VwGH vom 20.08.2013, 2013/22/0108
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des N, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/364.833/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, gelangte im Jänner 2002 in das Bundesgebiet und stellte am einen Asylantrag.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten rechtskräftig verurteilt, wobei ein Strafteil von sechs Monaten bedingt nachgesehen wurde. Dem Urteil zufolge hatte der Beschwerdeführer am einen Dritten mit Gewalt zur Unterlassung seiner Anhaltung zu nötigen versucht und diesen dabei durch Versetzen eines heftigen Stoßes und von Faustschlägen vorsätzlich am Körper verletzt. Weiters hatte er zwischen 21. und in fünf Fällen Paketbenachrichtigungen der österreichischen Post AG mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Gebrauch im Rechtsverkehr zu verhindern.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 bis 4 StGB, des Vergehens der Urkundenfälschung nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB sowie des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt, wobei ein Strafteil von acht Monaten bedingt nachgesehen wurde. Dem Urteil zufolge hatte der Beschwerdeführer in der Zeit vom bis zahlreiche hochpreisige Elektrogeräte (mit einem EUR 3.000,-- übersteigenden Wert), die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, gekauft bzw. an sich gebracht, wobei er die Hehlerei gewerbsmäßig betrieben hatte. Weiters hatte er am einen falschen litauischen Reisepass im Rechtsverkehr gebraucht.
Im Hinblick darauf erließ die belangte Behörde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid gemäß § 62 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot.
Die belangte Behörde hielt zunächst fest, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers zum gegenwärtigen Zeitpunkt beim Asylgerichtshof anhängig und er im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung "nach dem Asylgesetz" sei. Weiters wies sie darauf hin, dass die (am geschlossene) Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin mit näher bezeichnetem Scheidungsurteil des Bezirksgerichtes F vom rechtskräftig geschieden worden sei. Schließlich verwies sie noch darauf, dass der Beschwerdeführer (im Zeitraum zwischen Juni 2008 und Jänner 2009) insgesamt dreimal rechtskräftig wegen Übertretungen des Führerscheingesetzes (FSG) bestraft worden sei.
Im Hinblick auf die angeführten strafgerichtlichen Verurteilungen und die rechtskräftigen Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen erachtete die belangte Behörde den Tatbestand sowohl der Z 1 als auch der Z 2 des § 60 Abs. 2 FPG als erfüllt. Da das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit "in höchstem Maße" gefährde, erweise sich auch die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Gefährdungsannahme als gerechtfertigt. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass er nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne für ihn nicht positiv ausfallen.
In Ansehung des § 66 FPG verwies die belangte Behörde zunächst auf die Scheidung des Beschwerdeführers von seiner österreichischen Ehefrau sowie darauf, dass er seit Mai 2009 (teilweise geringfügig) als Arbeiter beschäftigt sei. Unter Bedachtnahme auf den etwas mehr als achtjährigen Inhaltsaufenthalt sei mit dem Rückkehrverbot ein Eingriff in sein Privatleben verbunden. Dieser Eingriff sei aber zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, die gegen fremdes Vermögen bzw. die körperliche Integrität Dritter gerichtet seien) dringend geboten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die aus seinem Aufenthalt in Österreich ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Auch der beruflichen Integration könne kein entscheidendes Gewicht zukommen, zumal der Beschwerdeführer zu keiner Zeit im Besitz einer beschäftigungsrechtlichen Bewilligung gewesen sei. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers hätten daher gegenüber den - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.
Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten könne von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des Ermessens Abstand genommen werden. Abschließend begründete die belangte Behörde noch die Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes näher.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.
Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen iSd Abs. 1 (u.a.) jene des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG. Danach liegt eine die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache dann vor, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der Beschwerdeführer verweist zunächst darauf, dass sein Asylverfahren bereits am durch Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes abgeschlossen worden und er daher zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am nicht mehr Asylbewerber gewesen sei. Aus diesem Grund hätte gegen ihn ein Rückkehrverbot nicht erlassen werden dürfen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer durch den Umstand, dass die belangte Behörde gegen ihn, auch wenn er im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides kein Asylwerber mehr war, ein Rückkehrverbot verhängte, nicht in seinen Rechten verletzt wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0370, mwH zur hg. Rechtsprechung zum Verhältnis von Rückkehrverbot und Aufenthaltsverbot).
Des Weiteren erachtet der Beschwerdeführer das Rückkehrverbot auch "sachlich nicht gerechtfertigt". Begründend führt er dazu aus, dass die Straftaten aus den Jahren 2003 und 2007 stammten und er seit der Haftentlassung Ende 2007 ein geregeltes Leben führe und einer Beschäftigung nachgehe.
Zunächst ist anzumerken, dass die belangte Behörde angesichts der - unbestritten gebliebenen - rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG zu Recht als gegeben angesehen hat. Sie hat sich im Rahmen ihrer Gefährdungsprognose auch zutreffend auf das wiederholte, teilweise einschlägige strafbare Verhalten des Beschwerdeführers gestützt, wobei die zur zweiten Verurteilung führenden Straftaten zum Teil innerhalb offener Probezeit nach der ersten Verurteilung gesetzt wurden. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes primär daran zu prüfen, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0353). Davon ausgehend ist die Dauer des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers von etwas über zwei Jahren seit seiner Entlassung aus der Strafhaft Ende 2007 noch als zu kurz anzusehen, um einen Wegfall oder eine relevante Minderung der von ihm ausgehenden Gefährdung annehmen zu können. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde keine positive Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer erstellt hat.
Der Beschwerdeführer verweist noch darauf, dass eine Gefährlichkeit aus den in der Vergangenheit erfolgten Bestrafungen nach dem FSG nicht abgeleitet werden könne, zumal er nunmehr einen gültigen österreichischen Führerschein besitze. Damit zeigt die Beschwerde schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die belangte Behörde das Rückkehrverbot (primär) auf die Erfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG gestützt hat und die Gefährdungsannahme basierend auf dem - den Verurteilungen zugrunde liegenden - strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers gerechtfertigt ist.
Die - nicht zu beanstandende - Interessenabwägung der belangten Behörde nach § 66 FPG wird in der Beschwerde nicht substantiiert bekämpft. Der Beschwerdeführer verweist lediglich darauf, dass er nunmehr einer Beschäftigung nachgehe; diesen Umstand hat die belangte Behörde in ihrer Interessenabwägung aber ohnehin berücksichtigt, letztlich aber - fallbezogen zu Recht - nicht als entscheidungserheblich angesehen.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am