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VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0109

VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0109

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der N, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/254534/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0097, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Zwar erachtete der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt sei, als nicht zu beanstanden. Allerdings habe die belangte Behörde keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Niederlassungsbehörde, die der Beschwerdeführerin zuletzt eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" mit Gültigkeitsdauer vom bis erteilt habe, zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe gehabt habe. Somit wurde der Bescheid unter Hinweis auf die im zitierten Erkenntnis dargestellte hg. Rechtsprechung zu § 61 Z 2 iVm § 54 Abs. 1 FPG aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin wiederum gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 9 FPG ein (nunmehr:) auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Nach Darstellung des Sachverhalts und Würdigung der erhobenen Beweise hielt die belangte Behörde erneut fest, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes iSd § 60 Abs. 1 FPG zulässig sei.

Im Rahmen der Interessenabwägung verwies die belangte Behörde auf den etwa siebenjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und auf die familiäre Bindung zu ihrem Sohn. Dieser sei zwar während der aufrechten Ehe der Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger geboren (nämlich im September 2004), allerdings habe das Bezirksgericht Favoriten rechtskräftig festgestellt, dass als Vater dieses Kindes Mesudin D. - und nicht der vormalige österreichische Ehemann der Beschwerdeführerin (die im Februar 2004 geschlossene Ehe wurde im Juli 2006 wieder geschieden) - feststehe. Die österreichische Staatsbürgerschaft des Kindes sei dadurch "ex lege und ex tunc weggefallen". Es sei auch zumutbar, das fünfjährige Kind bei der Ausreise mitzunehmen. Berufliche Bindungen der Beschwerdeführerin würden seit nicht mehr bestehen. Ihre persönlichen Interessen seien auch dadurch in ihrem Gewicht gemindert, dass sie nur auf Grund ihrer (durch die Aufenthaltsehe erschlichenen) bevorzugten Stellung eine Niederlassungsbewilligung bekommen habe. Diesen Interessen stehe das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Ehewesens gegenüber. Das Aufenthaltsverbot sei daher zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Da keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe erkannt oder vorgebracht worden seien, sei auch im Rahmen des Ermessens nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen gewesen.

Zum Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 61 Z 2 iVm § 54 Abs. 1 FPG hielt die belangte Behörde fest, sie habe diesbezüglich die Aufenthaltsbehörde um Stellungnahme ersucht und diese habe (angesichts des näher dargestellten chronologischen Ablaufes der Ereignisse) glaubwürdig ausgeführt, zum Zeitpunkt der Ausfolgung der Niederlassungsbewilligung an die Beschwerdeführerin im Februar 2009 nichts vom Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe gewusst zu haben. Zudem - so die belangte Behörde weiter - sei die Gültigkeit des Aufenthaltstitels bereits mit abgelaufen. Angesichts dieser Umstände stehe § 61 Z 2 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - um die Fassung BGBl. I Nr. 29/2009.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte - eine Gefährdungsannahme iSd Abs. 1 rechtfertigende - Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Soweit die Beschwerdeführerin weiterhin das Vorliegen einer Scheinehe bestreitet und die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des bereits zitierten Erkenntnisses Zl. 2009/18/0097 zu verweisen. Ausgehend von der Erfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG durfte die belangte Behörde auch die Gefährdungsannahme iSd § 60 Abs. 1 FPG bejahen. Daran vermögen weder der Umstand, dass die Eheschließung bereits fast sechs Jahre zurücklag, noch die im Jahr 2006 erfolgte Ehescheidung etwas zu ändern.

Vor allem vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass § 61 Z 2 iVm § 54 Abs. 1 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entgegenstehe:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass gemäß den Bestimmungen des § 61 Z 2 iVm § 54 Abs. 1 Z 1 FPG die Erteilung eines Aufenthaltstitels, die in Kenntnis aller in Frage kommenden Versagungsgründe bzw. des Gesamtfehlverhaltens des Fremden erfolgte, der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegensteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0632). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren Erhebungen zu dieser Frage durchgeführt und ausgehend von den als glaubwürdig angesehenen Ausführungen der Aufenthaltsbehörde in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Aufenthaltsbehörde zum Zeitpunkt der Ausfolgung der Niederlassungsbewilligung an die Beschwerdeführerin nichts vom Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe gewusst hat. Entgegen der Beschwerdeauffassung ist es für die Frage des Vorliegens des Aufenthaltsverbot-Verbotsgrundes des § 61 Z 2 iVm § 54 Abs. 1 FPG nicht von Relevanz, dass die Unkenntnis der den Aufenthaltstitel erteilenden Behörde der Beschwerdeführerin nicht "zur Last gelegt" werden kann. Darüber hinaus war der genannte Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch deshalb nicht (mehr) verwirklicht, weil der der Beschwerdeführerin zuletzt mit einer Gültigkeit bis erteilte Aufenthaltstitel einem am erlassenen Aufenthaltsverbot nicht mehr entgegenstand (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0432).

Weiters wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG. Sie verweist diesbezüglich insbesondere auf ihren mehr als siebenjährigen Aufenthalt in Österreich und bringt vor, dass ihr minderjähriges Kind über die österreichische Staatsbürgerschaft verfüge.

Dazu ist zunächst anzumerken, dass die belangte Behörde den langjährigen Inlandsaufenthalt der Beschwerdeführerin ihrer Interessenabwägung zugrunde gelegt hat. Ebenfalls berücksichtigt hat sie die Bindung der Beschwerdeführerin zu ihrem (fünfjährigen) Sohn. Allerdings ging die belangte Behörde gestützt auf eine (näher zitierte) Entscheidung des Bezirksgerichtes Favoriten davon aus, dass als Vater des Kindes Mesudin D. feststehe und der Sohn der Beschwerdeführerin somit nicht von ihrem vormaligen, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehemann abstamme, weshalb die österreichische Staatsbürgerschaft des Sohnes weggefallen sei. Dieser Ausführung, die in den vorgelegten Verwaltungsakten Deckung findet, tritt die Beschwerdeführerin lediglich mit der nicht weiter untermauerten Behauptung entgegen, ihr Kind verfüge über die österreichische Staatsbürgerschaft. Soweit die Beschwerdeführerin ergänzend auf den "nunmehrigen § 59" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (idF der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009) verweist - diese Bestimmung ermöglicht es Fremden, bei denen nach einer Vaterschaftsfeststellung gemäß § 163 ABGB hervorgekommen ist, dass fälschlicherweise von einer Staatsbürgerschaft kraft Abstammung (§§ 7 und 7a StbG) ausgegangen wurde, die Staatsbürgerschaft unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend zu erwerben -, ist anzumerken, dass diese Bestimmung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht in Geltung stand. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde ihrer Interessenabwägung zugrunde legte, der minderjährige Sohn der Beschwerdeführerin habe zum Entscheidungszeitpunkt nicht über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügt (vgl. zum rückwirkenden Verlust der Staatsbürgerschaft im Fall der Widerlegung der Vermutung der Ehelichkeit etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/01/1170). Ebenso durfte die belangte Behörde die gemeinsame Ausreise des fünfjährigen - und sich somit noch in einem anpassungsfähigen Alter befindlichen - Kindes mit seiner Mutter als zumutbar ansehen. Ein Vorbringen dahin, dass die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit eines Familienlebens der Beschwerdeführerin und ihres Kindes mit dessen biologischem Vater im Ausland dem Aufenthaltsverbot gegen die Beschwerdeführerin entgegenstünde, wurde nicht erstattet.

Zutreffend hat die belangte Behörde die (aus ihrem Aufenthalt und ihrer Berufstätigkeit resultierenden) persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet dadurch als gemindert angesehen, dass diese Umstände wesentlich auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0544). Der belangten Behörde kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Beschwerdeführerin als nicht schwerer wiegend erachtete als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. An dieser Einschätzung können auch die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten guten Deutschkenntnisse sowie ihr - nicht weiter präzisiertes - "soziales Netz aus Freunden und Bekannten" nichts ändern. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang mangelnde Ermittlungen durch die belangte Behörde moniert, fehlt es dem Vorbringen an der Relevanzdarstellung. Entgegen der Beschwerdeauffassung ist der angefochtene Bescheid auch als ausreichend begründet anzusehen.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am