VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0120
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/92.797/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, gelangte am illegal in das Bundesgebiet und stellte kurz darauf einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen. Der Bescheid erwuchs mit der Zurückziehung der Berufung am in Rechtskraft.
Bereits am hatte der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin Michaela S. geheiratet und anschließend einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta.-Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt. Der Beschwerdeführer erhielt zunächst die beantragte Niederlassungsbewilligung und in weiterer Folge einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger", gültig bis zum .
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Die belangte Behörde stützte sich insbesondere auf die Aussage von Michaela S. bei ihrer Vernehmung am Grenzpolizeiinspektionsposten W im November 2006, in der sie eingestanden habe, dass es sich bei ihrer Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine Scheinehe handle. Angesichts dessen erachtete es die belangte Behörde als erwiesen, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit Michaela S. ausschließlich deshalb geschlossen habe, um sich die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Der Beschwerdeführer habe sich auf die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin für die Erteilung eines Aufenthaltstitels berufen, ohne mit seiner (vormaligen - die Ehe des Beschwerdeführers mit Michaela S. wurde im Juli 2007 geschieden) Ehegattin ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung, wonach ihm am und somit nach der Vernehmung von Michaela S. ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, obwohl der nunmehr herangezogene Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bereits bekannt gewesen sei, führte die belangte Behörde Folgendes aus: Dieses Vorbringen ziele ins Leere, weil sich aus der (näher dargestellten) Aktenlage eindeutig ergebe, dass weder der Aufenthaltsbehörde noch dem Fremdenpolizeilichen Büro der Bundespolizeidirektion Wien zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels am das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Fehlverhalten bekannt gewesen sei.
Da der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle, seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 FPG gegeben.
In Ansehung des § 66 FPG anerkannte die belangte Behörde einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch Verhinderung von Aufenthaltsehen) dringend geboten. Die durch seinen (langjährigen) Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration sei auf Grund seines Eingehens einer Aufenthaltsehe wesentlich gemindert. Gleiches gelte für seine durch die Ausübung einer unselbstständigen Beschäftigung erzielte berufliche Integration. Dem stehe gegenüber, dass der Beschwerdeführer das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung von Aufenthaltsehen gravierend beeinträchtigt habe. Bei einer Abwägung ergebe sich, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wiegen würden als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Dieses sei somit zulässig iSd § 66 FPG.
Da keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, sei von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des Ermessens Abstand zu nehmen. Schließlich begründete die belangte Behörde noch die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes näher.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - dabei um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte - eine Gefährdungsannahme iSd Abs. 1 rechtfertigende - Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich (u.a.) für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht geführt hat.
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht mehr gegen die behördliche Beweiswürdigung und die Schlussfolgerung, dass es sich bei seiner Ehe mit Michaela S. um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe.
Er bringt allerdings vor, dass der Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 61 Z 2 FPG iVm § 54 FPG vorliegt. Gemäß diesen Bestimmungen steht die Erteilung eines Aufenthaltstitels, die in Kenntnis aller in Frage kommenden Versagungsgründe bzw. des Gesamtfehlverhaltens des Fremden erfolgte, der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0632). Der Beschwerdeführer vertritt dazu mit näherer Begründung die Auffassung, es sei "offenkundig", dass der "angenommene Versagungsgrund vor Erteilung des Aufenthaltstitels hinreichend bekannt" gewesen sei.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass der Aufenthaltstitel nach den Feststellungen der belangten Behörde am erteilt wurde und mit Schreiben vom der Niederlassungsbehörde der Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe mitgeteilt wurde. Im Übrigen war der dargestellte Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund auch deshalb nicht verwirklicht, weil der dem Beschwerdeführer zuletzt mit einer Gültigkeit bis zum erteilte Aufenthaltstitel einem am erlassenen Aufenthaltsverbot nicht mehr entgegenstand (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0432).
Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG. Er verweist diesbezüglich auf seinen beinahe neunjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, auf seine (seit sechs Jahren bestehende) Erwerbstätigkeit, durch die sein Lebensunterhalt gesichert sei, auf die erfolgreiche Absolvierung mehrerer Deutschkurse und auf seine strafgerichtliche Unbescholtenheit.
Dazu ist anzumerken, dass die belangte Behörde angesichts der Umstände des vorliegenden Falles einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers anerkannt hat. Sie durfte aber - im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0501, mwN) - davon ausgehen, dass die vom Beschwerdeführer erlangten Aspekte einer (sozialen und beruflichen) Integration dadurch relativiert werden, dass sie im Wesentlichen auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen sind. Der belangten Behörde kann im Ergebnis daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht überwiegen würden. Daran vermögen auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Deutschkurse sowie der Besuch eines Kurses zur Vorbereitung der "Lehrabschlussprüfung Koch/Köchin" nichts zu ändern.
In der Beschwerde werden auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes wird in der Beschwerde nicht bekämpft.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-88469