VwGH vom 30.04.2021, Ra 2021/03/0036
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Univ.-Doz. Dr. N Z in L, vertreten durch Dr. Andreas König, Dr. Andreas Ermacora, Dr. Christian Klotz, MMag. Mathias Demetz, Dr. Simon Gleirscher und Mag. Claudia Lantos, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Erlerstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , Zl. LVwG-449-29/2017-R10, betreffend Waffenverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz durch das Land Vorarlberg wird abgewiesen.
Begründung
1Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (belangte Behörde) vom wurde dem Revisionswerber der Besitz von Waffen und Munition gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) verboten.
2Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg.
3Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am und am beauftragte das Verwaltungsgericht den klinisch-neuropsychologischen Sachverständigen Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der „waffenrechtlichen Verlässlichkeit (des Revisionswerbers) gemäß § 8 WaffG“. In diesem Gutachten kam der Sachverständige Dr. H zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass das aktuelle suizidale Potential des Revisionswerbers als erhöht einzustufen sei. Dies deshalb, weil die starke Neigung zu impulsiven Handlungen beim Revisionswerber insgesamt das Selbstmordrisiko ansteigen ließe. Sein erhöhter Antrieb bedinge, dass depressiv-suizidale Gedanken eher in die Tat umgesetzt würden und während (sub)depressiven Auslenkungen ein erhöhtes Risiko für höhere körperliche Eigengefährdung sowie ein erhöhtes allgemeines Risikoverhalten bestehe. Die hier festgestellte affektive Störung mit psychotischen Merkmalen, wie auch die posttraumatische Verbitterungsstörung (Anpassungsstörung), seien jeweils für sich betrachtet psychische Störungen, die die Voraussetzungen für die waffenpsychologische Verlässlichkeit ausschlössen.
4In die Beurteilung des Sachverständigen Dr. H. flossen auch die vom Revisionswerber vorgelegten Privatgutachten des klinisch-psychologischen Sachverständigen Dr. R. B. und des psychiatrischen Sachverständigen Dr. W. B. ein.
5In weiterer Folge wurde das Gutachten des Dr. H. in einer weiteren mündlichen Verhandlung am erörtert.
6Am legte der Revisionswerber genauer ausgearbeitete und umfangreichere Privatgutachten der Sachverständigen Dr. R. B. und Dr. W. B. vor. Beide kamen mit näherer Begründung zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber an keiner psychischen Störung leide und keine Hinweise auf Verhaltensweisen vorlägen, welche Rückschlüsse auf eine Selbst- oder Fremdgefährdung zuließen.
7Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge und erklärte die (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
8Das Verwaltungsgericht stellte nach Wiedergabe des Beschwerdeinhalts unter der Überschrift „Sachverhalt und bisheriger Verfahrensgang“ zunächst Folgendes fest:
„Aufgrund eines Familienstreites am um 17:45 Uhr an der Wohnadresse des (Revisionswerbers) [...] in B. informierte die Familie des (Revisionswerbers) die Polizei. Zusätzlich wurde der Poolarzt Dr. G. zur Unterstützung der Amtshandlung nach dem Unterbringungsgesetz beigezogen, da der (Revisionswerber) angeblich bereits zwei Suizidversuche hinter sich gehabt haben soll. Der (Revisionswerber) flüchtete und wurde im EKIS zur Fahndung ausgeschrieben. Die Gattin des (Revisionswerbers) händigte den Polizeibeamten zwei Langwaffen aus, welche sie in einem Tresor aufbewahrt gehabt hat. Am konnten Beamte der PI Gmunden den (Revisionswerber) bei der BH Gmunden anhalten und dem dortigen Amtsarzt Dr. T. vorführen, als der (Revisionswerber) gerade dabei war, bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden einen Notpass abzuholen. Der (Revisionswerber) wurde in die Psychiatrie V. eingewiesen. Dort wurde dieser jedoch gleich wieder entlassen. Zuvor hat sich der (Revisionswerber) vom bis in der Privatklinik D. in W. aufgehalten und sich diversen Untersuchungen unterzogen. Aus dem Entlassungspatientenbrief der Privatklinik D. vom ergeht, dass als Aufnahmediagnose eine akute Überlastungsreaktion festgestellt worden ist neben einem Erschöpfungssyndrom. Es wurden dem (Revisionswerber) verschiedene Medikamente verordnet. Im Zuge des Aufenthalts in der Privatklinik wurde eine psychologische Begutachtung erstellt, aus der hervorgeht, dass beim (Revisionswerber) ein hohes Maß an psychosozialen Stressoren vorliegend sei.“
9Nach Wiedergabe der Aussagen der in den mündlichen Verhandlungen einvernommenen Zeugen in indirekter Rede, zitierte das Verwaltungsgericht auf rund 156 Seiten des insgesamt 192 Seiten umfassenden Erkenntnisses die eingeholten bzw. vorgelegten (Privat-)Gutachten wörtlich und in voller Länge.
10Unter der Überschrift „Analyse und Vergleich der vorliegenden Gutachten“ legte das Verwaltungsgericht in weiterer Folge zusammengefasst dar, dass das psychiatrische Privatgutachten des Dr. W. B. aufgrund fehlender Fachqualifikation keine Relevanz aufweise. Dieser scheine nicht in der Liste der vom Kuratorium für Verkehrssicherheit herangezogenen Begutachtungsstellen gemäß § 1 Abs. 2 der 1. Waffengesetz-Durchführungsverordnung auf und betone auch selbst in seinem Gutachten, dass die vorgenommene psychiatrische Beurteilung die gesetzlich vorgeschriebene Verlässlichkeitsprüfung nach § 8 WaffG nicht ersetzen könne. Zum Gutachten des klinisch-psychologischen Sachverständigen Dr. R. B. sei auszuführen, dass dieses Gutachten weit weniger umfangreiche Prüfungskriterien umfasse als eines, das die Frage zu beantworten habe, ob die waffenrechtliche Verlässlichkeit nach wie vor vorhanden sei. Die Testergebnisse im Gutachten des Dr. R. B. hätten zwar keine Auffälligkeiten beim Revisionswerber ergeben, auffällig sei aber, dass im Mai 2019 - als der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige Dr. H. diese Tests durchführen habe wollen - diese aufgrund der Alkoholisierung des Revisionswerbers nicht durchführbar gewesen seien. Dies falle nicht zu Gunsten des Revisionswerbers aus. Aufgrund des Verhaltens des Revisionswerbers bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. H. sei es nachvollziehbar, wenn dieser den Verdacht des Alkoholabusus hege. Weiters habe der Revisionswerber auch bezüglich seiner familiären Situation gegenüber Dr. R. B. abweichende Angaben gemacht als noch im Jahr 2019 gegenüber dem Sachverständigen Dr. H. Darüber hinaus habe Dr. R. B. das Umfeld des Revisionswerbers zu wenig bis gar nicht einbezogen. Zusammenfassend komme das Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. B. nicht relevant sei, weshalb es auch nicht in die rechtliche Beurteilung einbezogen werde. Der durch das Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige Dr. H. stufe das aktuelle suizidale Potential des Revisionswerbers aufgrund seiner starken Neigung zu impulsiven Handlungen als hoch ein. Die Analyse des Sachverständigen Dr. H. habe nachvollziehbar und schlüssig ergeben, dass aufgrund der beim Revisionswerber vorhandenen Persönlichkeitsstruktur zu befürchten sei, dass dieser im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG auch zukünftig mit Waffen unsachgemäß umgehen bzw. Missbrauch betreiben werde, sodass es zu einer Gefährdung von Leib und Leben kommen könnte.
11Daran unmittelbar anschließend führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass das gegenständliche Waffenverbot mit Bescheid der belangten Behörde „auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 WaffG ausgesprochen“ worden sei. Das Verwaltungsgericht komme aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. H. zu dem Ergebnis, dass eine Aufrechterhaltung des von der belangten Behörde verhängten Waffenverbotes im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG gerechtfertigt sei und die Voraussetzungen für die Aufhebung im gegenständlichen Zeitpunkt nicht vorlägen. Insbesondere die Aussagen und Angaben zum Vorfall vom ließen erkennen, dass der Revisionswerber eine psychische Verhaltensstruktur aufweise, die im Gutachten des Dr. H. präzise beschrieben und analysiert werde und eine negative Prognose im Hinblick auf § 8 WaffG rechtfertige.
12Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Hinweis auf die gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG, die fallbezogen nicht vorlägen.
13Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit im Wesentlichen und mit näherer Begründung ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 12 Abs. 1 WaffG geltend macht.
14Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
15Die Revision ist zulässig und begründet, weil (wie auch vom Revisionswerber im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGG dargelegt) das Verwaltungsgericht von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen der Verhängung eines Waffenverbotes abgewichen ist.
16Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.
17Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Verhängung des Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger („missbräuchlicher“) Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist (vgl. etwa , mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt erkannt, dass ernsthafte Selbstmordabsichten die Verhängung eines Waffenverbots rechtfertigen. Derartige Absichten müssten sich aber nicht nur bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit, sondern auch noch bei Erlassung des Waffenverbots durch die entscheidende Behörde feststellen lassen, um die Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG nachvollziehbar zu machen (vgl. etwa , mwN).
18Im Fall des § 12 WaffG kann dem Betroffenen die Beibringung eines Gutachtens nicht mit einer dem § 8 Abs. 6 WaffG betreffend die Verlässlichkeitsprüfung entsprechenden Wirkung aufgetragen werden, sondern die Behörde hat entweder sogleich oder im Fall der Nichtvorlage eines Gutachtens durch den Betroffenen von Amts wegen einen entsprechenden Sachverständigen zu bestellen und selbst mit der Erstellung eines Gutachtens zu betrauen. Wirkt der Betroffene dann nicht entsprechend mit, kann die Behörde diesen Umstand - auch in einem Verfahren nach § 12 WaffG - zum Nachteil des Betroffenen würdigen. Zur Anordnung einer ärztlichen Untersuchung und Gutachtenserstellung bzw. zur besagten Würdigung der Verletzung der Mitwirkungspflicht bedarf es bestimmter Anhaltspunkte dafür, dass vom Betroffenen eine Gefährdung im Sinne des § 12 WaffG ausgehen könnte, wobei für die Anordnung einer ärztlichen oder psychologischen Begutachtung des Betroffenen keine allzu hohen Anforderungen in Bezug auf die Umstände, die eine solche Anordnung gerechtfertigt erscheinen lassen, zu stellen sind (vgl. , mwN).
19Im vorliegenden Revisionsfall ist eingangs festzuhalten, dass das angefochtene Erkenntnis nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung gerecht wird (vgl. dazu etwa , mwN), zumal diesem kein getrennter Aufbau im Sinne der angeführten Rechtsprechung zu entnehmen ist, sondern vielmehr Feststellungen, beweiswürdigende Überlegungen und rechtliche Beurteilung im gesamten Verlauf der Begründung vermengt werden. So beschränkt sich das Verwaltungsgericht unter der Überschrift „Sachverhalt und bisheriger Verfahrensgang“ darauf, diverse Aktenteile, wie etwa die Aussagen aus der mündlichen Verhandlung und die eingeholten bzw. vorgelegten Sachverständigengutachten teils wörtlich wiederzugeben, wobei die Wiedergabe der Unterlagen durch kursorische Feststellungen und vereinzelte beweiswürdigende Erwägungen durchbrochen wird. Daran anschließend finden sich unter dem Punkt „Analyse und Vergleich der vorliegenden Gutachten“ beweiswürdigende Erwägungen zu den eingeholten und vorgelegten (Privat-)Gutachten vermengt mit rechtlichen Ausführungen. Darin ist jedoch keine ordnungsgemäße Begründung im Sinne der hg. Rechtsprechung zu erblicken. Es fehlt vielmehr an den - aufeinander aufbauenden und formal voneinander zu trennenden - notwendigen Begründungselementen, nämlich den gebotenen Tatsachenfeststellungen, einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung und einer entsprechenden rechtlichen Beurteilung. Dabei vermag die Darstellung des Verwaltungsgeschehens die fehlende Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ebenso wenig zu ersetzen (vgl. , mwN) wie die bloße Zitierung von Beweisergebnissen oder die bloße Inklusion anderweitiger Aktenteile (vgl. , mwN).
20Vor diesem Hintergrund rügt die Revision zu Recht, dass das angefochtene Erkenntnis keine klaren Feststellungen dazu trifft, ob beim Revisionswerber ernsthafte Selbstmordabsichten (auch noch) zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu befürchten waren. Im vorliegenden Fall geht das Verwaltungsgericht zwar - soweit erkennbar - davon aus, dass die Gefahr einer Selbstgefährdung des Revisionswerbers bestehe, das - durch Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers - vom Verwaltungsgericht verhängte Waffenverbot beruht aber nicht auf einem in einwandfreier Weise festgestellten Sachverhalt, der diese Schlussfolgerung zu tragen vermag.
21Soweit sich das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung maßgeblich auf die Ausführungen des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. H. stützt und dazu näher darlegt, dass die in dessen Gutachten beschriebene und analysierte psychische Verhaltensstruktur des Revisionswerbers eine negative Prognose „im Hinblick auf § 8 WaffG“ rechtfertige, verkennt es, dass bei der Verhängung eines Waffenverbotes gemäß § 12 Abs. 1 WaffG die Behörde (das Verwaltungsgericht) die Frage der Verlässlichkeit nach § 8 WaffG nicht zu prüfen hat. Die einzige Beziehung zwischen diesen beiden Bestimmungen besteht darin, dass bei jemandem, bei dem keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, er werde Waffen missbräuchlich verwenden (vgl. § 8 Abs. 1 Z 1 erster Fall WaffG), die Verhängung eines Waffenverbotes nicht in Frage kommt, setzt diese doch (u.a.) gerade die - durch Tatsachen gerechtfertigte - Annahme der Gefahr missbräuchlicher Verwendung von Waffen voraus (vgl. , mwN). Dem Gutachten des Dr. H. liegen die vom Verwaltungsgericht im Gutachtensauftrag gestellten Fragen zugrunde, ob aus dem Verhalten des Revisionswerbers geschlossen werden könne, dass eine Verlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG nicht mehr vorliege und zu befürchten sei, dass dieser zukünftig mit Waffen unsachgemäß umzugehen bzw. Missbrauch betreiben werde. Der Sachverständige Dr. H. führte dazu im Ergebnis aus, dass die festgestellten psychischen Störungen des Revisionswerbers die Voraussetzungen für die „waffenpsychologische Verlässlichkeit“ ausschlössen. Genauso stehe die beim Revisionswerber vorhandene (psychopathologisch verzerrte) Persönlichkeitsstruktur der Verlässlichkeit entgegen, was in Summe befürchten ließe, dass der Revisionswerber zukünftig mit Waffen unsachgemäß umgehen bzw. Missbrauch betreiben werde. Ein Gutachten, das dem Betroffenen - wie im vorliegenden Fall - (bloß) das Fehlen der waffenrechtlichen Verlässlichkeit bescheinigt, kann aber alleine keine Grundlage für die Verhängung eines Waffenverbotes nach § 12 Abs. 1 WaffG sein (vgl. ). Dies schließt freilich nicht aus, dass ein derartiges Gutachten - soweit es wie im vorliegenden Fall zum Ergebnis kommt, dass „das aktuelle suizidale Potential des Revisionswerbers als erhöht einzustufen“ sei - nicht auch geeignet sein kann, die Annahme zu rechtfertigen, dass der Betroffene durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte, sodass die Verhängung eines Waffenverbotes gerechtfertigt wäre, allerdings bedürfte es dazu entsprechender nachvollziehbarer Feststellungen unter Auseinandersetzung mit allen vorliegenden Beweisergebnissen.
22Indem das Verwaltungsgericht von den durch die hg. Rechtsprechung entwickelten Leitlinien zur Verhängung des Waffenverbotes gemäß § 12 Abs. 1 WaffG abgewichen ist, hat es das angefochtene Erkenntnis mit (vorrangig wahrzunehmender) inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
23Das Verwaltungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren im Lichte der dargestellten Rechtsprechung nach Durchführung ergänzender Ermittlungen entsprechende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen haben, um anschließend beurteilen zu können, ob gemäß § 12 Abs. 1 WaffG bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Revisionswerber durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn beim Revisionswerber zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ernsthafte Selbstmordabsichten vorlägen. Dass als Grundlage für die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Gefährdungsprognose nach § 12 Abs. 1 WaffG im konkreten Fall das Gutachten eines klinisch-psychologischen Sachverständigen nicht geeignet wäre, wie die Revision meint, und stattdessen das Gutachten eines in psychiatrischen Sachverständigen einzuholen wäre, ist vor dem Hintergrund des in § 22 Psychologengesetz umschriebenen Tätigkeitsbereichs der Klinischen Psychologinnen und Klinischen Psychologen nicht zu erkennen.
24Gemäß § 47 Abs. 5 VwGG ist der zu leistende Aufwandersatz von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat. Die Vollziehung des WaffG ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG Bundessache. Kostenersatzpflichtiger Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 B-VG wäre daher im vorliegenden Fall der Bund. Da daneben keine Kostenersatzpflicht eines anderen Rechtsträgers vorgesehen ist, war der auf die Inanspruchnahme des „Landes Vorarlberg“ gerichtete Antrag des Revisionswerbers abzuweisen (vgl. in diesem Sinn zum ebenfalls durch den Bund zu vollziehenden Kraftfahrgesetz 1967 , mwN).
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030036.L00 |
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