VwGH vom 20.08.2013, 2013/22/0097
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1/397/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo, reiste am illegal nach Österreich ein und stellte kurz darauf einen Asylantrag. Die erstinstanzliche Abweisung dieses Antrags erwuchs mit der Zurückziehung der dagegen erhobenen Berufung am in Rechtskraft.
Am heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin und beantragte - gestützt auf diese Ehe - die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG", die ihm mit Gültigkeit bis zum erteilt wurde. In weiterer Folge wurden ihm mehrfach Aufenthaltstitel erteilt; zuletzt verfügte er über einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger", gültig von bis .
Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom , rechtskräftig seit , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 2 und 4 erster Fall des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil im Ausmaß von neun Monaten bedingt nachgesehen wurde. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mehreren Mittätern mit Bereicherungsvorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Schlepperfahrten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wissentlich die rechtswidrige Einreise und Durchreise von zwei Fremden gefördert hat, indem er diese mit seinem Pkw von G bis zu ihrem Aufgriffsort in T befördert hat.
Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Schlepperei nach § 114 Abs. 2 und 3 FPG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten rechtskräftig verurteilt. Dem Urteil zufolge hat der Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter mit Bereicherungsvorsatz die rechtswidrige Einreise und Durchreise eines Fremden dadurch gefördert, dass er diesen am in seinem Fahrzeug von T aus nach Deutschland gebracht hat. Das Strafgericht wertete insbesondere den raschen Rückfall des Beschwerdeführers nach seiner ersten Verurteilung als erschwerend.
Im Hinblick auf die dargestellten Verurteilungen und die zugrunde liegenden Straftaten erließ die belangte Behörde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtsvorschriften hielt die belangte Behörde zunächst fest, dass gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer "nicht freizügigkeitsberechtigten" Österreicherin die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 87 FPG zulässig sei. Das dargestellte massive wiederholte Fehlverhalten des Beschwerdeführers stelle eine gravierende Beeinträchtigung des überaus großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Schlepperkriminalität dar. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer binnen kürzester Zeit nach seiner ersten gerichtlichen Verurteilung erneut wegen einer auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Straftat verurteilt worden sei. Im Hinblick auf die Motivation des Beschwerdeführers, sich durch die Begehung dieser kriminellen Handlungen eine äußerst lukrative Einnahmequelle zu schaffen, und angesichts des Umstandes, dass das strafbare Verhalten noch nicht so lange zurückliege, um von einem Wegfall oder auch nur einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr sprechen zu können, stelle der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auch eine aktuelle Gefährdung (iSd § 86 Abs. 1 FPG) dar. Eine positive Zukunftsprognose könne nicht gestellt werden.
Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf den fast siebenjährigen Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers sowie auf die familiäre Bindung zu seiner (über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügenden) Ehefrau und zu deren zwei Töchtern. Weiters habe der Beschwerdeführer kurze Zeit nach seiner Entlassung aus der Strafhaft (im Dezember 2008) seine Beschäftigung wieder aufgenommen. Ausgehend davon sei mit dem Aufenthaltsverbot ein relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Diesen persönlichen Interessen stehe jedoch die aus der Schlepperei resultierende massive Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Hinsichtlich der familiären Bindungen des Beschwerdeführers hielt die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer mit seinen Angehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, weshalb kein "intensives Familienleben" zugrunde zu legen sei. Einschränkungen im Kontakt zu den Angehörigen durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Zu dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seines außerehelichen minderjährigen Sohnes führte die belangte Behörde zunächst aus, dass die dazu erfolgten Abfragen im Zentralen Melderegister nur negative Ergebnisse gezeigt hätten. Dennoch berücksichtigte die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung die Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Sohn, hielt aber fest, dass das Vorhandensein eines minderjährigen Kindes im vorliegenden Fall kein rechtliches Hindernis für eine aufenthaltsbeendende Maßnahme darstelle. Im Ergebnis erachtete die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als zulässig iSd § 66 FPG.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sah die belangte Behörde auch keinen Grund dafür, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des Ermessens Abstand zu nehmen. Abschließend begründete sie noch die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes näher.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.
Gegen den Beschwerdeführer als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihr unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen hat, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass sich die belangte Behörde nur auf die strafrechtlichen Verurteilungen gestützt habe, ohne auf spezialpräventive Gründe näher einzugehen. Es bestünde "keinerlei Grund zur Annahme", dass er in Zukunft wieder straffällig werde.
Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Der Beschwerdeführer weist unstrittig die dargestellten strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Schlepperei auf. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass der Bekämpfung der Schlepperei hinsichtlich des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - auch aus unionsrechtlicher Sicht - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/23/0011, mwN). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde nicht nur diese Verurteilungen angeführt, sondern auch die zugrunde liegenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers dargestellt. Sie hat bei ihrer Gefährdungsprognose zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer auch durch die erste Verurteilung im März 2008 nicht davon hat abhalten lassen, bereits eine Woche danach wiederum eine Straftat im Bereich der Schlepperei zu begehen. Weiters durfte sie berücksichtigen, dass der ersten Verurteilung des Beschwerdeführers eine gewerbsmäßige Begehungsweise zugrunde lag. Ausgehend davon und angesichts des erkennbaren Gewinnstrebens zum Nachteil der geschleppten Personen ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde von einer - auch aktuell noch bestehenden - Gefahr im Sinn des erhöhten Gefährdungsmaßstabes des § 86 Abs. 1 FPG ausging. Da die Straftaten des Beschwerdeführers erst ca. zweieinviertel Jahre zurücklagen und seit der Entlassung aus der Strafhaft lediglich etwas über eineinhalb Jahre vergangen sind, kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Zeit des Wohlverhaltens als zu kurz angesehen hat, um einen Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr anzunehmen.
Was die vom Beschwerdeführer ebenfalls bekämpfte Interessenabwägung nach § 66 FPG anlangt, so ist die belangte Behörde ohnehin davon ausgegangen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstellt. In diesem Zusammenhang hat sie den etwa siebenjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, seine familiäre Bindung zu seiner österreichischen Ehegattin und deren beiden Töchtern sowie seine Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Ungeachtet dessen, dass das im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seinen minderjährigen unehelichen Sohn in keiner Weise näher substantiiert wurde, hat die belangte Behörde auch die Bindung des Beschwerdeführers zu diesem Kind in ihre Interessenabwägung mit einbezogen. Sie durfte aber ebenso berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer - und dies wird in der Beschwerde auch nicht bestritten - mit keinem seiner Angehörigen im gemeinsamen Haushalt lebt. Dass der Beschwerdeführer zu seinem minderjährigen Sohn - ungeachtet des Fehlens eines gemeinsamen Haushaltes - eine enge persönliche Bindung habe bzw. der Sohn auf die Pflege und Obsorge durch den Beschwerdeführer angewiesen sei, wird in der Beschwerde nicht substantiiert dargelegt. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers stellte die belangte Behörde das besonders große öffentliche Interesse an der Unterbindung der Schlepperkriminalität gegenüber (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0192, mwN). Dass sie im Ergebnis kein Überwiegen der Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme erkannt hat, ist nicht zu beanstanden. Allfällige mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Einschränkungen im Kontakt des Beschwerdeführers zu seinen Angehörigen sind von den Betroffenen im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.
Ausgehend davon war die belangte Behörde - anders als der Beschwerdeführer meint - auch nicht gehalten, von Amts wegen ein kinderpsychologisches Gutachten im Zusammenhang mit der Bindung des Beschwerdeführers zu seinem minderjährigen Sohn einzuholen, zumal der Beschwerdeführer diesbezüglich - wie bereits dargelegt - auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet hat. Dem weiteren Vorwurf, der belangten Behörde sei durch die "Nichtberücksichtigung der entsprechenden Angaben" eine antizipierende Beweiswürdigung anzulasten, fehlt es an einer entsprechenden Relevanzdarstellung.
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung bestand auch keine Verpflichtung, den Beschwerdeführer niederschriftlich zu vernehmen, um sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. In fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion besteht nämlich kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0398, mwN). Dem Beschwerdeführer wurde auch ausreichend Gelegenheit eingeräumt, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des ausdrücklich Begehrten - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am