VwGH vom 07.12.2011, 2009/06/0034
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des WB, 2. der BB und 3. der MB, alle in B, alle vertreten durch Dr. Eugen Amann, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Rathausstraße 35a, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom , Zl. BHBR-I-3300.00-2008/0011, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Miteigentümer des Gebäudes F-Gasse 1, vertreten durch Fischer, Walla Matt Rechtsanwälte OEG in 6850 Dornbirn, Marktstraße 12; 2. Landeshauptstadt Bregenz, 6900 Bregenz, Rathausstraße 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das gegenständliche Grundstück Nr. 847/4, KG R, F-Gasse 1, im Stadtgebiet der zweitmitbeteiligten Landeshauptstadt ist im Flächenwidmungsplan als "Baufläche-Wohngebiet" ausgewiesen. Das Grundstück Nr. 847/9 der Erst- und Zweitbeschwerdeführer grenzt in südlicher Richtung, das Grundstück Nr. 847/5 der Drittbeschwerdeführerin in östlicher Richtung an das Grundstück Nr. 847/4 an.
Mit Eingabe vom suchten die Miteigentümer der Liegenschaft F-Gasse 1 um nachträgliche baupolizeiliche Bewilligung der Umwidmung und des Umbaus der Geschäftsfläche in drei Wohnungen und der Errichtung einer Fahrradabstellplatzüberdachung an. Aus der Einreichung ergibt sich, dass die zur Verwendung für Bürozwecke bewilligte Wohnungseigentumseinheit (Top 2) unterteilt und für Wohnzwecke adaptiert (Top 2 und 2b) und der baubehördlich bewilligte Archivraum im Obergeschoß oberhalb der Garagen im südöstlichen Gebäudeteil für Wohnzwecke umgebaut (Top 2a) werden sollen. Die dafür notwendigen Umbaumaßnahmen sollen sich auf eine Bauführung im Inneren des Gebäudes beschränken. Als nach außen einzig sichtbare Baumaßnahme soll der Einbau von zusätzlichen Dachflächenfenstern in die Wohneinheit oberhalb der Garage erfolgen. Ein überdachter Fahrradabstellplatz soll im Innenhof errichtet werden.
Die beschwerdeführenden Parteien erhoben mit Schreiben vom
22. bzw. Einwendungen und wiederholten diese auch bei der mündlichen Verhandlung am . Dabei brachten sie - soweit hier noch wesentlich - vor, dass die Abstandsflächen in das Grundstück Nr. 847/9 der Erst- und Zweitbeschwerdeführer und in das Grundstück Nr. 847/5 der Drittbeschwerdeführerin hineinragten. Das sei zwar auch bisher so gewesen, aber auf Grund der geplanten Änderung der Nutzung zu Wohnzwecken sei mit einer stärkeren Beeinträchtigung der Nachbarn durch Lärm und Geruch auch am Abend, zur Nachtzeit und am Wochenende zu rechnen. Ebenso würde die Frequentierung der Kfz-Einstellplätze erhöht. Durch die vorgesehenen Dachflächenfenster wären der Garten und die Terrasse des Nachbargebäudes einsehbar. Für eine Abstandsnachsicht nach § 7 Abs. 1 BauG bestehe weder ein gesetzlicher Grund noch seien die Voraussetzungen nach lit. a und f leg. cit. gegeben; die Zustimmung der betroffenen Nachbarn liege nicht vor.
Im Akt befindet sich eine an die Baubehörde gerichtete medizinische Stellungnahme von Dr. MS vom , wonach "nach Studium des Planes und Begehungen vor Ort und Prüfung auf Beeinträchtigung der Gesundheit sowie Gesundheitsgefährdung" festgestellt werden könne, dass die Nachbarn "durch die zusätzlich errichteten Wohneinheiten (bisher bewilligte Verwendung: Büro/Archiv) und den Fahrradunterstellplatz nicht stärker beeinträchtigt" würden als bisher. Die Bauliegenschaft sei im Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Bregenz als "Baufläche-Wohngebiet" ausgewiesen. Diese Bauwerke bzw. Nutzungen seien daher dort hinsichtlich Immissionen ausdrücklich zulässig. Auf Grund der zukünftig geringeren Lärm- und Staubbelastung als bisher sei für die Anwohner ein gesünderes Leben zu erwarten.
Weiters holte die Baubehörde ein Gutachten des brandschutztechnischen Sachverständigen DI Dr. KT vom ein. Darin wird insbesondere dargelegt, dass durch die zusätzlich errichteten Wohneinheiten brandschutztechnische Belange nicht nachteilig berührt würden.
Mit Schreiben vom gaben die Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab, in der sie sich insbesondere gegen die Ausführungen des Dr. S wandten.
Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Landeshauptstadt die beantragte Baubewilligung für den Umbau und die Verwendungsänderung zu Wohnzwecken und die Errichtung des überdachten Fahrradabstellplatzes unter einigen Auflagen. Unter Spruchpunkt IV. wurde gemäß §§ 7 Abs. 1, 28 und 29 BauG eine Abstandsnachsicht im projektbedingten Umfang erteilt. Schließlich wurden die Einwendungen der Nachbarn als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt V.).
Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid Berufung.
Mit Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz vom wurde die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Umbauarbeiten auf den Abbruch und die Neuerrichtung von Trennwänden im Gebäudeinneren beschränkten. Als nach außen einzig sichtbare Baumaßnahme erfolge der Einbau von zusätzlichen Dachflächenfenstern in der Wohneinheit oberhalb der Garage (Top 2a). Die gesetzlichen Bauabstände bzw. Abstandsflächen gegenüber den Liegenschaften Grundstück Nr. 847/5 und 847/9 seien nicht eingehalten. Dies betreffe allerdings nur den südöstlichen Gebäudeteil, in welchem oberhalb der Garage eine Wohneinheit eingerichtet worden sei. Hinsichtlich der beiden anderen, im Erdgeschoß des nördlichen Gebäudeteiles befindlichen Wohneinheiten würden die Abstandsvorschriften gegenüber den Liegenschaften der Beschwerdeführer nicht verletzt. Unzutreffend sei, dass die Liegenschaften der Beschwerdeführer durch die Verwendung des Archives als Wohnung und durch die zusätzlichen Dachflächenfenster stärker einsehbar seien und dies durch die damit verbundene Störung eine stärkere Beeinträchtigung der Nachbarn nach § 7 Abs. 1 lit. f BauG darstelle. Die Wohnung sei im Giebelgeschoss des südöstlichen Gebäudeteiles eingerichtet. Im aufgehenden Mauerwerk dieser Wohneinheit befinde sich mit Ausnahme zum Innenhof keine Fensteröffnung. Die zusätzlichen Dachflächenfenster, über welche die Nachbarliegenschaften erschwert bzw. nur über Hilfsmittel (z.B. Leiter) einsehbar seien, bewirkten keine Beeinträchtigung iSd § 7 Abs. 1 lit. f BauG und auch keine Immissionen. Auch das Vorbringen, wonach die Änderung der Verwendung des Büros und des Archivs als Wohnungen eine stärkere Beeinträchtigung durch Lärm und Geruch, z.B. durch eine höhere Frequenz der Kfz-Einstellplätze im südöstlichen Gebäudeteil, insbesondere am Wochenende, am Abend und zur Nachtzeit mit sich bringen würde, sei nicht zutreffend. Durch die gegenständlichen Baumaßnahmen ergebe sich keine Änderung der Anzahl der Stellplätze, zumal die Behörde erster Instanz eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Schaffung zusätzlicher Einstellplätze zugelassen habe. Eine höhere Frequentierung der bereits bestehenden Kfz-Einstellplätze sei nach den Erfahrungen des täglichen Lebens durch die Änderung in der Verwendung auf Wohnung statt Büro/Archiv nicht zu erwarten.
Relevant sei im Zusammenhang mit der Bauabstandsfrage auch die Bestimmung des § 8 BauG zum Immissionsschutz, wobei bei der Beurteilung der Frage, ob durch das Bauvorhaben das ortsübliche Ausmaß an Belästigungen überschritten werde, die am Standort des Bauvorhabens bestehende Flächenwidmung maßgebend sei. Die Bauliegenschaft sei im Flächenwidmungsplan als "Baufläche-Wohngebiet" ausgewiesen, weshalb das Bauvorhaben an diesem Standort zulässig sei. Wenn durch einen Flächenwidmungsplan eine bestimmte Widmungskategorie festgelegt sei, seien die Emissionen, die sich im Rahmen des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes hielten, als zumutbar anzusehen, und zwar auch dann, wenn sie das Ausmaß der in der unmittelbaren Nähe eines anderen Gebäudes feststellbaren Immissionen überstiegen. Dies sei auch im Zusammenhang mit der Abstandsfrage zugelassen. Wille des Gesetzgebers könne es daher nicht sein, dass die Baubewilligung für ein für diese Widmungskategorie typisches Bauvorhaben, nämlich die Errichtung von Wohnungen, auch wenn aufgrund des rechtmäßigen Altbestandes, welcher vor 1990 sogar ein Gewerbebetrieb gewesen sei, die gesetzlichen Bauabstände nicht eingehalten werden würden, infolge höherer Immissionen zu versagen wäre.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, welche mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid abgewiesen wurde. Begründend führte die belangte Behörde - soweit noch gegenständlich - aus, grundsätzlich sei zutreffend, dass eine stärkere Beeinträchtigung der Nachbarn iSd § 7 Abs. 1 lit. f BauG danach zu beurteilen sei, ob die neue Verwendung im Vergleich zur früheren objektiv eine stärkere Beeinträchtigung mit sich bringe. Entsprechend den im § 26 Abs. 1 BauG taxativ normierten Nachbarrechten seien jedoch sowohl die Regelungen hinsichtlich der Abstandsvorschriften nach den §§ 5 bis 7 BauG als auch die Immissionsschutzbestimmungen des § 8 BauG bei der Beurteilung der Fragestellung nach § 7 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 lit. f BauG Prüfungsmaßstab. Neben den nach § 7 Abs. 1 BauG zu wahrenden Interessen der Sicherheit und der Gesundheit (auf den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes beziehe sich das Nachbarrecht nicht) sei dies nach § 7 Abs. 1 lit. f BauG der Umstand, dass die Nachbarn nicht stärker beeinträchtigt würden als bisher. Hier seien wiederum die Abstandsfrage sowie die Immissionssituation im Sinne der Nachbarrechte gemäß § 26 Abs. 1 BauG angesprochen.
Die Frage einer allfälligen stärkeren Beeinträchtigung der Nachbarn nach § 7 Abs. 1 lit. f BauG sei von der Baubehörde, insbesondere auch durch Einholung eines brandschutztechnischen Gutachtens hinsichtlich der zu wahrenden Sicherheitsinteressen nach § 7 Abs. 1 BauG, ausreichend geprüft worden.
Eine stärkere Beeinträchtigung iSd § 7 Abs. 1 lit. f BauG durch die Schaffung von weiteren sieben zu den bestehenden vier Dachflächenfenstern liege nicht vor, da einerseits keine Fenster in den zu den Nachbarn situierten Fassadenbereich eingebaut seien und andererseits die Dachflächenfenster aufgrund der bestehenden Dachneigung bei üblicher Benützung nicht zu einer verstärkten Einsehbarkeit der Liegenschaften der Beschwerdeführer führten. Angesichts dieser Beurteilung könne dahingestellt bleiben, ob eine bessere Einsehbarkeit einer Nachbarliegenschaft als bisher überhaupt als eine "stärkere Beeinträchtigung der Nachbarn" iSd § 7 Abs. 1 lit. f BauG angesehen werden könne. Die Anzahl der Kfz-Stellplätze im Hofbereich habe sich gegenüber dem bisherigen Stand nicht geändert, weshalb auch diesbezüglich keine stärkere Beeinträchtigung durch Lärm und Geruch bestehe. Die Einholung eines lärmtechnischen Gutachtens oder eines weiteren medizinischen Gutachtens zur Frage einer stärkeren Beeinträchtigung der Nachbarn durch Lärm oder Abgase bzw. einer Beeinträchtigung ihrer Gesundheit sei entbehrlich gewesen, da die Berufungskommission aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes in der Lage gewesen sei, allfällige diesbezügliche Auswirkungen der Verwendungsänderung auf die Nachbarn zu beurteilen.
Ergänzend sei zur Rechtslage nach § 7 Abs. 1 lit. f BauG auf Germann/Hämmerle , Das Vorarlberger Baugesetz, Seite 55, zu verweisen, wo ein Auszug aus dem Motivenbericht zum Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001, wie folgt zitiert werde:
"Bestand die bisherige - rechtmäßige - Verwendung zB in der Nutzung als Heustadel, wird die neue Verwendung für Wohnzwecke den Nachbarn nicht stärker beeinträchtigen als bisher, eine neue Verwendung für lärmintensive betriebliche Zwecke wohl schon."
Im Motivenbericht zur Baugesetznovelle LGBl. Nr. 44/2007, welche auch
§ 7 Abs. 1 lit. f betroffen habe, werde wie folgt ausgeführt:
"Durch die … vorgesehene Änderung des § 7 Abs. 1 lit. f soll erreicht werden, dass der Bauwerber bei einer Änderung der Verwendung eines Gebäudes nicht schlechter gestellt wird als er es im Falle einer Neuerrichtung des Gebäudes mit einer solchen Verwendung wäre. Wird der Nachbar bei der Änderung der Verwendung eines Gebäudes zwar stärker beeinträchtigt als bisher, wäre jedoch die Erteilung einer Abstandsnachsicht bei Neuerrichtung des Gebäudes zulässig (weil eine zweckmäßige Bebauung ohne Abstandsnachsicht nicht möglich wäre - vergl § 7 Abs. 1 lit. b), so kann die Ausnahme nach § 7 Abs. 1 lit. f erteilt werden."
Mit der Neuformulierung des § 7 Abs. 1 lit. f BauG durch die Novelle LGBl. Nr. 44/2007 habe demnach die Möglichkeit zur Erteilung einer Abstandsnachsicht bei (bloßer) Verwendungsänderung noch erweitert werden sollen. Weiters würden auch diese Ausführungen im Motivenbericht zur Baugesetznovelle einen klaren Hinweis dafür liefern, dass bei der Beurteilung der Nachbarrechte nach § 7 Abs. 1 lit. f BauG keine über die Parteistellung und Mitspracherechte gemäß § 26 Abs. 1 BauG hinausgehende Rechtsstellung des Nachbarn begründet werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die Erstmitbeteiligten eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführenden Parteien bringen vor, die Voraussetzung für eine Abstandsnachsicht unter Zugrundelegung einer fiktiven Neuerrichtung gemäß § 7 Abs. 1 lit f BauG sei nicht erfüllt, weil weder die Zustimmung der Nachbarn noch das Erfordernis der Nachsicht für eine zweckmäßige Bebauung gegeben sei. Eine durch eine Änderung der Verwendung eintretende stärkere Beeinträchtigung der Nachbarn sei gemäß § 7 Abs. 1 lit. f BauG nicht danach zu beurteilen, ob die angestrebte Verwendung im Rahmen der Flächenwidmung möglich wäre, und auch nicht danach, ob ortsübliche Immissionen überschritten würden, sondern ausschließlich danach, ob die neue Verwendung im Vergleich zur früheren objektiv eine stärkere Beeinträchtigung mit sich bringe; als Vergleichsmaßstab sei ausschließlich die bewilligte Verwendung Büro/Archiv heranzuziehen. Ein Unterschied zwischen Büro und Archiv einerseits und den Wohnungen andererseits sei aus der Normalarbeitszeit gemäß § 3 Arbeitszeitgesetz und den Höchstgrenzen der Arbeitszeit gemäß § 9 leg. cit. und aus der Wochenendruhe gemäß § 3 Arbeitsruhegesetz und der Feiertagsruhe in § 7 leg. cit. abzuleiten. Diese Bestimmungen und zeitlichen Beschränkungen würden für Wohnungen und deren Nutzung nicht gelten, woraus sich naturgemäß ergebe, dass die angestrebte Änderung der Verwendung zu Wohnzwecken im Vergleich zur bewilligten Verwendung als Büro und Archiv hinsichtlich Lärm und Geruch und Einsehbarkeit der Nachbargrundstücke eine in mehrfacher Hinsicht höhere Frequenz mit sich bringe. Dies gelte auch für die Nutzung der Kfz-Einstellplätze, aus der ein höheres Verkehrsaufkommen im Hof resultiere. Es seien jedoch weder Feststellungen über den Istzustand Büro/Archiv noch über den Istzustand der errichteten Wohnungen getroffen worden. Die beantragten, aber von der belangten Behörde ohne Begründung nicht aufgenommenen Beweise, nämlich die Vernehmung der beteiligten, an Ort und Stelle wohnenden Nachbarn sowie die Einholung eines schalltechnischen und lufthygienischen Gutachtens, wären geeignet gewesen, eine stärkere Beeinträchtigung der Nachbarn aufzuzeigen. Der in diesem Zusammenhang erstellte Aktenvermerk des von der belangten Behörde beauftragten Sachverständigen Dr. MS stelle kein Gutachten dar; dieser erschöpfe sich lediglich in der Abgabe eines Urteils ohne Aufnahme eines Befundes über den Istzustand vor und nach der Verwendungsänderung.
Die beschwerdeführenden Parteien machen weiters geltend, dass mit Bescheid der Baubehörde vom der südöstliche Gebäudeteil mit 0,0 m Bauabstand mit vier Dachflächenfenstern rechtskräftig konsentiert sei. Dieser Bescheid sei nach § 68 Abs. 1 AVG und aufgrund der dinglichen Bescheidwirkung nach § 52 BauG in der Weise zu berücksichtigen, dass die daraus erwachsenen Rechte - vier Dachflächenfenster - geltend gemacht werden könnten und andererseits die daraus erwachsenen Pflichten mit Bedacht auf die Nachbarrechte in dem Sinne relevant seien, dass weitere Dachflächenfenster wegen entschiedener Sache nicht bewilligt werden könnten.
Folgende Bestimmungen des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG) in der Fassung LGBl. Nr. 44/2007, sind maßgebend:
"§ 7
Abstandsnachsicht
(1) Die Behörde kann Ausnahmen von den Vorschriften des § 5 Abs. 1 bis 6 sowie § 6 Abs. 1 bis 3 zulassen (Abstandsnachsicht), wenn die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt werden und überdies
a) der betroffene Nachbar zustimmt; die Zustimmung ist ab ihrem Einlangen bei der Behörde unwiderruflich; oder
b) ohne Abstandsnachsicht eine zweckmäßige Bebauung, z. B. wegen der besonderen Lage oder Form des Baugrundstückes, nicht möglich wäre; oder
c) bei einer Änderung eines nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehenden Bauwerkes oder bei seinem Wiederaufbau innerhalb von sieben Jahren die Schattenpunkte nicht tiefer in das Nachbargrundstück hineinragen als bisher und die bisherigen Abstände nicht unterschritten werden; oder
d) dies für eine Sanierung durch die nachträgliche Anbringung einer Außenwärmedämmung bis zu 0,25 m notwendig ist; oder
e) bei der Errichtung oder Änderung von Nebengebäuden oder Nebenanlagen bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück die Nachbarn nicht stärker beeinträchtigt werden, als dies bei Errichtung einer Einfriedung oder einer sonstigen Wand bis zur selben Höhe der Fall wäre; oder
f) bei der Änderung der Verwendung eines Gebäudes der Nachbar nicht stärker beeinträchtigt wird als bisher oder anzunehmen ist, dass bei Neuerrichtung des Gebäudes mit einer solchen Verwendung die Abstandsnachsicht erteilt werden könnte.
…"
Einer Baubewilligung bedürfen gemäß § 18 Abs. 1 lit. a leg. cit. u.a. die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden (ausgenommen jene kleinen Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind) und gemäß § 18 Abs. 1 lit. b die wesentliche Änderung der Verwendung von Gebäuden.
Als wesentliche Änderung eines Bauwerkes oder einer sonstigen Anlage ist gemäß § 2 Abs. 1 lit. o BauG ein Zu- oder Umbau, eine Änderung, durch die die äußere Erscheinung des Bauwerkes oder der sonstigen Anlage erheblich geändert wird, sowie eine Änderung, durch die die Sicherheit oder die Gesundheit von Menschen oder die Verkehrssicherheit gefährdet, die Nachbarn belästigt oder die Einhaltung der Abstandsflächen oder Mindestabstände beeinflusst werden könnte, zu verstehen.
Gemäß § 8 BauG dürfen Bauwerke keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen.
Gemäß § 26 Abs. 1 BauG hat der Nachbar im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung von § 4 Abs. 3 leg. cit., soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist, §§ 5 bis 7 leg. cit., soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen, und § 8 leg. cit., soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist, geltend zu machen.
Zum Beschwerdevorbringen der entschiedenen Sache ist zunächst auszuführen, dass der Nachbar als Partei des Verfahrens lediglich das Recht hat, dass eine zu seinen Gunsten entschiedene Bausache nicht neuerlich aufgerollt wird, aber kein Recht darauf, dass Abweichungen überhaupt nicht bewilligt werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/05/0025). Entschiedene Sache ist nicht gegeben, wenn der Sachverhalt aufgrund der neuen Einreichpläne, die dem Änderungsansuchen zugrunde liegen, geändert wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/06/0251). Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.
Unstrittig ragt der Bau im Südosten in die Abstandsfläche und es ist somit eine Nachsicht gemäß § 7 BauG notwendig. In Bezug auf die Tatbestände des § 7 Abs. 1 BauG ist im vorliegenden Zusammenhang dabei auf Folgendes hinzuweisen:
Geht mit einer Verwendungsänderung auch eine bautechnische Änderung des Bauwerkes einher, kommt § 7 Abs. 1 lit. f BauG nicht zum Tragen, sondern es müssen für die Erteilung einer Abstandsnachsicht die Voraussetzungen nach einem anderen Tatbestand des § 7 Abs. 1 BauG erfüllt sein (vgl. dazu den Motivenbericht zum BauG Blg. 45/2001 27. LT, abgedruckt bei Germann/Bertsch , Das Vorarlberger Baugesetz, 2. Auflage, S. 58). Dies geht auch aus der alternativen Auflistung der einzelnen Tatbestände des § 7 Abs. 1 BauG hervor, wo Änderungen von Bauwerken bzw. eine zweckmäßige Bebauung in anderen Tatbeständen als in lit. f geregelt sind, insbesondere in lit. b, c und e (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0152). Daran hat auch die Ergänzung des § 7 Abs. 1 lit f BauG durch die Novelle LGBl. Nr. 44/2007 nichts geändert. Durch diese Novelle wurde lediglich sichergestellt, dass bei einer bloßen Verwendungsänderung keine Schlechterstellung gegenüber einer Neuerrichtung erfolgen soll (vgl. den Motivenbericht Blg. 38/2007 28. LT, abgedruckt bei Germann/Bertsch , aaO, S. 57 f).
Im vorliegenden Fall sind bautechnische Änderungen gegeben, sodass die Baubehörden für die Erteilung der Abstandsnachsicht die Voraussetzungen nach einem anderen Tatbestand des § 7 Abs. 1 BauG als jenem der lit. f wie insbesondere jenem der lit. c hätten prüfen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen, was von der belangten Behörde nicht aufgegriffen wurde.
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu Immissionen ist zu bemerken, dass Immissionen wie die hier in Rede stehenden grundsätzlich nach § 8 BauG zu beurteilen sind. Allenfalls ist auch der Einleitungssatz des § 7 Abs. 1 BauG heranzuziehen. Der Immissionsvergleich iSd § 7 Abs. 1 lit. f BauG kommt, wie dies die Ergänzung des § 7 Abs. 1 lit. f BauG durch die Novelle LGBl. Nr. 44/2007 deutlich gemacht hat, aber nur mehr (wie dargelegt: bei einer bloßen Verwendungsänderung ohne bautechnische Maßnahmen) dann zum Tragen, wenn eine Neuerrichtung mit der geplanten Verwendung rechtens nicht möglich wäre.
Dass § 8 BauG verletzt wäre, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Im Übrigen haben sich die Baubehörden und die belangte Behörde mit dieser Norm auch entsprechend auseinandergesetzt.
Der angefochtene Bescheid war aber aus den oben genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am