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VwGH vom 26.03.2015, 2011/11/0174

VwGH vom 26.03.2015, 2011/11/0174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der Österreichischen Zahnärztekammer in Wien, vertreten durch Dr. Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Vf-D- 396-005/8, betreffend Errichtungsbewilligung für ein Zahnambulatorium (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse in 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2-4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) vom auf Erteilung der Errichtungsbewilligung für die "Neuerrichtung" des Zahnambulatoriums R am bisherigen Standort in R "nach Maßgabe der Planunterlagen der TGKK, Abteilung für Infrastruktur vom Februar 2011" unter Vorschreibung mehrerer Auflagen statt. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, "die beiden Behandlungsräume sowie der Röntgenraum" würden "der Anwendungsgruppe 1 gemäß ÖVE/ÖNORM E 8007 zugeordnet". Eine wesentliche Änderung liege gemäß § 5 Abs. 2 lit. b des Tiroler Krankenanstaltengesetzes (Tir KAG) insbesondere bei einem Zu- oder Umbau größeren Umfanges vor, durch den der medizinische Bereich berührt werde. Erfolge die Verlegung bzw. Neuerrichtung nach § 5 Abs. 2 lit. a Tir KAG innerhalb der bisherigen Standortgemeinde, so entfalle die Bedarfsprüfung, wenn damit keine wesentliche Änderung des Leistungsangebotes verbunden sei. Aufgrund dieser Bestimmung sei daher im gegenständlichen Fall für die Neuerrichtung innerhalb der Standortgemeinde kein Bedarfsprüfungsverfahren durchzuführen gewesen, da es zu keinerlei Änderung im bewilligten Leistungsangebot der Außenstelle R kommen sollte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet hat, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden.

2. Die vorliegend (aufgrund des Art. II Abs. 3 der Novelle zum Tir KAG, LGBl. Nr. 32/2011) bereits maßgeblichen Bestimmungen des Tir KAG LGBl. Nr. 5/1958 idF LGBl. Nr. 32/2011 lauten auszugsweise:

"HAUPTSTÜCK B

I. Allgemeine Bestimmungen für die Errichtung

und den Betrieb von Krankenanstalten

§ 3

Errichtungsbewilligung für bettenführende Krankenanstalten

...

§ 3a

(1) ...

(2) Die Errichtungsbewilligung ist zu erteilen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

a) Für die vorgesehene Krankenanstalt muss nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot durch öffentliche, private gemeinnützige und sonstige bettenführende Krankenanstalten mit Kassenverträgen

1. zur Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen Gesundheitsversorgung und

2. zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit

ein Bedarf nach Abs. 2a gegeben sein. Soweit der Tiroler Krankenanstaltenplan (§ 62a) für Fondskrankenanstalten im Sinn des Tiroler Gesundheitsfondsgesetzes, LGBl. Nr. 2/2006, Festlegungen über deren Leistungsangebot und deren Ausstattung mit medizinischtechnischen Großgeräten enthält, entfällt eine Bedarfsprüfung. In einem solchen Fall darf die Errichtungsbewilligung nur erteilt werden, wenn die Errichtung nach dem vorgesehenen Anstaltszweck und dem vorgesehenen Leistungsangebot den Festlegungen des Tiroler Krankenanstaltenplanes entspricht.

b) Das Eigentum an der für die Krankenanstalt vorgesehenen Betriebsanlage oder das sonstige Recht zu deren Benützung muß nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden.

c) Das Gebäude, das als Betriebsanlage für die Krankenanstalt dienen soll, muß den für solche Gebäude geltenden bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften entsprechen.

d) Die vorgesehene Ausstattung mit medizinisch-technischen Apparaten und die vorgesehene personelle Ausstattung muß den nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft an eine Krankenanstalt der vorgesehenen Art zu stellenden Anforderungen entsprechen.

e) Es muß eine den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft entsprechende ärztliche Behandlung gewährleistet sein.

f) Der Bewilligungswerber muß eigenberechtigt und verläßlich sein. Bei juristischen Personen oder eingetragenen Personengesellschaften muß die zur Vertretung nach außen berufene Person diese Voraussetzungen erfüllen. Als nicht verläßlich sind insbesondere Personen anzusehen, die

1. nach § 13 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, von der Ausübung eines Gewerbes auszuschließen sind oder

2. wegen Übertretung von Vorschriften auf dem Gebiet des Krankenanstaltenrechtes oder des Gesundheitswesens rechtskräftig bestraft worden sind und von denen deshalb ein ordnungsgemäßer Anstaltsbetrieb nicht erwartet werden kann.

...

§ 4a

Errichtungsbewilligung für selbstständige Ambulatorien

...

(5) Im Verfahren zur Erteilung der Errichtungsbewilligung ... haben hinsichtlich der nach § 4b Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 zu prüfenden Voraussetzungen

a) die gesetzliche Interessenvertretung der privaten Krankenanstalten,


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b)
die betroffenen Sozialversicherungsträger und
c)
die Ärztekammer für Tirol, bei selbstständigen Zahnambulatorien auch die Österreichische Zahnärztekammer
Parteistellung im Sinn des § 8 AVG und das Recht, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
§ 4b
Voraussetzungen für die Erteilung der Errichtungsbewilligung
für selbstständige Ambulatorien

(1) Die Landesregierung hat über ein Ansuchen um die Erteilung der Errichtungsbewilligung mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.

(2) Die Errichtungsbewilligung ist, soweit in den Abs. 4 und 7 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn:

a) nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot durch öffentliche, private gemeinnützige und sonstige Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und kasseneigene Einrichtungen, niedergelassene Ärzte, Gruppenpraxen und selbstständige Ambulatorien, soweit diese sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen, bei selbstständigen Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Zahnärzte, Dentisten und zahnärztliche Gruppenpraxen, soweit diese sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen,

1. zur Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen Gesundheitsversorgung und

2. zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit

eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots im Einzugsgebiet erreicht werden kann und

b) die Voraussetzungen nach § 3a Abs. 2 lit. b bis f vorliegen.

(3) Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebotes im Einzugsgebiet erreicht werden kann, sind ausgehend von den Planungsergebnissen des Regionalen Strukturplanes Gesundheit Tirol folgende Voraussetzungen zu berücksichtigen:

a) die örtlichen Verhältnisse (regionale rurale oder urbane Bevölkerungsstruktur und Besiedlungsdichte),


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b)
die für die Versorgung bedeutsamen Verkehrsverbindungen,
c)
das Inanspruchnahmeverhalten und die Auslastung von bestehenden Leistungsanbietern, die sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen, durch Pfleglinge,
d)
die durchschnittliche Belastung bestehender Leistungsanbieter nach lit. c und
e)
die Entwicklungstendenzen in der Medizin bzw. Zahnmedizin.
...

(7) Die Errichtungsbewilligung für ein selbstständiges Ambulatorium eines Sozialversicherungsträgers ist zu erteilen, wenn

a) das Einvernehmen zwischen dem Sozialversicherungsträger und der Ärztekammer für Tirol bzw. der Österreichischen Zahnärztekammer oder zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Österreichischen Ärztekammer bzw. der Österreichischen Zahnärztekammer im Sinn des § 339 ASVG und

b) die Voraussetzungen nach § 3a Abs. 2 lit. b bis e vorliegen. Kommt das Einvernehmen nach lit. a nicht zustande,

so ist die Errichtungsbewilligung zu erteilen, wenn die Voraussetzungen nach Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 und nach § 3a Abs. 2 lit. b bis e vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn der Sozialversicherungsträger Dritte mit dem Betrieb des selbstständigen Ambulatoriums betraut.

...

§ 5

Änderungen von Krankenanstalten

(1) Jede wesentliche Änderung einer Krankenanstalt bedarf der Bewilligung der Landesregierung.

(2) Eine wesentliche Änderung liegt vor,


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a)
wenn die Betriebsanlage oder ein Teil davon verlegt wird,
b)
bei einem Zu- oder Umbau größeren Umfangs, durch den der medizinische Bereich berührt wird,
c)
wenn neue Organisationseinheiten (Abteilungen, Institute und dergleichen) geschaffen werden, auch wenn dies nicht mit einer räumlichen Erweiterung der Krankenanstalt verbunden ist,
d)
bei wesentlichen Veränderungen in der apparativen Ausstattung, insbesondere bei der Anschaffung von Großgeräten, oder im Leistungsangebot.

(3) Für die Bewilligung von Änderungen gelten die §§ 3, 3a, 4, 4a, 4b und 4c sinngemäß. Erfolgt die Verlegung nach Abs. 2 lit. a innerhalb der bisherigen Standortgemeinde, so entfällt die Bedarfsprüfung (§ 3a Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 2a) bzw. die Prüfung der Voraussetzung nach § 4b Abs. 2 lit. a, wenn mit der Verlegung keine wesentliche Änderung des Leistungsangebotes verbunden ist. ..."

3. Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die geplante Errichtung eines zweiten Zahnbehandlungsraumes eine Bedarfsprüfung bzw. eine Prüfung der Voraussetzung nach § 4b Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 Tir KAG (wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots) erfordert hätte. In der Beschwerde wird dazu - im Einklang mit der Aktenlage - vorgebracht, dass im Zahnambulatorium R stets nur ein Behandlungsraum mit einem Zahnbehandlungsstuhl eingerichtet gewesen sei.

3.1. Aus dem mit dem Antrag der TGKK vorgelegten Plan ist ersichtlich, dass, abgesehen von den für Röntgen, Technik, Zahntechnik und Sterilisation benötigten Räumen, eine Ordination und ein zusätzlicher (nicht näher bezeichneter) Raum von etwa gleicher Fläche wie die Ordination errichtet werden sollte. Aus der im Akt aufliegenden, von der belangten Behörde mit Bescheid vom erteilten Arbeitsstättenbewilligung ergibt sich, dass es sich bei dem zusätzlichen Raum um die "Ordination 2 für Begutachtung/Prophylaxe" handeln sollte. Damit im Einklang spricht der angefochtene Bescheid von den "beiden Behandlungsräumen".

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liegt somit eine wesentliche Änderung des Leistungsangebotes vor (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/11/0220), sodass § 5 Abs. 3 zweiter Satz Tir KAG nicht anwendbar ist.

Dass im vorliegenden Fall für die Errichtung des zweiten Behandlungsraumes ein Einvernehmen im Sinne des § 339 ASVG hergestellt worden wäre, wird in der Beschwerde in Abrede gestellt und ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Bescheid. Ausgehend davon hätte somit aufgrund des in § 5 Abs. 3 erster Satz Tir KAG enthaltenen uneingeschränkten Verweises auf die §§ 3 bis 4c leg. cit. nach § 4b Abs. 7 Tir KAG eine Prüfung der Voraussetzung nach § 4b Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 leg. cit. (wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots) stattzufinden gehabt.

3.2. Hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzung nach § 4b Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 Tir KAG (wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots) kam der Beschwerdeführerin nach § 4a Abs. 5 lit. c Tir KAG Parteistellung und insofern auch das Beschwerderecht zu (vgl. das dieselben Verfahrensparteien und dasselbe Ambulatorium betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/11/0203).

4. Da die belangte Behörde somit - wie die zulässige Beschwerde aufzeigt - in Verkennung der Rechtslage keine Prüfung der Voraussetzung nach § 4b Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 Tir KAG durchgeführt hat, war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich aus § 9 Abs. 1 iVm § 4c Abs. 2 lit. a Tir KAG die Verpflichtung der belangten Behörde ergibt, von Amts wegen die Betriebsbewilligung zurückzunehmen, wenn die Errichtungsbewilligung nicht mehr vorliegt.

6. Die Kostenentscheidung beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG auf § 47 Abs. 4 VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013.

Wien, am