VwGH vom 23.11.2010, 2009/06/0084

VwGH vom 23.11.2010, 2009/06/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des R K, vertreten durch Mag. Robert Steinacher, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Göglstraße 11 b, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien vom , Zlen. 2 Vk 112/08, 2 Vk 113/08, 2 Vk 114/08, 2 Vk 115/08, 2 Vk 116/08, 2 Vk 117/08, betreffend Nichtübernahme in den Entlassungsvollzug bzw. einen gelockerten Vollzug gemäß StVG (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verbüßte bei Einbringung der Beschwerde wegen mehrerer rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilungen in der Justizanstalt X eine Freiheitsstrafe im Gesamtausmaß von 11 Jahren und 8 Monaten. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den .

Das Landesgericht für Strafsachen Y lehnte mit Beschluss vom eine vorzeitige Entlassung des Beschwerdeführers gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 2 StGB ab. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass er außer den derzeit in Vollzug befindlichen vier Verurteilungen weitere 11 Vorverurteilungen aufweise. Er sei während offener Probezeiten mehrfach delinquent geworden, was zum Widerruf einer bedingten Strafnachsicht sowie zweier bedingter Entlassungen geführt habe, und sei 2002 von einem Ausgang in die Justizanstalt Q nicht zurückgekehrt, weshalb anzunehmen sei, dass er trotz guter Arbeitsleistung und Führung in der Justizanstalt Z durch die bedingte Entlassung nach Verbüßung von 2 Dritteln der Freiheitsstrafe (am ) weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten werde.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid u. a. die Beschwerde gegen die Entscheidung des Anstaltsleiters der Justizanstalt X vom (betreffend die diesbezüglichen Anträge des Beschwerdeführers vom und ) gemäß §§ 126 und 144 f StVG ab, mit der die vom Beschwerdeführer beantragte Übernahme in den Entlassungsvollzug bzw. gelockerten Vollzug abgelehnt worden war. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass für den Beginn des Entlassungsvollzuges gemäß § 145 Abs. 1 StVG das Datum der voraussichtlichen Entlassung maßgebend sei. Das urteilsmäßige Strafende für den Beschwerdeführer falle auf den , die Dauer des Entlassungsvollzuges sei im vorliegenden Fall zwölf Monate. In der Sache habe das Landesgericht für Strafsachen Y als damals zuständiges Vollzugsgericht mit Entscheidung vom die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers gemäß § 46 StGB abgelehnt. Angesichts dieser Entscheidung sei im Sinne des § 145 Abs. 1 StVG voraussichtlich nicht mit einer bedingten Entlassung des Beschwerdeführers zu einem Datum zu rechnen, das derzeit die Übernahme in den vorzeitigen Entlassungsvollzug rechtfertigen würde. Der Beschwerde sei daher insoweit nicht Folge zu geben gewesen.

Soweit der Beschwerdeführer rüge, seitens der Anstaltsleitung sei seinem Ansuchen vom betreffend die Übernahme in die "Langstrafigen-Rehabilitations-Vorbereitung" zwecks Vorbereitung auf "allfällige bedingte Entlassung" nicht entsprochen worden, werde - soweit damit das Thema Entlassungsvollzug angesprochen werde - auf das bereits Ausgeführte verwiesen.

Die kontinuierliche Vorbereitung auf die Entlassung zum Zwecke der Erleichterung der Resozialisierung nach der Haft ("Langstrafigen-Rehabilitations-Vorbereitung") sei grundsätzlich verbunden mit der Anhaltung im gelockerten Vollzug (§ 126 StVG) in einer Außenstelle der Justizanstalt X. Die Anstaltsleitung habe am im Rahmen einer Fachteamsitzung entschieden, den Beschwerdeführer nicht in eine Außenstelle zu überstellen und somit auch nicht im gelockerten Vollzug anzuhalten. Die durch den Leiter der Justizanstalt geäußerte Befürchtung eines Missbrauches von Vollzugslockerungen im vorliegenden Fall im Sinne des § 126 Abs. 1 StVG werde mit Hinweis auf die Vielzahl an Vorstrafen, die Nicht-Rückkehr von einem Ausgang mit anschließender Flucht ( bis ) und mangelnder Therapiecompliance des Beschwerdeführers sachlich nachvollziehbar begründet und die Entscheidung vom indiziere, dass keine Verletzung eines subjektiven Rechtes gegeben sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Strafvollzugsgesetz (StVG), BGBl. Nr. 144/1969, in der Fassung BGBl. I Nr. 109/2007 zur Anwendung.

Gemäß § 126 Abs. 1 StVG sind Strafgefangene, an denen zeitliche Freiheitsstrafen vollzogen werden, im Strafvollzug in gelockerter Form anzuhalten, soweit Einrichtungen für einen solchen Vollzug bestehen, diese Einrichtungen dadurch am besten genützt werden und zu erwarten ist, dass die Strafgefangenen die Lockerungen nicht missbrauchen werden.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind im Strafvollzug in gelockerter Form den Strafgefangenen eine oder mehrere der folgenden Lockerungen zu gewähren:

"1. Anhaltung ohne Verschließung der Aufenthaltsräume

oder auch der Tore am Tage;

2. Beschränkung oder Entfall der Bewachung bei der Arbeit, auch außerhalb der Anstalt;

3. Verlassen der Anstalt zum Zweck der Berufsausbildung und - fortbildung oder der Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsmaßnahmen;

4. ein oder zwei Ausgänge im Sinne des § 99a im Monat auch zu anderen als den dort genannten Zwecken."

Gemäß § 144 Abs. 1 StVG sind die Strafgefangenen vor der Entlassung zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit in vermehrtem Ausmaß erzieherisch (§ 56) und fürsorgerisch zu betreuen.

Soweit dies nach den Einrichtungen der Anstalt möglich ist, ist gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung Strafgefangenen, von denen zu erwarten ist, dass sie die Lockerungen nicht missbrauchen werden, im Entlassungsvollzug eine oder mehrere der im § 126 erwähnten Lockerungen zu gewähren.

Gemäß § 145 Abs. 1 StVG beginnt der Entlassungsvollzug je nach dem Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe drei bis zwölf Monate vor der voraussichtlichen Entlassung.

Der Beschwerdeführer macht in Bezug auf den nichtgewährten Entlassungsvollzug geltend, aus der Entscheidung des Gerichtes vom ergebe sich, dass eine Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft in diesem Zeitpunkt nicht angezeigt gewesen sei. Bei Einbringung eines neuerlichen Antrages durch den Angehaltenen (hier: Antrag vom ) liege eine neue Situation vor, die erneut geprüft und - vor allem auch auf Grund einer Reduktion der verbleibenden Reststrafe - neu bewertet werden müsste.

Dazu ist auszuführen, dass es nicht als rechtswidrig erkannt werden kann, wenn die belangte Behörde die Übernahme in den Entlassungsvollzug bei ihrer Entscheidung vom im Hinblick darauf abgelehnt hat, dass das zuständige Gericht mit Entscheidung vom eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers gemäß § 46 StGB abgelehnt habe. Nach der Ablehnung der beantragten bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 2 StGB im Juni 2008 konnte die belangte Behörde von der voraussichtlichen Entlassung des Beschwerdeführers im Sinne des § 145 Abs. 1 StVG zum urteilsmäßigen Strafende am ausgehen. Der Beginn des Zeitraumes des für den Beschwerdeführer maßgeblichen Entlassungsvollzuges im Ausmaß von 12 Monaten konnte daher mit dem angenommen werden. Die belangte Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen und aussprechen, dass im Zeitpunkt ihrer Entscheidung () die Voraussetzungen für die Übernahme in den vorzeitigen Entlassungsvollzug gemäß § 145 Abs. 1 StVG, der sich am Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung zu orientieren hat, nicht gegeben waren.

Weiters macht der Beschwerdeführer zu den Gründen der Abweisung seines Antrages auf Übernahme in die "Langstrafigen-Rehabilitations-Vorbereitung" geltend, dass die Gründe für seine Flucht im Jahre 2002 berücksichtigt hätten werden müssen. Es sei in diesem Zeitpunkt ein Strafverfahren gegen den Leiter der Justizanstalt Q, in der er sich damals befunden habe, vor dem Landesgericht K anhängig gewesen. Da er aus nachvollziehbaren Gründen bei seiner Rückkehr in die Justizanstalt Repressalien erwartet habe, sei er aus Furcht nicht in die Anstalt zurückgekehrt. Weiters liege diese Flucht bereits sieben Jahre zurück. Seither habe der Beschwerdeführer keinen einzigen Fluchtversuch unternommen oder sonstige Handlungen gesetzt, die auf ein solches Vorhaben schließen ließen. Es müsse weiters berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer nur noch eine Reststrafe von knapp drei Jahren zu verbüßen habe.

Auch die vorgeworfene mangelnde Therapiecompliance des Beschwerdeführers sei nicht gerechtfertigt. Tatsache sei, dass bei ihm Therapie-Bedarf bestehe. Richtig sei, dass ihm - da zur Zeit kein Platz für eine Einzeltherapie bestehe - die Teilnahme an Gruppensitzungen angeboten worden sei, die er abgelehnt habe. Daraus könne aber keine mangelnde Therapiemotivation oder - compliance abgeleitet werden. Wie er dies den psychotherapeutischen Mitarbeitern der Justizanstalt auch erklärt habe, habe er aus persönlichen Gründen seine Probleme nicht vor Mitinsassen darlegen wollen. Diese persönliche und nachvollziehbare Entscheidung könne objektiv nicht als mangelnde Therapiebereitschaft gedeutet werden. Dies umso mehr, wenn man berücksichtige, dass der Beschwerdeführer bereits im Zuge seiner Inhaftierung in der Justizanstalt Q eine Therapie begonnen habe. Er habe bereits 19 Einzelsitzungen absolviert und sei sein Verhalten stets bemüht und kooperativ gewesen. Von einer generellen mangelnden Therapiebereitschaft könne folglich nicht gesprochen werden.

Da die Justizanstalt X über Einrichtungen für einen gelockerten Vollzug verfüge, diese Einrichtungen auch dadurch am besten genützt würden und nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer die Lockerungen missbrauchen werde, wäre er jedenfalls in den gelockerten Vollzug zu überstellen gewesen.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 126 Abs. 1 StVG ist für die Gewährung von Vollzugslockerungen neben den organisatorischen Möglichkeiten eines solchen Vollzuges insbesondere entscheidend, ob zu erwarten ist, dass der Strafgefangene die Lockerungen nicht missbrauchen wird. Die Motive des Beschwerdeführers dafür, dass er im Jahre 2002 von einem gewährten Ausgang nicht mehr in die Justizanstalt zurückgekehrt ist, spielen in Vollziehung des § 126 Abs. 1 StVG keine Rolle. Die im Zusammenhang mit einem gewährten Ausgang erfolgte Flucht aus der Justizanstalt im Jahre 2002 lag im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde zwar bereits sechs Jahre zurück, dies stellt aber nicht einen so langen Zeitraum dar, dass darauf bei der Frage, ob eine Vollzugslockerung vom Strafgefangenen missbraucht werden könnte, nicht mehr abgestellt werden könnte.

Die belangte Behörde hat sich auch zu Recht auf mangelnde Therapiecompliance des Beschwerdeführers berufen, der in seiner Beschwerde selbst ausführt, dass die von ihm beantragte Einzeltherapie mangels zur Verfügung stehender diesbezüglicher Fachkräfte nicht gewährt werden konnte und ihm Gruppensitzungen angeboten wurden, die er unbestritten mehrfach ablehnte. Wenn er die ihm angebotene Gruppentherapie aus persönlichen Gründen ablehnte, muss er dieses Verhalten gegen sich gelten lassen. In der im Akt einliegenden Stellungnahme des psychologischen Dienstes der Justizanstalt X vom wird nach Darstellung von fünf Ansuchen des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Therapie in der Zeit vom bis , zu denen dem Beschwerdeführer jeweils Gruppenbetreuung angeboten wurde und er im Hinblick auf eine Einzelbetreuung auf eine Warteliste gesetzt wurde, zusammengefasst festgestellt, dass der Beschwerdeführer keine Therapiemotivation zeige und nicht compliant sei. Er sei explizit darauf hingewiesen worden, dass bei ihm keine Therapiemotivation zu erkennen sei und er sich Gedanken über die Grundeinstellung zu sich selber und bezüglich eines therapeutischen Prozesses machen solle.

Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie - wie der Anstaltsleiter - bei der Frage des allfälligen Missbrauches von Vollzugslockerungen auch auf die anzunehmende mangelnde Therapiebereitschaft des Beschwerdeführers abgestellt hat.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, es hätte ihm zu der Stellungnahme des Leiters der Justizanstalt X zu seiner Beschwerde bei der belangten Behörde Parteiengehör gewährt werden müssen. Diesbezüglich tut der Beschwerdeführer - wie es erforderlich wäre - die Wesentlichkeit dieses allfälligen Verfahrensmangels nicht dar.

Weiters macht der Beschwerdeführer mangelnde Begründung des angefochtenen Bescheides geltend. Es sei nicht ersichtlich, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen die belangte Behörde bei der getroffenen Entscheidung ausgegangen sei. Die belangte Behörde habe zwar für den anzunehmenden Missbrauch von Vollzugslockerungen auf die Vielzahl an Vorstrafen, die Nicht-Rückkehr von einem Ausgang mit anschließender Flucht und auf die mangelnde Therapiecompliance des Beschwerdeführers hingewiesen, doch werde mit keinem Wort dargetan, worauf sich eine derzeitige Fluchtgefahr stütze. Auch die mangelnde Therapiecompliance werde nicht näher ausgeführt.

Dazu kann auf das Vorangegangene verwiesen werden, nach dem sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung neben den zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers (insbesondere wegen Delikten gegen fremdes Eigentum) zu Recht auch auf die im Jahre 2002 begangene Flucht aus der Justizanstalt und eine mangelnde Therapie-Compliance gestützt hat. Die Wesentlichkeit dieses allfälligen Verfahrensmangels wurde daher jedenfalls nicht dargetan.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am