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VwGH vom 28.06.2011, 2007/01/0631

VwGH vom 28.06.2011, 2007/01/0631

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des A K in W, geboren 1989, vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 260.158/0/5E-XII/05/05, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit als verspätet (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, reiste am in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Als Geburtsdatum gab er dabei den an.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) zurück, erklärte gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung Spanien zur Prüfung des Antrages für zuständig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Spanien aus.

Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass der Beschwerdeführer am in Ceuta (Spanien) einen Asylantrag gestellt habe. Spanien habe mit Schreiben vom dem Wiederaufnahmeersuchen entsprochen und der Übernahme des Beschwerdeführers zugestimmt. Das "äußere Erscheinungsbild des (Beschwerdeführers), ebenso sein Verhalten und Auftreten" ließen darauf schließen, dass das von ihm angegebene Lebensalter nicht der Richtigkeit entspreche; es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest das 18. Lebensjahr vollendet habe. Eine gesetzliche Vertretung des Beschwerdeführers sei somit gemäß § 25 AsylG 1997 "nicht gegeben".

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer laut dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein am in der Justizanstalt Wien-Josefstadt zugestellt. Weiters befindet sich im Verwaltungsakt eine mit datierte "Übernahmebestätigung", wonach der Bescheid dem Beschwerdeführer an diesem Tag in der Justizanstalt Linz durch unmittelbare Ausfolgung gemäß § 24 (Z. 2) ZustG (neuerlich) zugestellt wurde.

Mit an das Bundesasylamt gerichtetem Fax vom erhob der Beschwerdeführer dagegen Berufung.

Nach Durchführung einer Berufungsverhandlung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei. Das erkennende Mitglied habe sich vom äußeren Erscheinungsbild des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung überzeugen können; demnach weise der Beschwerdeführer "aufgrund der Gesichtszüge, des körperlichen Erscheinungsbildes, der verbalen Ausdrucksfähigkeit zusammen mit der Argumentationstechnik und der Stimmlage" eindeutig das Erscheinungsbild eines erwachsenen, mindestens zwanzigjährigen Mannes auf. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer bei der Beantwortung der Fragen nach diversen Daten immer wieder versucht habe, die Antwort zu verzögern, um auf diese Art nachzurechnen und dem von ihm angegebenen Geburtsdatum 1989 entsprechen zu können, zeige eindeutig, dass er sein wahres Alter habe verschleiern wollen. Da der Beschwerdeführer volljährig sei, sei die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides im Sinne des § 25 Abs. 1 AsylG daher zu Recht an den Beschwerdeführer erfolgt.

Es sei von der rechtmäßigen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am auszugehen. Die nochmalige Bescheidzustellung am sei rechtlich irrelevant. Die am eingebrachte Berufung sei daher verspätet eingebracht und daher zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage der Altersfeststellung in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2005/01/0463, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, unter Darstellung der bisherigen Rechtsprechung ausführlich Stellung genommen. Demnach ist eine Alterseinschätzung, welche sich allein auf den persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers (optisches Erscheinungsbild und Auftreten bei der Behörde) stützt, nicht geeignet, die in Bezug auf das Alter des Asylwerbers getroffenen Feststellungen schlüssig zu begründen, sondern muss sich diese auf weitere, nachvollziehbar dargestellte Umstände (gravierende Widersprüche in Bezug auf eine zeitliche Einordnung einzelner Ereignisse im Verhältnis zum angeblich jeweiligen Alter des Asylwerbers) stützen; ansonsten bedarf die Überprüfbarkeit einer Alterseinschätzung im Regelfall einer Untersuchung und Beurteilung durch geeignete (zumeist wohl medizinische) Sachverständige. Sollten auch danach noch keine hinreichend gesicherten Aussagen zur Volljährigkeit möglich sein, haben die Asylbehörden im Zweifel von den Angaben des Asylwerbers zu seinem Geburtsdatum (Alter) auszugehen (vgl. zuletzt die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/01/0364 und Zl. 2008/01/0479, jeweils mwN).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Alterseinschätzung zwar nicht lediglich mit dem persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung, sondern auch damit begründet, dass der Beschwerdeführer immer wieder versucht habe, Antworten zu verzögern, um das von ihm angegebene Geburtsjahr nachzurechnen. Mit dieser - allgemein gehaltenen - Begründung gelingt es der belangten Behörde jedoch nicht, die von ihr getroffene Alterseinschätzung auf "weitere, nachvollziehbar dargestellte Umstände" im Sinne der oberwähnten hg. Rechtsprechung zu stützen; insbesondere werden damit keine (konkreten) "gravierenden Widersprüche" in den Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf eine zeitliche Einordnung einzelner Ereignisse im Verhältnis zum behaupteten Alter aufgezeigt.

Da die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei entgegen seinen Angaben bereits volljährig, somit einer tragfähigen Grundlage entbehrt, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer persönlich wirksam erfolgen konnte - maßgeblich wäre dabei, wie die belangte Behörde insofern zutreffend angenommen hat, gemäß § 6 ZustG die am erfolgte Zustellung - und damit der Lauf der zweiwöchigen Berufungsfrist ausgelöst wurde; nur diesfalls wäre die belangte Behörde zur Zurückweisung der am eingebrachten Berufung als verspätet berechtigt gewesen. Andernfalls hätte mangels Vorliegen eines rechtswirksam erlassenen Bescheides die Berufung nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden dürfen (vgl. zu dieser Konsequenz das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/23/0036, mwN).

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am