VwGH vom 26.03.2015, 2011/11/0187

VwGH vom 26.03.2015, 2011/11/0187

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der Österreichischen Zahnärztekammer in Wien, vertreten durch Dr. Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7/III, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. GS4-AMB-81/008-2010, betreffend eine Bewilligung nach dem Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetz (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2009/11/0158, 0159, verwiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der Mitbeteiligten "die sanitätsbehördliche Betriebsbewilligung für den Umbau des bisherigen Notfallruheraumes in einen 3. Zahnbehandlungsraum im Zahnambulatorium Neunkirchen". Begründend führte sie aus, die Mitbeteiligte habe mit Schreiben vom "die sanitätsbehördliche Bewilligung für einen Umbau des Zahnambulatoriums und Einrichtung eines

3. Behandlungsstuhles" beantragt. Eine Erweiterung des Anstaltszwecks und des Anstaltsumfangs sei mit diesem Projekt nicht verbunden. Nach Wiedergabe des § 10 Abs. 1 des Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetzes (NÖ KAG) erschöpft sich die Begründung des angefochtenen Bescheides in der Feststellung, es lägen sämtliche Voraussetzungen zur Erteilung "der Errichtungs- und Betriebsbewilligung" vor.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG, BGBl. I Nr. 122/2013, sind auf das vorliegende, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden.

2. Die vorliegend (aufgrund des Art. II Z 1 der 28. Novelle des NÖ KAG, LGBl. 9440-30) noch maßgeblichen Bestimmungen des NÖ KAG idF der 27. Novelle, LGBl. 9440-29, lauten

"§ 5

(1) Liegt ein ordnungsgemäßer Antrag im Sinne des § 4 vor, ist zu erheben, ob ein Bedarf im Hinblick auf den angegebenen Anstaltszweck samt dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot sowie allfällige Schwerpunkte unter Beachtung der Höchstzahl an systemisierten Betten nach dem Landeskrankenanstaltenplan gegeben ist und gegen den Bewerber keine Bedenken bestehen.

...

(5) Die gesetzliche Interessensvertretung privater Krankenanstalten, die betroffenen Sozialversicherungsträger, soferne sie für das Einzugsgebiet der beantragten Krankenanstalt (§ 4 Abs. 1 lit.a) nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zuständig sind, bei selbständigen Ambulatorien die Ärztekammer für NÖ und bei Zahnambulatorien die Österreichische Zahnärztekammer haben hinsichtlich des nach § 8 Abs. 1 lit.a zu prüfenden Bedarfes Parteistellung im Sinne des § 8 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, und das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG.

...

(7) Ist der Bewerber um Bewilligung zur Errichtung eines Ambulatoriums ein Krankenversicherungsträger, sind die vorstehenden Absätze mit der Maßgabe anzuwenden, daß nur der Bedarf zu erheben ist. Dies gilt nicht, wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 5 erster Satz zutreffen.

...

§ 8

(1) Die Bewilligung zur Errichtung ist zu erteilen, wenn

a) nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Kassenvertragszahnärzte und Kassenvertragsdentisten, ein Bedarf gegeben ist;

...

(5) Beantragt ein Krankenversicherungsträger die Bewilligung zur Errichtung eines Ambulatoriums, so ist die Bewilligung zu erteilen, wenn ein Einvernehmen zwischen dem Krankenversicherungsträger und der zuständigen öffentlichrechtlichen Interessenvertretung der Ärzte bzw. Zahnärzte und Dentisten oder zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Österreichischen Ärztekammer bzw. der Österreichischen Zahnärztekammer vorliegt (§ 339 ASVG). Liegt kein Einvernehmen vor, ist die Bewilligung zur Errichtung zu erteilen, wenn der Bedarf im Sinne des § 5 Abs. 6 (gemeint: Abs. 7) festgestellt ist. Die Absätze 1 und 2 sind in einem solchen Falle nicht anzuwenden. ...

(6) Im behördlichen Verfahren wegen Genehmigung der Errichtung von Ambulatorien eines Krankenversicherungsträgers haben die Ärztekammer für NÖ bzw. bei Zahnambulatorien die Österreichische Zahnärztekammer Parteistellung im Sinne des § 8 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, und das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG, wenn

a) über das Vorhaben des Krankenversicherungsträgers kein Einvernehmen im Sinne des § 339 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in der Fassung BGBl. I Nr. 146/2008, zustande gekommen ist,

...

§ 10

(1) Die Bewilligung zum Betriebe einer Krankenanstalt ist zu erteilen, wenn

a) die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt erteilt wurde und die Anstalt dem Bewilligungsbescheid gemäß errichtet wurde,

b) die baupolizeiliche Benützungsbewilligung erteilt wurde, soferne zur Errichtung der Krankenanstalt ein Bauvorhaben durchzuführen war,

c) die allenfalls erforderlichen Betriebsbewilligungen für die technischen Einrichtungen erteilt wurden,

d) die für den unmittelbaren Betrieb der Krankenanstalt erforderlichen medizinischen Apparate und technischen Einrichtungen vorhanden sind und die Betriebsanlage sowie alle medizinischen Apparate und technischen Einrichtungen den sicherheitspolizeilichen und gesundheitspolizeilichen Vorschriften entsprechen sowie überdies die Vorgaben des Landeskrankenanstaltenplanes erfüllt sind,

e) gegen die für den inneren Betrieb der Krankenanstalt vorgesehene Anstaltsordnung (§ 16) keine Bedenken bestehen,

f) ein geeigneter Arzt als verantwortlicher Leiter des ärztlichen Dienstes (§ 17 Abs. 4) und für die Leitung der einzelnen Abteilungen und sonstigen Organisationseinheiten fachlich geeignete Personen als verantwortliche Ärzte namhaft gemacht worden sind (§ 17 Abs. 2) sowie glaubhaft gemacht wird, daß auch im übrigen die nach dem Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot erforderliche personelle Ausstattung gesichert sein wird,

g) überdies die Vorgaben des Österreichischen Strukturplanes Gesundheit und des Landeskrankenanstaltenplanes erfüllt sind,

h) sowie die vorgesehenen Strukturqualitätskriterien erfüllt sind.

...

§ 11

(1) Einer Bewilligung der Landesregierung bedürfen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
eine Verlegung der Betriebsstätte der Krankenanstalt,
b)
eine Veränderung der Art der Krankenanstalt (§ 2 Abs. 1 Z. 1 bis 7),
c)
eine Veränderung der Bestimmung einer Sonderkrankenanstalt (§ 2 Abs. 1 Z. 2) hinsichtlich Krankheit, Altersstufe oder Zweck,
d)
eine Veränderung des Aufgabenbereiches bzw. Zweckes eines selbständigen Ambulatoriums (§ 2 Abs. 1 Z. 7),
e)
eine Erweiterung der Krankenanstalt durch Zu- und Umbauten, die den räumlichen Umfang der Krankenanstalt erheblich verändern,
f)
das medizinische und pflegerische Leistungsangebot sowie die Schaffung neuer Abteilungen, Institute, Anstaltsambulatorien sowie von Fachschwerpunkten und Departments bzw. den Anstaltszweck erheblich beeinflussender Einrichtungen, auch wenn damit keine räumliche Erweiterung der Krankenanstalt verbunden ist,
g)
die Errichtung und Veränderung von medizinischtechnischen Großgeräten laut Österreichischem Strukturplan Gesundheit, ausgenommen Computertomographie-Geräte.
Im Verfahren über die Bewilligung sind die Vorschriften der §§ 4 bis 10 sinngemäß anzuwenden. ..."
3.
Strittig ist im vorliegenden Fall zunächst, ob mit dem angefochtenen Bescheid lediglich eine Betriebsbewilligung oder gleichzeitig eine Errichtungs- und eine Betriebsbewilligung für einen dritten Zahnbehandlungsstuhl erteilt wurde. Weiters ist strittig, ob die Bewilligung der Einrichtung eines dritten Zahnbehandlungsstuhles eine Bedarfsprüfung erfordert hätte.

3.1. Angesichts des Widerspruchs zwischen Spruch und Begründung (Erteilung bloß einer Betriebsbewilligung oder einer "Errichtungs- und Betriebsbewilligung"), welcher schon für sich genommen eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bewirkt (vgl. dazu aus vielen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0231, mwN), kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit diesem auch eine Errichtungsbewilligung erteilt wurde. Unter der Voraussetzung, dass die Bewilligung eines dritten Zahnbehandlungsstuhles eine Bedarfsprüfung erfordert hätte und dass kein Einvernehmen im Sinne des § 339 ASVG vorgelegen wäre, käme der Österreichischen Zahnärztekammer die Beschwerdelegitimation zu.

3.2. Eine Bedarfsprüfung wäre entgegen der Ansicht der belangten Behörde erforderlich gewesen. Zwar handelt es sich bei der Einrichtung eines dritten Behandlungsstuhles - wie die Behörde richtig angenommen hat - nicht um eine Erweiterung des Anstaltszwecks und des Anstaltsumfangs, jedoch liegt bei der Erweiterung des Leistungsumfanges um 50 % (drei statt zwei Behandlungsstühle) jedenfalls eine erhebliche Veränderung des Leistungsangebots des Ambulatoriums im Sinne des § 11 Abs. 1 lit. f NÖ KAG vor (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/11/0210, und vom , Zl. 2010/11/0220).

Dass im vorliegenden Fall für die Einrichtung des dritten Behandlungsstuhles ein Einvernehmen im Sinne des § 339 ASVG hergestellt worden wäre, wird in der Beschwerde in Abrede gestellt und ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Bescheid. Ausgehend davon hätte somit aufgrund des in § 11 Abs. 1 zweiter Satz NÖ KAG enthaltenen uneingeschränkten Verweises auf die §§ 4 bis 10 leg. cit. eine Bedarfsprüfung nach § 5 Abs. 7 iVm § 8 Abs. 5 zweiter Satz NÖ KAG stattzufinden gehabt.

3.3. Aus demselben Grund kam der Beschwerdeführerin die auf die Bedarfsfrage beschränkte Parteistellung und insofern auch das Beschwerderecht zu. Diesbezüglich wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das dieselben Verfahrensparteien und dasselbe Ambulatorium betreffende hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2009/11/0158, 0159 (insb. Punkt 3.2. der Entscheidungsgründe), verwiesen.

4. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit - wie die zulässige Beschwerde aufzeigt - nicht nur wegen des Widerspruchs zwischen Spruch und Begründung sondern auch wegen Unterlassens der gebotenen Bedarfsprüfung als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG auf § 47 Abs. 4 VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013.

Wien, am