VwGH vom 12.05.2022, Ra 2021/05/0161

VwGH vom 12.05.2022, Ra 2021/05/0161

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der Oberösterreichischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-152918/10/KHu, betreffend baupolizeiliche Aufträge (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde H; mitbeteiligte Partei: A P in H), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung (sohin hinsichtlich jenes Teils seines Spruchpunktes I., mit dem der Entfall der Benützungsuntersagung hinsichtlich des „windfangähnlichen Vorbaus in Holzbauweise an der nordseitigen Außenwand des Wohnhauses mit Außenabmessungen von rund 1,35 m x 1,45 m“ ausgesprochen wurde) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Mitbeteiligten gemäß § 49 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) die Beseitigung der auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG A. errichteten baulichen Anlagen „Vorbau beim Wohnhaus“ sowie „Hütte“ aufgetragen und die Benützung dieser baulichen Anlagen gemäß § 50 Oö. BauO 1994 untersagt.

2Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der dagegen erhobenen Beschwerde teilweise stattgegeben und in Spruchpunkt I. der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, sodass dieser zu lauten habe:

„Gemäß § 49 Abs. 1 Oö. BauO 1994 wird Ihnen aufgetragen, binnen vier Monaten folgende bauliche Anlagen auf dem Grundstück Nr. [...] der EZ [...], KG A, zu beseitigen und den vorigen Zustand wiederherzustellen:

1.Der windfangähnliche Vorbau aus Holzbauweise an der nordseitigen Außenwand des Wohnhauses mit Außenabmessungen von rund 1,35 x 1,45 m und

2.die Hütte in Holzbauweise im nordöstlichen Bereich des Grundstückes mit Abmessungen von rund 7,10 x 2,10 m“.

Weiters sprach das Verwaltungsgericht in Spruchpunkt I. aus, dass die Benützungsuntersagung gemäß § 50 Oö. BauO 1994 entfalle. Es erklärte in Spruchpunkt II. die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig.

3In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht in Bestätigung der beiden Beseitigungsaufträge aus, dass der Zubau zum Wohngebäude nicht bloß anzeigepflichtig, sondern bewilligungspflichtig gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 sei; eine Bewilligung liege jedoch nicht vor. Die Hütte sei gemäß § 25 Abs. 1 Z 9 Oö. BauO 1994 anzeigepflichtig. Eine wirksame Bauanzeige liege aus näher genannten Gründen nicht vor. Die Mitbeteiligte sei weder Landwirtin noch Forstwirtin, das verfahrensgegenständliche Grundstück sei im aktuellen Flächenwidmungsplan als Grünland ausgewiesen. Gemäß § 30 Abs. 5 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 dürften im Grünland nur jene baulichen Anlagen errichtet werden, die erforderlich seien, um dieses bestimmungsgemäß zu benützen. Das Hauptgebäude sei ein im Grünland errichtetes Wohngebäude und zu keinem Zeitpunkt ein landwirtschaftliches Gebäude oder Teil einer Landwirtschaft gewesen. Der windfangähnliche Zubau stehe im Zusammenhang mit der Wohnnutzung des Wohnhauses, die Hütte diene primär der Lagerung von Heizmaterial und in geringerem Ausmaß der Lagerung von Werkzeugen. Die beiden Anlagen seien in ihrer jetzigen Form nicht für die bestimmungsgemäße Benützung des Grünlandes erforderlich. Die Beseitigungsaufträge gemäß § 49 Oö. BauO 1994 seien zu Recht ergangen, jedoch sei der Spruch zu präzisieren und wiederum eine angemessene Frist zu setzen gewesen.

4Hinsichtlich des Entfalls der Benützungsuntersagung führte das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Begründung aus, dass eine Benützungsuntersagung gemäß § 50 Abs. 1 iVm Abs. 3 Oö. BauO 1994 dem Eigentümer eine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend Benützung auftrage. Wenn eine bauliche Anlage konsenslos oder ohne wirksame Bauanzeige errichtet worden sei, könne keine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Benützung aufgetragen werden, weil eine solche faktisch nicht in Betracht komme. Mit einer Benützungsuntersagung gemäß § 50 Abs. 2 iVm Abs. 4 Oö. BauO 1994 könne sichergestellt werden, dass eine bauliche Anlage, für die eine Benützungsbewilligung erteilt worden sei, nur entsprechend dieser Bewilligung benützt werde. Diese Untersagung setze ebenfalls die Erteilung einer Baubewilligung voraus, dies liege nicht vor. Der Gesetzeswortlaut zeige auch, dass die Bestimmung für bloß bauanzeigepflichtige Bauwerke nicht gelte. Zudem verweise § 25a Abs. 5 Z 2 Oö. BauO 1994 nicht auf diese Bestimmung. Ebenso könne aus anderen bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen keine Benützungsuntersagung abgeleitet werden. Auch wenn ab eine Benützungsuntersagung für „derartige Konstellationen“ gemäß § 50 Abs. 6 iVm § 25a Abs. 5 Z 2 Oö. BauO 1994 idF LGBl. Nr. 55/2021, gesetzlich explizit vorgesehen sei, ändere dies nichts daran, dass für konsenslose bzw. ohne wirksame Bauanzeige errichtete Anlagen kein gesetzlich eingeräumtes Benützungsrecht nach der Oö. BauO 1994 vorliegen könne. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts fehle es der im Entscheidungszeitpunkt gültigen Oö. BauO 1994 an einer Rechtsgrundlage für eine Benützungsuntersagung bei einem konsenslosen Bau. Es sei im Ergebnis nur mit einem Beseitigungsauftrag vorzugehen.

5Ausdrücklich nur gegen den Entfall der Untersagung der Benützung des konsenslos errichteten windfangähnlichen Zubaus zum Wohnhaus richtet sich die vorliegende, auf Art. 133 Abs. 8 B-VG in Verbindung mit § 14 Oö. LVwGG gestützte, außerordentliche Amtsrevision der Oberösterreichischen Landesregierung mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, dass das Verwaltungsgericht von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit einer Benützungsuntersagung nach der Oö. BauO 1994 bei (bewilligungspflichtigen) Schwarzbauten (Hinweis auf ; , Ra 2021/05/0037) abgewichen sei. Die Revision beantragt die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, „bezogen auf jenen Spruchteil, der sich auf die Benützungsuntersagung des bewilligungspflichtigen konsenslosen ‚Vorbaus beim Wohnhaus‘“ beziehe.

6Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Revision Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7Die Revision ist zulässig und begründet.

8Der Verwaltungsgerichtshof hat - worauf die Amtsrevisionswerberin zutreffend verweist - zur Oö. BauO 1994 bereits ausgesprochen, dass in dem Fall, in dem eine bauliche Anlage, deren Fertigstellung nach § 42 oder § 43 leg. cit. anzuzeigen ist, ohne Baubewilligung errichtet wurde, Aufträge gemäß § 44 Abs. 2 Z 1 und § 49 Abs. 1 leg. cit. zu ergehen haben (vgl. , und , Ra 2021/05/0037). Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses zu Ra 2019/05/0327 verwiesen. Ob für den gegenständlichen Vorbau eine Fertigstellungsanzeige nach § 42 oder § 43 Oö. BauO 1994 zu ergehen hätte, ist fallbezogen nicht entscheidungsrelevant, da in beiden Fällen § 44 Abs. 2 Z 1 leg. cit. eine Rechtsgrundlage für die Benützungsuntersagung bildet.

9Insoweit das Verwaltungsgericht daher in seiner Entscheidung die Benützungsuntersagung im angefochtenen Umfang ersatzlos entfallen ließ und dies damit begründete, dass die Oö. BauO 1994 keine Rechtsgrundlage für eine derartige Benützungsuntersagung im Falle konsenslos errichteter baulicher Anlagen enthielte, hat es die Rechtslage verkannt und seine Entscheidung in diesem Umfang mit Rechtwidrigkeit ihres Inhaltes belastet, weshalb diese im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021050161.L00
Schlagworte:
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

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