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VwGH 25.05.2021, Ra 2021/07/0027

VwGH 25.05.2021, Ra 2021/07/0027

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
VwGG §30 Abs2
WRG 1959 §138 Abs1a
WRG 1959 §138 Abs6
WRG 1959 §50
RS 1
Nichtstattgebung - wasserpolizeilicher Auftrag - Die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils erfordert die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Kostenbelastung auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der revisionswerbenden Partei. Erst die ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. etwa , oder , AW 2010/07/0019, jeweils mwN). Diesen Anforderungen wird das wiedergegebene Vorbringen der revisionswerbenden Partei zu "unverhältnismäßig hohen Kosten" und "einem unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand" ebenso wenig gerecht wie das bloß spekulative Vorbringen zu "möglicherweise" eintretenden "Folgehaftungen" (vgl. zum Konkretisierungsgebot betreffend behauptete Schadenersatzforderungen von Dritten etwa ). Dem Aufschiebungsantrag war somit schon mangels konkreten Vorbringens zu dem drohenden "unverhältnismäßigen Nachteil" iSd § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.
Norm
WRG 1959 §50 Abs1
RS 1
Das Ausmaß der gesetzlichen Instandhaltungspflicht in Bezug auf den vom Wasserbenutzungsberechtigten zu gewährleistenden Zustand seiner Anlagen wird im § 50 Abs. 1 WRG 1959 mit jenem Zustand beschrieben, welcher der Bewilligung entspricht, und für den Fall, dass der konsensgemäße Zustand nicht erweislich ist, mit den Worten festgelegt, dass die Anlagen derart zu erhalten (und zu bedienen) sind, dass keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte stattfindet. Steht der konsensmäßige Zustand fest, dann kann sich demnach die Erhaltungspflicht auch nur auf diesen Zustand beziehen. Mit dem Gebot der Hintanhaltung einer Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte umschreibt das Gesetz das Ausmaß der Instandhaltungspflicht für den Fall, dass der konsensgemäße Zustand der Anlage nicht mehr feststellbar ist (vgl. E , 93/07/0049, 0150, 0151; E , 2010/07/0039).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2014/07/0073 E RS 2
Normen
VwGG §42 Abs2 Z1
WRG 1959 §111
WRG 1959 §50 Abs1
RS 2
Die Wasserberechtigten haben "ihre" Wasserbenutzungsanlagen samt den dazu gehörigen Nebenanlagen (Kanäle, künstliche Gerinne, Wasseransammlungen sowie sonstige Vorrichtungen) in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand zu erhalten. Es muss sich danach um Wasserbenutzungsanlagen handeln, die den Wasserberechtigten zuzurechnen sind. Aus dem Auftrag, diese Wasserbenutzungsanlagen und die dazu gehörigen Nebenanlagen in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand zu erhalten, ergibt sich, dass eine Anlage insoweit dem Wasserberechtigten zuzurechnen ist, als sie von der Bewilligung erfasst ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2007/07/0010 E VwSlg 17382 A/2008 RS 2
Normen
VwGG §42 Abs2 Z1
WRG 1959 §111
WRG 1959 §138 Abs1 lita
WRG 1959 §50 Abs1
RS 3
Auf § 50 Abs. 1 WRG 1959 gegründete Aufträge zu Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten an Kanälen oder künstlichen Gerinnen setzen voraus, dass für eine solche Anlage eine wasserrechtliche Bewilligung vorliegt und die Anlage in Übereinstimmung mit diesem wasserrechtlichen Konsens errichtet wurde; sei es, dass für die Anlage selbst eine eigene wasserrechtliche Bewilligung vorliegt, sei es, dass sie als Nebenanlage iSd. § 50 Abs. 1 WRG 1959 rechtmäßig bestehender Teil einer sonstigen bewilligten Wasseranlage ist (vgl. ).
Normen
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
WRG 1959 §50 Abs1
WRG 1959 §9
RS 4
Ein Werkskanal ist nicht schon deshalb als wasserrechtlich bewilligt anzusehen, weil eine wasserrechtliche Bewilligung für eine Wasserkraftanlage vorliegt, welche ohne den Werkskanal nicht betrieben werde könnte. Denn ohne entsprechende Konkretisierung im Bewilligungsbescheid oder in der diesem zugrundeliegenden Projektbeschreibung wird eine einer eigenen Bewilligung bedürftige Maßnahme nicht schon allein deswegen von der allgemeinen Bewilligung des Vorhabens gleichsam stillschweigend mitumfasst, weil sie zu dessen vollständiger Verwirklichung nötig ist (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/07/0029 B RS 1
Normen
AVG §56
AVG §59 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
WRG 1959 §111
WRG 1959 §138 Abs1 lita
WRG 1959 §50 Abs1
RS 5
Der Umfang der Instandhaltungspflichten nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 ist - etwa auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Instandhaltung von Nebenanlagen im Sinn dieser Bestimmung - auch einer gesonderten Feststellung mit Bescheid zugänglich (vgl. ). Liegt ein solcher Feststellungsbescheid nicht vor und ist hinsichtlich eines (alten) Wasserbenutzungsrechts ein Bewilligungsbescheid, aus dem sich der Konsens ergibt, nicht mehr vorhanden, ist der Versuch zu unternehmen, den wasserrechtlichen Konsens zu rekonstruieren und zu ermitteln, welche Anlagen und Anlagenteile (Nebenanlagen) vom Wasserbenutzungsrecht erfasst werden. Hinsichtlich der erfassten Anlagen (Anlagenteile) besteht die Erhaltungspflicht im Umfang der Gewährleistung jenes Zustandes, der erforderlich ist, um eine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte hintanzuhalten (vgl. ).
Normen
VwGG §42 Abs2 Z1
WRG 1959 §111
WRG 1959 §138 Abs1 lita
WRG 1959 §50 Abs1
RS 6
Die Erhaltungspflicht der Wasserberechtigten einer ein künstliches Gerinne umfassenden Anlage umfasst Uferschutzbauten nicht, die von Eigentümern anrainender Liegenschaften hergestellt wurden. Soweit solchen Bauten eine wasserrechtliche Bewilligung zugrunde liegt, fallen sie in die Erhaltungspflicht der jeweiligen Konsensträger; soweit sie hingegen als eigenmächtige Neuerungen Dritter nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 zu qualifizieren sind, sind sie ebenfalls nicht von den Wasserberechtigten der Anlage zu erhalten (). Das VwG hat mit seiner Ansicht, allein daraus, dass von (irgendeiner) Menschenhand die Zuleitung von Wasser in das Gerinne, an dem sich die Wasserkraftanlage der revisionswerbenden Partei befindet, gesteuert werde, ergebe sich nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 die Instandhaltungspflicht der revisionswerbenden Partei, die Rechtslage verkannt. Es wäre vielmehr eine Auseinandersetzung damit erforderlich, ob das Wasserbenutzungsrecht der revisionswerbenden Partei auch die Befugnis umfasst, die Einleitung des Wassers in das Gerinne zu bestimmen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der S GmbH, vertreten durch die Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-40/001-2021, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt; mitbeteiligte Parteien: 1. H und 2. W, beide vertreten durch die Singer Fössl Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Prinz Eugen-Straße 30), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Der Antrag der mitbeteiligten Parteien auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand im Provisorialverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wurde der revisionswerbenden Partei - im Beschwerdeverfahren - als Wasserberechtigter gemäß § 138 Abs. 1a und 6 iVm § 50 Wasserrechtsgesetz 1959 aufgetragen, aus einem bestimmten Gerinne abgebrochenes Erdreich und Mauerwerk inklusive einem Geotextil binnen drei Tagen zu entfernen und die linksseitige Ufermauer in diesem Bereich auf näher bestimmte Weise bis zu sanieren.

2 2. Ihre außerordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis verband die revisionswerbende Partei mit dem Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

3 Dazu brachte die revisionswerbende Partei vor, ihre Revision sei „ganz sicherlich nicht aussichtslos“; mit Blick auf ein vorgelegtes Gutachten „wäre es grob unbillig, die Revisionswerberin zur Durchführung dieser Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufgaben zu verpflichten“.

4 Im Fall des Vollzuges des angefochtenen Erkenntnisses würde die revisionswerbende Partei „mit unverhältnismäßig hohen Kosten, aber auch mit einem unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand und mit Risiken belegt“, bedenke man etwa, dass „bei nicht ordnungsgemäßer Ausführung durch ein zu beauftragendes Unternehmen möglicherweise Folgehaftungen“ greifen könnten.

5 Auch zufolge der Überprüfung durch den wasserbautechnischen Amtssachverständigen bestehe „kein zwingender Bedarf an einer Sanierung bzw. Neuanlage der linksufrigen Mauer“.

6 3. Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG ist der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

7 4. Soweit im Vorbringen des gegenständlichen Aufschiebungsauftrages die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses in Zweifel gezogen wird, werden damit die Voraussetzungen des für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung allein maßgebenden § 30 Abs. 2 VwGG nicht angesprochen.

8 Mit Blick auf diese Voraussetzungen ist es nach gefestigter hg. Rechtsprechung erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete „unverhältnismäßige Nachteil“ ergibt. In diesem Sinn erfordert die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Kostenbelastung auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der revisionswerbenden Partei. Erst die ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. etwa , oder , AW 2010/07/0019, jeweils mwN).

9 Diesen Anforderungen wird das wiedergegebene Vorbringen der revisionswerbenden Partei zu „unverhältnismäßig hohen Kosten“ und „einem unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand“ ebenso wenig gerecht wie das bloß spekulative Vorbringen zu „möglicherweise“ eintretenden „Folgehaftungen“ (vgl. zum Konkretisierungsgebot betreffend behauptete Schadenersatzforderungen von Dritten etwa ).

10 5. Dem Aufschiebungsantrag war somit schon mangels konkreten Vorbringens zu dem drohenden „unverhältnismäßigen Nachteil“ iSd § 30 Abs. 2 VwGG nicht statt zu geben.

11 Auf Fragen allenfalls entgegenstehender „zwingender öffentlicher Interessen“, welche in der Stellungnahme der belangten Behörde vom , der Stellungnahme der Mitbeteiligten vom sowie in weiteren Schriftsätzen der revisionswerbenden Partei thematisiert werden, kommt es daher nicht an.

12 6. Der Antrag der Mitbeteiligten auf Zuerkennung von Aufwandersatz für die gerade erwähnte, im Provisorialverfahren über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erstattete Stellungnahme ist unzulässig, hat doch gemäß § 47 Abs. 1 VwGG nur eine obsiegende Partei Anspruch auf Aufwandersatz durch die unterlegene Partei. Im vorliegenden Provisorialverfahren gibt es weder eine obsiegende Partei, noch ist für dieses Verfahren in den §§ 47 bis 56 VwGG Aufwandersatz vorgesehen, sodass gemäß § 58 VwGG jede Partei den ihr im Provisorialverfahren erwachsenden Aufwandersatz selbst zu tragen hat (vgl. etwa , mwN).

13 Der Aufwandersatzantrag war somit zurückzuweisen.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der S GmbH in Pöchlarn, vertreten durch die Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-AV-40/001-2021, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt; mitbeteiligte Parteien: 1. H M und 2. W M, beide in E, beide vertreten durch die Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei ist Inhaberin eines im Wasserbuch eingetragenen Wasserbenutzungsrechtes zum Betrieb einer auf ihrem Grundstück Nr. 72/1 KG [...] befindlichen Wasserkraftanlage.

2 Im Herbst 2020 erhielt die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt eine Mitteilung der Stadtgemeinde E., wonach es zu Schäden am von der F. (einem öffentlichen Gewässer) zur Anlage der revisionswerbenden Partei führenden „Umlaufgerinne (Grundstück Nr. 1256 KG [...])“ gekommen sei. Im Bereich des - im Eigentum der mitbeteiligten Parteien stehenden - Grundstückes Nr. 75 KG [...] sei die Uferböschung in einer Länge von 8 m eingebrochen und das Baumaterial in den Lauf des Gerinnes gestürzt. Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt führte zu diesen Schäden Erhebungen unter Beiziehung eines Amtssachverständigen durch.

3 Mit Bescheid vom trug die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt gestützt auf § 138 Abs. 1a und 6 iVm. § 50 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) der revisionswerbenden Partei als Wasserberechtigter auf, binnen näher genannter Fristen insbesondere im Bereich des Grundstücks Nr. 75 aus dem „Umgehungsgerinne (Grundstück Nr. 1256 KG [...])“ abgebrochenes Erdreich und Mauerwerk inklusive einem Geotextil zu entfernen sowie die desolate linksseitige, ca. 8 m lange Ufermauer des Gerinnes zu sanieren.

4 In ihrer Beschwerde gegen diesen Bescheid brachte die revisionswerbende Partei vor, es treffe wohl zu, dass sie Inhaberin des mit ihrem Grundstück verbundenen Wasserrechts sei. Sie sei aber nicht Eigentümerin des im Eigentum des FG stehenden Umgehungsgerinnes (Grundstück Nr. 1256) bzw. der Ufermauern. Das Gerinne bzw. die Ufermauern seien auch nicht im Sinn des § 50 WRG 1959 der auf ihrem Grundstück befindlichen Wasserkraftanlage zuzurechnen. Die schadhafte Ufermauer gehöre zum im Eigentum der mitbeteiligten Parteien stehenden Grundstück Nr. 75.

5 Die mitbeteiligten Parteien brachten vor, sie seien bei Erwerb ihres Grundstückes im Jahr 1975 sowie auch danach keine Verpflichtung zur Erhaltung des Gerinnes bzw. der Ufermauern eingegangen. Das Gerinne sei Bestandteil der auf dem Grundstück der revisionswerbenden Partei befindlichen Wasserbenutzungsanlage und daher auch von der revisionswerbenden Partei zu erhalten.

6 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde der revisionswerbenden Partei unter Setzung einer neuen Leistungsfrist als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

7 Das Verwaltungsgericht stellte fest, im Wasserbuch sei eingetragen, dass das Wasserbenutzungsrecht zum Betrieb der auf dem Grundstück Nr. 72/1 befindlichen Wasserkraftanlage mit dem Eigentum an diesem Grundstück verbunden sei. Die Eigentümerin des Grundstückes Nr. 72/1 sei die revisionswerbende Partei. Von der F. führe auf Grundstück Nr. 1256 ein „Umleitungsgerinne“ zur Kraftwerksanlage der revisionswerbenden Partei. Im Bereich des im Eigentum der mitbeteiligten Parteien stehenden Grundstücks Nr. 75 sei die linksseitige Ufermauer des Gerinnes auf einer Länge von 8 m teilweise abgebrochen, wobei Erdreich sowie Mauerwerk samt einem Geotextil in das Gerinne gelangt seien. Auch an anderen Stellen befänden sich Steine und Erdreich im Bett des Gerinnes. Eine Vereinbarung, aufgrund derer eine dritte Person eine Instandhaltungspflicht hinsichtlich des Umleitungsgerinnes bzw. dessen Mauern treffe, liege nicht vor.

8 Im Zuge seiner Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht aus, das Gerinne sei „offenbar von Menschenhand“ geschaffen worden. Es werde „auch von Menschenhand gesteuert“, wie viel Wasser an der Ausleitungsstelle von der F. in das Gerinne und damit zur Kraftwerksanlage der revisionswerbenden Partei geleitet werde. Darüber hinaus sei in einer Verhandlungsschrift der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom , die als der revisionswerbenden Partei „bekannt angesehen“ werden könne, „festgehalten“ worden, dass das Umlaufgerinne zum Instandhaltungsbereich ihrer Anlage gehöre. Gleiches sei auch einer Wehrbetriebsordnung der Anlage der revisionswerbenden Partei vom Oktober 2013 zu entnehmen.

9 In rechtlicher Hinsicht ergebe sich die Pflicht der revisionswerbenden Partei zur Instandhaltung des Gerinnes samt der Ufermauer ex lege aus § 50 Abs. 1 WRG 1959. Es liege ein „künstliches Gerinne“ im Sinn dieser Bestimmung vor. Für diese Beurteilung sei weniger die Art der Entstehung des Gerinnes als der Umstand entscheidend, dass „von Menschenhand“ gesteuert werde, wie viel Wasser über das Gerinne zur Kraftwerksanlage der revisionswerbenden Partei gelange. Daraus folge eine Pflicht des Nutzungsberechtigten zur Instandhaltung des Gerinnes samt den Ufermauern (Hinweis auf ). Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei komme es nicht darauf an, dass sie nicht Eigentümerin des Grundstücks sei, auf dem sich der beschädigte Teil des Gerinnes befinde.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof brachten die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt und die mitbeteiligten Parteien Revisionsbeantwortungen ein, in denen sie jeweils beantragten, die Revision zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Zur Zulässigkeit der Revision wird zusammengefasst ausgeführt, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts könne aus dem Bestehen des Wasserrechtes der revisionswerbenden Partei noch nicht auf deren Pflicht zur Instandhaltung des Gerinnes geschlossen werden. Es wäre eine Auseinandersetzung damit erforderlich gewesen, ob das vom Verwaltungsgericht als „Umgehungsgerinne“ bezeichnete Gerinne bzw. dessen beeinträchtigte Ufermauern Inhalt des wasserrechtlichen Konsenses ihres Wasserrechtes seien. Tatsächlich handle es sich bei dem Gerinne um den natürlichen, wenn auch regulierten Verlauf der F.

13 Die Revision ist im Ergebnis zulässig und berechtigt.

14 Gemäß § 50 Abs. 1 WRG 1959 haben die Wasserberechtigten, sofern keine rechtsgültigen Verpflichtungen anderer bestehen, ihre Wasserbenutzungsanlagen einschließlich der dazugehörigen Kanäle, künstlichen Gerinne, Wasseransammlungen sowie sonstigen Vorrichtungen in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand und, wenn dieser nicht erweislich ist, derart zu erhalten und zu bedienen, dass keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte stattfindet. Ebenso obliegt den Wasserberechtigten die Instandhaltung der Gewässerstrecken im unmittelbaren Anlagenbereich.

15 Das Ausmaß der gesetzlichen Instandhaltungspflicht in Bezug auf den vom Wasserbenutzungsberechtigten zu gewährleistenden Zustand seiner Anlagen wird im § 50 Abs. 1 WRG 1959 mit jenem Zustand beschrieben, welcher der Bewilligung entspricht, und für den Fall, dass der konsensgemäße Zustand nicht erweislich ist, mit den Worten festgelegt, dass die Anlagen derart zu erhalten (und zu bedienen) sind, dass keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte stattfindet. Steht der konsensmäßige Zustand fest, dann kann sich demnach die Erhaltungspflicht auch nur auf diesen Zustand beziehen. Mit dem Gebot der Hintanhaltung einer Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte umschreibt das Gesetz das Ausmaß der Instandhaltungspflicht der Anlage für den Fall, dass der konsensgemäße Zustand der Anlage nicht mehr feststellbar ist (vgl. ).

16 Die Wasserberechtigten sind nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 verpflichtet, „ihre“ Wasserbenutzungsanlagen samt den dazu gehörigen Nebenanlagen (Kanäle, künstliche Gerinne, Wasseransammlungen sowie sonstige Vorrichtungen) in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand zu erhalten. Es muss sich somit um Wasserbenutzungsanlagen handeln, die den Wasserberechtigten zuzurechnen sind. Aus dem Auftrag, diese Wasserbenutzungsanlagen und die dazu gehörigen Nebenanlagen in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand zu erhalten, ergibt sich, dass eine Anlage insoweit dem Wasserberechtigten zuzurechnen ist, als sie von der Bewilligung erfasst ist (vgl. , mwN).

17 Auf § 50 Abs. 1 WRG 1959 gegründete Aufträge zu Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten an Kanälen oder künstlichen Gerinnen setzen somit voraus, dass für eine solche Anlage eine wasserrechtliche Bewilligung vorliegt und die Anlage in Übereinstimmung mit diesem wasserrechtlichen Konsens errichtet wurde; sei es, dass für die Anlage selbst eine eigene wasserrechtliche Bewilligung vorliegt, sei es, dass sie als Nebenanlage im Sinn des § 50 Abs. 1 WRG 1959 rechtmäßig bestehender Teil einer sonstigen bewilligten Wasseranlage ist (, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung weiters darauf hingewiesen, dass ein Kanal nicht schon deshalb als wasserrechtlich bewilligt anzusehen ist, weil eine wasserrechtliche Bewilligung für eine Wasserkraftanlage vorliegt, welche ohne diese Anlage nicht betrieben werden könnte. Denn ohne entsprechende Konkretisierung im Bewilligungsbescheid oder in der diesem zugrundeliegenden Projektbeschreibung wird eine einer eigenen Bewilligung bedürftige Maßnahme nicht schon allein deswegen von der allgemeinen Bewilligung des Vorhabens gleichsam stillschweigend mitumfasst, weil sie zu dessen vollständiger Verwirklichung nötig ist (vgl. , mwN).

18 Ausgehend davon zeigt die Revision im Ergebnis zutreffend auf, dass im vorliegenden Fall Feststellungen fehlen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob das gegenständliche Gerinne als Nebenanlage (Kanal, künstliches Gerinne) im Sinn des § 50 Abs. 1 WRG 1959 dem Wasserbenutzungsrecht der revisionswerbenden Partei zuzurechnen und daher nach dieser Bestimmung von der Instandhaltungspflicht der revisionswerbenden Partei erfasst ist. Für diese Beurteilung ist - jedenfalls zunächst - der Bewilligungsbescheid maßgeblich. Insoweit hat das Verwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen, ob ein Bewilligungsbescheid hinsichtlich des Wasserbenutzungsrechtes der revisionswerbenden Partei bzw. (gesondert) zu Wasserrechten an dem gegenständlichen Gerinne vorhanden ist. Auch der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt erhält dazu keine Aussage. Im Akt ist kein Bewilligungsbescheid vorzufinden.

19 Der Umfang der Instandhaltungspflichten nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 wäre - etwa auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Instandhaltung von Nebenanlagen im Sinn dieser Bestimmung - auch einer gesonderten Feststellung mit Bescheid zugänglich (vgl. näher ). Das Verwaltungsgericht hat im Zuge seiner Beweiswürdigung ausgeführt, in einer Verhandlungsschrift der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt aus dem Jahr 2013 sei der Instandhaltungsbereich der Anlage der revisionswerbenden Partei „festgehalten“ worden. Darauf, dass ein Feststellungsbescheid erlassen worden wäre, aus dem sich die Instandhaltungspflicht der revisionswerbenden Partei auch hinsichtlich des gegenständlichen Gerinnes ergibt, haben sich jedoch weder das Verwaltungsgericht noch die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt berufen.

20 Liegt ein solcher Feststellungsbescheid nicht vor und ist hinsichtlich eines (alten) Wasserbenutzungsrechts ein Bewilligungsbescheid, aus dem sich der Konsens ergibt, nicht mehr vorhanden, ist der Versuch zu unternehmen, den wasserrechtlichen Konsens zu rekonstruieren und zu ermitteln, welche Anlagen und Anlagenteile (Nebenanlagen) vom Wasserbenutzungsrecht erfasst werden. Hinsichtlich der erfassten Anlagen (Anlagenteile) besteht die Erhaltungspflicht im Umfang der Gewährleistung jenes Zustandes, der erforderlich ist, um eine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte hintanzuhalten (vgl. ).

21 Das vom Verwaltungsgericht zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 93/07/0049, betraf ein altes Wasserbenutzungsrecht, hinsichtlich dessen ein Bewilligungsbescheid nicht (mehr) vorlag. Der Wasserberechtigten (einer Wassergenossenschaft) kam nach diesem Wasserbenutzungsrecht das Recht zu, über eine Wehranlage die Einleitung von Wasser aus der G. in einen Mühlbach zu regeln, der vormals zur Betreibung von Wasserkraftanlagen gedient hatte. Der Verwaltungsgerichtshof hielt fest, dass sich aus dieser Befugnis der Wasserberechtigten die Zugehörigkeit des Mühlbaches zu ihrer Anlage ergebe. Hinsichtlich der Qualifikation dieses Baches als künstliches Gerinne sei noch bedeutsamer als die Art der Entstehung des Gerinnebettes, dass Menschenhand - also die Wasserberechtigte dieses Verfahren - es steuere, ob und wieviel Wasser in dieses Gerinne gelange.

22 Diese Überlegungen könnten für die Qualifikation des gegenständlichen Gerinnes als Nebenanlage (Kanal, bzw. künstliches Gerinne) im Sinn des § 50 Abs. 1 WRG 1959 zum Wasserbenutzungsrecht der revisionswerbenden Partei dann Bedeutung erlangen, sollte - wozu, wie dargelegt, Feststellungen fehlen - ein wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid, aus dem sich der wasserrechtliche Konsens hinsichtlich der Anlage der revisionswerbenden Partei ergibt, nicht mehr vorzufinden bzw. rekonstruierbar sein. Hinsichtlich der Zuordnung des Gerinnes zur Anlage der revisionswerbenden Parteien wären aber insoweit klare und eindeutige Feststellungen zu den Umständen erforderlich, die im Sinn des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs 93/07/0049 eine Zugehörigkeit zum Wasserrecht der revisionswerbenden Partei ermöglichen. Insbesondere wäre eine Auseinandersetzung damit erforderlich, ob das Wasserbenutzungsrecht der revisionswerbenden Partei auch die Befugnis umfasst, die Einleitung des Wassers in das Gerinne zu bestimmen. Der Umstand alleine, dass (irgendeine) „Menschenhand“ den Zufluss regelt, ist für die Zurechnung des Gerinnes zur Anlage der revisionswerbenden Partei dagegen nicht ausreichend.

23 Hingewiesen sei allerdings darauf, dass insoweit auch das Vorhandensein von Wasserberechtigungen Dritter zu prüfen wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis 93/07/0049 nämlich ausgeführt hat, umfasst die Erhaltungspflicht der Wasserberechtigten einer solchen ein künstliches Gerinne umfassenden Anlage Uferschutzbauten nicht, die von Eigentümern anrainender Liegenschaften hergestellt wurden. Soweit solchen Bauten eine wasserrechtliche Bewilligung zugrunde liegt, fallen sie in die Erhaltungspflicht der jeweiligen Konsensträger; soweit sie hingegen als eigenmächtige Neuerungen Dritter nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 zu qualifizieren sind, sind sie ebenfalls nicht von den Wasserberechtigten der Anlage zu erhalten.

24 Das Verwaltungsgericht hat somit mit seiner Ansicht die Rechtslage verkannt, allein daraus, dass von (irgendeiner) Menschenhand die Zuleitung von Wasser in das Gerinne, an dem sich die Wasserkraftanlage der revisionswerbenden Partei befindet, gesteuert werde, ergebe sich nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 die Instandhaltungspflicht der revisionswerbenden Partei.

25 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren auf gesonderten Zuspruch von Umsatzsteuer und eines ERV-Zuschlages hat in der genannten Verordnung keine Deckung und war daher abzuweisen (vgl. etwa , mwN).

Wien, am

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Normen
VwGG §30 Abs2
WRG 1959 §138 Abs1a
WRG 1959 §138 Abs6
WRG 1959 §50
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Wasserrecht Darlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung Begründungspflicht Unverhältnismäßiger Nachteil
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021070027.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAE-88400