VwGH vom 11.11.2013, 2013/22/0072
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des L, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/292.868/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, gelangte am mit einem bis zum gültigen Visum in das Bundesgebiet, wo er nach Ablauf des Visums verblieb. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes K vom wurde die Adoption des Beschwerdeführers durch den österreichischen Staatsbürger F.W. bewilligt. Im Hinblick darauf beantragte der Beschwerdeführer am die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher".
Mit dem (im zweiten Rechtsgang) im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde dieser Antrag wegen unzulässiger Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes abgewiesen. (Dieser Bescheid wurde mittlerweile vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0755, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil der Bundesminister für Inneres nicht anhand des unionsrechtlich vorgegebenen Maßstabes geprüft hat, ob ein Ausnahmefall iSd der Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rs C- 256/11, Dereci ua., vorliegt, in dem es das Unionsrecht gebietet, dem Drittstaatsangehörigen einen Aufenthaltstitel zu erteilen.)
Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus. Begründend führte sie zunächst aus, dass sich der Beschwerdeführer seit Ablauf seines Visums unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG somit vorliegen würden.
Im Zuge der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer über familiäre Bindungen im Inland zu seinen Eltern und zu seinem älteren Bruder, der österreichischer Staatsbürger sei, verfüge. Seit November 2002 gehe er einer Beschäftigung nach. Mit der Ausweisung sei daher ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden, der jedoch dringend geboten sei. Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse habe der Beschwerdeführer durch seinen seit Ablauf seines Visums unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gravierend missachtet. Auch der Versuch, seinen Aufenthalt durch einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren, könne nicht positiv gewertet werden, weil Aufenthaltstitel gemäß § 21 Abs. 1 NAG nur mehr im Ausland erwirkt werden könnten. Familiäre Bindungen zu seinem Adoptivvater seien vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht worden. Die belangte Behörde ging zudem davon aus, dass es sich bei der Adoption des Beschwerdeführers um eine "sogenannte Aufenthaltsadoption" handle. Diese Einschätzung stützte sie auf die Angaben von F.W. bei seiner Vernehmung am , wonach er den Beschwerdeführer nur adoptiert habe, weil ihn ein guter Freund darum gebeten hätte, damit der Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung erhalte. Er habe - so F.W. weiter - nie mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt gelebt und es habe auch nie ein "Vater-Sohn ähnliches Verhältnis" bestanden. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Inland seien jedenfalls nicht höher zu bewerten als das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er verfüge in seiner Heimat über keine Bindungen mehr, merkte die belangte Behörde an, dass es ihm auf Grund seines langjährigen Aufenthaltes in seiner Heimat vor der Einreise nach Österreich möglich sei, dort soziale Kontakte aufzufrischen bzw. neue zu knüpfen, zumal davon auszugehen sei, dass er seine Muttersprache fließend beherrsche, weil er die Pflichtschule in seiner Heimat absolviert habe. Auch im Rahmen des Ermessens könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht in Kauf genommen werden.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom , B 809/10-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel und auch sonst über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG verfügt. Die behördliche Annahme, der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, ist daher zutreffend.
Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0472, mwN).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Interessenabwägung der belangten Behörde und verweist insbesondere auf seinen "zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet", seine mehr als siebenjährige ununterbrochene Beschäftigung und die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit, seine guten Deutschkenntnisse, seine familiären Bindungen und das Fehlen jeglicher Bindungen zum Heimatstaat.
Diesem Vorbringen ist zunächst zu entgegnen, dass die belangte Behörde die familiären Bindungen zu seinen Eltern und seinem Bruder, die berufliche Integration und den ca. neun Jahre und zehn Monate dauernden Inlandsaufenthalt ihrem Bescheid zugrunde gelegt und in die durchgeführte Interessenabwägung einbezogen hat. Bei den familiären Bindungen ist allerdings auch zu beachten, dass alle Angehörigen bereits volljährig sind.
Die belangte Behörde durfte auch berücksichtigen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nach Ablauf des Visums am unrechtmäßig war und er in der Folge zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel verfügte. Wenn der Beschwerdeführer zu den Ausführungen der belangten Behörde betreffend § 21 Abs. 1 NAG anmerkt, dass er seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels fast vier Jahre vor Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes gestellt habe, zeigt er damit aus folgenden Gründen keine unzutreffende Beurteilung durch die belangte Behörde auf: Selbst wenn der (zum Zeitpunkt der Antragstellung knapp 30-jährige) Beschwerdeführer als Angehöriger iSd des § 47 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 anzusehen gewesen wäre (weil er von seinem Adoptivvater Unterhalt erhielt), wäre - ungeachtet dessen, dass er den Niederlassungsantrag im Inland stellen durfte - zur Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes außerhalb des Anwendungsbereiches des Gemeinschaftsrechtes eine konstitutiv wirkende Niederlassungsbewilligung erforderlich gewesen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0411, mwN). Jedenfalls seit Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes am hätte sich der Beschwerdeführer im Ausland aufhalten müssen. § 21 NAG normiert nämlich auch die für den Beschwerdeführer beachtliche Verpflichtung, die Entscheidung im Ausland abzuwarten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0484).
Vor allem aber ist nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde ausgehend von den von ihr als glaubwürdig angesehenen Angaben des F.W. angenommen hat, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Adoptivvater ein Familienleben nie bestanden habe und dass es sich vorliegend um eine Aufenthaltsadoption handle. Daran vermag auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ein von der erstinstanzlichen Behörde eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren wieder eingestellt worden sei, nichts zu ändern. Soweit der Beschwerdeführer auf sein im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen verweist, wonach die Angaben seines Adoptivvaters unrichtig seien, bleibt dieses Vorbringen unsubstanziiert. Die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde aus den aufgezeigten Umständen nicht ableiten müssen, dass seine Ausweisung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig sei. Diese Umstände stellen sich - ungeachtet der langen Aufenthaltsdauer und der langjährigen Erwerbstätigkeit - noch nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer einerseits mit einer Aufenthaltsadoption und andererseits mit einem rechtswidrigen Verbleib im Bundesgebiet letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Daran vermögen auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Deutschkenntnisse und die fehlenden Bindungen zu seiner Heimat nichts zu ändern.
Zusammenfassend ist es daher im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht als schwerwiegender ansah als das gegenläufige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, zumal eine Aufenthaltsadoption ohnedies nicht zum begehrten Aufenthaltstitel führen kann.
Hinsichtlich der in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel fehlt es an der erforderlichen Relevanzdarstellung. Entgegen der Beschwerdeansicht erweist sich der angefochtene Bescheid auch als hinreichend begründet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am