VwGH vom 20.08.2013, 2013/22/0100

VwGH vom 20.08.2013, 2013/22/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1/4486/2010, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo, gelangte am in das Bundesgebiet und stellte kurz darauf einen Asylantrag. Das Asylverfahren wurde - nach abweisender erstinstanzlicher Entscheidung und dagegen erhobener Berufung - vom unabhängigen Bundesasylsenat am gemäß § 30 des Asylgesetzes 1997 eingestellt.

Am heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin und erhielt - gestützt auf diese Ehe - am eine Niederlassungsbewilligung "begünstigter DrittSta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG", die einmalig (bis zum ) verlängert wurde.

In den Jahren 2001 bis 2005 wurde der Beschwerdeführer bereits dreimal rechtskräftig gerichtlich verurteilt (davon zweimal wegen Vermögensdelikten). Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom wurde der Beschwerdeführer sodann wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Einbruchsdiebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1, 130 zweiter, dritter und vierter Fall, teilweise 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (als Zusatzstrafe) rechtskräftig verurteilt. Dem Urteil zufolge hat der Beschwerdeführer mit mehreren Mittätern zum einen am 561 Stangen Zigaretten, Vignetten, Fahrkarten und Bargeld im Gesamtwert von über EUR 10.000,-- gestohlen und zum anderen am Zigaretten, Bargeld und andere Gegenstände in einem nicht näher bekannten Gesamtwert zu stehlen versucht.

Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Graz vom wurde der Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt, dass insbesondere auf Grund seiner familiären Bindungen derzeit von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes abgesehen werde. Er wurde jedoch darauf hingewiesen, dass im Fall einer weiteren gerichtlichen Verurteilung die Verfügung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unumgänglich sei.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen (teilweise versuchten) Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127, 129 Z 1, 130 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt. Dem Urteil zufolge hat der Beschwerdeführer zwischen Februar 2007 und Jänner 2009 bei insgesamt drei Gelegenheiten mit verschiedenen Mittätern durch Einbruch in ein Geschäftslokal und (das versuchte) Aufbrechen von Tresoren Bargeld und sonstige Wertgegenstände gestohlen bzw. zu stehlen versucht.

Im Hinblick auf diese Verurteilungen erließ die belangte Behörde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtsvorschriften hielt die belangte Behörde zunächst fest, dass gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer "nicht freizügigkeitsberechtigten" Österreicherin die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur gemäß § 86 Abs. 1 FPG zulässig sei. Der Beschwerdeführer sei als Wiederholungstäter im Bereich der schweren gewerbsmäßigen Eigentumskriminalität in Erscheinung getreten. Auch sei ihm vorzuwerfen, dass sein Inlandsaufenthalt seit als illegal zu qualifizieren sei, wobei er sich dem Zugriff der Behörden für die Dauer von ca. zwei Jahren erfolgreich entzogen habe, indem er sich von der ehelichen Wohnung abgemeldet habe und bis zu seiner Festnahme am im Inland untergetaucht sei. Es sei auch ein starkes Indiz für die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, dass er trotz "Ermahnung bzw. Androhung der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen neuerlich straffällig" geworden sei. Da sich der Beschwerdeführer erst seit nicht mehr in Haft befinde, liege ein maßgebliches Wohlverhalten in Freiheit noch nicht vor. Aus diesem Grund könne auch das vom Beschwerdeführer vorgelegte psychologische Gutachten nicht dazu führen, dass aus fremdenpolizeilicher Sicht von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen sei, weil ein von einem Psychologen festgestellter Gesinnungswandel seine Entsprechung in einem, einen relevanten Zeitraum umfassenden Wohlverhalten finden müsse. Dabei sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Beschwerdeführer von insgesamt vier rechtskräftigen Verurteilungen nicht davon habe abhalten lassen, weitere strafbare Handlungen zu begehen. Die Gefahr neuerlicher gleichgelagerter strafbarer Handlungen sei auch vor dem Hintergrund der schlechten finanziellen Situation und Einkommenslage des Beschwerdeführers gegeben. Die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen gravierender Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft seien somit gegeben.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf die Dauer des Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers, auf die familiären Bindungen zu seiner (die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden) Ehefrau und zu den zwei (im April 2003 bzw. im Jänner 2009 geborenen) gemeinsamen Kindern sowie auf die bevorstehende Geburt eines dritten Kindes (voraussichtlich im Jänner 2011). Ausgehend davon anerkannte sie einen mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Sie fügte allerdings hinzu, dass das Familienleben auf Grund der in Strafhaft verbrachten Zeiten (von bis sowie von bis ) bereits beeinträchtigt gewesen sei. Die letzte geregelte Beschäftigung des Beschwerdeführers sei für die Zeit von Juni 2004 bis Juli 2004 aktenkundig. Im Hinblick auf die wiederholte Straffälligkeit des Beschwerdeführers sei der Eingriff in sein Privat- und Familienleben zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Schutz des Eigentums und Vermögens Dritter und Verhinderung weiterer gleichgelagerter strafbarer Handlungen) aber dringend geboten. Die Ausreise in den Kosovo sei dem Beschwerdeführer zumutbar.

Ausgehend von den zahlreichen, über einen längeren Zeitraum (von 2001 bis 2009) begangenen Straftaten ging die belangte Behörde auch davon aus, dass ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aktuell nicht vorhersehbar sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.

Der Beschwerdeführer ist als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 12 FPG. Die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist daher gemäß § 87 FPG am Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG zu prüfen. Demnach kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass sich die belangte Behörde lediglich auf die (von ihm nicht bestrittenen) strafrechtlichen Verurteilungen gestützt habe, ohne auf spezialpräventive Gründe näher einzugehen. Er vertritt die Auffassung, dass von ihm keine Gefährdung ausgehe, wobei allein die Tatsache, dass er sich geraume Zeit in Haft befunden habe, für ihn Anlass genug sei, keine weiteren strafbaren Handlungen mehr zu begehen.

Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht nur die Verurteilungen des Beschwerdeführers angeführt, sondern auch - zumindest hinsichtlich der hier primär maßgeblichen beiden letzten Verurteilungen - das zugrunde liegende persönliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers dargestellt und ihrer Prognosebeurteilung zugrunde gelegt hat. Die belangte Behörde hat dabei zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer weder durch mehrere gerichtliche Verurteilungen, noch durch die Verbüßung einer ersten Strafhaft in den Jahren 2005 und 2006, noch durch die Androhung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (vgl. zur Bedeutung dieses Umstandes etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0027) davon hat abhalten lassen, erneut einschlägig rückfällig zu werden und wiederum schwere Straftaten im Bereich der Eigentumskriminalität zu begehen. Ebenso durfte die belangte Behörde den Umstand heranziehen, dass die Gefahr neuerlicher Vermögensdelikte auch angesichts der (von ihm nicht bestrittenen) schlechten finanziellen Situation des Beschwerdeführers als nach wie vor aufrecht angesehen werden kann.

Soweit der Beschwerdeführer die unzureichende Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem von ihm vorgelegten psychiatrischen Gutachten moniert, ist ihm zu entgegnen, dass bereits die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen hat, dass ein (bloß) durch ein Gutachten festgestellter Gesinnungswandel, der nicht seine Entsprechung in einem - einen relevanten Zeitraum umfassenden - Wohlverhalten gefunden hat, für den Wegfall der Gefährdungsprognose nicht ausreicht (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0158, mwN). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde den Zeitraum seit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides von etwa einem halben Jahr als zu kurz ansah, um von einem Wegfall oder einer entscheidungswesentlichen Minderung der durch den Beschwerdeführer bewirkten Gefährdung auszugehen. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, allein der Umstand, dass er sich in Haft befunden habe, gewährleiste, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werde, ist darauf zu verweisen, dass er sich auch von der ersten Strafhaft nicht davon hat abhalten lassen, weitere Straftaten zu begehen.

Es ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die Gefährdungsprognose iSd § 86 Abs. 1 FPG bejaht hat.

Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung. Diesbezüglich verweist er auf das Familienleben mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern, wobei Anfang 2011 der voraussichtliche Geburtstermin des dritten Kindes sei, sowie auf den Umstand, dass im Kosovo nur mehr ein Bruder lebe, zu dem er keinen Kontakt habe.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde sowohl die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Inland (seit dem Jahr 2000) als auch die familiären Bindungen zu seiner Ehefrau und zu den gemeinsamen Kindern bei ihrer Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt hat. Allerdings durfte die belangte Behörde auch in Anschlag bringen, dass der Beschwerdeführer nur über eine geringe berufliche Integration (infolge einer Tätigkeit im Jahr 2004) verfügt. Im Hinblick auf die sich über mehrere Jahre erstreckende, im Bereich der schweren Eigentumskriminalität angesiedelte Straffälligkeit des Beschwerdeführers kam die belangte Behörde unter Abwägung der wechselseitigen Interessen in nicht zu beanstandender Weise zum Ergebnis, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten iSd § 66 Abs. 1 FPG sei. Negative Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Bezug auf den Kontakt des Beschwerdeführers zu seinen Angehörigen sind von den Betroffenen im - fallbezogen als hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Anders als der Beschwerdeführer meint war die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auch nicht gehalten, von Amts wegen ein kinderpsychologisches Gutachten über die Auswirkungen der Trennung der minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers von ihrem Vater einzuholen.

Im Ergebnis ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die - wenn auch erheblichen - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich nicht als schwerer wiegend ansah als das gegenläufige öffentliche Interesse an der Verhängung des Aufenthaltsverbotes.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich meint, die belangte Behörde hätte ihn vor Erlassung des angefochtenen Bescheides mit den "entsprechenden Ausführungen" konfrontieren und ihm die Möglichkeit zu replizieren einräumen müssen, ist anzumerken, dass zu rechtlichen Erwägungen kein Parteiengehör mit der Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden muss (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0637, mwN).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am