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VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0110

VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/75.477/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, ist seit durchgehend im Bundesgebiet gemeldet. Am heiratete er die österreichische Staatsbürgerin Zivka D. In der Folge beantragte er die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta.-Ö, § 49 Abs. 1 FrG", die ihm mit Gültigkeit bis zum erteilt wurde.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) wegen Eingehens einer so genannten Aufenthaltsehe ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Beweiswürdigung verwies die belangte Behörde zunächst auf die Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin im Juni 2005, im Zuge derer die befragten Personen widersprüchliche Angaben etwa zur Hochzeitsfeier und zur Wohnsituation in der (angeblichen) ehelichen Wohnung in Wien gemacht hätten. Vor allem stützte sie sich auf das Ergebnis mehrerer Hauserhebungen in den Jahren 2005 bis 2009. So seien im Wohnhaus der (angeblichen) ehelichen Wohnung, in dem Zivka D. als Hausbesorgerin gearbeitet habe, mehrere Hausparteien befragt worden, denen der Beschwerdeführer (nach Vorlage von Lichtbildern) unbekannt gewesen sei. Demgegenüber sei bei einer Erhebung an der Wohnadresse der geschiedenen Ehefrau des Beschwerdeführers im März 2007 durch Befragung unmittelbarer Wohnungsnachbarn eruiert worden, dass der Beschwerdeführer dort gemeinsam mit ihr seit ca. zweieinhalb Jahren wohnhaft sei. Diese Erhebungsergebnisse seien durch weitere Ermittlungen im Oktober 2009 bestätigt worden. Weiters wies die belangte Behörde darauf hin, dass Zivka D. bei einer weiteren Vernehmung am keine Kenntnisse über elementare Dinge betreffend ihren Ehemann wie zB seine Telefonnummer gehabt habe. Schließlich konnte im November 2009 durch Befragung von Hausbewohnern im Wohnhaus an der Adresse des geschiedenen Ehemannes von Zivka D. eruiert werden, dass diese mit ihm dort seit längerer Zeit wohnhaft sei.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers vom , wonach "im Verfahren" zwei namentlich genannte Personen vernommen worden seien, die den Bestand einer dem Wesen einer Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft bestätigt hätten und deren Aussagen auch zu würdigen seien, hielt die belangte Behörde fest, dass diese beiden - durch Organe des Bundesministeriums für Inneres formlos befragten - Personen einerseits überhaupt keine verwertbaren Angaben gemacht und andererseits angegeben hätten, zwar als Trauzeuge fungiert zu haben, jedoch weder bei der Hochzeitsfeier gewesen zu sein noch die Ehegattin des Beschwerdeführers näher zu kennen. Beide befragten Personen hätten somit nicht einmal ansatzweise eine jemals bestandene eheliche Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit Zivka D. bestätigen können.

Im Hinblick auf die dargestellten Ermittlungsergebnisse erachtete es die belangte Behörde als erwiesen, dass der Beschwerdeführer eine "Scheinehe" eingegangen sei, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken. Dafür würden insbesondere die Aussagen der befragten Hausbewohner sowie die aufgetretenen Widersprüche bei der Befragung des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin sprechen.

Im Hinblick auf das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers seien maßgebliche öffentliche Interessen tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 87 (iVm § 86 Abs. 1) FPG gegeben seien.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde darauf, dass der (nach wie vor verheiratete) Beschwerdeführer noch familiäre Bindungen zu seiner 15-jährigen Tochter habe, die seit Februar 2009 im Bundesgebiet weile und bei ihrer Mutter (der vormaligen Ehefrau des Beschwerdeführers) lebe. Sonstige Bindungen bestünden zu nicht näher genannten Verwandten. Zwar sei mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, da er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Scheinehen) dringend geboten sei. Die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet seien keinesfalls gewichtig, zumal sein gesamter Aufenthalt sich ausschließlich auf die genannte "Scheinehe" stütze (auch seine Beschäftigungsverhältnisse seien darauf zurückzuführen). Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei somit zulässig iSd § 66 Abs. 1 FPG.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sah die belangte Behörde keinen Grund, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des Ermessens Abstand zu nehmen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei mit zehn Jahren zu befristen gewesen, weil angesichts des dargelegten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers und unter Bedachtnahme auf seine aktenkundige Lebenssituation vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden könne, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - dabei um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.

Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit Zivka D. Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für ihn gelten somit gemäß § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 Abs. 1 FPG. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist demnach nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG -

eine so genannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0626, mwN).

Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer Aufenthaltsehe und wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Er vermag mit seinem Vorbringen allerdings keine Unschlüssigkeit oder Mangelhaftigkeit aufzuzeigen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass die Befragung der Nachbarn einseitig durchgeführt worden sei und dass bei der Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin lediglich "kleine Widersprüchlichkeiten" aufgetreten seien, aus denen sich eine Aufenthaltsehe nicht ableiten lasse. Dem ist entgegenzuhalten, dass die bei der Befragung des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin im Juni 2005 aufgetretenen Widersprüche etwa die Hochzeitsfeier oder die Wohnsituation betrafen und daher von der belangten Behörde zu Recht als beachtlich angesehen wurden. Die daraus abgeleitete Schlussfolgerung des Bestehens einer Aufenthaltsehe wird durch die Ergebnisse der zahlreichen Hauserhebungen bestätigt, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und an unterschiedlichen Wohnadressen (der angeblichen ehelichen Wohnung, der Wohnung der vormaligen Ehefrau des Beschwerdeführers und der Wohnung des geschiedenen Ehemannes von Zivka D.) durchgeführt worden sind.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dass die belangte Behörde ungeachtet seiner darauf gerichteten Antragstellung zwei Zeugen im Verfahren nicht vernommen habe. An anderer Stelle in der Beschwerde wird hingegen ausgeführt, die belangte Behörde habe selbst zugegeben, dass die Zeugen vernommen worden seien; da die belangte Behörde somit Kenntnis dieser "Entlastungsaussagen" gehabt habe, hätte sie diese in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen gehabt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen müssen, was aber unterlassen worden sei. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer aus folgenden Gründen keinen relevanten Verfahrensmangel auf:

Soweit der Beschwerdeführer auf die angeblich unterlassene Vernehmung zweier von ihm beantragter Zeugen verweist, ist anzumerken, dass er weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde substantiiert dargelegt hat, welche konkreten Angaben die Zeugen zur Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Familienlebens zwischen ihm und seiner Ehegattin hätten machen können, weshalb schon die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0712). Er führt aber auch nicht aus, welches weitere Vorbringen er im Fall der Gewährung von Parteiengehör zu den (durch Organe des Bundesministeriums für Inneres formlos erfolgten) Befragungen erstattet hätte, weshalb es der Beschwerde auch insoweit an der erforderlichen Relevanzdarstellung mangelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0536). Schließlich tritt der Beschwerdeführer auch den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach die beiden befragten Personen keine Umstände angegeben hätten, aus denen auf das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin hätte geschlossen werden müssen, nicht entgegen.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass ein Ehenichtigkeitsverfahren nicht eingeleitet worden sei und dass eine Aufenthaltsehe ausschließlich durch das Zivilgericht zu beurteilen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zwecks Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile geschlossen worden, die Nichtigerklärung der Ehe nicht voraussetzt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0388).

Der Beschwerdeführer führt schließlich noch ins Treffen, dass die Ehe "unter der Geltung der Bestimmungen des FrG 1997" geschlossen worden sei und daher die Leistung eines Vermögensvorteiles hinzutreten müsste, um ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen. Dem ist zu entgegnen, dass die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebliche Bestimmung des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - anders als noch § 36 Abs. 2 Z 9 FrG - die Leistung eines Vermögensvorteils nicht (mehr) voraussetzt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0624).

Insgesamt ist somit die beweiswürdigende Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben, vor dem Hintergrund der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) nicht zu beanstanden. Auf Basis der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war auch die Gefährdungsannahme gemäß § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt.

Auch die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene und in der Beschwerde nicht substantiiert bekämpfte Interessenabwägung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes wird in der Beschwerde nicht bekämpft.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
BAAAE-88420