VwGH vom 24.07.2013, 2011/11/0196

VwGH vom 24.07.2013, 2011/11/0196

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der M J in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-425131/0001-II/A/3/2010, betreffend Feststellung nach Art. VII Abs. 5 des Nachtschwerarbeitsgesetzes (mitbeteiligte Partei: Taxi 40100 Taxifunkzentrale GmbH in 1230 Wien, Pfarrgasse 54), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit angefochtenem Bescheid vom stellte der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz - der Berufung der mitbeteiligten Partei stattgebend - fest, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Telefonistin (in einer Taxifunkzentrale) bei der mitbeteiligten Partei im Zeitraum vom bis nicht den Bestimmungen des Art. VII Abs. 2 Z. 7 Nachtschwerarbeitsgesetz (NSchG) unterlegen ist.

Auf Basis des Berufungsvorbringens der mitbeteiligten Partei wurde im Wesentlichen festgestellt, die Beschwerdeführerin sei im Zeitraum vom bis zum bei der mitbeteiligten Partei als Telefonistin beschäftigt gewesen. Sie habe an fünf Tagen in der Woche jeweils von 22.00 bis 6.00 Uhr Nachtarbeit geleistet. Diese Zeiten seien nicht als Zeiten der Nachtschwerarbeit im Sinne des NSchG gemeldet gewesen. Die Telefonistinnen trügen ein Headset und seien nicht an den Computer/die Telefonanlage gebunden. Bei den eingehenden Anrufen ertöne ein akustisches Signal - dies gelte mit Ausnahme der Notrufe und der sogenannten Sprachwünsche für alle eingehenden Gespräche. Notrufe und Sprachwünsche würden durch ein optisches Signal - ein starkes rotes Blinken - angezeigt.

Die Beschwerdeführerin habe verschiedene "Arten" von Gesprächen zu bearbeiten, deren Erledigung sich je nach der jeweiligen Art in Dauer und notwendigem Blickkontakt mit dem Bildschirm unterscheide. Grundsätzlich habe es eingehende und ausgehende externe Anrufe sowie eingehende und ausgehende interne Anrufe gegeben.

Die externen Anrufe könnten weiter unterteilt werden in


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"-
Anrufe der Stammkunden: Das Telefonsystem erkennt hier bereits aufgrund des eingehenden Anrufes einen Stammkunden (notwendige Daten, eventuelle Sonderwünsche). Falls die gewünschte Abholung in der Zukunft liegt, ist das Datum und der Zeitpunkt einzugeben. Bei unmittelbaren Taxibestellungen ist lediglich die (vom System berechnete) Ankunftszeit bekannt zu geben.
Der Anteil der Aufträge von Stammkunden beträgt durchschnittlich knapp über einem Viertel aller Aufträge.
-
Anrufe von Laufkunden: Hier sind die Anfangsbuchstaben der Adresse einzugeben, sogleich wird in der Form eines 'Drop-Down-Menüs' eine Auswahl angeboten. Das System berechnet die geschätzte Anfahrtszeit, welche sodann dem Kunden bekanntzugeben ist;
-
Botenfahrten: Diese Aufträge werden meistens von Stammkunden erteilt und kommen in der Nacht nicht oft vor. So bearbeitete (die Beschwerdeführerin) im November 2008 3 Botenfahrten (von drei Stammkunden), im Jänner 2009 15 Botenfahren (10 von Stammkunden), September 2009 16 Botenfahrten (12 davon von Stammkunden);
-
Urgenzen: Bei Urgieren einer Taxibestellung musste (die Beschwerdeführerin) den Auftrag oder die Adresse aufrufen und sah aufgrund des in allen Taxis befindlichen GPS-Systems, wo sich dieses befindet. Sohin konnte sie dem Kunden mitteilen, wie lange es noch bis zur geschätzten Ankunft des Taxis dauert. In seltenen Fällen war es notwendig, durch einen Klick auf das Mikrofon-Icon eine Sprachverbindung mit dem Taxilenker aufzurufen. Diese Anrufe erfordern zwar mehr Zeit, es überwiegt aber das Gespräch über der Bildschirmarbeit;
-
Anfragen wegen Verlust von Gegenständen: Es wird ein elektronisches Verlustbuch geführt, in dem die vergessenen Gegenstände einzutragen sind. Einer Anfrage eines Kunden wird nur dann nachgegangen, wenn der Kunde das Taxi in der Zentrale bestellt hat.
-
Notruf- und Funkbetreuung: Notrufe werden durch ein aufdringliches rotes Blinken angezeigt. Durch einen einzigen Tastenklick kann eine Telefonverbindung mit dem Taxilenker aufgebaut werden. Die Mitarbeiter der Telefonzentrale haben dann zu hören, ob es sich tatsächlich um einen Notruf handelt oder dieser (in 95% der Fälle) fälschlicherweise ausgelöst wurde;
-
Interne Anrufe: Anrufe von Kunden, die intern von einem anderen Mitarbeiter in der Telefonzentrale an (die Beschwerdeführerin) als Dienstaufsicht weitergeleitet wurden;
-
Abgehende Anrufe: Anrufe von (der Beschwerdeführerin) zu Kunden, aufgrund von Beschwerden, Nachfragen oder Urgenzen."
Die mitbeteiligte Partei habe in der Berufung Ausdrucke der bei ihr verwendeten Telefonanlage vorgelegt, lege auf 38 Seiten dar, wie sich die einzelnen Anrufe gestalteten, und beschreibe anhand von ausgewählten Tagen, Wochen und Monaten, wie sich die Gespräche zeitlich und der Art nach gestalten.
Diesem Vorbringen sei zu folgen, es gäbe keinen Grund, diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Die Beschwerdeführerin habe bezüglich der Aufschlüsselung und Beschreibung der Telefonanrufe nichts Gegenteiliges vorgebracht.
Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz habe insgesamt fünf Monate aus dem gesamten gegenständlichen
Zeitraum ausgewählt und wie folgt evaluiert:
"Aufschlüsselung der tabellarisch dargestellten Anrufe:
Externe angenommene Anrufe: Von Stamm- und Laufkunden, Aufträge aller Art (Ausmaß Bildschirmarbeit siehe oben).
Interne angenommene Anrufe: Anrufe, welche intern von einem anderen Mitarbeiter in der Telefonzentrale an (die Beschwerdeführerin) als Dienstaufsicht weitergeleit wurden (z.B. aufgrund einer Beschwerde, welche eine längere Gesprächsdauer aber keine längere Arbeit mit dem Bildschirm erfordern)
Externe abgehende Anrufe: Anrufe von (der Beschwerdeführerin) zu Kunden, aufgrund einer Nachfrage oder Urgenz einer Taxibestellung (per Mausklick und Bildschirm-Blickkontakt wird die Position des Taxis eruiert und an den Kunden weitergeleitet).
Bei den internen ankommenden und abgehenden Anrufen handelt es sich um Gespräche zwischen (der Beschwerdeführerin) und den Mitarbeitern, hierbei sei keine Bildschirmarbeit notwendig.
Monat April 2006


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Externe angenommene und bearbeitete Anrufe
6617
Durchschnittliche Gesprächsdauer
19 Sek
Interne angenommene und bearbeitete Anrufe
307
Durchschnittliche Gesprächsdauer
25 Sek
Externe abgehende Anrufe
118
Durchschnittliche Gesprächsdauer
44 Sek
Interne ankommende Anrufe
9
Durchschnittliche Gesprächsdauer
27 Sek
Interne abgehende Anrufe
4
Durchschnittliche Gesprächsdauer
23 Sek

Anrufe, welche Bildschirm-Blickkontakt erfordern (insgesamt in Sekunden):

125.723+7.675+5.192=138.590

Insgesamt 38,5 Stunden im Monat April 2006 telefonierend, das

sind 9,6 Stunden pro Woche, 1,92 Stunden pro Tag.

Monat August 2006


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Externe angenommene und bearbeitete Anrufe
10675
Durchschnittliche Gesprächsdauer
18 Sek
Interne angenommene und bearbeitete Anrufe
781
Durchschnittliche Gesprächsdauer
15 Sek
Externe abgehende Anrufe
173
Durchschnittliche Gesprächsdauer
37 Sek
Interne ankommende Anrufe
4
Durchschnittliche Gesprächsdauer
38 Sek
Interne abgehende Anrufe
1
Durchschnittliche Gesprächsdauer
11 Sek

Anrufe, welche Bildschirm-Blickkontakt erfordern (insgesamt in Sekunden):

192.150+11.715+6.401=210.266

Insgesamt 58,4 Stunden im Monat August 2006 telefonierend,

das sind 14,6 Stunden pro Woche, 2,9 Stunden pro Tag.

Monat Jänner 2007


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Externe angenommene und bearbeitete Anrufe
11874
Durchschnittliche Gesprächsdauer
18 Sek
Interne angenommene und bearbeitete Anrufe
368
Durchschnittliche Gesprächsdauer
27 Sek
Externe abgehende Anrufe
156
Durchschnittliche Gesprächsdauer
42 Sek
Interne ankommende Anrufe
17
Durchschnittliche Gesprächsdauer
29 Sek
Interne abgehende Anrufe
10
Durchschnittliche Gesprächsdauer
12 Sek

Anrufe, welche Bildschirm-Blickkontakt erfordern (insgesamt in Sekunden):

213.732+9.936+6.552=230.220

Insgesamt 64 Stunden Im Monat Jänner 2007 telefonierend, das

sind 16 Stunden pro Woche, 3,2 Stunden pro Tag.

Monat Februar 2008


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Externe angenommene und bearbeitete Anrufe
10885
Durchschnittliche Gesprächsdauer
19 Sek
Interne angenommene und bearbeitete Anrufe
139
Durchschnittliche Gesprächsdauer
61 Sek
Externe abgehende Anrufe
175
Durchschnittliche Gesprächsdauer
32 Sek
Interne ankommende Anrufe
4
Durchschnittliche Gesprächsdauer
19 Sek

Anrufe, welche Bildschirm-Blickkontakt erfordern (insgesamt in Sekunden):

206.815+8.479+5.600=220.894

Insgesamt 61,4 Stunden im Monat Februar 2008 telefonierend,

das sind 15.4 Stunden pro Woche, 3,1 Stunden pro Tag.

Monat Mai 2009


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Externe angenommene und bearbeitete Anrufe
10723
Durchschnittliche Gesprächsdauer
20 Sek
Interne angenommene und bearbeitete Anrufe
142
Durchschnittliche Gesprächsdauer
48 Sek
Externe abgehende Anrufe
149
Durchschnittliche Gesprächsdauer
24 Sek
Interne ankommende Anrufe
8
Durchschnittliche Gesprächsdauer
20 Sek

Anrufe, welche Bildschirm-Blickkontakt erfordern (insgesamt in Sekunden):

214.460+6.816+3.576=224.852

Insgesamt 62,5 Stunden im Monat Mai 2009 telefonierend, das

sind pro Woche, 3,12 Stunden pro Tag.

Monat Dezember 2009


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Externe angenommene und bearbeitete Anrufe
11202
Durchschnittliche Gesprächsdauer
19 Sek
Interne angenommene und bearbeitete Anrufe
206
Durchschnittliche Gesprächsdauer
61 Sek
Externe abgehende Anrufe
86
Durchschnittliche Gesprächsdauer
36 Sek
Interne ankommende Anrufe
26
Durchschnittliche Gesprächsdauer
22 Sek

Anrufe, welche Bildschirm-Blickkontakt erfordern (insgesamt in Sekunden):

212.838+12.566+3.096=228.500

Insgesamt 63,5 Stunden im Monat Dezember 2009 telefonierend, das sind 15,9 Stunden pro Woche, 3,2 Stunden pro Tag."

Wie aus der Darstellung ersichtlich, habe die Zeit, welche die Beschwerdeführerin am Telefon zu verbringen gehabt habe, ca. drei Stunden (mit Schwankungen über bzw. unter drei Stunden) pro Tag betragen. Diese Zeitspanne beinhalte aber das Telefonieren und die Bildschirmarbeit als Gesamteinheit, wovon die Zeitspanne der tatsächlichen Bildschirmarbeit nur einen Teil hiervon ausmache. Auch wenn man vom Berufungsvorbringen abweiche und annehme, dass die Bildschirmtätigkeit nicht ein Drittel der Gesamteinheit betrage, sondern die Hälfte, betrage die durchschnittliche Bildschirmarbeit ca. 1,6 Stunden pro Tag - nicht ununterbrochen, sondern insgesamt in einem Nachtdienst.

Rechtlich führte der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz aus, im vorliegenden Fall stehe außer Streit, dass die festgestellte Tätigkeit als Nachtarbeit einzustufen sei. Strittig sei, ob die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Tätigkeit auch Schwerarbeit im Sinne des Art. VII Abs. 2 Z. 7 NSchG geleistet habe. Art. VII Abs. 2 Z. 7 NSchG fordere für die Annahme von Schwerarbeit, dass die "Arbeit mit dem Bildschirmgerät" (somit in qualitativer Hinsicht) und die Arbeitszeit an diesem Gerät" (also in quantitativer Hinsicht) für die gesamte Tätigkeit bestimmend seien.

Nach Wiedergabe der §§ 67 und 68 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) und der Bildschirmarbeitsverordnung (BS-V), sowie der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0101) führte der Bundesminister weiter aus, aus dem festgestellten Sachverhalt, der Beweiswürdigung und vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ergebe sich, dass die streitgegenständliche Tätigkeit mit dem Bildschirmgerät für die Gesamttätigkeit nicht bestimmend gewesen sei.

Im Vordergrund der Tätigkeit als Telefonistin in der Taxifunkzentrale stehe eindeutig das Telefonieren. Die Arbeit mit dem Bildschirm erschöpfe sich in der Eingabe der Adresse (wobei hier bei Eingabe der ersten Buchstaben ein "Drop Down-Menü" eine schnelle Auswahl per Mausklick gewährleiste bzw. ein Stammkunde vom System erkannt werde und die Anschrift bereits am Bildschirm erscheine) und Ablesen der geschätzten Ankunftszeit. In quantitativer Hinsicht (Arbeitszeit am Gerät) reichten gelegentliche Bildschirmtätigkeiten für die in Frage stehende Bestimmtheit für die Gesamttätigkeit nicht aus. Erschwerende Arbeitsbedingungen iSd. NSchG lägen dann noch nicht vor, wenn ununterbrochen zumindest ein Viertel oder durchschnittlich mehr als ein Drittel der regelmäßig achtstündigen Tagesarbeitszeit mit Bildschirmarbeit verbracht werde (vgl. § 1 Abs 4 Bildschirmarbeitsverordnung), weil ab einem solchen Ausmaß zwar schon arbeitsrechtliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen seien, die zeitliche Belastung aber noch nicht als "bestimmend" für die Gesamttätigkeit angesehen werden könne.

Laut vorliegendem Sachverhalt übersteige die zeitliche Beanspruchung durch Bildschirmarbeit dieses Maß nicht, wenn von acht Stunden lediglich etwa 1,6 Stunden (wenn davon ausgegangen werde, dass die Hälfte des Telefongespräches mit Bildschirmtätigkeit verbunden sei) dafür aufgewendet werden, sodass das "quantitative" Element des Art. VII Abs. 2 Z. 7 NSchG nicht gegeben sei. Dieses "quantitative" Erfordernis werde somit bei Weitem unterschritten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgebenden Bestimmungen des NSchG, BGBl. Nr. 354/1981 idF. der Novelle BGBl. I Nr. 90/2009, lauten (auszugsweise):

"Artikel VII

Nachtarbeit und Nachtschwerarbeit

(1) Nachtarbeit im Sinne dieses Bundesgesetzes leistet ein Arbeitnehmer, der in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr mindestens sechs Stunden arbeitet, sofern nicht in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

(2) Nachtschwerarbeit leistet ein Arbeitnehmer im Sinne des Abs. 1, der unter einer der folgenden Bedingungen arbeitet:

7. bei Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen (das sind Arbeitsplätze, bei denen das Bildschirmgerät und die Dateneingabetastatur sowie gegebenenfalls ein Informationsträger eine funktionale Einheit bilden), sofern die Arbeit mit dem Bildschirmgerät und die Arbeitszeit an diesem Gerät für die gesamte Tätigkeit bestimmend sind. Sonstige Steuerungseinheiten sind Dateneingabetastaturen gleichgestellt, wenn die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllt sind und die Bedienung dieser Steuerungseinheiten durch die Vielfältigkeit und Menge der je Zeiteinheit zu verarbeitenden Informationen und die Häufigkeit und Dichte aufeinanderfolgender Teilaufgaben oder sonstige Arbeitsbedingungen (zB Störeinflüsse, Beleuchtung) für die dort beschäftigten Arbeitnehmer eine entsprechende Erschwernis darstellen;

(5) Die zuständigen Krankenversicherungsträger haben auf Antrag des Arbeitgebers, des Arbeitnehmers oder des zuständigen Organs der Arbeitnehmerschaft durch Bescheid im Einzelfall die erschwerenden Arbeitsbedingungen im Sinne des Abs. 2, einer Verordnung nach Abs. 3 oder 4 oder eines Kollektivvertrages gemäß Abs. 6 festzustellen. An einem solchen Verfahren hat der Krankenversicherungsträger das zuständige Arbeitsinspektorat (die Berghauptmannschaft) zu beteiligen.

Artikel XII

Verfahren

(1) Feststellungsverfahren im Sinne des Art. VII Abs. 5 und Streitigkeiten über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. VII Abs. 2, einer Verordnung nach Art. VII Abs. 3 und 4 oder eines Kollektivvertrages gemäß Art. VII Abs. 6, über den Beginn und das Ende der Nachtschwerarbeit sowie über den Nachtschwerarbeits-Beitrag gelten als Verwaltungssachen im Sinne des § 409 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes.

(2) Die Bestimmungen des Siebenten Teiles des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes über das Verfahren sind auf die Verwaltungssachen im Sinne des Abs. 1 mit der Maßgabe anzuwenden, daß gegen den Bescheid des Versicherungsträgers die Berufung an den Bundesminister für Arbeit und Soziales zusteht. Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung; der Bundesminister für Arbeit und Soziales kann der Berufung auf Antrag aufschiebende Wirkung zuerkennen, wenn durch die vorzeitige Vollstreckung ein nicht wieder gutzumachender Schaden einträte und nicht öffentliche Interessen die sofortige Vollstreckung gebieten. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist innerhalb der für die Einbringung der Berufung vorgesehenen Frist beim Versicherungsträger zu stellen.

…"

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2.1.1. Art. VII Abs. 2 Z 7 NSchG fordert für die Annahme von Nachtschwerarbeit zunächst (Nacht)Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird von keiner der Verfahrensparteien bestritten.

Weiters muss die "Arbeit mit dem Bildschirmgerät" (somit in qualitativer Hinsicht) und die "Arbeitszeit an diesem Gerät" (also in quantitativer Hinsicht) für die gesamte Tätigkeit bestimmend sein. Das NSchG umschreibt zwar das Wesen eines Bildschirmarbeitsplatzes, lässt aber den Inhalt des Begriffes der Bildschirmarbeit offen. Allerdings enthalten die §§ 67f des ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), die ähnliche Zielsetzungen wie das NSchG im Auge haben, solche Begriffsbestimmungen.

In § 1 Abs. 2 der auf Grund der §§ 67 und 68 ASchG erlassenen Bildschirmarbeitsverordnung (BS-V) wird Bildschirmarbeit als Ausführung von Tätigkeiten wie Datenerfassung, Datentransfer, Dialogverkehr, Textverarbeitung, Bildbearbeitung oder CAD/CAM-Arbeiten an Bildschirmarbeitsplätzen im Sinne des § 67 Abs. 1 zweiter Satz ASchG unter Verwendung von Bildschirmgeräten in Sinne des § 67 Abs. 1 ASchG definiert.

2.1.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass besonders bei "Urgenzen" ersichtlich werde, dass das gesamte Telefonsystem über den Bildschirm zu bedienen gewesen sei, da auch die Sprachverbindung in diesem Fall mittels Icons auf dem Bildschirm erfolgt sei. Auch das elektronische Verlustbuch erscheine ebenfalls wie das Blinken im Falle eines Notrufes nur auf dem Bildschirm. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie das Gespräch über die Bildschirmarbeit überwiege, da es ständig notwendig gewesen sei, konzentriert auf den Bildschirm zu sehen. Die Trennung in Telefonie und Bildschirmarbeit sei bei einer computergebundenen Telefonanalage nicht möglich, diese Ansicht widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung.

Damit zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen in quantitativer Hinsicht erschwerende Arbeitsbedingungen iSd NSchG noch nicht vor, wenn ununterbrochen zumindest ein Viertel oder durchschnittlich mehr als ein Drittel der regelmäßig achtstündigen Tagesarbeitszeit mit Bildschirmarbeit verbracht wird (vgl. § 1 Abs. 4 BS-V), weil ab einem solchen Ausmaß zwar schon arbeitsrechtliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind, die zeitliche Belastung aber noch nicht als "bestimmend" für die Gesamttätigkeit angesehen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0101).

Im Beschwerdefall überstiege die zeitliche Beanspruchung durch Bildschirmarbeit dieses Maß grundsätzlich dann nicht, wenn, wie von der belangten Behörde angenommen, von acht Stunden durchschnittlich 1,6 Stunden für Bildschirmarbeit, verteilt über die gesamte Arbeitszeit, aufgewendet würden.

Die Beurteilung, ob Nachtschwerarbeit vorliegt, setzt im Einzelfall allerdings detaillierte Feststellungen voraus, aus denen sich die zu beurteilende Tätigkeit sowohl quantitativ als auch qualitativ einschätzen lässt.

Bei einem Arbeitsplatz wie dem der Beschwerdeführerin wäre es geboten gewesen, auch die Frequenz der einlangenden Anrufe festzustellen. Das hat die belangte Behörde unterlassen, obwohl sowohl das Berufungsvorbringen der mitbeteiligten Partei als auch die von ihr vorgelegten Unterlagen Hinweise darauf bieten, dass die Beschwerdeführerin im Durchschnitt ca. 65 Anrufe pro Stunde (bei Spitzenwerten von über 80 Anrufen pro Stunde) zu bearbeiten hatte, was darauf hinausläuft, dass im Durchschnitt mehr als ein Anruf pro Minute (mit einer Dauer von durchschnittlich ca. 20 Sekunden) zu bewältigen war. Sollte dies zutreffen, so könnte angesichts des Umstands, dass auch nach den Feststellungen der belangten Behörde typischerweise bei jedem einlangenden Anruf auch auf der Tastatur eine Bildschirmeingabe von im Durchschnitt mehreren Sekunden zu erfolgen hatte, nicht mehr ohne weiteres davon gesprochen werden, dass die Arbeitszeit am Bildschirm, welche offensichtlich während des Telefonkontakts mit dem Kunden zu erfolgen hat, für die Tätigkeit nicht bestimmend ist, weil wegen der hohen Anrufsdichte ein "Herausrechnen" einer Nettobildschirmarbeitszeit zu einer Verzerrung des Gesamtbilds der zu beurteilenden Tätigkeit führen würde.

2.3. Schon aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Ausmaß des Antrages auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am