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VwGH vom 09.09.2013, 2013/22/0087

VwGH vom 09.09.2013, 2013/22/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/17861/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger, reiste am mit seiner Mutter und seiner Schwester in das Bundesgebiet ein und stellte kurz darauf einen Asylantrag.

Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Die Verurteilung erfolgte, weil der Beschwerdeführer im Februar 2003 als Mittäter versucht hatte, einer unbekannten Frau Bargeld und weitere verwertbare Gegenstände zu stehlen. Weiters hatte er einen Dritten durch Schläge und Fußtritte vorsätzlich am Körper verletzt.

Mit Urteil des Landesgerichts N vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB, des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 2 Z 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Unter einem wurde die mit dem Urteil vom gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Die Verurteilung erfolgte, weil der Beschwerdeführer im Juni 2003 mit drei Mittätern mehreren Personen gewerbsmäßig Wertgegenstände gestohlen bzw. versucht hatte, diese zu stehlen. Weiters hatte er versucht, eine Sicherheitswachebeamtin an seiner Festnahme zu hindern, und ihr dabei einen Bänderriss am rechten Knöchel zugefügt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom wurde gegen den Beschwerdeführer auf Grund der genannten Verurteilungen ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Mit Erkenntnis vom , Zl. 2004/21/0216, wies der Verwaltungsgerichtshof die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Dieses Aufenthaltsverbot gilt gemäß der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) als Rückkehrverbot, weil die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes bei Inkrafttreten des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100, am noch nicht abgelaufen und der Beschwerdeführer am Asylwerber war.

Bereits zuvor war der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130 erster Fall StGB und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden, weil er am mit einem Mittäter einer Dritten gewerbsmäßig eine Geldbörse mit EUR 1.050,-- Bargeld weggenommen und die darin befindliche Bankomatkarte unterdrückt hatte. Unter einem war die mit Entschließung des Bundespräsidenten vom gewährte bedingte Entlassung (betreffend die mit Urteilen vom und vom verhängten Freiheitsstrafen) widerrufen worden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Mit Beschluss vom lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde, welcher die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung wies die belangte Behörde - nach Darstellung der angeführten strafgerichtlichen Verurteilungen und dem jeweils zugrunde liegenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers - zunächst darauf hin, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus mit Urteil des Bezirksgerichts B vom wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt worden sei, weil er am versucht habe, einem Unternehmen ein Parfum im Wert von EUR 78,45 zu stehlen.

Weiters hielt die belangte Behörde fest, dass sich der Beschwerdeführer seit dem (seit der Ablehnung der Beschwerdebehandlung im Asylverfahren durch den Verwaltungsgerichtshof) unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG daher zulässig sei.

In Ansehung der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde darauf, dass der - seit fast neun Jahren im Bundesgebiet aufhältige - Beschwerdeführer am eine georgische Staatsangehörige geheiratet habe; am sei die gemeinsame Tochter, ebenfalls georgische Staatsangehörige, geboren worden; beiden sei der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer wohne mit seiner Ehefrau, seiner Tochter und seiner Schwester im gemeinsamen Haushalt in P. Es sei aber für den Beschwerdeführer nachteilig zu gewichten, dass er erst nach der Ablehnung der Beschwerdebehandlung im Asylverfahren durch den Verwaltungsgerichtshof, nämlich im Oktober 2009, geheiratet und einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau begründet habe.

Seine Mutter, die im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Lebensgefährten, einem österreichischen Staatsbürger, in A. lebe, und seine Schwester befänden sich seit der rechtskräftig negativen Erledigung ihrer Asylanträge und der Ablehnung der Behandlung ihrer Beschwerden durch den Verwaltungsgerichtshof am illegal im Bundesgebiet. Gegen sie werde von der erstinstanzlichen Behörde ein Ausweisungsverfahren eingeleitet werden. Die Ausweisung des Beschwerdeführers würde somit hinsichtlich seiner Mutter und seiner Schwester nicht in sein Familienleben eingreifen, weil diese mit ihm gemeinsam das Bundesgebiet verlassen würden.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine lange Aufenthaltsdauer in Österreich nur durch einen unbegründeten Asylerstreckungsantrag und danach durch einen illegalen Verbleib im Bundesgebiet erreicht habe, und die gehäufte strafrechtliche Delinquenz seien bei der Interessenabwägung zu seinem Nachteil zu gewichten. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer trotz Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erneut im Bereich der Eigentumskriminalität straffällig geworden sei, stelle ein besonders starkes Indiz dafür dar, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Das letzte Vergehen habe er erst im Februar 2008 begangen. Sein Wohlverhalten sei auf Grund der Schwere und der Häufigkeit seiner Delinquenz sowie des teilweise raschen Rückfalls zu kurz, um bei der Interessenabwägung seine Straftaten nicht für ihn negativ zu gewichten. Der Beschwerdeführer sei während seines Aufenthaltes in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Dem Akteninhalt sei nicht zu entnehmen, dass er eine Deutschprüfung abgelegt habe.

Nach Auffassung der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer kein derart stark ausgeprägtes persönliches Interesse an einem weiteren Verbleib in Österreich, dass ausnahmsweise akzeptiert werden müsse, dass er mit seinem Verhalten im Ergebnis versuche, vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Ausweisung sei somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Im Hinblick auf die gehäufte Delinquenz auf Grund der gleichen schädlichen Neigung müsse die Trennung von seiner Familie in Kauf genommen werden. Es seien darüber hinaus keine Umstände ersichtlich, die für eine Ermessensübung zu seinen Gunsten sprechen würden.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom , B 1532/10-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel und auch sonst über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG in Österreich verfügt. Die behördliche Annahme, der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei verwirklicht, ist daher zutreffend.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/23/0006, mwN).

Unter diesen Gesichtspunkten wird in der Beschwerde u.a. darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau und seinem minderjährigen Kind im gemeinsamen Haushalt lebe und diesen Familienangehörigen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei.

Dazu ist zunächst anzumerken, dass die belangte Behörde die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau und zu seiner Tochter ihrer Interessenabwägung zugrunde gelegt hat. Sie durfte aber auch berücksichtigen, dass die Bindungen zu einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem sich der Beschwerdeführer - angesichts der bereits im Juni 2006 im Instanzenzug erfolgten Abweisung seines Asylantrages durch den unabhängigen Bundesasylsenat - seines unsicheren Aufenthaltes bewusst war. Das daraus resultierende Interesse an einem Verbleib in Österreich konnte daher als in seinem Gewicht gemindert angesehen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348). Dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Österreich - wie von der belangten Behörde zugrunde gelegt - keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, wird in der Beschwerde nicht bestritten.

Den - sich aus den familiären Bindungen und der Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet von ca. achteinhalb Jahren ergebenden - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde zu Recht das im vorliegenden Fall erhebliche öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegenübergestellt. Dabei hat die belangte Behörde auf die wiederholte einschlägige Delinquenz des Beschwerdeführers, die sich über einen Zeitraum von fünf Jahren erstreckte, verwiesen. Zutreffend hat die belangte Behörde den Umstand, dass sich der Beschwerdeführer auch von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht davon hat abhalten lassen, erneut straffällig zu werden, für ihn nachteilig in ihre Interessenabwägung miteinbezogen (vgl. etwa - dort im Zusammenhang mit einer nach der erstinstanzlichen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingetretenen Straffälligkeit -

das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0378).

Angesichts des somit gewichtigen öffentlichen Interesses an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde kein Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers annahm. Vielmehr durfte sie davon ausgehen, dass im Hinblick auf die wiederholte Straffälligkeit des Beschwerdeführers die mit der Ausweisung, durch die das bestehende Rückkehrverbot jene Rechtswirkungen erhält, die ansonsten mit einem Aufenthaltsverbot verbunden sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0111), einhergehenden Auswirkungen, insbesondere daher auch die Trennung von seinen Familienangehörigen, im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen sind.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass hinsichtlich seiner Mutter und seiner Schwester nunmehr festgestellt worden sei, dass deren Ausweisung auf Dauer unzulässig sei, handelt es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG). Auch wenn der Beschwerdeführer zutreffend darauf verweist, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidung eine gemeinsame Ausreise des Beschwerdeführers mit seiner Mutter und seiner Schwester nicht hätte zugrunde legen dürfen, zeigt er damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil auf Grund des vorliegend großen öffentlichen Interesses an der Erlassung der Ausweisung auch die Trennung von diesen Angehörigen hinzunehmen ist. Die vom Beschwerdeführer, der Georgien im Alter von knapp 16 Jahren verlassen hat, vorgebrachten fehlenden Bindungen zu seinem Heimatstaat vermögen an der fallbezogen nicht zu beanstandenden, zum Nachteil des Beschwerdeführers getroffenen Interessenabwägung der belangten Behörde nach § 66 FPG nichts zu ändern.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-88342