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VwGH vom 20.08.2013, 2013/22/0071

VwGH vom 20.08.2013, 2013/22/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 660/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, ist seit Juni 2002 in Österreich aufhältig. Ab Oktober 2004 verfügte er, nachdem ihm zunächst befristete Aufenthaltstitel erteilt worden sind, über einen Niederlassungsnachweis.

Mit Urteil des Landesgerichtes P vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter Satz erster und zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt, wobei ein Strafteil im Ausmaß von zwölf Monaten bedingt nachgesehen wurde. Dem Urteil zufolge hat der Beschwerdeführer zum einen im Mai 2003 durch Einbruch in einen Pkw ein Autoradio mit CD-Player sowie einen DVD-Player mit Fernseher gestohlen. Zum anderen hat er im Zeitraum von bis wiederholt Zeitschriften in großen Mengen (teilweise durch Einbruch) gestohlen.

Im Hinblick auf diese Verurteilung erließ die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen werde.

Die belangte Behörde verwies zunächst auf die dargestellte Verurteilung des Beschwerdeführers und erklärte die Entscheidungsgründe des dem Bescheid angeschlossenen Urteils zum Bestandteil der Bescheidbegründung. Darüber hinaus verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer zweimal wegen der Übertretung verkehrsrechtlicher Bestimmungen bestraft worden sei. Auf Grund der Verurteilung sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt. Da der Beschwerdeführer durch sein strafbares Verhalten "augenfällig dokumentiert" habe, nicht in der Lage bzw. nicht gewillt zu sein, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten Normen einzuhalten, könne eine Zukunftsprognose nicht positiv ausfallen.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf den Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers seit . Familiäre Bindungen bestünden zu seinem Vater, der seit ca. 20 Jahren in Österreich lebe und österreichischer Staatsbürger sei, seiner Mutter, seinem Bruder und drei Schwestern, wobei letztere ebenfalls österreichische Staatsbürger seien. Laut Sozialversicherungsdatenauszug weise der Beschwerdeführer zwischen April 2007 und Juli 2009 nicht ganz acht Monate an Beschäftigungszeiten auf. Seit stehe er in einem Beschäftigungsverhältnis. Ausgehend davon anerkannte die belangte Behörde einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Dieser Eingriff sei aber zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz des Eigentums Dritter) dringend geboten. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers stehe das - hoch zu veranschlagende - öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessen würden die Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen. Im Hinblick auf die Art, Vielzahl und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten könne von einer Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des Ermessens Abstand genommen werden. Schließlich begründete die belangte Behörde noch die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes näher.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am - um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.

Der Beschwerdeführer verfügte ab Oktober 2004 über einen Niederlassungsnachweis (nach § 24 des Fremdengesetzes 1997), der gemäß § 11 Abs. 1 Abschnitt C lit. a und b der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung mit Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes am als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" bzw. "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" weitergalt. Im Hinblick darauf hätte gegen ihn ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des - im Wege des § 61 Z 2 FPG anzuwendenden - § 56 Abs. 1 FPG erlassen werden dürfen.

Die belangte Behörde hat das gegenständliche Aufenthaltsverbot hingegen auf § 60 Abs. 1 (iVm Abs. 2 Z 1) FPG gestützt und dementsprechend (und auch das nur kursorisch) lediglich das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geprüft. Demgegenüber verlangt der (in Umsetzung der Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen erlassene) § 56 Abs. 1 FPG ein deutlich höheres Gefährdungsmaß, nämlich dass der weitere Aufenthalt des Fremden eine (gegenwärtige, hinreichend) schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0515, mwN; vgl. grundlegend zum System der abgestuften Gefährdungsprognosen im FPG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603). Die Prüfung des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers an diesem Maßstab hat die belangte Behörde allerdings unterlassen.

Daran vermag im vorliegenden Fall auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls rechtskräftig verurteilt wurde und damit der Tatbestand des § 56 Abs. 2 Z 1 FPG, der wiederum eine schwere Gefahr iSd § 56 Abs. 1 FPG indiziert, erfüllt ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2011/23/0515). Der Beschwerdeführer weist diesbezüglich nämlich zu Recht darauf hin, dass seit Begehung der Straftaten knapp fünf Jahre und seit der gerichtlichen Verurteilung auch schon über vier Jahre vergangen sind und er sich seit diesem Zeitpunkt wohlverhalten habe. Auf diese Umstände hat die belangte Behörde, deren Berufungsverfahren ca. vier Jahre dauerte, im angefochtenen Bescheid nicht Bedacht genommen und auch keine Ausführungen dazu gemacht, aus welchen Gründen der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nach wie vor eine gegenwärtige schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle. Soweit die belangte Behörde darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer zweimal wegen der Übertretung verkehrsrechtlicher Bestimmungen bestraft worden sei, vermag dies - schon vor dem Hintergrund, dass eine Darstellung des zugrunde liegenden Fehlverhaltens fehlt - fallbezogen keine relevante Vergrößerung einer aktuellen Gefährdung zu bewirken.

Der angefochtene Bescheid war somit schon im Hinblick darauf gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-88287