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VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0111

VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0111

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/119341/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste am illegal in das Bundesgebiet ein und stellte kurz darauf einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs nach Zurückziehung der Berufung im September 2006 in Rechtskraft. Bereits zuvor hatte der Beschwerdeführer am die österreichische Staatsbürgerin Laila D. geheiratet und - darauf gestützt - am einen Antrag auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta.-Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt. Dem Beschwerdeführer wurde in der Folge ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt und bis zum verlängert. Über einen weiteren Verlängerungsantrag vom Juli 2008 wurde - nach der Aktenlage - bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht entschieden.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Beweiswürdigung stützte sich die belangte Behörde insbesondere auf die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers bei ihrer Vernehmung am , in der diese - in klarer und schlüssiger Weise - dargelegt habe, dass es sich bei ihrer Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine Scheinehe handle, die vermittelt worden sei, wobei sie die näheren Umstände des Zustandekommens bzw. die Gründe dafür entsprechend dargelegt habe. Demgegenüber erachtete die belangte Behörde die weiteren Aussagen von Laila D. bei ihren Vernehmungen am und am sowie den Inhalt der "eidesstattlichen Erklärung" vom , wonach ihre Aussage vom unrichtig gewesen sei und sie wieder mit dem Beschwerdeführer zusammenlebe, als nicht glaubwürdig, zumal sie widersprüchliche Angaben u.a. dazu gemacht habe, wie es zur Aussage vom August 2008 gekommen sei (einmal habe sie behauptet, unter Druck gesetzt worden zu sein, ein anderes Mal habe sie dies bestritten). Es sei auch unglaubwürdig, wenn Laila D. angebe, ihre Aussage vom August 2008 nicht durchgelesen zu haben, obwohl diese auf jeder Seite von ihr unterschrieben worden sei. Schließlich spreche - so die belangte Behörde weiter - auch die Aussage ihrer Mutter für die Richtigkeit ihrer ersten Aussage. Diese habe nämlich bei ihrer Vernehmung am angegeben, erst im Juli 2009 von der (neuerlichen) Ehe ihrer Tochter erfahren zu haben, obwohl sie mit ihrer Tochter regelmäßigen Kontakt habe und diese zweimal pro Monat treffe. Auch die Aussagen der beiden vernommenen Zeugen hätten zur Klärung des Sachverhaltes wenig beitragen können, weil sie den Bestand eines Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und Laila D. nicht hätten bestätigen können. Aus dem Umstand, dass der Zeuge T. den Beschwerdeführer in einem Zeitraum von viereinhalb Jahren vier- bis sechsmal von der "ehelichen Adresse" abgeholt und dabei auch Laila D. gesehen habe, könne nicht auf ein bestehendes Familienleben iSd Art. 8 EMRK geschlossen werden. Die Verantwortung des Beschwerdeführers in diversen Stellungnahmen sei wenig bedeutsam, weil er ein äußerst starkes Interesse an einer für ihn günstigen Schilderung des Sachverhaltes habe.

Die belangte Behörde sah es somit als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit Laila D. geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen habe, obwohl ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt worden sei. Dieses Verhalten stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung und an der Einhaltung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften berühre.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf den siebeneinhalbjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, auf seine beruflichen Bindungen sowie auf den Umstand, dass sein Bruder in Wien (allerdings nicht mit ihm im gemeinsamen Haushalt) lebe. Den (beruflichen) Bindungen sei aber insoweit nur geringe Bedeutung zuzumessen, als sie nur als Folge der geschlossenen Scheinehe entstehen konnten. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet stehe die erhebliche Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Scheinehe gegenüber. Das Aufenthaltsverbot sei daher zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Es seien auch keine Gründe ersichtlich bzw. vorgebracht worden, die eine für den Beschwerdeführer günstige Ermessensentscheidung zugelassen hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - dabei um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.

Der Beschwerdeführer ist angesichts der (nach wie vor) aufrechten Ehe mit Laila D. Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für ihn gelten somit gemäß § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 Abs. 1 FPG. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist demnach nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG -

eine so genannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0626, mwN).

Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer Scheinehe und wendet sich insbesondere gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Er vermag mit seinem Vorbringen allerdings keine Unschlüssigkeit oder Mangelhaftigkeit aufzuzeigen:

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, nicht thematisiert zu haben, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers unterschiedliche Angaben gemacht habe, wodurch sie an Glaubwürdigkeit verliere. Weiters hätte die belangte Behörde auch die Aussagen des Beschwerdeführers berücksichtigen müssen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde die unterschiedlichen Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers dargestellt und im Rahmen ihrer Beweiswürdigung nachvollziehbar dargelegt hat, wieso sie der ersten - das Vorliegen einer Scheinehe bestätigenden - Aussage von Laila D. mehr Glauben schenkte als den weiteren Angaben (die, wie die belangte Behörde ebenfalls darstellte, in sich widersprüchlich waren). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Ergebnis der Vernehmung der Mutter von Laila D. ebenfalls als Indiz für das Vorliegen einer Scheinehe ansah, weil diese trotz des Bestehens eines regelmäßigen Kontakts mit ihrer Tochter über Jahre hinweg nichts von der Ehe ihrer Tochter mit dem Beschwerdeführer gewusst hat. Entgegen der Beschwerdeauffassung musste die belangte Behörde aus der Aussage des Zeugen T., der den Beschwerdeführer einige Male von zu Hause abgeholt und dabei auch die Gattin des Beschwerdeführers gesehen hat, nicht auf das Bestehen eines tatsächlichen Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schließen. Soweit der Beschwerdeführer die erste Aussage seiner Ehefrau vom August 2008 damit zu begründen versucht, dass "zu Beginn der Ehe eine gewisse Disharmonie zwischen beiden Ehegatten bestand", ist anzumerken, dass zwischen der Eheschließung und der ersten Vernehmung der Ehegattin des Beschwerdeführers mehr als drei Jahre lagen. Es ist schließlich auch nicht als unschlüssig anzusehen, dass die belangte Behörde vor dem Hintergrund der Aussage von Laila D. vom August 2008 die - das Vorliegen einer Scheinehe bestreitende - Verantwortung des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig ansah. Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde zwar wiederholt, nach wie vor mit seiner Ehefrau zusammenzuleben, bringt aber - wie auch im Verwaltungsverfahren - keine konkreten Umstände oder Lebenssachverhalte vor, die für das Führen eines gemeinsamen Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sprechen würden.

Wenn der Beschwerdeführer darauf verweist, dass weder ein Ehenichtigkeitsverfahren eingeleitet noch die Ehe mit Gerichtsurteil für nichtig erklärt worden sei, ist dem zu entgegnen, dass die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zwecks Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile geschlossen worden, die Nichtigerklärung der Ehe gemäß § 23 des Ehegesetzes nicht voraussetzt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0544, mwN).

Die Beschwerde macht weiters die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und rügt, die belangte Behörde habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht vollständig ermittelt und keine weiteren Erhebungen durchgeführt. Damit zeigt der Beschwerdeführer schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel auf, weil er nicht konkret vorbringt, welche für den Beschwerdeführer günstigen Umstände zu ermitteln gewesen wären und wie diese zu einem anderen Ergebnis hätten führen können. Ebenso wird nicht dargestellt, zu welchen konkreten, auf ein tatsächliches Familienleben hindeutenden Umständen weitere Zeugen hätten befragt werden sollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0536).

Die beweiswürdigende Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben, begegnet somit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Auf Basis der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch die Gefährdungsannahme gemäß § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt.

Auch die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene und hinreichend begründete Interessenabwägung ist - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht als rechtswidrig zu erkennen. Den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Aufenthalt seit 2002 hat die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung ohnehin berücksichtigt. Sie durfte ihrer Entscheidung aber auch zugrunde legen, dass die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und aus seiner Erwerbstätigkeit resultierenden Aspekte einer Integration in ihrem Gewicht dadurch gemindert werden, dass sie im Wesentlichen auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen waren. Soweit der Beschwerdeführer auch im Rahmen der Interessenabwägung auf die Beziehung zu seiner österreichischen Ehefrau verweist, ist ihm zu entgegnen, dass das Vorliegen eines Familienlebens mit dieser von der belangten Behörde nicht festgestellt wurde. Im Ergebnis kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht schwerer wiegen würden als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände mussten die belangte Behörde auch nicht dazu veranlassen, in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes wird in der Beschwerde nicht bekämpft.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am