VwGH vom 18.11.2010, 2007/01/0578
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des Ö O in F, vertreten durch Winkler-Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft, in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. Ia 370-272/2006, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, lebt seit seiner Geburt im Jahre 1974 ununterbrochen in Österreich; er hat im Bundesgebiet die Pflichtschule absolviert und ist seit 1989 bei der M.-GmbH in F beschäftigt. Am beantragte er bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass nach Durchführung von Erhebungen feststehe, dass er mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagsätzen a ATS 500,-- verurteilt und die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Der Strafe sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung eine andere Person durch Versetzen von mehreren Schlägen am Körper verletzt habe. Mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom sei der Beschwerdeführer wegen der "dreifach" Verbrechen nach § 28 Abs. 2 SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG in unbestimmter Anzahl zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen a EUR 12,-- verurteilt worden. Dem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer von Anfang 2003 bis Mai 2003 Suchtgift in einer großen Menge, nämlich insgesamt 650 Gramm Marihuana, beinhaltend minimal 60 Gramm reines THC, in Verkehr gesetzt sowie im Zeitraum von Frühjahr 2001 bis Mai 2003 Suchtgift erworben, besessen und unerhobene Mengen Marihuana konsumiert habe.
Weiters sei der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch wegen folgender Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden:
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- | mit "Straferkenntnis vom " (richtig: Strafverfügung vom ) wegen einer Verletzung von § 82 Abs. 1 SPG zu einer Geldstrafe von EUR 73,--, da sich der Beschwerdeführer trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, welches in Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben tätig gewesen sei, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung (die nicht gegen ihn, sondern gegen seinen Bruder und einen Kollegen gerichtet gewesen sei) behindert habe. |
- | mit Straferkenntnis vom wegen einer Verletzung von §§ 52 lit. a Z. 10a und 99 Abs. 3 lit. a StVO zu einer Geldstrafe von EUR 174,--, da der Beschwerdeführer am die in einem Autobahnbereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit um 39 km/h überschritten habe. |
Es sei beabsichtigt, den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "abzulehnen". | |
Dazu führte der Beschwerdeführer mit schriftlicher Äußerung vom 23. | Februar 2007 zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass die Verurteilung gemäß § 83 Abs. 1 StGB acht Jahre zurückliege und auf Grund der Geringfügigkeit des Deliktes lediglich eine Geldstrafe von 60 Tagsätzen verhängt, sowie die Strafe bedingt, sodann mit Beschluss des LG Feldkirch vom endgültig nachgesehen worden sei. In Bezug auf das Delikt nach § 28 SMG habe nach Ansicht des Strafgerichtes eine Geldstrafe ausgereicht, um den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Der Umwandlung in eine Geldstrafe liege die Prognose zu Grunde, dass sich der Beschwerdeführer in Zukunft wohlverhalten werde. Das Inverkehrsetzen von Marihuana sei im Zusammenhang mit seiner eigenen Gewöhnung an "Substanzkonsum" gestanden. Die gerichtliche Verurteilung habe der Beschwerdeführer zum Anlass genommen, sich von Februar 2004 bis Oktober 2005 freiwillig einem psychotherapeutischen Prozess zu unterziehen. In diesem Zeitraum habe er sich sehr positiv entwickelt und distanziere sich deutlich von Drogen. Laut Abschlussbericht sei die gesundheitsbezogene Maßnahme erfolgreich gewesen. Darüber hinaus habe er in der Beratungsstelle C. von November 2005 bis März 2006 an einer Gruppenarbeit für Betroffene und Angehörige ("Meine Familie, die Sucht und ich") teilgenommen und somit erheblich über die vom gerichtlichen Sachverständigen geforderte Dauer am Problem gearbeitet. Eine Gefährdung der in § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG genannten öffentlichen Interessen sei auf Grund seines hohen persönlichen Engagements im positiv abgeschlossenen Therapieprozess und seines ca. vierjährigen Wohlverhaltens nicht anzunehmen. |
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß §§ | 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 37/2006" ab. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe in einem Zeitraum von mehr als zwei Jahren (Frühjahr 2001 bis Mai 2003) verbotene Suchtmittel erworben, konsumiert, eingeführt und besessen. Dieser lange Zeitraum sei für die Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers von besonderer Bedeutung, wobei als besonders gravierend festzuhalten sei, dass er ab Frühjahr 2003 Suchtmittel nicht nur mehr selbst konsumiert, sondern erhebliche Mengen an andere Personen verkauft habe. Gerade die große Menge Marihuana (650 Gramm), mit der er gehandelt habe, lasse auf ein erhebliches Unrechtsbewusstsein schließen und sei für das zukünftige Wohlverhalten von Bedeutung. Dabei trete ein erhebliches Potenzial an krimineller Energie zu Tage, auch wenn diese Taten mehrere Jahre zurücklägen. Die beim Konsum und der Weitergabe von Suchtmitteln über einen längeren Zeitraum drohende Wiederholungsgefahr sei offensichtlich. Die belangte Behörde sehe sich nach einer Zeitspanne von knapp vier Jahren seit Beendigung der letzten Tathandlung außer Stande, zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bereits von einem zukünftigen Wohlverhalten des Beschwerdeführers auszugehen. Dem Beschwerdeführer sei zwar einzuräumen, dass er sich einer ambulanten psychosozialen Beratung unterzogen habe. Dennoch könne die Behörde, auch wenn der Verleihungswerber sich seit der letzten Tat wohlverhalten habe, noch keine positive Zukunftsprognose erstatten. Das Körperverletzungsdelikt aus dem Jahre 1999 und das aufgezeigte Verhalten gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, welche bereits acht bzw. fünf Jahre zurücklägen, rundeten das gewonnene Persönlichkeitsbild ab. Die Strafverfügung (wegen einer Geschwindigkeitsübertretung) werde nicht gewertet, sondern "nur der Form halber" angeführt. |
Es könne daher zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und die anderen in Art. | 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen darzustellen, weshalb er die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht erfülle. Bei der Entscheidung sei gemäß § 11 StbG das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration berücksichtigt worden. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich aufgewachsen sei, die Schul- und Berufsausbildung in Österreich absolviert habe und seit Dezember 1989 bei derselben Firma in einem Beschäftigungsverhältnis stehe, vermöge im Hinblick auf die dargestellten Delikte zu keinem anderen Ergebnis zu führen. |
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde (sowie einer dazu erstatteten Äußerung des Beschwerdeführers) erwogen hat: | |
1. | Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) in der gegenständlich maßgebenden Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet. |
2. | Bei der Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegen den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/01/0032, vom , Zl. 2006/01/0738, vom , Zl. 2007/01/0546, sowie vom , Zl. 2008/01/0331, jeweils mwN). |
3. | Die belangte Behörde stützt die Abweisung des Verleihungsantrages zunächst tragend auf die erwähnten Verurteilungen des Beschwerdeführers nach dem Suchtmittelgesetz. Dazu bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, sich konkret mit dem erfolgreichen Bemühen des Beschwerdeführers, seine Suchtproblematik zu bewältigen, auseinander zu setzen, obwohl dies in der Äußerung vom ausführlich dargelegt worden sei. Dass die Verurteilung bereits vier Jahre zurückliege stelle im Hinblick auf die erfolgreich abgeschlossene Therapie einen ausreichend langen Zeitraum dar, um auch ein zukünftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers anzunehmen. Außerdem sei das Strafgericht davon ausgegangen, dass gemäß § 37 StGB die Verhängung einer bloßen Geldstrafe genüge, um den Beschwerdeführer von der weiteren Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten; die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, was die Gewährung dieser Geldstrafe für die Zukunftsprognose bedeute. |
4. | Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: |
4.1. Bei Suchtgiftkriminalität handelt es sich regelmäßig um ein die in § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG genannten öffentlichen Interessen besonders gefährdendes Fehlverhalten (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0230, mwN), wobei jedoch ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht schlichtweg stets der Schluss gezogen werden kann, die Begehung eines Suchtgiftdeliktes schließe die hier in Rede stehende Verleihungsvoraussetzung aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/01/0218, mwN).
4.2. Im vorliegenden Fall lag der strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zu Grunde, dass er nicht nur Suchtgift konsumiert sondern über Monate hindurch auch eine große Menge, nämlich insgesamt 650 Gramm Marihuana, beinhaltend minimal 60 Gramm reines THC, in Verkehr gesetzt hat. Insbesondere im Hinblick auf die erhebliche Menge des gehandelten Suchtgiftes kann der belangten Behörde daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie - trotz Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 StGB durch das Strafgericht sowie unbeschadet der abgeschlossenen Psychotherapie des Beschwerdeführers - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides den Zeitraum des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers seit der strafgerichtlichen Verurteilung als (noch) zu kurz beurteilte, zumal gegenständlich noch hinzukommt, dass der Beschwerdeführer davor auch andere strafbare Handlungen gesetzt hat.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am