VwGH vom 17.11.2009, 2009/06/0091
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des A in Y, vertreten durch Mag. Helmut Schmidt, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Einspinnergasse 3, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Graz vom , Vk 30/08, betreffend eine Angelegenheit nach dem Strafvollzugsgesetz (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Das Beschwerdeverfahren bezieht sich auf einen Zeitraum, in dem sich der Beschwerdeführer in der Justizanstalt (JA) X befand.
Der Beschwerdeführer war vom 2. Juli bis zum in der Ökonomie (Gärtnerei) der JA X zur Arbeitsverrichtung eingeteilt, anschließend aber in der Tischlerei.
In seiner an den Anstaltsleiter gerichteten Beschwerde vom führte der Beschwerdeführer aus, er sei am 5. August seiner Arbeitspflicht in der Ökonomie "rechtstreu und verpflichtend" nachgekommen. Um etwa 13 Uhr (jedenfalls nach dem Mittagessen) habe er einen leichten Schwindel- bzw. Schwächeanfall und einen Sonnenbrand an beiden Armen und im Gesichtsbereich verspürt. Darauf habe er den Justizwachebeamten (JWB) M. höflich ersucht, ihn für den Rest des Tages von der Arbeitspflicht zu befreien, damit er sich etwas erholen könne. Darauf habe M. lautstark und sinngemäß erwidert: "wos is A - i brauch kan tachenierer wos - glaubst wost bist". Durch diese Äußerung sei er nicht nur erschrocken, sondern sei auch entgegen den gesetzlichen Bestimmungen des § 22 Abs. 1 StVG behandelt worden (was in einem mit "Angriffserklärung" überschriebenen Abschnitt des Schriftsatzes näher erläutert wird - der Beschwerdeführer bezeichnet sich als cand. jur.).
Der JWB M. erwiderte in einer Stellungnahme an den Anstaltsleiter vom , der Beschwerdeführer sei seit seiner Einteilung im Gartenbetrieb bis zum Tag des Vorfalles am nur an sieben Tage zur Arbeit erschienen, ansonsten habe er sich immer krank gemeldet. An jenen Tagen, an denen er zur Arbeit erschienen sei, habe es ständig kleinere Diskussionen punkto seiner Arbeitsleistung und Arbeitsauffassung gegeben. Als nun der Beschwerdeführer an jenem nach dem Mittagessen um ca. 12 Uhr zu ihm gekommen und gesagt habe, er wolle einrücken, weil seine Arme brennen und jucken würden, habe er (M.) ihm tatsächlich sinngemäß gesagt "Was ist jetzt schon wieder mit Ihnen los, ich brauche im Garten keine Tachinierer, ich brauche Leute die arbeiten wollen und was Ihre Arme betrifft habe ich Sie ausdrücklich dazu aufgefordert nicht ohne Hemd in der Sonne zu arbeiten. Was glauben Sie eigentlich wer Sie sind?". Nachdem der Beschwerdeführer dennoch darauf bestanden habe, in seinen Haftraum gehen zu dürfen, habe er seinem Drängen nachgegeben, ihn aber aufgefordert, die Krankenabteilung aufzusuchen, um eine Salbe gegen Juckreiz zu holen. Darauf habe der Beschwerdeführer erwidert, dies sei nicht nötig, er habe selbst eine Tube in der Tasche. Damit sei der Vorfall für ihn (M.) erledigt gewesen und der Beschwerdeführer sei vom Vorführdienst um
12.15 Uhr in seine Abteilung geführt worden. Nachdem der Beschwerdeführer am nächsten Tag wieder zur Arbeit erschienen sei, habe er (M.) den Vorfall als erledigt betrachtet.
Der Anstaltsleiter hielt weiters in einem Aktenvermerk vom fest, an welchen Tagen im Zeitraum vom 2. Juli bis der Beschwerdeführer bei seiner Arbeitseinteilung in der Anstaltsgärtnerei aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend gewesen sei, und gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit, zur Äußerung des JWB M. und zu diesem Aktenvermerk Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer äußerte sich in einem Schriftsatz vom , es entspreche nicht den Tatsachen, dass es, wie von M. angeführt, ständig kleinere Diskussionen punkto Arbeitsleistung und Arbeitsauffassung gegeben habe, vielmehr hätte es des Öfteren große Diskussionen über die Behandlung von Strafgefangenen gegeben. Diese "unmenschlichen Behandlungen und der grobe verpönte Umgangston des Leiters der Gärtnerei", M., habe bei ihm (Beschwerdeführer) auch zum Teil verschiedene Erkrankungen (auch seelische) verursacht. Richtig seien die aus dem Aktenvermerk vom zu entnehmenden Tage, an welchen er auch krank gemeldet worden sei. So sei er sogar am von einem näher bezeichneten Arzt "gleich für 05 (in Worten fünf) Tage Arbeitsruhe geschrieben" worden, dies als Folge einer Erkrankung, welche auf den "Behandlungsformen" des JWB M. basiere. Am sei er richtigerweise nicht in der Gärtnerei gewesen, aber auch nicht krank gemeldet, weil dieser Tag ein Samstag gewesen sei. Jedenfalls gehe er seit dem seiner Arbeitspflicht rechtstreu in der Tischlereiwerkstatt als Hausarbeiter gerne nach und fühle sich dort, auf Grund einer menschlichen, höflichen und korrekten Behandlung, auch sehr wohl.
In der Folge wurde der JWB M. am niederschriftlich vernommen. Er gab dabei an, er halte seine Eingaben und seine Stellungnahme vom vollinhaltlich aufrecht und erhebe diese zum Gegenstand seiner nunmehrigen Befragung. Ausdrücklich danach befragt, gebe er an, dass er den Beschwerdeführer stets unter Einhaltung des § 22 StVG mit "Sie" und "Herr (Name des Beschwerdeführers)" angesprochen habe. Auf Grund der ihm "bekannten Beschwerdeneigung" des Beschwerdeführers habe er "insbesondere bei ihm peinlichst auf die Einhaltung dieser gesetzlich vorgeschriebenen Umgangsformen geachtet". Ansonsten könne er zur Sache keine weiteren Angaben machen.
Mit Erledigung des Anstaltsleiters vom wurde der Beschwerdeführer davon verständigt, dass M. im Rahmen einer niederschriftlichen Befragung am angegeben habe, seine bisherigen in dieser Angelegenheit getätigten Angaben vollinhaltlich aufrecht zu erhalten und den Beschwerdeführer stets unter Einhaltung des § 22 StVG mit "Sie" und "Herr (Name des Beschwerdeführers)" angesprochen zu haben (der Passus in der Aussage vom , M. habe auf Grund der ihm bekannten Beschwerdeneigung des Beschwerdeführers insbesondere bei ihm peinlichst auf die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Umgangsformen geachtet, wurde nicht vorgehalten).
In seiner Äußerung vom bemängelte der Beschwerdeführer, dass die Mitteilung vom bloß lapidar einen Auszug aus einer mit M. in Abwesenheit des Beschwerdeführers aufgenommenen Niederschrift enthalte, sodass ihm die Möglichkeit geraubt worden sei, im Sinne des § 15 AVG vorzugehen und auf diese Niederschrift näher einzugehen. Vielmehr hätte ihm die Niederschrift zur Gänze vorgelegt werden müssen. Die Aussagen des JWB M. in seiner Stellungnahme vom stellten keine rechtstreue Erfüllung des § 22 StVG dar.
In einer Eingabe vom urgierte der Beschwerdeführer die Erledigung.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom gab der Anstaltsleiter der Beschwerde vom keine Folge. Nach Darstellung des Verfahrensganges heißt es zur Begründung, der Beschwerdeführer sei vom 2. Juli bis in der Ökonomie der JA zur Arbeit eingeteilt gewesen und sei während dieses Zeitraumes seiner Arbeitsverpflichtung lediglich an sieben Tagen nachgekommen. Am 8., 9., 14., 15., 16., 17., 18., 21., 22., 29., 30. und 31. Juli sowie am 1. und 2. August sei der Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen bzw. aus psychischer Erschöpfung nicht zur Arbeit in den Betrieb ausgerückt.
Der Betriebsleiter der Ökonomie, M., habe im Betrieb mit dem Beschwerdeführer mehrfach Diskussionen über dessen Arbeitsleistung und Arbeitsauffassung geführt. Umgekehrt sei vom Beschwerdeführer die Behandlung der Insassen durch den Betriebsleiter angesprochen worden.
Am habe der Beschwerdeführer dem Betriebsleiter der Ökonomie mitgeteilt, in den Haftraum einrücken zu wollen, weil seine Arme brennen und jucken würden.
Diesem Anliegen des Beschwerdeführers sei M. mit den Worten begegnet "Was ist jetzt schon wieder mit Ihnen los, ich brauche im Garten keine Tachinierer, ich brauche Leute, die arbeiten wollen. Und was Ihre Arme betrifft, habe ich Sie ausdrücklich dazu aufgefordert, nicht ohne Hemd in der Sonne zu arbeiten. Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?".
M. habe dem Drängen des Beschwerdeführers schließlich nachgegeben und ihn aufgefordert, die Krankenabteilung aufzusuchen. Der Beschwerdeführer sei tags darauf wiederum zur Arbeit im Betrieb erschienen.
Eine Feststellung, M. habe es unterlassen, den Beschwerdeführer im unmittelbaren persönlichen Verkehr mit "Sie" bzw. "Herr (Name des Beschwerdeführers)" anzusprechen, habe im Ermittlungsverfahren nicht gewonnen werden können.
Diese Feststellungen beruhten auf der widerspruchsfreien und in jeder Hinsicht glaubwürdigen Stellungnahme des JWB M. am einerseits und seiner ergänzenden niederschriftlichen Befragung vom andererseits. Der Beschwerdeführer habe nicht überzeugend vermocht darzulegen bzw. den Beweis hiefür erbringen können, von M. im Rahmen des in Beschwerde gezogenen Gespräches am mit "du" angesprochen worden zu sein. Hingegen seien die Angaben von M., er habe in Kenntnis der Beschwerdeneigung des Beschwerdeführers peinlichst darauf geachtet, diesen stets mit "Sie" und "Herr (Name des Beschwerdeführers)" anzusprechen, durchaus glaubwürdig gewesen.
Die Anzahl und Dauer der von gesundheitlichen Beeinträchtigungen abgeleiteten Betriebsabwesenheiten des Beschwerdeführers habe sich aus den unbedenklichen Aufzeichnungen der Krankenabteilung ergeben.
Nach Hinweis auf § 120 Abs. 1,§ 121 Abs. 1 und § 22 Abs. 1 StVG führte die Behörde erster Instanz weiter aus, eine Auseinandersetzung damit, ob der Begriff des "Tachinierers" dem Verhalten des Beschwerdeführers in objektiver Hinsicht gerecht werde (Hinweis auf die Definition in Wikipedia - "sich durch Überbetonen von Problemchen vor der Arbeit drücken zu wollen") sei im Beschwerdefall nicht von Nöten, und die in Beschwerde gezogene Äußerung "Ich brauche im Garten keine Tachinierer" nicht ausdrücklich und unmittelbar auf die Person des Beschwerdeführers abziele, sondern eine an einen unbestimmten Personenkreis gerichtete Erwartungshandlung umschreibe, welche gegebenenfalls einen Ausschließungsgrund für eine Arbeitseinteilung in der Ökonomie darstellen würde. In dieser vom Betriebsleiter gebrauchten Formulierung sei somit keine direkte Vorhaltung gegen den Beschwerdeführer zu erblicken, vielmehr umschreibe er mit dieser Äußerung seine Anforderung an die in seinem Betrieb zur Arbeit eingeteilten Insassen. Es obliege jedem einzelnen Adressaten dieser Anschauung (und somit auch dem Beschwerdeführer), sich vom Standpunkt des Betriebsleiters persönlich angesprochen betroffen zu fühlen oder eben nicht.
Selbst für den Fall, dass aus dieser Formulierung im Beschwerdefall eine indirekte Bezugnahme auf den Beschwerdeführer abgeleitet werden könnte, ließe eine derartige Deutung im Hinblick auf den Erklärungsgehalt der Äußerung einen Verstoß gegen § 22 Abs. 1 erster Satz StVG nicht erkennen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Beschwerde an die belangte Behörde, in welcher er ausführte, der bekämpfte Bescheid sei "an Rechtswidrigkeiten dermaßen behaftet", dass im Wesentlichen, auch um Wiederholungen zu vermeiden, auf die schriftliche Beschwerde vom und auf seine weiteren Stellungnahmen verwiesen werden könne. Weiters führte der Beschwerdeführer sinngemäß aus, bei der im Bescheid zu § 22 StVG vertretenen Auffassung werde übersehen, dass Strafgefangenen nicht bloß mit "Sie" und "Herr" anzureden seien. Vielmehr seien sie insbesondere mit Ruhe, Ernst und Festigkeit zu behandeln. Auch rügte er abermals, dass ihm die Niederschrift vom nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, weiters, dass im erstinstanzlichen Bescheid auf Internetseiten verwiesen werde (Wikipedia), die von ihm nicht überprüfbar seien, da er hiezu keinen Zugang habe. Er stelle daher schon jetzt die Anträge, es wolle seiner Beschwerde Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten gemäß § 22 Abs. 1 StVG festgestellt, oder eine mündliche öffentliche Anhörung abgehalten werden.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom verblieb der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf seinem Standpunkt und führte abschließend aus, da M. "anscheinend zu glauben vermag, dass er alles tun könne und dürfe, was er wolle, ohne je zur Rechenschaft gezogen werden zu können, wegen dem aufgezeigten anhaltenden Verhalten anderen Mitgefangenen gegenüber, somit ableitbaren 'Gefährlichkeit' bei der Behandlung von Gefangenen, und der Unbeirrbarkeit und Uneinsichtigkeit seines Tuns, war diese Beschwerde bei der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Graz aufrecht zu erhalten und auch einzubringen".
Abschließend wurde unter anderem begehrt, gemäß Art. 6 EMRK eine öffentliche Verhandlung/Anhörung anzuberaumen und durchzuführen, zu der auch M. vorzuladen sein werde.
Mit Erledigung der belangten Behörde vom wurde der Anstaltsleiter von der Beschwerde in Kenntnis gesetzt und um Stellungnahme sowie um Vorlage der bezughabenden Akten ersucht; vor der Vorlage wolle die Stellungnahme dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Gehörs zur allfälligen Gegenäußerung binnen drei Tagen übermittelt werden.
Der Anstaltsleiter legte mit Erledigung vom die (in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen) Akten des erstinstanzlichen Verfahrens vor; angeschlossen ist eine formularmäßige, mit datierte, auch vom Beschwerdeführer unterschriebene Bestätigung, wonach er mit seiner Unterschrift bestätige, dass ihm am "heutigen Tag" der Bericht zur Beschwerde "samt allen Beilagen im vollen Wortlaut" zur Wahrung des rechtlichen Gehörs vorgelegt worden sei, ihm ausreichend Zeit zur Kenntnisnahme eingeräumt werde und er ausdrücklich über die Möglichkeit belehrt werde, binnen drei Tagen ab der Kenntnisnahme eine schriftliche Gegenäußerung einzubringen.
Eine solche Gegenäußerung erfolgte nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Beschwerde keine Folge gegeben.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges heißt es zur Begründung, die Beschwerde sei nicht berechtigt. Was die Sachverhaltsannahmen des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides betreffe, so sei die Beweiswürdigung des Anstaltsleiters für die belangte Behörde nachvollziehbar. Es bestünden keine Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen, die primär mit der Stellungnahme von M. begründet seien. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, dass dessen Aussage, wonach er gerade im Hinblick auf die Beschwerdegeneigtheit des Beschwerdeführers diesen mit Sicherheit mit "Sie" und "Herr" angesprochen habe, nachvollziehbar sei, die übrige Äußerung stehe im Wesentlichen außer Streit. Gerade da der JWB M. zugebe, diese Äußerung getätigt zu haben, komme ihm hinsichtlich der Aussage wegen des "Sie" und "Herr" Glaubwürdigkeit zu.
Die bekämpfte Entscheidung sei auch rechtsrichtig. Ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 StVG könnte einerseits darin liegen, dass der Strafgefangene entgegen dieser Vorschrift nicht mit "Sie" bzw. mit "Herr" angesprochen werde; dies sei nach dem festgestellten Sachverhalt nicht der Fall gewesen.
Die zweite Möglichkeit der Verletzung dieser Bestimmung liege darin, dass durch den inkriminierten Ausspruch des JWB eine Verletzung des Strafgefangenen in seinem Ehrgefühl oder in seiner Menschenwürde eingetreten sei. Dies sei im Beschwerdefall durch die Verwendung des Wortes "Tachinierer" gerade noch nicht gegeben. Nach Duden, Die deutsche Rechtschreibung, sei unter diesem Begriff vereinfacht die österreichische umgangssprachliche Form für Faulenzer zu verstehen. Der Begriff enthalte jedenfalls die Neigung einer Person, sich der Arbeitsleistung zu entziehen. Die Äußerung des JWB, wonach er in seinem Betrieb keine Tachinierer brauchen würde, sei zwar indirekt gegen den Beschwerdeführer gerichtet, von ihrem Grad her jedoch so einzuschätzen, dass sie nicht geeignet sei, Ehrgefühl oder Menschenwürde zu beeinträchtigen.
Ganz abgesehen von der in der bekämpften Entscheidung relevierten Frage, ob damit eine direkte Vorhaltung gegen den Beschwerdeführer einhergehe, liege eine Verletzung des § 22 Abs. 1 StVG schon deshalb nicht vor, weil durch die Verwendung des Wortes Tachinierer gerade noch davon ausgegangen werden könne, dass die Äußerung in der Begegnung zwischen dem Strafvollzugsbediensteten und dem Beschwerdeführer in einer den allgemeinen Umgangsformen entsprechenden Art und Weise erfolgt sei.
Im Übrigen habe M. den Beschwerdeführer zum Arzt geschickt, um festzustellen, ob dessen Leiden seiner Arbeitspflicht entgegen stünden oder aber er durch das fälschliche Vorgehen sich unerlaubt seiner Arbeitspflicht zu entziehen versuche und deshalb als Tachinierer anzusehen wäre.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift unter anderem zur Frage der Beschwerdegeneigtheit des Beschwerdeführers darauf verwiesen, dass etwa 50 % der Beschwerden bei der belangten Behörde von diesem Beschwerdeführer erhoben worden seien. Er sei daher in der JA X allgemein für seine Beschwerdegeneigtheit bekannt, weshalb die belangte Behörde davon ausgegangen sei, dass ein besonders vorsichtiger Umgang mit ihm gepflogen werde, weil bei den kleinsten Anstößen sogleich eine Beschwerde eingebracht werde. Dies habe die Glaubwürdigkeit der Aussagen des JWB M. begründet.
Der Beschwerdeführer hat hierauf repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG), idF BGBl. I Nr. 109/2007 anzuwenden. Die im Beschwerdefall insbesondere maßgeblichen Bestimmungen lauten (zT. auszugsweise):
"§ 11g. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, haben die Vollzugskammern die Verwaltungsverfahrensgesetze sinngemäß anzuwenden, und zwar
1. im Beschwerdeverfahren außer dem Fall der Z 2 das AVG mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 12, 38, 40 bis 44g, 51, 55, 57, 63 bis 66 Abs. 1 und Abs. 3, 67a bis 67g, 73 Abs. 2 und 3 und 75 bis 80,
2. im Beschwerdeverfahren wegen eines
Ordnungsstraferkenntnisses (...)"
"Behandlung der Strafgefangenen
§ 22. (1) Die Strafgefangenen sind mit Ruhe, Ernst und Festigkeit, gerecht sowie unter Achtung ihres Ehrgefühls und der Menschenwürde zu behandeln. Sie sind mit 'Sie' und, wenn ein einzelner Strafgefangener mit seinem Familiennamen angesprochen wird, mit 'Herr' oder 'Frau' und mit diesem Namen anzureden.
(2) Den Strafgefangenen dürfen nur nach Maßgabe der Gesetze Beschränkungen auferlegt oder Vergünstigungen und Lockerungen des Strafvollzuges gewährt werden.
(3) Alle im Strafvollzug außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens ergehenden Anordnungen und Entscheidungen sind, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, ohne förmliches Verfahren und ohne Erlassung eines Bescheides zu treffen; soweit es nötig scheint, ist jedoch der wesentliche Inhalt der Anordnung oder Entscheidung im Personalakt des Strafgefangenen festzuhalten. In den Fällen der §§ 116 und 121 ist hingegen vom Anstaltsleiter oder dem damit besonders beauftragten Strafvollzugsbediensteten ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und ein Bescheid zu erlassen. Alle im Strafvollzug ergehenden Anordnungen und Entscheidungen einschließlich der Bescheide sind den Strafgefangenen mündlich bekannt zu geben. Das Recht, eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zu verlangen, steht den Strafgefangenen nur in den Fällen der §§ 17, 116 und 121 zu.
(4) Die Strafgefangenen sind erforderlichenfalls über den Inhalt und auch über den Sinn jeder in Ansehung ihrer Person getroffenen oder bevorstehenden Maßnahme zu belehren und bei der Erfüllung ihrer Pflichten anzuleiten."
"Beschwerden
§ 120. (1) Die Strafgefangenen können sich gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren. ..."
"Verfahren bei Beschwerden
§ 121. (1) Über Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen hat der Anstaltsleiter zu entscheiden. Richtet sich die Beschwerde gegen den Anstaltsleiter oder gegen eine von ihm getroffene Entscheidung oder Anordnung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so steht die Entscheidung der Vollzugskammer zu.
(2) Soweit eine an eine Vollzugskammer gerichtete Beschwerde die Wahrnehmung des Aufsichtsrechts über die von der Beschwerde betroffene Vollzugseinrichtung erfordert, hat die Vollzugskammer die Beschwerde an die nach den §§ 11 bis 14 zuständige Vollzugsbehörde weiterzuleiten.
(3) Soweit der Sachverhalt nicht genügend bekannt ist, sind vor der Erledigung Erhebungen anzustellen. Bei der Vorlage von Beschwerden hat der Anstaltsleiter einen kurzen Bericht anzuschließen, soweit sich der Sachverhalt nicht schon aus den etwa mitvorgelegten Akten ergibt. Die Vollzugskammer kann auch den Präsidenten des in Strafsachen tätigen Landesgerichts, in dessen Sprengel die betroffene Anstalt gelegen ist, um Erhebungen ersuchen. Der Präsident kann die Erledigung eines solchen Ersuchens an einen anderen Richter des Landesgerichts delegieren.
(3a) Vor der Entscheidung ist der Beschwerdeführer zu hören, es sei denn, dass eine solche Anhörung nach den Umständen des Falles nicht erforderlich erscheint, insbesondere weil der Sachverhalt bereits hinreichend geklärt scheint oder der Beschwerde insoweit zur Gänze stattgegeben wird.
(4) Ein Beschwerdeerkenntnis hat, wenn sich die Beschwerde nicht gegen die Person des Anstaltsleiter gerichtet hat, dieser, sonst sein Stellvertreter dem Strafgefangenen zu verkünden. Zugleich ist der Strafgefangene über die Möglichkeit einer weiteren Beschwerden zu belehren. Auf sein Verlangen ist dem Strafgefangenen auch eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zuzustellen.
(5) Entscheidungen der Vollzugskammern unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist einschließlich der Fälle des Art. 130 Abs. 1 lit. b des Bundes-Verfassungsgesetzes zulässig. Der Bundesminister für Justiz kann Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit erheben. Die Vollzugsdirektion kann eine solche Amtsbeschwerde beim Bundesministerium für Justiz anregen."
Zunächst ist darauf zu verweisen, dass Gegenstand des zu Grunde liegenden Administrativ-Beschwerdeverfahrens und somit auch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nur die in Frage stehende Äußerung des JWB M. vom war und ist und die Frage, ob der Beschwerdeführer dadurch in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wurde oder nicht, nicht aber, wie in der Argumentation des Beschwerdeführers immer wieder einfließt, Verhalten dieses Beamten gegenüber dem Beschwerdeführer oder anderen Strafgefangenen bei anderen Gelegenheiten ("mehrfach unmenschliche Behandlungen" u.a.).
Zutreffend ist, dass der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde beantragt hatte, diese den angefochtenen Bescheid aber ohne eine solche Verhandlung erlassen hat. Der Beschwerdeführer erblickt nun darin, dass die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StVG eine solche mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde nicht zwingend vorsehen, einen Verstoß gegen die Verfassungsbestimmung des Art. 6 EMRK, weshalb § 121 Abs. 3a StVG verfassungswidrig sei. Angeregt wird, der Verwaltungsgerichtshof wolle die Aufhebung dieser Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof beantragen.
Dem ist zu entgegnen, dass es sich hier jedenfalls nicht um eine "strafrechtliche Anklage" iS des Art. 6 Abs. 1 EMRK handelt, es geht - allenfalls - um ein "civil right". Die belangte Behörde ist eine Verwaltungsbehörde (wenngleich eine weisungsfreie Kollegialbehörde iS des Art. 20 Abs. 2 und Art. 133 Z. 4 B-VG) und es entspricht dem Wesen des österreichischen Verwaltungsverfahrens, dass in Angelegenheiten von "civil rights" im Sinne der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die zu Verwaltungsbehörden ressortieren, mündliche (mündliche öffentliche) Verhandlungen vor Verwaltungsbehörden nicht zwingend vorgesehen sind (vgl. zur angesprochenen Problematik die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom , VfSlg. 11.500). Bei entsprechend genauer Prüfung einer Angelegenheit ("point by point") erachtet der EGMR die Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof in den genannten "civil rights"- Angelegenheiten als ausreichend (vgl. dazu ua. das Urteil vom im Fall Zumtobel gegen Österreich). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich jedenfalls zur angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die postalische Anschrift der belangten Behörde sei auch jene des örtlich direkt an die Justizanstalt Z angeschlossenen Landesgerichtes für Strafsachen Graz (Präsidium). Allein dieser Umstand lasse eine Nahebeziehung bzw. eine gewisse Solidarität zwischen der belangten Behörde und der Justizanstalt Z bzw. deren Mitarbeitern vermuten, was die unrichtige einseitige Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid und die Ignorierung der vorliegenden Verfahrensmängel in der angefochtenen Entscheidung erkläre.
Dem ist zu erwidern, dass der Vorsitzende dieser Vollzugskammer (der Vorsitzende der belangten Behörde) auch der Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Graz ist, woraus sich die angeführte Postanschrift ergibt. Aus dieser räumlichen Nahebeziehung zu der dem Gericht angeschlossenen Justizanstalt ist aber eine Befangenheit (darauf wird wohl abgezielt) des Vorsitzenden oder auch der weiteren Mitglieder der belangten Behörde nicht abzuleiten und auch sonst nicht erkennbar. Sofern dieser Einwand darauf abzielen sollte, die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei deshalb auf Grund eines Verfahrens, das mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet sei, zu Stande gekommen, ist der Einwand unberechtigt.
Der Beschwerdeführer rügt abermals, dass ihm entgegen seinem Begehren die in der Niederschrift vom festgehaltene Aussage des JWB M. nicht vollständig zur Kenntnis gebracht worden sei. Dessen ungeachtet habe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gegen das Überraschungsverbot verstoßen, indem sie den Passus mit der behaupteten Beschwerdegeneigtheit des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt habe (wird näher dargestellt, auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Parteiengehörs).
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Richtig ist, dass die mit diesem Beamten am aufgenommene Niederschrift als solche dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht, sondern vielmehr nur auszugsweise mitgeteilt wurde, und der Beschwerdeführer fraglos die Bekanntgabe des vollständigen Inhaltes verlangt hatte, was aber im erstinstanzlichen Verfahren nicht erfolgte, somit einen Verfahrensmangel darstellte.
Allerdings wurde der Passus betreffend die Beschwerdegeneigtheit im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegeben, sodass der Beschwerdeführer Gelegenheit hatte, schon in seinem Rechtsmittel an die belangte Behörde hierauf einzugehen (was er allerdings unterlassen hat). Weiters wurde ihm nach dem Inhalt der Verwaltungsakten Gelegenheit geboten, zum Bericht des Anstaltsleiters vom (in dem es nur heißt, dass der Bescheid samt den verfahrensgegenständlichen Unterlagen in Kopie vorgelegt werde) und zu den Beilagen zu diesem Bericht Stellung zu nehmen. In diesen Beilagen befand sich auch die erwähnte Niederschrift. Damit hatte der Beschwerdeführer abermals Gelegenheit, hiezu Stellung zu nehmen, womit spätestens dadurch der aufgezeigte Verfahrensmangel saniert war.
Dass die belangte Behörde dieses Argument der Beschwerdegeneigtheit in ihre Beweiswürdigung einbezogen hat, begegnet daher aus dem Blickwinkel eines wesentlichen Verfahrensmangels keinen Bedenken.
Auf Grund der vorgenommenen Beweiswürdigung ist die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, dass die strittige Äußerung nicht so erfolgt sei, wie vom Beschwerdeführer behauptet, sondern so, wie von der Behörde erster Instanz festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof kann zwar nicht die Richtigkeit der Beweiswürdigung nachprüfen, wohl aber ihre Schlüssigkeit (siehe dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 548 ff, wiedergegebene Judikatur). Es kann nicht als unschlüssig erkannt werden, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu diesem Ergebnis gelangte.
Schließlich kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung die allgemein gehaltene Äußerung des M., er brauche keine "Tachinierer", trotz des Bezuges zum Beschwerdeführer als nicht die Grenzen des § 22 Abs. 1 StVG überschreitend ansah.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Eine Kostenentscheidung entfällt, weil Kostenersatz von der belangten Behörde nicht angesprochen wurde.
Wien, am
Fundstelle(n):
BAAAE-88446