VwGH vom 26.06.2012, 2011/11/0148

VwGH vom 26.06.2012, 2011/11/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der LR in L, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 11, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-44140/0008-IV/7/2009, betreffend Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung eines begünstigten Behinderten (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Partei: L AG in L, vertreten durch Dr. Alfred Hawel, Dr. Ernst Eypeltauer, Dr. Thomas Prammer und MMag. Arnold Gigleitner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Lederergasse 18), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde über Antrag der mitbeteiligten Partei die Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) erteilt.

Begründend wurde ausgeführt, die 1955 geborene Beschwerdeführerin sei seit bei der mitbeteiligten Partei (als Köchin) beschäftigt und gehöre aufgrund des Bescheides des Bundessozialamtes, Landesstelle Oberösterreich, vom seit mit einem Grad von 60 v.H. dem Kreis der begünstigten Behinderten an.

Zwar habe es keine Beanstandungen hinsichtlich der Arbeitsleistungen der Beschwerdeführerin gegeben, jedoch sei seit einigen Jahren die Zusammenarbeit mit ihr problematisch. Seitdem sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehöre, habe sich das Arbeitsklima signifikant verschlechtert. Die Beschwerdeführerin trete ihren Vorgesetzten und Arbeitskollegen verbal aggressiv gegenüber, verbreite Unwahrheiten und gestehe von ihr gemachte Fehler nicht ein. Außerdem sei sie ständig der Ansicht, es werde über sie gesprochen, sobald sich mehrere Mitarbeiter miteinander unterhielten. Dadurch habe sich das Betriebsklima in der Werksküche massiv verschlechtert, ein konfliktfreier Umgang sei nicht mehr möglich.

Seitens der mitbeteiligten Partei sei eine "stichwortartige Zusammenstellung aus den Unterlagen des Personalaktes" der Beschwerdeführerin betreffend diverse Gespräche mit dem Ziel der Konfliktlösung vorgelegt worden. Am und am seien mit der Beschwerdeführerin, ihren Vorgesetzten sowie Arbeitskollegen drei Konflikts- und Mediationssitzungen durch eingetragene Mediatoren abgehalten worden. Das Mediationsverfahren sei jedoch beendet worden, "weil die teilnehmenden Personen jede weitere Zusammenarbeit mit der (Beschwerdeführerin) ablehnten".

Durch diese Maßnahmen und die "laufenden Gespräche", welche mit der Beschwerdeführerin bezüglich ihres Verhaltens geführt worden seien, "musste der Beschwerdeführerin der Ernst der Lage erkennbar gewesen sein, nämlich, dass bei keiner Änderung ihrer Umgangsformen die (mitbeteiligte Partei) arbeitsrechtliche Schritte setzen würde".

Eine Besserung der Situation sei jedoch nicht eingetreten. Nachdem die weitere Zusammenarbeit von den Arbeitskollegen abgelehnt worden sei, sei die Beschwerdeführerin mit vom Dienst freigestellt worden. Die Weiterbeschäftigung an einem Ersatzarbeitsplatz in der Hausmeisterei habe die Beschwerdeführerin abgelehnt. Neun von fünfzehn befragten Arbeitskollegen hätten eine weitere Zusammenarbeit mit der Beschwerdeführerin ausgeschlossen.

Da nach dem festgestellten Sachverhalt eine weitere Zusammenarbeit mit der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Verhaltens aus Gründen der Arbeitsdisziplin somit nicht mehr möglich sei, habe die Interessensabwägung zu ihren Lasten vorgenommen werden müssen. Der mitbeteiligten Partei könne daher "die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wegen beharrlicher Pflichtverletzung der (Beschwerdeführerin) nicht mehr zugemutet werden (§ 8 Abs. 4 lit. c BEinstG)".

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde sowie Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei über die Beschwerde erwogen:

1.1. Mit Erkenntnis vom , G 80/10-12 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof den jeweils auf Art. 140 Abs. 1 B-VG gestützten Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes, "den durch die Novelle BGBl. Nr. 313/1992 eingefügten § 19a Abs. 2a erster Satz des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in eventu § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1999, als verfassungswidrig aufzuheben", keine Folge gegeben.

1.2. Zur maßgebenden Rechtslage und den Anforderungen an eine Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten nach § 8 Abs. 2 BEinstG wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0142, mwN, verwiesen.

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf § 8 Abs. 4 lit. c BEinstG; dieser Tatbestand sei erfüllt, weil der mitbeteiligten Partei die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wegen beharrlicher Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin nicht mehr zugemutet werden könne.

2.2. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 4 lit. c BEinstG müssen die auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt worden sein. Der Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtverletzung setzt dabei allerdings in der Regel eine Ermahnung des Arbeitnehmers voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0147, mwN).

Der angefochtene Bescheid lässt genaue Feststellungen über das Verhalten der Beschwerdeführerin und ihre konkreten Äußerungen gegenüber den Mitarbeitern vermissen, sodass schon aus diesem Grund die Beurteilung der belangten Behörde, es liege eine beharrliche Dienstpflichtverletzung vor, nicht nachvollziehbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/11/0034).

Anhaltspunkte dafür, dass die vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen eine derartige Schwere aufwiesen, dass vom Erfordernis einer vorherigen Ermahnung abgesehen werden könnte (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 2011/11/0147, mwN), ergeben sich überdies weder aus dem Akteninhalt, noch wurde derartiges von der mitbeteiligten Partei behauptet. Am Erfordernis einer Ermahnung ändert somit auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführerin aufgrund der Mediationsversuche und "laufenden Gespräche" nach Ansicht der belangten Behörde "der Ernst der Lage erkennbar gewesen sein (musste), nämlich, dass bei keiner Änderung ihrer Umgangsformen die (mitbeteiligte Partei) arbeitsrechtliche Schritte setzen würde".

Dass der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Verhaltens - etwa auch anlässlich der Konfliktlösungsversuche - jemals eine Ermahnung oder Verwarnung erteilt worden wäre, ergibt sich weder aus den Feststellungen im angefochtenen Bescheid noch aus dem Akteninhalt. Aus den Aussagen der Parteien und Zeugen entsteht vielmehr der Eindruck, die Gespräche seien lediglich zur Erörterung der sowohl von der Beschwerdeführerin als auch ihren Arbeitskollegen getätigten Behauptungen und gegenseitigen Anschuldigungen geführt worden.

3. Da die belangte Behörde somit verkannte, dass der Kündigung der Beschwerdeführerin eine Ermahnung hätte vorangehen müssen, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am