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VwGH vom 03.10.2013, 2013/22/0119

VwGH vom 03.10.2013, 2013/22/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des V, vertreten durch Dr. Joachim Rathbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Weißenwolffstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/16284/2009, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein (damals noch:) moldawischer Staatsangehöriger reiste im Oktober 1998 unter Angabe einer falschen Identität und einer falschen (nämlich der ukrainischen) Staatsangehörigkeit nach Österreich ein. Zwischen 1998 und 2001 stellte er - jeweils unter dieser Identität - drei Asylanträge, wobei der erste und der dritte Antrag rechtskräftig abgewiesen wurden und der zweite Antrag rechtskräftig zurückgewiesen wurde.

Mit Urteil des Landesgerichtes E vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127, 129 Z 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten rechtskräftig verurteilt, weil er gemeinsam mit zwei Mittätern im Zuge eines Einbruchs in ein Gebäude fremde bewegliche Sachen weggenommen hatte. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt, weil er bei insgesamt drei Gelegenheiten fremde bewegliche Sachen weggenommen bzw. wegzunehmen versucht hatte.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom wurde gegen den Beschwerdeführer - insbesondere gestützt auf die beiden Verurteilungen und das zugrunde liegende strafbare Verhalten - gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 und 7 des Fremdengesetzes 1997 rechtskräftig ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Am brachte der Beschwerdeführer, nachdem er zuvor aus dem Bundesgebiet ausgereist und danach wieder eingereist war, seinen vierten Asylantrag ein.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127, 129 Z 1 und 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten rechtskräftig verurteilt, weil er gemeinsam mit einem Mittäter ein Kraftfahrzeug aufgebrochen und dieses danach weggenommen hatte. Unter einem wurden die bedingte Strafnachsicht zum Urteil aus dem Jahr 1999 und die bedingte Entlassung aus der Strafhaft betreffend die mit Urteil aus dem Jahr 2000 verhängte Freiheitsstrafe widerrufen. Am wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen.

Mit Inkrafttreten des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) am gilt das gegen den Beschwerdeführer (der zu diesem Zeitpunkt Asylwerber war) verhängte Aufenthaltsverbot als Rückkehrverbot.

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer - unter Bekanntgabe seiner richtigen Identität - die Aufhebung dieses Rückkehrverbotes. Er verwies insbesondere auf den Umstand, dass er mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn zusammenlebe, dass er über eine Beschäftigungsbewilligung verfüge und einer regelmäßigen Arbeit nachgehe und dass er seit seiner letzten Straftat im Jahr 2003 nicht mehr straffällig geworden sei.

Der den vierten Asylantrag abweisende Bescheid des Bundesasylamtes erwuchs am in Rechtskraft.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Rückkehrverbotes abgewiesen. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften wies die belangte Behörde zunächst darauf hin, dass gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion L vom eine - noch nicht rechtskräftige - Ausweisung erlassen worden sei.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung verwies die belangte Behörde auf die dreimalige Verurteilung wegen Vermögensdelikten. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer trotz aufrechten Aufenthaltsverbotes erneut - und zwar nur zwei Wochen nach der Einbringung seines vierten Asylantrages sowie innerhalb offener Probezeit - straffällig geworden sei. Dies sei ein besonders starkes Indiz dafür, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Angesichts dessen könne auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Haftentlassung im September 2005 über einen Zeitraum von ca. viereinhalb Jahren strafrechtlich wohlverhalten habe, nicht dazu führen, dass die Gefahr als weggefallen oder maßgeblich gemindert anzusehen sei. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer nach rechtskräftigem (negativen) Abschluss seines vierten Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben sei und sich somit im fremdenrechtlichen Sinn nicht wohlverhalten habe. Dem Beschwerdeführer sei auch anzulasten, dass er seine falsche Identität lange Zeit hindurch aufrechterhalten und erst im Zuge des Antrags auf Aufhebung des Rückkehrverbotes seine wahre Identität preisgegeben habe. Die belangte Behörde berücksichtigte zwar ebenfalls, dass der Beschwerdeführer gestützt auf eine Beschäftigungsbewilligung eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Allerdings verfüge er über keinen für die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erforderlichen Aufenthaltstitel, weshalb er keine gesicherte Position auf dem österreichischen Arbeitsmarkt habe. Es bestünde daher die Gefahr, dass er - wenn die weitere Erwerbstätigkeit auf Grund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht mehr möglich sein sollte - versuchen könnte, erneut durch die Begehung von Vermögensdelikten ein Einkommen zu erzielen.

Im Hinblick auf die Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer mit einer ukrainischen Staatsangehörigen, die in Österreich über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge, verheiratet sei und mit dieser zwei gemeinsame Kinder (die ebenfalls aufenthaltsberechtigt seien) habe. Mit der Aufrechterhaltung des Rückkehrverbotes (in Verbindung mit einer allfälligen Ausweisung) sei daher ein schwerer Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Allerdings sei das Familienleben während der Anhängigkeit des vierten Asylverfahrens begründet worden, weshalb sich der Beschwerdeführer und seine Ehefrau seines unsicheren Aufenthaltsstatus hätten bewusst sein müssen. Der Kontakt zu den Familienangehörigen könne auch von seiner Heimat aus aufrechterhalten werden bzw. sei auch eine Fortsetzung des Familienlebens in der Ukraine möglich. Zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers hielt die belangte Behörde fest, dass diese nur auf Grund von mehreren - unter falscher Identität gestellten - Asylanträgen, die sich in der Folge alle als offensichtlich unbegründet erwiesen hätten, möglich gewesen sei. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers würden das nach wie vor bestehende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Rückkehrverbotes nicht überwiegen. Die Trennung des Beschwerdeführers von seinen Familienangehörigen sei im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Von der beantragten zeugenschaftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau könne abgesehen werden, weil der Sachverhalt ausreichend geklärt sei und der Beschwerdeführer Gelegenheit zur Darlegung seines Standpunktes gehabt habe. Die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung sei nicht obligatorisch vorgesehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein darauf abzielender Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes oder Rückkehrverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes oder Rückkehrverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grunde des § 66 FPG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/18/0160, mwN).

Der Beschwerdeführer bringt zur Gefährdungsprognose vor, dass die strafbaren Handlungen aus den Jahren 2000 bzw. 2003 stammen und daher schon zehn bzw. sieben Jahre zurückliegen würden. Eine weitere Gefahr würde von ihm nicht mehr ausgehen, weshalb eine Aufrechterhaltung des Rückkehrverbotes nicht erforderlich sei. Zudem sei ihm ein illegaler Aufenthalt nicht anzulasten, weil er während der jeweiligen Asylverfahren zumindest vorläufig zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei.

Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten: Der Beschwerdeführer hat sich weder von der Verbüßung einer ersten Strafhaft noch von der rechtskräftigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes davon abhalten lassen, erneut - und zwar innerhalb offener Probezeit - einschlägig rückfällig zu werden. Davon ausgehend ist es im Ergebnis aber nicht zu beanstanden, dass der Zeitraum seit der Entlassung aus der Strafhaft am bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Dauer von knapp viereinhalb Jahren noch als zu kurz gewertet wurde, um verlässlich auf einen Wegfall oder eine relevante Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit schließen zu können (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0674). Dabei konnte auch berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer über einen Zeitraum von knapp vier Jahren (von November 1999 bis August 2003) wiederholt straffällig geworden ist. Ebenso durfte die belangte Behörde heranziehen, dass der Beschwerdeführer zunächst versuchte, seinen Aufenthalt durch wiederholte - offensichtlich unbegründete -

Asylanträge zu verlängern und auch nach Abschluss des letzten Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht verlassen hat.

Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Frage der Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 (lt. Aktenlage: Abs. 3) des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass ihm auch die Antragstellung nach § 44 Abs. 3 NAG kein Aufenthaltsrecht verschafft (vgl. § 44b Abs. 3 NAG; siehe näher dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0165).

Soweit der Beschwerdeführer - durch Zitieren des entsprechenden Gesetzeswortlautes - implizit die Auffassung vertritt, dass die Gefährdungsprognose am erhöhten Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG zu messen gewesen wäre, ist ihm entgegenzuhalten, dass er (auch im Wege des § 87 FPG) nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des § 86 Abs. 1 FPG fällt. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der mit Schreiben vom von der belangten Behörde bekannt gegebene Umstand, dass der Beschwerdeführer mittlerweile über einen rumänischen Reisepass verfügt, eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung darstellt.

Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung nach § 66 FPG verweist der Beschwerdeführer - neben seiner langjährigen Integration - insbesondere darauf, dass er mit seiner Ehefrau und seinen beiden in Österreich geborenen Söhnen (alle drei seien in Österreich aufenthaltsberechtigt) im Familienverband lebe, dass er keine Bindungen mehr zu seinem Heimatstaat habe, dass er über eine Beschäftigungsbewilligung verfüge und seit beinahe viereinhalb Jahren beim gleichen Unternehmen beschäftigt sei und dass er die deutsche Sprache perfekt beherrsche. Auf Grund dieser Umstände würden die Auswirkungen der Aufrechterhaltung des Rückkehrverbotes auf seine Lebenssituation und auf die seiner Familie schwerer wiegen als die Folgen der Aufhebung des Rückkehrverbotes.

Dazu ist anzumerken, dass die belangte Behörde die familiären Bindungen und die berufliche Integration des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde gelegt und auch ausreichend berücksichtigt hat. Sie durfte seine familiären Interessen aber iSd § 66 Abs. 2 Z 8 FPG als relativiert ansehen, weil die Bindungen zu einem Zeitpunkt eingegangen worden sind, zu dem sich die Beteiligten des unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers, gegen den ein rechtskräftiges Rückkehrverbot bestand und der nach drei negativ beendeten Asylverfahren einen weiteren Asylantrag gestellt hat, bewusst waren. Den Ausführungen der belangten Behörde betreffend das Fehlen eines für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erforderlichen Aufenthaltstitels tritt die Beschwerde nicht entgegen. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität ist es nicht als rechtswidrig anzusehen, dass die belangte Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einer Aufhebung des Rückkehrverbotes ausging. Daran vermag fallbezogen auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Deutschkenntnissen und zu den fehlenden Bindungen zu seinem Heimatstaat nichts zu ändern. Die Auswirkungen der Aufrechterhaltung des Rückkehrverbotes sind im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, seine Anträge auf "Parteieneinvernahme im Wege einer abzuhaltenden mündlichen Berufungsverhandlung" seien übergangen worden, ist ihm zu erwidern, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine (mündliche) Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0364). Dass er Gelegenheit hatte, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am