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VwGH vom 23.11.2010, 2009/06/0078

VwGH vom 23.11.2010, 2009/06/0078

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde

1. des Dipl. Ing. JP und 2. des Dipl. Ing. AP, beide in Q, beide vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Zimmerplatzgasse 13, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. 044063/2008-5, betreffend baupolizeilichen Auftrag gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. Baugesetz (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz je zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf dem im Miteigentum der Beschwerdeführer stehenden Grundstück Nr. 1348/4, KG. J., fand am 3. September und am eine baupolizeiliche Erhebung statt. Im Amtsbericht vom wird ausgeführt, anlässlich der Erhebung am sei festgestellt worden, dass das gesamte auf dem Grundstück befindliche Gebäude bis auf die nördliche und östliche Brandwand abgetragen worden sei. An der hofseitigen Fassade (der südseitigen) seien die im bewilligten Plan im Erdgeschoß und Obergeschoß als Bestand dargestellten Mauerpfeiler zur Gänze abgebrochen worden. Die Kellerdecke sei im bewilligten Plan als Bestand dargestellt und ebenfalls zur Gänze abgebrochen worden. Der Baubewilligungsbescheid vom betreffe jedoch einen Um- und Zubau des bestehenden Gebäudes mit fünf Wohneinheiten. Am wurde festgestellt, dass die Kellerdecke neu hergestellt und darauf das gesamte Gebäude neu errichtet und bereits verputzt worden sei. Diesem Amtsbericht liegen u.a. bei der Erhebung vom gemachte Fotos bei, die den weitgehenden Abbruch des Gebäudes entsprechend dokumentieren (danach sind die Gurtbögen, die Teil der ansonsten beseitigten Kellerdecke waren, die Kelleraußenmauern, Teile von Wänden im Keller, die östliche Brandwand im Erdgeschoßbereich und die nördliche Brandwand in beiden Geschoßen als Bestand verblieben, alles Übrige war abgebrochen).

Als aktueller Konsens liegt die Baubewilligung vom für den Um- und Zubau des Wohnhauses mit fünf Wohneinheiten, Einfriedung und Fassadensanierung auf den Grundstücken Nr. 1348/4, 1350/4, 1350/5, KG. J. vor. Aus den mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Austausch-Einreichplänen vom ergibt sich, dass im Erd- und Obergeschoß an zwei Seiten die Außenmauern (die nördliche und die östliche) als nicht zu verändernder Bestand ausgewiesen sind. Nach dieser Bewilligung sind die Decken über dem Erdgeschoss und dem ersten Obergeschoß und sämtliche Wände im Inneren des Erd- und Obergeschoßes neu herzustellen. Im Kellergeschoß waren nur geringfügige Veränderungen im Inneren vorgesehen; die Kellergeschoßdecke sollte erhalten bleiben.

Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz erteilte den Beschwerdeführern mit Bescheid vom den Auftrag, den auf dem Grundstück Nr. 1348/4, KG. J., errichteten Neubau eines dreigeschoßigen Wohnhauses für sechs Wohneinheiten mit Flachdach in Massivbauweise binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Von der Baubehörde sei am festgestellt worden, dass der im Spruch angeführte Neubau eines dreigeschoßigen Wohnhauses ohne baubehördliche Genehmigung errichtet worden sei. Es sei mit Bescheid vom die planbelegte Bewilligung für einen Um- und Zubau des bestehenden Gebäudes erteilt worden. Durch den Abbruch der bestehenden Wände im Erd- und Obergeschoß (nach dem bewilligten Plan) und der Kellergeschoßdecke sei der Konsens des Bestandes, für den eine Um- und Zubaubewilligung erteilt worden sei, verloren gegangen und somit ein Neubau im Sinne des § 4 Z. 44 Stmk. BauG errichtet worden. Dieser Neubau stelle gemäß § 19 Z. 1 Stmk. BauG grundsätzlich ein bewilligungspflichtiges Vorhaben dar und sei auf Grund des Fehlens dieser Bewilligung daher vorschriftswidrig errichtet worden.

In der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung wird lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die Erstbehörde geltend gemacht; man sei vom Konsens - der ja den Abbruch der westseitigen Außenmauer gedeckt habe - nur insoweit abgegangen, als die Tragfähigkeit von Teilen der Wände und der Decke im Kellergeschoß nicht gegeben gewesen sei.

Die belangte Behörde wies die Berufung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass aus den Bauplänen (Grundrisse Erdgeschoß und Obergeschoß und den Schnitten) ersichtlich sei, dass sowohl im Erdgeschoß als auch im Obergeschoß die nördliche, die westliche und die östliche Außenmauer (diese Aussage bezieht sich offenbar auf den ursprünglich eingereichten Plan, in dem im Unterschied zum Austauschplan die westliche Außenmauer gleichfalls als nicht zu verändernder Bestand ausgewiesen war) als Bestandsmauern eingetragen seien. Durch den Abbruch der bestehenden und in der Baubewilligung als Bestand eingetragenen Wände im Erd- und Obergeschoß sowie der Kellergeschoßdecke sei der Konsens für den Bestand, der eine Voraussetzung für die Erteilung der Um- und Zubaubewilligung dargestellt habe, untergegangen und es liege somit ein Neubau vor.

Die Entfernung von Teilen von Wänden und Decken im Kellergeschoß werde auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten, sondern es werde ausgeführt, dass die Entfernung auf Grund mangelnder Tragfähigkeit auf Anraten des Statikers erforderlich geworden sei. Die Entfernung der südlichen Außenmauer und die Entfernung der Wände und Decken habe aber zur Folge, dass auf Grund der Entfernung der Außenmauer die äußeren Abmessungen verändert worden seien und somit der Konsens für den Umbau untergegangen sei und von der Errichtung eines Neubaues auszugehen sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Mit der Beschwerde wurde ein im Auftrag der Beschwerdeführer erstattetes Privatgutachten dazu, ob das auf dem Baugrundstück errichtete Gebäude entsprechend der Baubewilligung vom durchgeführt wurde, vorgelegt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kam das Stmk. Baugesetz 1995 (Stmk. BauG), LGBl. Nr. 59, idF LGBl. Nr. 88/2008 zur Anwendung:

§ 41 Abs. 1 und 3 Stmk. BauG lauten wie folgt:

"§ 41

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

(1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn


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1.
bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
2.
anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder
3.
baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes ausgeführt werden.

(2) ...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen."

§ 4 Z. 44 und Z. 56 Stmk. BauG sehen betreffend die Begriffe des Neubaues und des Umbaues Folgendes vor:

"44. Neubau: die Herstellung einer neuen baulichen Anlage, die keinen Zu- oder Umbau darstellt. Ein Neubau liegt auch dann vor, wenn nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder verwendet werden;


Tabelle in neuem Fenster öffnen
45.
...
56.
Umbau: die Umgestaltung des Inneren oder Äußeren einer bestehenden baulichen Anlage, die die äußeren Abmessungen nicht verändert, jedoch geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren (z.B. Brandschutz, Standsicherheit, äußeres Erscheinungsbild), bei überwiegender Erhaltung der Bausubstanz."
Gemäß §
39 Abs. 1 Stmk. BauG hat der Eigentümer dafür zu sorgen, dass die baulichen Anlagen u.a. in einem der Baubewilligung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden.
Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgehe, dass der Konsens für den Umbau untergegangen sei und von der Errichtung eines Neubaues auszugehen sei. Die belangte Behörde habe den maßgeblichen Sachverhalt weder richtig noch vollständig ermittelt. Es werde auf ein vorgelegtes Gutachten des Univ.
Prof. DI Dr. F.H. verwiesen, in dem u.a. festgehalten sei, welche Baumaßnahmen auf Grund der vorliegenden Baubewilligung gesetzt werden durften, weiters welche Bauglieder erhalten geblieben seien und welche Maßnahmen auf Grund eines Baugebrechens gemäß § 4 Z. 8 i.V.m. § 39 Stmk. BauG gesetzt worden seien. Die belangte Behörde habe den Inhalt des vidierten Austauschplanes vom nicht gehörig ermittelt und vollständig gewürdigt. Auf Grund des Austauschplanes seien das Dach, die Decke über dem Erdgeschoß und die westseitigen Außenmauern zur Gänze entfallen.
Dem Vorbringen kommt insoweit Berechtigung zu, als alle Abbruchsmaßnahmen zulässig und ohne Folgen sind, sofern sie in Durchführung der sehr weitgehenden Umbau- und Zubaubewilligung vom 2.
Oktober 2007 zulässig waren. Die vorgenommenen Abbruchsmaßnahmen sind allerdings jedenfalls darüber hinausgegangen, als auch die Kellerdecke und Teile von den Wänden im Inneren des Kellergeschoßes unbestritten und mit Fotos belegt abgerissen wurden. Mit diesen Maßnahmen wurde wesentlich in den vom ursprünglichen Konsens gedeckten Bestand eingegriffen. Dieser Konsens, auf den die angeführte Umbau- und Zubaubewilligung aufbaute, ist dadurch untergegangen. Auch die Umbau- und Zubaubewilligung hat dadurch ihre Grundlage verloren. Die belangte Behörde ist daher im vorliegenden Fall im Ergebnis zu Recht von einem Neubau ausgegangen.
Die Beschwerdeführer sind im Recht, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides mangelhaft ist. Die belangte Behörde hat sich mit dem Inhalt der Umbau- und Zubaubewilligung vom 2.
Oktober 2007 in Verbindung mit dem letztlich vidierten Austauschplan nicht entsprechend auseinandergesetzt und nicht nachvollziehbar herausgearbeitet, was im Lichte dieser Bewilligung abgebrochen werden durfte und was Bestand ist, der unzulässiger Weise abgebrochen wurde. Dieser Verfahrensmangel ist aber im Hinblick darauf, dass die Abbruchsmaßnahmen - wie dargelegt - auch den in dieser Bewilligung ausgewiesenen Bestand erfasst haben, nicht wesentlich.
Weiters meinen die Beschwerdeführer, dass Instandsetzungen, die gemäß §
39 Stmk. BauG im Zuge der Baudurchführung erforderlich gewesen seien, bei der Beurteilung, ob ein rechtmäßiger Bestand weitgehend beseitigt worden sei, keine Rolle spiele. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Instandhaltungspflicht gemäß § 39 Abs. 1 Stmk. BauG setzt das Vorhandensein einer rechtmäßigen baulichen Anlage voraus, die in einem der Baubewilligung, der Baufreistellungserklärung oder den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden muss. Mit dem Abbruch einer baulichen Anlage verliert die in § 39 Abs. 1 Stmk. BauG verankerte Instandhaltungsverpflichtung ihre normative Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0150). Dies gilt auch für einen Abbruch wie im vorliegenden Fall, der über eine weitgehende Umbau- und Zubaubewilligung hinausgeht. Im Hinblick auf den Abbruch der Kellerdecke und einem Großteil der Wände im Keller kann nicht - wie die Beschwerdeführer meinen - mit der Instandhaltungspflicht gemäß § 39 Abs. 1 Stmk. BauG argumentiert werden.
Die Beschwerdeführer erachten den angefochtenen Bescheid auch deshalb als rechtswidrig, da er sich nur auf das Grundstück
Nr. 1348/4, KG. J., bezieht, während sich der Baubewilligungsbescheid vom betreffend den bewilligten Um- und Zubau des bestehenden Gebäudes auf die Grundstücke Nr. 1348/4, 1350/4 und 1350/5, KG. J., bezieht. Die Beschwerdeführer machen damit erstmals in der Beschwerde geltend, dass der im Spruch des angefochtenen Bescheides bezogene Neubau nicht allein auf dem im Spruch angeführten Grundstück Nr. 1348/4, KG. J., sondern auf zwei weiteren Grundstücken gelegen sei. Dabei handelt es sich um ein neues Tatsachenvorbringen, das im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bei einem mängelfreien Verfahren geltende Neuerungsverbot nicht mehr berücksichtigt werden kann. Dieses Neuerungsverbot gilt auch für Rechtsausführungen, wenn deren Richtigkeit nur auf Grund von Feststellungen überprüft werden kann, die im Verwaltungsverfahren deswegen unterblieben sind, weil der Beschwerdeführer in diesem Verfahren untätig geblieben ist ( vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/06/0182). Letzteres ist den Beschwerdeführern insoweit entgegenzuhalten, als sie die Behauptung, das Gebäude sei nicht nur auf dem im Spruch genannten Grundstück gelegen, auch mit dem rechtlichen Einwand verknüpfen, dass sich der Auftrag auf untrennbare Bauteile beziehe.
Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß §
42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§
47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am