VwGH vom 07.02.2022, Ra 2021/03/0144
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch die Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, Zl. LVwG-AV-638/001-2020, betreffend Kosten für die Sicherung einer Eisenbahnkreuzung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich, vertreten durch Dr. Andrew P. Scheichl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20/8-9), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Die revisionswerbende Partei ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eigentümerin bzw. Betreiberin der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnstrecke Wien Hauptbahnhof - Südosttangente - Laa an der Thaya. Diese Eisenbahnstrecke wird in Bahn-Km 63,509 von einer Landesstraße des Landes Niederösterreich (mitbeteiligte Partei) gekreuzt.
2Für diese Eisenbahnkreuzung bestand zunächst eine Sicherungsanlage nach der Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 (zugeschaltete Lichtzeichenanlage), ehe mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom gemäß § 49 Abs. 2 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) iVm § 38 der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (EisbKrV) iVm § 4 EisbKrV eine neue Sicherungsanordnung (Sicherung durch Lichtzeichen mit Schranken, die als Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen seien) getroffen wurde.
3Mit Schriftsatz vom stellte die revisionswerbende Partei den Antrag, „die Landeshauptfrau von Niederösterreich möge gemäß § 49 Abs. 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 bis 4 Eisenbahngesetz 1957 entscheiden, dass das Land Niederösterreich als Träger der Straßenbaulast im Sinne von § 48 Abs. 2 Eisenbahngesetz 1957 50 % der Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der Eisenbahnkreuzungen in Bahn-km 63,509 [...] zu tragen“ habe, „in eventu möge die Landeshauptfrau von Niederösterreich entscheiden, in welchem Ausmaß die Gesamtkosten von den Verkehrsträgern zu tragen [seien], in eventu möge die Landeshauptfrau von Niederösterreich entscheiden, welche Kosten die NÖ Landesstraßenverwaltung, ... als Trägerin der Straßenbaulast zu tragen“ habe.
4Im Gutachten vom kam die Sachverständigenkommission zum Ergebnis, dass mit dem Sicherungsbescheid vom eine neue Sicherungsart angeordnet worden sei, weshalb im Lichte der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Kostenteilungsverfahren zulässig sei. Die Kostenteilungsmasse umfasse Errichtungskosten in Höhe von EUR 397.431,02 sowie Kosten für die Erhaltung und Inbetriebnahme ausgehend von einem Basiswert von EUR 9.582,60 mit jährlicher Indexierung.
5Mit Bescheid vom setzte die Landeshauptfrau von Niederösterreich (belangte Behörde) die mit der Errichtung einer Lichtzeichenanlage an der gegenständlichen Eisenbahnkreuzung verbundenen Kosten mit insgesamt EUR 397.431,02 fest (Spruchpunkt I.). Diese Kosten seien je zur Hälfte von der revisionswerbenden Partei und der mitbeteiligten Partei zu tragen (Spruchpunkt II.). Die mitbeteiligte Partei habe der revisionswerbenden Partei EUR 198.715,51 binnen vier Wochen zu zahlen (Spruchpunkt III.). Die Kosten der Erhaltung und Inbetriebhaltung seien mit einem Barwert von EUR 213.857,36 festzusetzen. Diese seien ebenfalls zu je 50 % von der revisionswerbenden Partei und der mitbeteiligten Partei zu tragen (Spruchpunkt IV.). Die mitbeteiligte Partei habe der revisionswerbenden Partei entweder jeweils bis zum 31. Jänner des Folgejahres auf die Dauer von 25 Jahren jährlich EUR 4.791,30 (valorisiert mit einem näher bestimmten Index) oder binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides den halben Barwert in der Höhe von EUR 106.928,53 zu zahlen.
6Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
7In ihrer Beschwerdebeantwortung präzisierte die revisionswerbende Partei ihren Antrag vom dahingehend, dass dieser „primär [...] die betragsmäßige Feststellung der Kosten der Eisenbahnkreuzung samt Kosten deren Erhaltung und Inbetriebhaltung sowie zusätzlich die prozentuale Aufteilung dieser festgestellten Kosten im Ausmaß 50% zu 50% zwischen Träger der Straßenbaulast und dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen [begehre]“.
8Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde (unter Spruchpunkt 1.) teilweise Folge und hob sämtliche Aussprüche über die Höhe der zu tragenden Kosten sowie über Zahlungsverpflichtungen der mitbeteiligten Partei wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos auf.
Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde (unter Spruchpunkt 2.) als unbegründet ab.
Der verbleibende Spruchteil des angefochtenen Bescheides lautete: „Das Land Niederösterreich hat gemäß §§ 49 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 EisbG die Kosten für die Errichtung, Erhaltung und Inbetriebhaltung der Anlagen zur Sicherung der Eisenbahnkreuzung in km 63,509 der Strecke Wien Hbf - Südosttangente - Laa an der Thaya mit der Landesstraße ... zur Hälfte zu tragen“. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt 3.).
Weiters wies das Verwaltungsgericht die in der Beschwerdebeantwortung vorgenommene „,Klarstellung‘ des verfahrenseinleitenden Antrages“ gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zurück (Spruchpunkt 4.) und erklärte gleichfalls die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig (Spruchpunkt 5.).
9Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit für den Revisionsfall von Relevanz - aus, dass der Hauptantrag der revisionswerbenden Partei explizit darauf gerichtet sei, dem Land Niederösterreich (als Träger der Straßenbaulast iSd § 48 Abs. 2 EisbG) die Tragung der Hälfte der Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der gegenständlichen Eisenbahnkreuzung aufzuerlegen. Der Hauptantrag enthalte demnach bei objektivem Verständnis jedenfalls kein Begehren auf eine Entscheidung über die Höhe der Kosten und damit auf Feststellung der Kostenteilungsmasse. Ein solches Begehren finde sich allenfalls erst im zweiten Eventualantrag. Es sprächen auch die dem Antrag als Beilagen angeschlossenen Kostenaufstellungen nicht für ein anderes Verständnis des Hauptantrages, auch wenn sie für diesen ohne besondere Relevanz erscheinen würden.
Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , Ro 2018/03/0050, unmissverständlich klargestellt, dass sich ein auf § 48 Abs. 3 EisbG gestütztes Begehren auch bloß auf die prozentuelle Aufteilung der Kosten beschränken könne. Der verfahrenseinleitende Antrag sei daher zulässig und die belangte Behörde habe diesem im Ergebnis, nämlich, dass das Land die Hälfte der Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der Eisenbahnkreuzung zu tragen habe, zu Recht entsprochen.
Da aber dem Hauptantrag entsprochen worden sei, habe die belangte Behörde auf die Eventualanträge nicht eingehen dürfen. Die Eventualanträge hätten keine Erweiterung des Verfahrensgegenstandes über einen bescheidmäßigen Ausspruch über das prozentuelle Ausmaß der Kostentragung hinaus, auf das der Hauptantrag bei objektiver Auslegung alleine gerichtet gewesen sei, bewirken können. Sie hätten auch kein Begehren auf Vorschreibung einer Zahlungsverpflichtung an das Land enthalten.
Für die die Höhe der Kosten für die Sicherung der Eisenbahnkreuzung und deren Vorschreibung an das Land betreffenden Aussprüche sei die belangte Behörde somit unzuständig gewesen. Diese seien daher gemäß § 27 1. Halbsatz VwGVG ersatzlos zu beheben gewesen.
Zur Zurückweisung der in der Beschwerdebeantwortung vorgenommenen „Klarstellung des verfahrensleitenden Antrages“ wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass es sich hierbei um eine im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG unzulässige wesentliche Ausdehnung des verfahrenseinleitenden Antrags handle, weswegen dieser Antrag zurückzuweisen gewesen sei.
10Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, das angefochtene Erkenntnis widerspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zitiert wird ), wonach die Kostenentscheidung gemäß § 48 Abs. 2 bis 4 iVm § 49 Abs. 2 EisbG sowohl die betragsmäßige Feststellung der Kosten als zusätzlich auch deren Aufteilung auf Träger der Straßenbaulast und Eisenbahninfrastrukturunternehmen umfasse.
Zudem stehe es in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum objektiven Erklärungswert von Parteienerklärungen (Hinweis u.a. auf ). Der objektive Erklärungswert des Antrags der revisionswerbenden Partei könne nur dahingehend verstanden werden, dass auch die betragsmäßige Feststellung der Kosten selbst beantragt werde und nicht bloß deren (prozentuelle) Aufteilung zwischen dem Träger der Straßenbaulast und dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen.
11Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
12Die Revision ist aus den von ihr geltend gemachten Gründen zulässig; sie ist auch begründet.
13Der vorliegende Revisionsfall gleicht in seinen entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen jenen Fällen, über die der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom , Ra 2020/03/0149, bzw. vom , Ra 2020/03/0079, entschieden hat, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.
14Auch im vorliegenden Fall geht sowohl aus den Anträgen der revisionswerbenden Partei und als auch aus dem Verfahrensgang hervor, dass die revisionswerbende Partei darauf abzielte, die Behörde möge das Ausmaß der relevanten Kosten sowie deren Aufteilung auf das Eisenbahnunternehmen und die Trägerin der Straßenbaulast (im Verhältnis 50:50) festlegen.
15Demzufolge ist auch die in der Beschwerdebeantwortung vorgenommene „Klarstellung“ des Antrags - entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts - nicht als unzulässige Ausdehnung des verfahrenseinleitenden Antrags zu sehen.
16Da das Verwaltungsgericht die Anträge der revisionswerbenden Partei entgegen ihrem objektiven Erklärungswert ausgelegt hat, hat es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
17Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
18Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021030144.L00 |
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Fundstelle(n):
OAAAE-88297