VwGH vom 18.03.2022, Ra 2021/03/0331
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei Ö Landesverband in G, vertreten durch die hba Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Rooseveltplatz 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 41.24-759/2021-2, betreffend Vergütung für Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leibnitz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit einem am eingebrachten (mit datierten) Antrag begehrte die revisionswerbende Partei eine Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für (unter anderem) ihre Dienstnehmerin S., die vom 6. bis bescheidmäßig abgesondert war. Dabei wurden für die betroffene Dienstnehmerin die „Personalkosten inkl. SV DG“ mit € 224,87 angegeben und angemerkt, dass es sich dabei um das regelmäßige Entgelt ohne Sonderzahlungsanteil handle.
2Mit Verbesserungsauftrag der belangten Behörde vom wurde die revisionswerbende Partei aufgefordert, den Antrag zu konkretisieren, ein Erhebungsformular auszufüllen und mit näher bezeichneten Unterlegen der Behörde binnen 14 Tagen zu übermitteln. Die revisionswerbende Partei kam diesem Verbesserungsauftrag mit Eingabe vom nach, wobei im Berechnungsblatt anteilige Sonderzahlungen angegeben waren.
3Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde dem Antrag der revisionswerbenden Partei „teilweise stattgegeben“ und eine Vergütung für den Verdienstentgang in der Höhe von € 215,29 zugesprochen.
4Die revisionswerbende Partei erhob gegen die Abweisung des Mehrbegehrens, das sich auf die Vergütung der aliquoten Sonderzahlung richtete, Beschwerde an das Verwaltungsgericht, die mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen.
5Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, dass es sich beim Verfahren um Zuerkennung einer Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 EpiG um ein antragsbedürftiges Verfahren handle, in welchem der Antragsteller bestimme, was Gegenstand des Verfahrens sei. Behörde und Gericht seien an den Inhalt des Antrags gebunden und es sei der Behörde und dem Gericht auch verwehrt, einseitig von diesem abzuweichen.
6Dem klaren Wortlaut des Antrags vom sei unmissverständlich zu entnehmen, dass sich der begehrte Vergütungsbetrag aus dem regelmäßigen Entgelt und dem Dienstgeberbeitrag zur Sozialversicherung, jedoch ohne Sonderzahlungsanteil, zusammensetze. Zwar habe die revisionswerbende Partei mit E-Mail vom das ausgefüllte „Erhebungsformular zum Antrag des Arbeitgebers auf Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz“ samt einem ausgefüllten Berechnungsblatt, in welchem nun auch eine aliquote Sonderzahlung dargestellt sei, übermittelt, jedoch sei damit keine Antragsausdehnung verbunden, zumal diese Unterlagen lediglich als Beilagen zum Antrag anzusehen seien. Eine „verbale Antragsausdehnung“ gegenüber dem ursprünglichen Antrag vom sei durch bloße Übermittlung dieser Unterlagen nicht verbunden.
7Gegen dieses Erkenntnis erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 2361/2021-10, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
8Der Verwaltungsgerichtshof leitete über die daraufhin erhobene außerordentliche Revision das Vorverfahren ein, in dem die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision erstattete.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit unter anderem geltend, das Verwaltungsgericht sei von - näher bezeichneter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, da es dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei einen Verzicht auf die Geltendmachung anteiliger Sonderzahlungen unterstelle, obwohl die Erklärungen der revisionswerbenden Partei zumindest Zweifel hätten aufkommen lassen und zumindest eine Klarstellung hätte herbeigeführt werden müssen.
10Die Revision ist im Sinne des Zulässigkeitsvorbringens zulässig; sie ist auch begründet.
11Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 33 EpiG der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 leg. cit. binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen ist, widrigenfalls der Anspruch erlischt. In Bezug auf diese Frist wurde jedoch mit BGBl. I Nr. 62/2020 eine Sonderbestimmung für die Dauer der Pandemie mit SARS-CoV-2 geschaffen, die in § 49 Abs. 1 EpiG vorsieht, dass abweichend von § 33 EpiG der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen ist. Bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung laufende und abgelaufene Fristen sollten gemäß § 49 Abs. 2 EpiG mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 (am ) neu zu laufen beginnen.
12Im gegenständlichen Fall begann die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche der revisionswerbenden Partei mit Ende der Absonderung der Dienstnehmerin am zu laufen. Sie war somit bei Inkrafttreten des § 49 EpiG bereits abgelaufen, begann jedoch gemäß § 49 Abs. 2 EpiG mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 (am ) in der Dauer von drei Monaten neu zu laufen. Die Frist endete daher am . Ansprüche, die bis dahin nicht geltend gemacht wurden, waren nach den oben angeführten gesetzlichen Vorgaben erloschen (vgl. ).
13Zwar hatte die revisionswerbende Partei in ihrem ursprünglichen, am eingebrachten Antrag lediglich einen Vergütungsanspruch in der Höhe von € 224,87 geltend gemacht. Sie hat jedoch nach Ergehen des Verbesserungsauftrages das von der belangten Behörde vorgegebene Berechnungsformular ausgefüllt, in dem als Ergebnis in der Rubrik „Verdienstvergütung“ ein Betrag von € 251,17 ausgewiesen wurde. Dieses Berechnungsformular ist bei der belangten Behörde am und damit - unstrittig - noch innerhalb der der revisionswerbenden Partei für die Geltendmachung ihrer Ansprüche offenstehenden Frist eingelangt
14Die belangte Behörde ist auch davon ausgegangen, dass die revisionswerbende Partei einen Anspruch in der Höhe von € 251,17 (inklusive anteiliger Sonderzahlungen) geltend gemacht habe. Die Zuerkennung von bloß € 215,29 wurde von der belangten Behörde nicht mit einer nicht erfolgten (oder allenfalls verspäteten) Antragsausdehnung begründet, sondern mit der Rechtsansicht, dass anteilige Sonderzahlungen nicht zu berücksichtigen seien.
15Das Verwaltungsgericht hat sich mit dieser Rechtsansicht - die vom Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich abgelehnt wurde (vgl. ) - nicht auseinandergesetzt, sondern sich ausschließlich darauf gestützt, dass eine „Antragsausdehnung“ durch die Übermittlung des Berechnungsblattes nicht erfolgt sei.
16Im Revisionsverfahren ist damit ausschließlich strittig, ob die revisionswerbende Partei durch Übermittlung des Berechnungsblattes am eine Antragsausdehnung - die (nur) innerhalb offener Frist für die Geltendmachung der Ansprüche zulässig wäre - vorgenommen hat.
17Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wirft die Auslegung eines Schriftstückes oder einer Parteierklärung im Einzelfall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, soweit dem Verwaltungsgericht dabei keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl. etwa , mwN).
18Parteienerklärungen im Verfahren sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen; es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Besondere Vorsicht ist bei der Annahme eines Verzichtes der Partei auf eine in den Verfahrensvorschriften oder im materiellen Recht begründete Rechtsposition geboten; diese Annahme ist nur zulässig, wenn die entsprechenden Erklärungen der Partei keinen Zweifel offenlassen. Gegebenenfalls hat die Behörde (das Verwaltungsgericht) eine Klarstellung durch die Partei herbeizuführen (vgl. ).
19Im vorliegenden Fall ist dem Verwaltungsgericht eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen:
20Zunächst ist festzuhalten, dass bereits der ursprüngliche Antrag allgemein auf „Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950“ gerichtet war. In diesem Antrag war zusätzlich die beantragte Vergütung betragsmäßig angegeben, wobei in einer Anmerkung zu den „Personalkosten“ ausgeführt wurde, dass der genannte Betrag „ohne Sonderzahlungsanteil“ sei.
21Mit dem von der belangten Behörde erteilten Verbesserungsauftrag wurde der revisionswerbenden Partei ein von ihr auszufüllendes Erhebungsformular mitgesandt, in dem ausdrücklich in den Erläuterungen angegeben war, dass der Vergütungsbetrag ausgehend vom „Bruttoentgelt inkl. anteiliger Sonderzahlung“ zu berechnen sei. Die revisionswerbende Partei hat daraufhin dieses Erhebungsformular und auch das ebenfalls amtlich vorgegebene Berechnungsblatt ausgefüllt, bei dem sowohl „aliquote Sonderzahlungen“ angegeben wurden, als auch ein Endergebnis in der Rubrik „Verdienstvergütung“ eingetragen wurde, welches die Sonderzahlungen anteilig berücksichtigte.
22Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, wie das Verwaltungsgericht zum Ergebnis kommen konnte, dass das Erhebungsformular und das Berechnungsblatt lediglich als „(ergänzende) Beilagen“ zum ursprünglichen Antrag anzusehen seien und dass eine „verbale Antragsausdehnung“ nicht erfolgt sei, zumal mit Vorlage des ausgefüllten Berechnungsformulars ausdrücklich („verbal“) eine (auch betragsmäßig bestimmte) „Verdienstvergütung“ unter Einbeziehung aliquoter Sonderzahlungen beantragt wurde. Auch die belangte Behörde hat diese Parteierklärung als modifizierten Antrag verstanden und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.
23Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes ist schon der objektive Erklärungswert des von der revisionswerbenden Partei vorgelegten Berechnungsblattes als Begehren auf Zuspruch der darin betragsmäßig bezifferten „Verdienstvergütung“ (in der anteilige Sonderzahlungen enthalten sind) eindeutig. Aber selbst wenn Zweifel am Inhalt der Erklärung bestünden, wäre dies mit den Verfahrensparteien in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu erörtern gewesen.
24Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
25Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
26Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021030331.L00 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.
Fundstelle(n):
LAAAE-88327