VwGH vom 03.10.2013, 2013/22/0118

VwGH vom 03.10.2013, 2013/22/0118

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des L, vertreten durch Dr. Alois Autherith, Dr. Herwig Hammerer und Mag. Rainer Samek, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Utzstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/3243/2008, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Costa Rica, wurde mit Urteil des Landesgerichtes K vom , rechtskräftig mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom , wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 4 Z 3 SMG als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren verurteilt. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer andere, vorsatzlos handelnde Personen dazu bestimmt hatte, Suchtgift im Ausmaß von zumindest dem 25fachen der Grenzmenge (knapp 30 kg Kokain) nach Österreich einzuführen.

Im Hinblick auf diese Verurteilung und das zugrunde liegende strafbare Verhalten wurde gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt K vom ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. In der Begründung verwies die Behörde auf Art. 95 des Schengener Durchführungsübereinkommens, wonach das Aufenthaltsverbot in allen Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens gelte.

Der Beschwerdeführer wurde nach seiner Haftentlassung am in seine Heimat abgeschoben.

Mit Eingabe vom stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ab.

Die belangte Behörde wies zunächst darauf hin, dass der Beschwerdeführer seit 1970 "in der ehemaligen Tschechoslowakei bzw. in Tschechien" wohnhaft gewesen sei und bis zu seiner Festnahme mit seiner Ehefrau, einer tschechischen Staatsangehörigen, und den zwei gemeinsamen Söhnen in P gelebt habe. Er sei zunächst Diplomat gewesen, habe aber seine Akkreditierung auf Grund der "Begehung eines Deliktes" im Jahr 1996 verloren.

Der Beschwerdeführer sei Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 12 FPG einer tschechischen Staatsangehörigen, weshalb für ihn die Bestimmungen des § 86 FPG maßgeblich seien. Angesichts des massiven, im angefochtenen Bescheid näher dargestellten strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers ging die belangte Behörde davon aus, dass sich die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr auch unter Zugrundelegung des Gefährdungsmaßstabes nach § 86 Abs. 1 FPG nicht wesentlich reduziert habe. Die belangte Behörde verwies dazu auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die damit einhergehende große Wiederholungsgefahr. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG seien somit erfüllt. Ein Wohlverhalten von nur zwei Jahren seit der Haftentlassung sei jedenfalls zu wenig, um einen Wegfall oder eine wesentliche Reduzierung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seine "Kontakte zu einem Drogenkartell bei eventuellen finanziellen Problemen jederzeit wieder aktivieren" könne. Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sei daher geboten.

Im Hinblick auf § 66 FPG wies die belangte Behörde darauf hin, dass die Ehefrau und die beiden Söhne des Beschwerdeführers in P leben würden. In Österreich würden sich keine Familienangehörigen befinden. Zudem hätten sich hinsichtlich der familiären Anknüpfungspunkte seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine Änderungen ergeben. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie würden nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Die (allfällige) Trennung von der Familie sei im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, das - für alle "Schengenstaaten" geltende - Aufenthaltsverbot stünde der Erteilung eines Aufenthaltstitels durch die tschechischen Behörden entgegen, verwies die belangte Behörde auf Art. 25 des "Schengener Durchführungsübereinkommens", wonach eine Vertragspartei einem zur Einreiseverweigerung ausgeschriebenen Drittausländer unter bestimmten, näher dargestellten Voraussetzungen einen Aufenthaltstitel erteilen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben. Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Aufhebungsantrag lediglich zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zugunsten des Fremden weggefallen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0170, mwN).

Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährdungsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende maßgebliche Gefahr (vorliegend: iSd § 86 Abs. 1 FPG) im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zulässig ist. Darüber hinaus hat die belangte Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/18/0185, mwN).

Der Beschwerdeführer erachtet die Auffassung der belangten Behörde, wonach die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe nicht weggefallen seien, als unrichtig. Die belangte Behörde habe sich im Wesentlichen nur auf das gegen ihn ergangene Urteil gestützt, strafrechtliche Verurteilungen allein könnten ein Aufenthaltsverbot aber nicht rechtfertigen. Schon die Zeit des Wohlverhaltens seit der Entlassung aus der Strafhaft zeige, dass keine öffentlichen Interessen gegen die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sprechen würden.

Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Vorauszuschicken ist zunächst, dass die belangte Behörde die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zutreffend am Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG geprüft hat. Die belangte Behörde hat sich bei ihrer Entscheidung, ob weiterhin eine negative Zukunftsprognose zu treffen ist, - entgegen der Beschwerdeauffassung - auch nicht auf den bloßen Umstand der Verurteilung des Beschwerdeführers gestützt, sondern auf das diesem Urteil zugrunde liegende, massive strafbare Verhalten. Wie die belangte Behörde näher dargestellt hat, war der Beschwerdeführer maßgeblich daran beteiligt, eine erhebliche Menge - nämlich beinahe 30 kg - Kokain nach Österreich zu schmuggeln. In diesem Zusammenhang durfte die belangte Behörde auch berücksichtigen, dass bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß eine große Wiederholungsgefahr besteht. Weiters hat die belangte Behörde - wie schon das Landesgericht K im Urteil vom - festgehalten, dass die überaus große Suchtgiftmenge (sowie die gezielte Organisation des Schmuggels) darauf hindeuten würden, dass der Beschwerdeführer in der Organisation des Drogenschmuggels eine sehr bedeutende Rolle eingenommen haben musste. Ausgehend davon ist es aber - ungeachtet dessen, dass nähere Feststellungen zu den früheren Kontakten des Beschwerdeführers zu einem Drogenkartell fehlen - im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die Gefahr der Wiederaufnahme der alten Kontakte und damit der erneuten Straffälligkeit des Beschwerdeführers im Fall finanzieller Probleme als gegeben erachte.

Angesichts der schwerwiegenden Straftaten, die eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren nach sich gezogen haben, ist die Zeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers seit seiner Entlassung aus der Strafhaft in der Dauer von (knapp) zwei Jahren als zu kurz anzusehen, um einen Wegfall oder eine entscheidungserhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Soweit - erstmals in der Beschwerde - moniert wird, die belangte Behörde hätte ein psychologisches Sachverständigengutachten zur Frage der günstigen Zukunftsprognose einholen müssen, ist zu erwidern, dass ein bloß durch ein Gutachten festgestellter Gesinnungswandel, der nicht seine Entsprechung in einem - einen relevanten Zeitraum umfassenden - Wohlverhalten gefunden hat, für den Wegfall der Gefährdungsprognose nicht ausreicht (siehe dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0674, mwN).

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde auf die familiären Bindungen des Beschwerdeführers in der Tschechischen Republik hingewiesen. Sie hat aber ebenso zutreffend angemerkt, dass diesbezüglich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine Änderungen zugunsten des Beschwerdeführers eingetreten seien. Im Übrigen steht eine Ausschreibung des Aufenthaltsverbotes im Schengener Informationssystem nicht in jedem Fall der Erteilung eines Einreisetitels oder eines Aufenthaltstitels in Tschechien entgegen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0457, mwN).

Wenn der Beschwerdeführer schließlich noch rügt, die belangte Behörde hätte ihn selbst, seine Ehefrau und seine Söhne vernehmen müssen, ist ihm zu erwidern, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0364). Außerdem zeigt er damit auch deshalb keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf, weil er nicht darlegt, zu welchen - seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geänderten - Umständen eine solche Vernehmung hätte erfolgen sollen. Auch dem Vorbringen hinsichtlich des unzureichenden Parteiengehörs fehlt es an einer entsprechenden Relevanzdarstellung.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am