt. Insbesondere tritt sie nicht der Einschätzung des am stärksten beeinträchtigenden Leidens, dem Zustand nach Brustcarcinom, mit einem Grad der Behinderung von 30 vH. entgegen. Ausgehend davon fehlt es aber an jeglichem konkreten Vorbringen, weshalb ungeachtet eines führenden Leidens mit einem Grad der Behinderung von nur 30 vH. eine wechselseitige Beeinflussung der Leiden vorliegen sollte, die eine Verstärkung des Zustandes nach Brustcarcinom zu einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 vH., wie er für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten unabdingbar ist, nach sich zöge. Dass die belangte Behörde, die die Einschränkungen der Beschwerdeführerin wie die degenerative Wirbelsäulenveränderung durch ein neurologisches und allgemeinmedizinisches Gutachten abklären ließ, danach von sich aus gehalten gewesen wäre, zusätzlich ein orthopädisches Gutachten einzuholen, ist auf der Grundlage des vorgelegten Verwaltungsaktes nicht zu erkennen. Den gutachterlichen Stellungnahmen ist wiederholt zu entnehmen, dass keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht und die relevanten, objektivierbaren Gesundheitsschädigungen und Funktionsminderungen entsprechend berücksichtigt wurden. Auch diesen Ausführungen ist die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

2.4. Insoweit die Beschwerde vorbringt, es hätten Gutachten aus dem Bereich der Psychologie, der Onkologie und in eventu der Gynäkologie in Auftrag gegeben werden müssen, um die Leiden ordungsgemäß festzustellen, ist sie darauf hinzuweisen, dass sowohl das erstattete Vorbringen im Verwaltungsverfahren als auch die Beschwerde nicht substantiiert aufzeigen, inwieweit die Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich der Psychologie, der Onkologie und der Gynäkologie durch die belangte Behörde geboten gewesen wäre bzw. welche anderen Einschätzungen getroffen worden wären.

2.5. Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde, die wie dargelegt die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht dargetan hat, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am