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VwGH vom 18.09.2012, 2011/11/0101

VwGH vom 18.09.2012, 2011/11/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des W F in W, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Schäfer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Neue Welt-Gasse 5, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Foidl Trappmaier Rechtsanwälte in 1030 Wien, Ungargasse 53, vertretenen) Vorstandes der Ärztekammer für Wien vom , Zl. ArztNr.: 7559, betreffend Kammerumlage für das Jahr 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Ärztekammer für Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die vom Beschwerdeführer für das Jahr 2009 zu entrichtende Kammerumlage (und zwar einerseits betreffend die Ärztekammer für Wien und andererseits betreffend die österreichische Ärztekammer) in näher genannter Höhe festgesetzt.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und übe diesen Beruf im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit an einem näher genannten Institut aus, welches von der Dr. W. GesmbH betrieben werde. Diese Gesellschaft befasse sich mit unterschiedlichen Methoden der Reproduktionsmedizin bei Sterilität, also mit der Geburtshilfe unter Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe. Laut Firmenbuch sei der Beschwerdeführer einer von zwei selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführern dieser Gesellschaft. Außerdem sei der Beschwerdeführer Alleingesellschafter einer weiteren Gesellschaft, die ihrerseits Gesellschafterin der Dr. W. GesmbH sei. Die Einkünfte des Beschwerdeführers beinhalteten daher sowohl Gewinnanteile aus der indirekten Gesellschafterstellung an der Dr. W. GesmbH als auch Honorare als Geschäftsführer.

Bei der Berechnung der Kammerumlage für das Jahr 2009 sei gemäß § 1 Abs. 2 Umlagenordnung der Ärztekammer für Wien als Bemessungsgrundlage das gesamte zu versteuernde Jahreseinkommen aus ärztlicher Tätigkeit des jeweils drittvorangegangenen Jahres, gegenständlich also das Jahreseinkommen aus dem Jahr 2006, soweit es im Bereich des Bundeslandes Wien erzielt worden sei, heranzuziehen.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid vorgebracht, er sei kaufmännischer Direktor der Dr. W. GesmbH, die auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung, somit der Geburtshilfe unter Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe tätig sei. Seines Erachtens sei das Honorar für die kaufmännische Geschäftsführung kein Entgelt für eine ärztliche Tätigkeit und daher bei der Festsetzung der Kammerumlage nicht zu berücksichtigen.

Dem sei entgegenzuhalten, dass § 1 Abs. 2 der Umlagenordnung bei der Bemessung der Kammerumlage auf die Einnahmen aus "ärztlicher Tätigkeit" abstelle. Gemäß § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 umfasse die Ausübung des ärztlichen Berufes jede auf medizinischwissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar oder mittelbar am Menschen ausgeführt werde. Die medizinische Fortpflanzungshilfe zähle gemäß § 2 Abs. 2 Z 6 ÄrzteG 1998 zweifelsohne zu den ärztlichen Kerntätigkeiten. Daher sei die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit der Geschäftszweck der Dr. W. GesmbH.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien als ärztliche Tätigkeit auch organisatorische und wirtschaftliche Tätigkeiten anzusehen, die im Rahmen selbständiger als auch unselbständiger ärztlicher Tätigkeiten anfielen. Nach dieser Rechtsprechung seien auch organisatorische und wirtschaftliche Tätigkeiten eines selbständig praktizierenden Arztes, sofern sie nicht auf eine inhaltlich anders geartete Haupttätigkeit gerichtet seien, wie etwa die Ausübung eines Gewerbes neben der ärztlichen Tätigkeit, von der ärztlichen Tätigkeit grundsätzlich nicht trennbar (Hinweis u.a. auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/11/0097).

Ausgehend davon seien auch die Tätigkeiten des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der Dr. W. GesmbH und die damit verbundenen wirtschaftlichen und organisatorischen Aufgaben als ärztliche Tätigkeit anzusehen, da diese Tätigkeiten auf die Ausübung der medizinischen Fortpflanzungshilfe gerichtet seien und nicht auf eine inhaltlich anders geartete, nicht medizinische Haupttätigkeit.

Soweit das Jahreseinkommen des Beschwerdeführers aufgrund seiner indirekten Gesellschafterstellung an der Dr. W. GesmbH Gewinnanteile enthalte, zählten diese Gewinnanteile schon wegen der ausdrücklichen Anordnung in § 1 Abs. 2 Umlagenordnung zu den Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Vorweg ist aufgrund der Aktenlage festzuhalten, dass entgegen den diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde eine interne Genehmigung (§ 18 AVG) der erstinstanzlichen Erledigung durch den Präsidenten der Ärztekammer für Wien erfolgt ist, sodass im vorliegenden Fall vom Vorliegen eines erstinstanzlichen Bescheides auszugehen ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2006/11/0058 und 2006/11/0108).

II.1. Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde zusammengefasst gegen die den angefochtenen Bescheid tragende Rechtsansicht der belangten Behörde, das von ihm im Jahre 2006 bezogene Honorar als kaufmännischer Geschäftsführer der Krankenanstalt der Dr. W. GesmbH, die auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung tätig sei, sei in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Kammerumlage einzurechnen. Der Beschwerdeführer begründet seinen gegenteiligen Standpunkt im Wesentlichen damit, dass der auf die medizinische Fortpflanzungshilfe gerichtete Geschäftszweck der genannten Gesellschaft nicht automatisch bedeute, dass auch sämtliche seiner Tätigkeiten für diese Gesellschaft ärztliche Tätigkeiten darstellten. Als Geschäftsführer sei der Beschwerdeführer nämlich (auch) für die Bereiche Finanzen, Controlling, Personal, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit zuständig; seines Erachtens liege in keinem dieser Felder ein Konnex zum Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit vor. Die belangte Behörde hätte daher differenzieren und feststellen müssen, welcher Teil seiner Einkünfte aus dem Geschäftsführerhonorar stamme und daher nicht der ärztlichen Tätigkeit zuzurechnen sei. So habe der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass zwar das Gehalt eines Leiters einer Klinik grundsätzlich eine Einnahme aus ärztlicher Tätigkeit sei, dass jedoch eine Ausnahme angenommen werden könne, wenn klar trennbare Bestandteile des Gehalts ausdrücklich als Entgelt für andere als eine ärztliche Tätigkeit bezeichnet würden. Im gegenständlichen Fall sei die kaufmännische Geschäftsführung der Krankenanstalt (beinhaltend die genannten Bereiche wie Finanzen, Controlling und Personal) klar trennbar von seiner ärztlichen Tätigkeit.

II.2. Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 6 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) umfasst die Ausübung des ärztlichen Berufes insbesondere auch die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe.

Gemäß § 91 Abs. 3 ÄrzteG 1998 sind die Umlagen unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung der Art der Berufsausübung der Kammerangehörigen festzusetzen. Die Höchstgrenze der Kammerumlage beträgt 3 vH der Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit.

Gemäß § 91 Abs. 4 ÄrzteG 1998 hat die Umlagenordnung nähere Bestimmungen insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Kammerumlage vorzusehen.

Die Umlagenordnung der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2009

lautet auszugsweise:

"§ 1 Kammerumlage

(1) Die Kammerumlage beträgt, soweit in dieser Umlagenordnung nichts anderes festgelegt ist, jährlich 2,1 v.H. der Bemessungsgrundlage.

(2) Die Bemessungsgrundlage ist das gesamte zu versteuernde Jahreseinkommen aus ärztlicher Tätigkeit des jeweils drittvorangegangenen Kalenderjahres, soweit es im Bereich des Bundeslandes Wien erzielt wurde. Zu den Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit zählen auch Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, deren Geschäftszweck nur unter der verantwortlichen Leitung eines/einer zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arztes/Ärztin verwirklicht werden kann; dazu gehören auch Einkünfte aus Gruppenpraxen. …

…"

II.3. Der Beschwerdeführer ist unstrittig Arzt. Im vorliegenden Beschwerdefall geht es um die Frage, ob die Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner Tätigkeit als kaufmännischer Geschäftsführer der Dr. W. GmbH, die eine Krankenanstalt auf dem Gebiet der Geburtshilfe unter Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe betreibt, zu den Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit zählen und damit in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Kammerumlagen einzurechnen sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung bei Auslegung des Begriffes der ärztlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Berechnung der Umlagen für die Ärztekammern und der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammern sowohl im Rahmen selbständiger als auch unselbständiger ärztlicher Tätigkeit die damit anfallenden organisatorischen und wirtschaftlichen Tätigkeiten als ärztliche Tätigkeiten angesehen. Demnach sind auch organisatorische und wirtschaftliche Tätigkeiten eines selbständig praktizierenden Arztes, sofern sie nicht auf eine inhaltlich anders geartete Haupttätigkeit gerichtet sind (wie etwa auf die Ausübung eines Gewerbes neben der ärztlichen Tätigkeit), grundsätzlich nicht von der ärztlichen Tätigkeit zu trennen (vgl. das Erkenntnis vom , Zlen. 2002/11/0080, 2003/11/0087, mwN).

Im Erkenntnis vom , Zl. 2003/11/0097, wurde unter Bezugnahme auf die genannte Judikatur entschieden, dass auch die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben organisatorischer und wirtschaftlicher Art im Rahmen einer Gesellschaft, die mit der Erstellung von gerichtsmedizinischen Gutachten und somit einer Tätigkeit gemäß § 2 ÄrzteG 1998 befasst ist, als ärztliche Tätigkeit anzusehen sei.

II.4. Nichts anderes hat im vorliegenden Beschwerdefall zu gelten:

Unstrittig betreibt die Dr. W. GesmbH eine Krankenanstalt zur Durchführung der künstlichen Befruchtung, sodass die Haupttätigkeit dieser Gesellschaft zweifellos auf die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit (Maßnahme der medizinischen Fortpflanzungshilfe gemäß § 2 Abs. 2 Z 6 ÄrzteG 1998) ausgerichtet ist. Wie sich aus der zitierten Judikatur, insbesondere dem genannten Erkenntnis Zl. 2003/11/0097, ergibt, sind daher all jene organisatorischen und wirtschaftlichen Tätigkeiten, die von einem Arzt im Rahmen der Dr. W. GesmbH zum Zwecke der Durchführung der medizinischen Fortpflanzungshilfe ausgeübt werden (hier: vom Beschwerdeführer als Geschäftsführer dieser Gesellschaft), grundsätzlich zu dessen ärztlicher Tätigkeit zu rechnen, sodass die daraus gewonnenen Einnahmen (Einkünfte) bei der Berechnung der Kammerumlage zu berücksichtigen sind.

Diese Überlegungen finden sowohl im Wortlaut des § 91 Abs. 3 ÄrzteG 1998 als auch in § 1 Abs. 2 der Umlagenordnung ihre Grundlage:

§ 91 Abs. 3 ÄrzteG 1998 überlässt es der näheren Regelung in der Umlagenordnung, welche Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Umlagen herangezogen wird.

§ 1 Abs. 2 der Umlagenordnung bestimmt als Bemessungsgrundlage "das gesamte zu versteuernde Jahreseinkommen aus ärztlicher Tätigkeit". Es genügt also, dass es sich um Einkünfte eines Arztes "aus ärztlicher Tätigkeit" handelt, ohne dass diese Einkünfte zwingend aus einer eigenen ärztlichen Tätigkeit im Sinne des § 2 ÄrzteG 1998 resultieren müssen. Dies ergibt sich auch aus § 1 Abs. 2 zweiter Satz Umlagenordnung, dem zufolge sogar Einkünfte aus Gewinnanteilen von Gesellschaften unter ärztlicher Leitung (somit Einkünfte, die der umlagenpflichtige Arzt nicht zwingend durch - eigene - ärztliche Tätigkeit im Sinne des § 2 ÄrzteG 1998 erwirtschaftet) zu den Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit zählen.

Es ändert somit nichts, dass die vom Beschwerdeführer in seiner Funktion als Geschäftsführer wahrgenommenen Tätigkeiten kaufmännischer und nicht ärztlicher Natur sind, weil diese Tätigkeiten, wie sich bereits aus der genannten Judikatur ergibt, nicht isoliert zu betrachten sind, sondern organisatorische und wirtschaftliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der (den Geschäftszweck der Gesellschaft bildenden) Durchführung der medizinischen Fortpflanzungshilfe darstellen, sodass die Honorare aus dieser Geschäftsführertätigkeit Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 der Umlagenordnung darstellen.

Nicht zielführend ist schließlich der Einwand der Beschwerde, eine Ausnahme von der Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage bestehe nach der hg. Judikatur dann, wenn klar trennbare Bestandteile des Gehaltes ausdrücklich als Entgelt für andere als ärztliche Tätigkeiten bezeichnet wurden (vgl. aus vielen das bereits zitierte Erkenntnis Zlen. 2002/11/0080, 2003/11/0087). Die Nichteinbeziehung von klar trennbaren und ausdrücklich bezeichneten Gehaltsbestandteilen in die Bemessungsgrundlage setzt nämlich voraus, dass diese Gehaltsbestandteile für andere als ärztliche Tätigkeiten (im letztzitierten Erkenntnis wird beispielsweise die Ausübung eines Gewerbes genannt) empfangen wurden, was aber gegenständlich - wie bereits dargestellt wurde - nicht zutrifft.

III. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-88263