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VwGH vom 29.05.2013, 2013/22/0089

VwGH vom 29.05.2013, 2013/22/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/4620/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde im November 2008 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes im Instanzenzug rechtskräftig abgewiesen. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom abgelehnt.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus. Begründend hielt sie zunächst fest, dass sich der Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen negativen Abschluss seines Asylverfahrens rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte (wobei die belangte Behörde diesbezüglich den als maßgeblich erachtete).

Die belangte Behörde bezog in ihre Interessenabwägung nach § 66 FPG ein, dass sich der Beschwerdeführer seit etwas über acht Jahren in Österreich aufhalte, dass er seit April 2009 das Gewerbe der Güterbeförderung betreibe und somit selbsterhaltungsfähig sei, dass er mehrere Deutschkurse absolviert habe und Mitglied einer Kirchengemeinschaft sei. Es sei ihm eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen, weshalb durch die Ausweisung in erheblicher Weise in sein "Privat- und Familienleben" eingegriffen werde. Allerdings habe der Beschwerdeführer seine Bindungen während eines Zeitraumes geschaffen, in dem er nicht damit habe rechnen dürfen, dauerhaft in Österreich verbleiben zu können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sein Asylantrag in erster Instanz bereits mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen worden sei. Daher relativiere sich sowohl seine berufliche als auch seine - durch die Vorlage von Unterstützungserklärungen belegte - soziale Integration. Zudem ging die belangte Behörde auf Grund des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers davon aus, dass seine - dem erstinstanzlichen Bescheid noch zugrunde gelegte -

Lebensgemeinschaft (mit einer Asylwerberin) nicht mehr fortbestehe. Der Beschwerdeführer habe den überwiegenden Teil seines Lebens in Nigeria verbracht, er habe dort die Schule absolviert und bereits gearbeitet. Eine Reintegration erscheine somit zumutbar.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers hielt die belangte Behörde entgegen, dass den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten ein hoher Stellenwert zukomme und die öffentliche Ordnung schwerwiegend beeinträchtigt werde, wenn ein Fremder nach Abschluss seines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlasse. Das dem Beschwerdeführer, der sich seit knapp einem Jahr illegal in Österreich aufhalte, vorwerfbare Fehlverhalten würde im Verhältnis zu der von ihm geltend gemachten Integration überwiegen. Schließlich seien auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Ermessensübung zu seinen Gunsten begründen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) Bezug genommen, so handelt es sich dabei - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - jeweils um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 dieser Gesetze.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird nicht bestritten, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig negativ beendet wurde. Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG beim Beschwerdeführer vorläge. Die behördliche Annahme, der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei verwirklicht, trifft daher zu.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0204, mwN).

Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf seinen langjährigen Aufenthalt in Österreich, seine Selbsterhaltungsfähigkeit, den Besuch mehrerer Deutschkurse, seine Mitgliedschaft bei einer Kirchengemeinde und die vorgelegten (Unterstützungs )Schreiben bzw. Unterschriftenlisten.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde diese Umstände ihrer Interessenabwägung ohnehin zugrunde gelegt und auch entsprechend berücksichtigt hat. Sie durfte aber auch in Anschlag bringen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages mit Bescheid des Bundesasylamtes vom im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung seines Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthaltsstatus iSd § 66 Abs. 2 Z 8 FPG ausgehen musste. Da der Beschwerdeführer keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen, konnte das durch die soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht als gemindert angesehen werden (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2011/23/0204). Dies gilt auch für die berufliche Integration des Beschwerdeführers, zumal er seine selbständige Erwerbstätigkeit erst im April 2009 aufgenommen hat.

Zwar hat die bei der Interessenabwägung vorzunehmende Relativierung der während unsicheren Aufenthaltes erworbenen Integration vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass ihr überhaupt kein Gewicht beizumessen ist und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (vgl. wiederum das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2011/23/0204, mwN). Allerdings musste die belangte Behörde aus den genannten Umständen noch nicht ableiten, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unverhältnismäßig sei. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die geltend gemachten Aspekte nur das Privat- und nicht auch das Familienleben des Beschwerdeführers betreffen (der behördlichen Annahme, dass die vormalige Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr bestanden habe, wird in der Beschwerde nicht entgegengetreten). Auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer (von etwas über acht Jahren) stellen sich die Bindungen des Beschwerdeführers nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Zudem tritt der Beschwerdeführer der behördlichen Auffassung, dass ihm eine Bindung zu seiner Heimat nicht abgesprochen werden könne bzw. eine Reintegration zumutbar erscheine, nicht entgegen.

Im vorliegenden Fall ist es somit im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher einschätzte als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung seines seit November 2008 unrechtmäßigen Inlandsaufenthaltes.

Der Beschwerdeführer macht darüber hinaus geltend, dass er die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG erfülle und eine Ausweisung deshalb "nicht dringend geboten" sei. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Frage des Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen "Altfalls" iSd § 44 Abs. 4 NAG nicht im Rahmen des § 66 FPG zu prüfen ist. Aber auch unter dem Gesichtspunkt des Ermessens besteht keine Pflicht, mit der Ausweisung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG zuzuwarten; an dieser Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof nach der am in Kraft getretenen Novellierung des NAG durch das FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122, im Ergebnis festgehalten (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0214, mwN). Ergänzend kann dabei auf § 44 Abs. 5 NAG verwiesen werden, wonach ungeachtet eines Antrages nach § 44 Abs. 4 NAG (nur) dann mit der Durchführung der eine Ausweisung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten ist, wenn

1. das Ausweisungsverfahren erst nach einer Antragstellung gemäß § 44 Abs. 4 NAG eingeleitet wurde und 2. die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 44 Abs. 4 NAG wahrscheinlich ist. Der Gesetzgeber geht daher geradezu davon aus, dass eine Ausweisung trotz anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs. 4 NAG (ein solches Verfahren ist im vorliegenden Fall aber nicht einmal anhängig) ausgesprochen wird, wobei erst in der Phase des Vollzugs derselben eine Rücksichtnahme auf allfällige Erfolgsaussichten des niederlassungsrechtlichen Antrages erfolgen soll.

In der Beschwerde werden schließlich auch sonst keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-88353