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VwGH vom 10.12.2021, Ra 2021/07/0021

VwGH vom 10.12.2021, Ra 2021/07/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Wassergenossenschaft I, vertreten durch die AnwaltGmbH Rinner Teuchtmann in 4040 Linz, Hauptstraße 33, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG-551892/2/BZ/GSc, betreffend Aufsicht über eine Wassergenossenschaft nach dem WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1Die revisionswerbende Wassergenossenschaft wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (in der Folge: BH) vom unter gleichzeitiger Genehmigung der Satzung als freiwillige Genossenschaft im Sinn des § 74 Abs. 1 lit. a Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt. Zweck der Revisionswerberin ist die Entwässerung der einbezogenen Grundstücke ihrer Mitglieder bzw. die Regelung des Grundwasserhaushaltes und die Errichtung, der Betrieb und die Erhaltung der genossenschaftlichen Anlagen.

2In der - in der aktuellen Fassung im Jahr 2004 von der BH genehmigten - Satzung der Revisionswerberin heißt es in §§ 9, 10, 12, 13, 15, 20 und 21 samt Überschriften auszugsweise wörtlich:

„§ 9 Organe der Genossenschaft

1) Die Organe der Genossenschaft sind die Mitgliederversammlung, der Geschäftsführer, der Geschäftsführer-Stellvertreter und die Rechnungsprüfer.

2) Die gewählten Organe üben die in ihren Wirkungskreis fallenden Aufgaben für die Dauer der Funktionsperiode, für die sie gewählt wurden (in der Regel 5 Jahre), aus. Sie haben jedoch die Geschäfte bis zur Neuwahl weiterzuführen.

3) Eine Abwahl ist nach den selben Voraussetzungen die für die Wahl gelten möglich.

§ 10 Stimmrecht, Einberufung und Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung

1) [...]

2) Die Mitgliederversammlung kann durch den Obmann jederzeit einberufen werden. Sie ist einzuberufen, wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen, die Wasserrechtsbehörde es anordnet oder ein Drittel aller Stimmberechtigten es verlangen.

3) Alle Mitglieder sind unter Bekanntgabe der Tagesordnung rechtzeitig und schriftlich einzuladen. Die Wasserrechtsbehörde kann einen Vertreter entsenden. Die Wasserrechtsbehörde ist zumindest von jenen Mitgliederversammlungen zu verständigen, bei denen Wassergenossenschaftsorgane neu gewählt werden sollen oder Satzungsänderungen oder die Auflösung einer Genossenschaft beschlossen werden sollen. [...]

4) bis 10) [...]

§ 12 Wahl des Geschäftsführers und des Geschäftsführer-Stellvertreters

1) Die Mitgliederversammlung wählt aus ihrer Mitte durch einfache Mehrheit aller abgegebenen Stimmen einen Geschäftsführer und Geschäftsführer-Stellvertreter für die Dauer von 5 Jahren.

2) und 5) [...]

§ 13 Wirkungskreis des Geschäftsführers

Dem Geschäftsführer oder bei dessen zeitweiser Verhinderung seinem Stellvertreter obliegt

1) die Vertretung der Genossenschaft nach außen,

2) die Einberufung der Mitgliederversammlung,

3) die Führung des Vorsitzes in der Mitgliederversammlung,

4) bis 16) [...]

§ 15 Wahl der Rechnungsprüfer

1) Die Mitgliederversammlung wählt für die Dauer von 5 Jahren 2 Rechnungsprüfer, mit einfacher Stimmenmehrheit aller abgegebenen Stimmen.

2) und 3) [...]

§ 20 Schlichtung von Streitigkeiten

1) Über Streitigkeiten, die zwischen den Mitgliedern untereinander oder zwischen diesen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstehen, entscheidet ein Schiedsgericht. [...]

2) und 3) [...]

§ 21 Aufsicht über die Genossenschaft, Maßnahmen gegen säumige Genossenschaften (§ 85 Abs. 1 - 4 WRG 1959)

1) Die Aufsicht über die Genossenschaft obliegt der Wasserrechtsbehörde, [...]

2) bis 5) [...]

6) Auf Verlangen der Wasserrechtsbehörde ist jederzeit die Mitgliederversammlung zur Verhandlung der von der Behörde bezeichneten Gegenstände einzuberufen.“

3Mit an die Revisionswerberin adressiertem Bescheid vom sprach die BH aus, dem Geschäftsführer der revisionswerbenden Wassergenossenschaft werde gemäß §§ 77, 78a, 79, 80, 85 und 95 WRG 1959 iVm. der Satzung der Revisionswerberin aufgetragen, bis eine Mitgliederversammlung mit dem Tagesordnungspunkt der Neuwahl der Organe Geschäftsführer, Geschäftsführer-Stellvertreter sowie (zweier) Rechnungsprüfer einzuberufen und eine Abstimmung über diesen Tagesordnungspunkt bei der Mitgliederversammlung durchzuführen, widrigenfalls die BH als Aufsichtsbehörde die Einberufung der Mitgliederversammlung und die Abstimmung bewerkstelligen werde.

4Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und setzte eine neue Frist für die Erfüllung der erteilten Aufträge. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

5Das Verwaltungsgericht stellte fest, Mitglieder der revisionswerbenden Wassergenossenschaft seien - aufgrund ihres Eigentums an den in die Genossenschaft einbezogenen Grundstücken - neun (näher bezeichnete) Personen. Bei einer Mitgliederversammlung am seien aus dem Kreis der Mitglieder FP zum Geschäftsführer und JB zum Geschäftsführer-Stellvertreter gewählt worden. Hinsichtlich der Rechnungsprüfer sei im Protokoll festgehalten worden, dass AA und „G[...]“ gewählt worden seien. Es seien jedoch zwei Mitglieder mit Nachnahmen „G[...]“ anwesend gewesen. Welcher der beiden gewählt worden sei, ergebe sich nicht aus dem Protokoll. Die vom Geschäftsführer als Rechnungsprüferin bezeichnete M G[...] bestreite, dieses Amt übernommen zu haben. Bei der Neuwahl der Organe in einer Mitgliederversammlung am seien FP und JB neuerlich zum Geschäftsführer und Geschäftsführer-Stellvertreter gewählt worden. Eine Wahl von Rechnungsprüfern sei unterblieben. Mit Schreiben vom habe JB gegenüber der BH bekannt gegeben, dass er als Geschäftsführer-Stellvertreter aus gesundheitlichen Gründen zurücktrete.

6Mit Schreiben vom sei der Geschäftsführer von fünf Mitgliedern der Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 2 der Satzung schriftlich aufgefordert worden, ehestens eine Mitgliederversammlung einzuberufen und im Sinn des § 9 Abs. 3 der Satzung die Abwahl des Geschäftsführers sowie die Neuwahl sämtlicher Organe der Revisionswerberin auf die Tagesordnung zu setzen. Dazu sei von ihnen unter anderem mitgeteilt worden, sie fühlten sich vom Geschäftsführer nicht mehr „entsprechend vertreten“. Nachdem der Geschäftsführer dem auch nach Urgenz nicht nachgekommen sei, hätten sich acht Mitglieder der Revisionswerberin - somit alle Mitglieder außer dem Geschäftsführer selbst - mit einem weiterem Schreiben vom an den Geschäftsführer gewandt und ihn neuerlich aufgefordert, eine Mitgliederversammlung zur Neuwahl der Organe der Genossenschaft einzuberufen.

7Der Geschäftsführer der Revisionswerberin habe nach Empfang dieser Schreiben mehrfach zwar Mitgliederversammlungen einberufen, wobei aber jeweils von ihm eine Neuwahl der Organe der Revisionswerberin nicht auf die Tagesordnung gesetzt und nicht durchgeführt worden sei. Nachdem auch eine schriftliche Aufforderung der BH an den Geschäftsführer, eine Mitgliederversammlung zur Neuwahl der Organe einzuberufen und durchzuführen, erfolglos geblieben sei, sei der Bescheid der BH vom ergangen.

8In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht zusammengefasst, die BH als Wasserrechtsbehörde sei gemäß § 85 Abs. 1 WRG 1959 für die Aufsicht über die Wassergenossenschaft bzw. für die Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis zuständig. Hinsichtlich der Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis sei wohl Voraussetzung einer Entscheidung durch die Wasserrechtsbehörde, dass im Sinn des § 77 Abs. 3 lit. i WRG 1959 ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werde, was im vorliegenden Fall nicht geschehen sei. Die Wasserrechtsbehörde könne jedoch nach § 85 Abs. 2 WRG 1959 von Amts wegen eine Wassergenossenschaft, die ihre Aufgaben vernachlässigt habe, dazu verhalten, das Erforderliche zu veranlassen. Als Aufgabe im Sinn dieser Bestimmung sei auch eine satzungsgemäße Tätigkeit zu verstehen, wozu eine den Satzungen entsprechende Besetzung der Organe gehöre. Dem sei die Revisionswerberin nicht nachgekommen, sodass der erteilte Auftrag zu Recht ergangen sei.

9Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

10Unter dem Gesichtspunkt ihrer Zulässigkeit wird in der Revision zusammengefasst geltend gemacht, es fehle vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, wann die Wasserrechtsbehörde zu einem Vorgehen nach § 85 Abs. 2 WRG 1959 berechtigt sei bzw. ob damit auch eine „satzungsgemäße Tätigkeit“ angesprochen werde. Zum Zweiten sei zu klären, ob das Tätigwerden der Wasserrechtsbehörde einen Versuch der Streitschlichtung im Sinn von § 77 Abs. 1 lit. i iVm. § 85 Abs. 1 WRG 1959 vorausgesetzt hätte.

11Die Revision ist aus dem erstgenannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

12Die §§ 77, 78a, 79 und 85 WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/1999, lauten samt Überschriften auszugsweise:

„Satzungen.

§ 77. (1) Die Satzungen haben die Tätigkeit der Wassergenossenschaft zu regeln; [...]

(2) [...]

(3) Die Satzungen haben Bestimmungen zu enthalten über

a)den Namen, Sitz, Zweck und Umfang der Genossenschaft,

b)bis d) [...]

e)die Zusammensetzung, die Wahl, die Beschlußfassung, die Funktionsdauer und den Wirkungskreis der Genossenschaftsorgane,

f)bis h) [...]

i)die Schlichtung der zwischen den Mitgliedern oder zwischen ihnen und der Genossenschaft aus dem Genossenschafsverhältnis entstandenen Streitigkeiten,

k)und l) [...]

(4) bis (6) [...]

(7) Einer Satzung (Satzungsänderung) ist die Genehmigung zu versagen, soweit sie mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Widerspruch steht, oder wenn sie nicht satzungsgemäß zustandegekommen ist. Auf sonstige Mängel kann die Wassergenossenschaft hingewiesen werden.

Genossenschaftsorgane

§ 78a. (1) Genossenschaftsorgane sind insbesondere die Mitgliederversammlung, der Ausschuß, der Obmann, in den Fällen des § 79 Abs. 3 der Geschäftsführer. [...]

(2) [...]

(3) Der Mitgliederversammlung obliegt insbesondere die Beschlußfassung über die Satzungen und den Voranschlag sowie die Wahl des Ausschusses. Für die zur Gültigkeit eines Beschlusses oder einer Wahl erforderliche Stimmenzahl sind die Satzungen maßgebend; falls diese darüber nichts besagen, genügt die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. [...]

(4) Dem Obmann bzw. dessen Stellvertreter obliegt die Vertretung der Genossenschaft nach außen. Darüber hinaus hat die Satzung den weiteren Handlungsbereich festzulegen.

Wahl der Genossenschaftsorgane.

§ 79. (1) Zur Leitung und Besorgung der Genossenschaftsangelegenheiten hat die Mitgliederversammlung aus ihrer Mitte durch einfache Mehrheit aller abgegebenen Stimmen (§ 78 Abs. 7) einen Ausschuß zu wählen. [...]

(2) Sofern die Satzungen nicht eine Direktwahl durch die Mitgliederversammlung vorsehen, hat der Ausschuß aus seiner Mitte durch einfache, nach Köpfen zu berechnende Stimmenmehrheit den Obmann und dessen Stellvertreter zu wählen. [...]

(3) Besteht die Genossenschaft aus weniger als 20 Mitgliedern, so kann an Stelle des Ausschusses ein Geschäftsführer, der die Aufgabe des Ausschusses und des Obmannes in sich vereinigt, mit einem Stellvertreter gewählt werden. [...]

(4) bis (7) [...]

Aufsicht; Maßnahmen gegen säumige Genossenschaften.

§ 85. (1) Die Aufsicht über die Wassergenossenschaften obliegt der zuständigen Wasserrechtsbehörde, die auch über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den wasserrechtlichen Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitfälle zu entscheiden hat, die nicht im Sinne des § 77 Abs. 3 lit. i beigelegt werden. Die Wasserrechtsbehörde ist in Wahrnehmung der Aufsicht berechtigt, die Tätigkeit der Genossenschaft zu überwachen, Einsicht in deren Unterlagen sowie entsprechende Auskünfte zu verlangen und an Versammlungen der Genossenschaftsmitglieder teilzunehmen. Sie hat dabei die Einhaltung dieses Bundesgesetzes durch die Genossenschaft zu überwachen, die Zweckmäßigkeit der Tätigkeit der Genossenschaft sowie deren finanzielle Gebarung nur insoweit, als hiedurch öffentliche Interessen (§§ 50 Abs. 7 sowie 105) berührt werden. Sie kann sich zur Aufsicht über die Genossenschaften geeigneter Personen oder Einrichtungen bedienen; § 120 findet sinngemäß Anwendung.

(2) Eine Genossenschaft, die ihre Aufgaben, insbesondere die ordnungsgemäße Instandhaltung ihrer Anlagen vernachlässigt, kann verhalten werden, innerhalb angemessener Frist das Erforderliche zu veranlassen. Kommt die Genossenschaft diesem Auftrage nicht nach, so kann die Wasserrechtsbehörde nach vorheriger Androhung das Erforderliche auf Gefahr und Kosten der säumigen Genossenschaft bewerkstelligen.

(3) [...]

(4) Wenn und solange Maßnahmen nach den Abs. 2 und 3 nicht ausreichen, um die satzungsgemäße Tätigkeit der Genossenschaft zu gewährleisten, kann die Wasserrechtsbehörde durch Bescheid einen geeigneten Sachwalter bestellen und ihn mit einzelnen oder allen Befugnissen des Ausschusses und Obmannes oder des Geschäftsführers, in besonderen Fällen auch der Mitgliederversammlung, auf Kosten der Genossenschaft betrauen.

(5) [...]“

13Gemäß § 85 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 obliegt die Aufsicht über die Wassergenossenschaften der zuständigen Wasserrechtsbehörde. Die Aufsicht ist grundsätzlich von Amts wegen auszuüben. Ein subjektives Recht auf eine aufsichtsbehördliche Entscheidung besteht nur in solchen Fällen, in denen das Gesetz der Genossenschaft oder einer anderen Person eine Antragslegitimation zuerkennt (vgl. , mwN).

14Ein Ausfluss der in § 85 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 normierten aufsichtsbehördlichen Funktion der Wasserrechtsbehörde ist die Aufgabe, über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den aus wasserrechtlichen Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitfälle zu entscheiden, die nicht durch ein Schlichtungsverfahren im Sinn des § 77 Abs. 3 lit. i WRG 1959 beigelegt werden konnten. Hinsichtlich der Streitigkeiten, die zwischen den Mitgliedern der Wassergenossenschaft oder zwischen ihnen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstanden sind, ist es somit ein negatives Zuständigkeitsmerkmal der Entscheidung der Wasserrechtsbehörde, dass der Streitfall nicht nach § 77 Abs. 3 lit. i WRG 1959 gütlich beigelegt werden konnte. Erst bei Nichtzustandekommen einer internen Schlichtung des von ihm begonnenen Streites steht es einem Genossenschaftsmitglied frei, die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde zu begehren (vgl. zum Ganzen idS , mwN; vgl. zum Begriff der Streitigkeit aus dem Genossenschaftsverhältnis näher nochmals VwGH Ro 2016/07/0014).

15Davon ist die übrige Tätigkeit der Wasserrechtsbehörde nach § 85 WRG 1959 zu unterscheiden (vgl. zur Abgrenzung von außerhalb des Genossenschaftsverhältnisses liegenden, nach § 85 Abs. 1 WRG 1959 von der Aufsichtsbehörde zu entscheidenden Streitfällen ). Die von Amts wegen ausgeübte Aufsicht über die Wassergenossenschaften nach § 85 WRG 1959 betrifft nicht die Schlichtung der zwischen den Mitgliedern oder zwischen ihnen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstandenen Streitigkeiten im Sinn des § 77 Abs. 3 lit. i WRG 1959, sondern die in § 85 WRG 1959 allgemein eingeräumte Kompetenz der Wasserrechtsbehörde, als Aufsichtsbehörde die Tätigkeit der Wassergenossenschaft zu überwachen. Es ist daher nicht zweifelhaft, dass die Wasserrechtsbehörde insoweit nicht verhalten ist, vor ihrem Tätigwerden eine nach § 77 Abs. 3 lit. i WRG 1959 eingerichtete Schlichtungseinrichtung der Wassergenossenschaft anzurufen.

16Im vorliegenden Fall hat sich die BH auf ihre Kompetenz als Aufsichtsbehörde zur amtswegigen Überwachung der Revisionswerberin berufen. Gegenstand des Verfahrens war daher - entgegen der Revision - kein Streitfall, der einem Schlichtungsverfahren nach § 77 Abs. 3 lit. i WRG 1959 zu unterziehen gewesen wäre. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen des aufsichtsbehördlichen Tätigwerdens der BH vorgelegen sind.

17§ 85 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 unterscheidet hinsichtlich der Aufsicht durch die Wasserrechtsbehörde zwischen einerseits der Überwachung der Einhaltung dieses Bundesgesetzes - des WRG 1959 - durch die Wassergenossenschaft und andererseits der Überwachung der Zweckmäßigkeit der Tätigkeit der Genossenschaft sowie deren finanzieller Gebarung.

18Die Aufsicht der Wasserrechtsbehörde erstreckt sich somit zwar auf die gesamte Tätigkeit der Wassergenossenschaft, sie hat jedoch nach der Absicht des Gesetzgebers dem Grundsatz der Autonomie und Selbstverwaltung der Genossenschaft Rechnung zu tragen. Daher ist bei Ermessensentscheidungen der Genossenschaft, wenn kein öffentliches Interesse verletzt ist, in der Regel nur der Verfahrensvorgang und nicht der Inhalt der Entscheidung zu prüfen. Demgemäß normiert § 85 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959, dass von der Wasserrechtsbehörde die Zweckmäßigkeit der Tätigkeit und die finanzielle Gebarung der Genossenschaft nur insoweit zu überwachen sind, als hiedurch öffentliche Interessen berührt werden. Auf diese Weise wird sowohl die genossenschaftliche Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze als auch die Erfüllung der gesetzlichen (bzw. satzungsmäßigen) Aufgaben und Pflichten gesichert (vgl. ; vgl. zur Wiederverlautbarung des WRG 1934 mit BGBl. Nr. 215/1959 die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 594 BlgNr 8. GP 36).

19Anders als hinsichtlich der Kontrolle der Zweckmäßigkeit der Tätigkeit und der finanziellen Gebarung der Wassergenossenschaften ist die Überwachung der Einhaltung des WRG 1959 nach § 85 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 nicht davon abhängig, dass öffentliche Interessen berührt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Aufsicht der Wasserrechtsbehörde insoweit mit der Wasserrechtsnovelle BGBl. I Nr. 155/1999 eine Einschränkung erfahren hat, als nicht mehr allgemein „die Rechtmäßigkeit der Tätigkeit der Genossenschaft“, sondern „die Einhaltung dieses Bundesgesetzes durch die Genossenschaft“ zu überwachen ist. Damit sollte die behördliche Überwachung insoweit auf jene Bereiche eingeschränkt werden, die spezifisch wasserwirtschaftliche Interessen berühren und die Kontrolle der sonstigen Tätigkeit der Wassergenossenschaften weitgehend internen Regelungen (Rechnungsprüfer, Schlichtung, usw.) überlassen bleiben (vgl. ErlRV 1199 BlgNR 20. GP 33; vgl. nochmals VwGH 2002/07/0008).

20Rechtsverletzungen durch die Wassergenossenschaft unterliegen somit immer der Aufsicht durch die Wasserrechtsbehörde, wenn sie eine Verletzung des WRG 1959 darstellen. Zum WRG 1959 gehören auch die darauf gegründeten Verordnungen und Bescheide sowie die - von der Wasserrechtsbehörde auf Grundlage von § 74 Abs. 2, § 77 Abs. 2 oder 5 WRG 1959 genehmigten oder erlassenen - Satzungen der Wassergenossenschaften (vgl. Bumberger/Hinterwirth, WRG § 85 K 4).

21In § 85 Abs. 2 bis 4 WRG 1959 sind Instrumentarien für die Wahrnehmung der Aufsicht durch die Wasserrechtsbehörde vorgesehen. Nach § 85 Abs. 2 WRG 1959 kann eine Genossenschaft, die ihre Aufgaben, insbesondere die ordnungsgemäße Instandhaltung ihrer Anlagen vernachlässigt, verhalten werden, das Erforderliche binnen einer zu setzenden angemessenen Frist zu veranlassen. Widrigenfalls kann die Wasserrechtsbehörde nach vorheriger Androhung selbst das Erforderliche auf Gefahr und Kosten der Wassergenossenschaft bewerkstelligen.

22Die in § 85 Abs. 2 WRG 1959 angesprochenen Aufgaben der Wassergenossenschaften können sich insbesondere unmittelbar aus dem WRG 1959 sowie aus den darauf aufbauenden Verordnungen und Bescheiden sowie den Satzungen der Genossenschaften ergeben (vgl. idS Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht [1993] § 85 Rz 8). Dass der Aufsicht der Wasserrechtsbehörde insbesondere auch die Überwachung obliegt, ob eine Wassergenossenschaft ihren Aufgaben nach ihrer - von der Wasserrechtsbehörde genehmigten oder erlassenen - Satzung nachgekommen ist, ergibt sich auch aus § 85 Abs. 4 WRG 1959, wonach die Wasserrechtsbehörde, wenn Maßnahmen nach den § 85 Abs. 2 und 3 WRG 1959 nicht ausreichen, um die satzungsgemäße Tätigkeit der Genossenschaft zu gewährleisten, einen Sachwalter bestellen und ihn mit einzelnen oder allen Befugnissen von Organen der Genossenschaft betrauen kann.

23Der Genossenschaft obliegt in diesem Sinn als Aufgabe jedenfalls die Verwirklichung ihres in der Satzung zu regelnden (vgl. § 77 Abs. 3 lit. a WRG 1959) Zweckes; dies kann insbesondere die vom Gesetzgeber in § 85 Abs. 2 WRG 1959 genannte Erhaltung der Anlagen der Wassergenossenschaft sein (vgl. § 73 Abs. 1 lit. 3 WRG 1959). Eine Obliegenheit der Wassergenossenschaft, die sich unmittelbar aus dem WRG 1959 ergibt, ist die Konstituierung und Organisation der Genossenschaft in einer dem Gesetz entsprechenden Weise. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Sinn bereits darauf hingewiesen, dass die Wasserrechtsbehörde nach § 85 Abs. 2 WRG 1959 etwa auf die Ergänzung einer Satzung hinzuwirken hat, die hinter den Vorgaben des WRG 1959 zurückgeblieben ist (vgl. ).

24Hinsichtlich der Organe der Wassergenossenschaft sowie deren Wahl enthalten die §§ 77, 78a und 79 WRG 1959 Regelungen, wobei den Satzungen der Wassergenossenschaft hinsichtlich der näheren Ausgestaltung ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wird. Die Besetzung der Genossenschaftsorgane in der im WRG 1959 und - darauf aufbauend - der Satzung vorgesehenen Form durch Willensbildung der Mitglieder ist Voraussetzung für das Funktionieren der Wassergenossenschaften. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass es im Sinn des § 85 Abs. 2 WRG 1959 eine Aufgabe der Genossenschaft darstellt, für eine Wahl bzw. Besetzung ihrer Organe entsprechend den Bestimmungen des WRG 1959 und der auf dieser Grundlage beschlossenen und von der Wasserrechtsbehörde genehmigten Satzung zu sorgen.

25In §§ 9 Abs. 1 und 12 Abs. 1 der Satzung der revisionswerbenden Wassergenossenschaft ist die Wahl eines Geschäftsführers vorgesehen, der im Sinn des § 79 Abs. 3 WRG 1959 nach § 13 der Satzung die Aufgaben des Ausschusses und des Obmanns in sich vereinigt. Der Geschäftsführer sowie der Geschäftsführer-Stellvertreter und zwei Rechnungsprüfer sind nach § 12 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 der Satzung in der Mitgliederversammlung mit einfacher Mehrheit für fünf Jahre zu wählen. Aus § 10 Abs. 3 der Satzung ergibt sich, dass die Wahl neuer Organe vorab auf die Tagesordnung der Mitgliederversammlung zu setzen und von einer solchen Mitgliederversammlung auch die Wasserrechtsbehörde zu verständigen ist.

26Gemäß § 9 Abs. 3 der Satzung steht der Mitgliederversammlung auch eine Abwahl der gewählten Organe unter denselben Voraussetzungen zu, die für die Wahl gelten. Nach § 10 Abs. 2 der Satzung ist die Mitgliederversammlung auch dann einzuberufen, wenn wichtige Gründe hierfür vorliegen, die Wasserrechtsbehörde es anordnet oder ein Drittel aller Stimmberechtigten es verlangen. Zuständig für die Einberufung der Mitgliederversammlung ist nach § 13 Abs. 2 der Satzung der Geschäftsführer; seine Bezeichnung als „Obmann“ in § 10 Abs. 2 der Satzung ist ein Redaktionsversehen.

27Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes wurde den Bestimmungen über die Organe der Wassergenossenschaft zuletzt schon insoweit nicht entsprochen, als eine Wahl von Rechnungsprüfern unterblieben ist. Darüber hinaus wurde von mehr als einem Drittel der Mitglieder der Wassergenossenschaft die Einberufung einer Mitgliederversammlung zum Zweck der Neuwahl aller Organe der Wassergenossenschaft begehrt. Nach § 10 Abs. 2 der Satzung wäre daher - ohne insofern einen Ermessenspielraum einzuräumen - eine Mitgliederversammlung vom Geschäftsführer einzuberufen und im Sinn von § 9 Abs. 3 der Satzung eine Abstimmung über die Abwahl bzw. Neuwahl der Organe auf die Tagesordnung zu setzen und in der Mitgliederversammlung eine Abstimmung über diesen Tagesordnungspunkt durchzuführen gewesen.

28Die BH und diesem folgend das Verwaltungsgericht sind daher zutreffend davon ausgegangen, dass die revisionswerbende Wassergenossenschaft, vertreten durch ihren Geschäftsführer, ihrer Aufgabe, den (zwingenden) Bestimmungen der Satzung über die Willensbildung hinsichtlich der Besetzung ihrer Organe zu entsprechen, nicht nachgekommen ist. Der dazu nach § 85 Abs. 1 und 2 WRG 1959 erteilte Auftrag, eine Mitgliederversammlung zwecks Neuwahl der Organe einzuberufen und eine entsprechende Abstimmung durchzuführen, widrigenfalls die BH die Einberufung und Abstimmung bewerkstelligen werde, erweist sich daher als berechtigt.

29Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021070021.L01

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