VwGH vom 15.03.2021, Ra 2021/03/0008

VwGH vom 15.03.2021, Ra 2021/03/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. F S und 2. M S, beide in B, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Döllacherstraße 1 gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 41.5-833/2019-40, betreffend eine Angelegenheit nach dem Eisenbahngesetz 1957 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark; mitbeteiligte Partei: Ö AG in W, vertreten durch Dr. Martin Wandl & Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwaltspartnerschaft in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 31 ff Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für den Rückbau eines näher bezeichneten Durchlasses der ÖBB-Strecke Stainach/Irdning - Attnang-Puchheim erteilt. Einwendungen der revisionswerbenden Parteien gegen dieses Bauvorhaben wurden mangels Parteistellung zurückgewiesen.

2Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG), in der sie vorbrachten, ihnen sei die Parteistellung zu Unrecht nicht gewährt worden, weil sie ein dingliches Recht an der Benützung des Durchlasses zu Zwecken des Viehtriebs geltend gemacht hätten, worüber ein Zivilverfahren vor dem Landesgericht Leoben anhängig sei. Durch die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung entstehe ihnen ein erheblicher Nachteil, weil sie keine andere Möglichkeit hätten, die Tiere von der einen Weide zur anderen Weide zu treiben. Der Vorteil für die Öffentlichkeit bei Realisierung des Bauvorhabens sei demgegenüber nicht größer (Hinweis auf § 31f EisbG).

3Mit Beschluss vom setzte das LVwG das Beschwerdeverfahren bis zur (rechtskräftigen) Entscheidung des Landesgerichts Leoben in dem angesprochenen Zivilverfahren gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG aus.

4Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LVwG die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien mangels Parteistellung zurück und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, das Landesgericht Leoben habe mit Urteil vom , 7 Cg 46/19x-79, das Klagebegehren der revisionswerbenden Parteien auf Feststellung der Dienstbarkeit des Viehtriebs durch die gegenständliche Eisenbahnunterführung abgewiesen. Gemäß § 31e EisbG seien Parteien im Sinne des § 8 AVG der Bauwerber, die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften, die an diesen dinglich Berechtigten, die Wasserberechtigten und die Bergwerksberechtigten. Dinglich Berechtigte seien nur solche Personen, die einen gültigen Titel vorweisen und durch die Erteilung der Baugenehmigung in ihren Rechten berührt werden könnten. Ersteres treffe für die revisionswerbenden Parteien aufgrund der Klagsabweisung nicht zu. Die Beschwerde sei daher mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen.

6Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache geltend macht, das LVwG habe den rechtskräftigen Abschluss des Zivilverfahrens - entgegen seinem Aussetzungsbeschluss - nicht abgewartet, sondern ausschließlich unter Hinweis auf das Urteil des Landesgerichts Leoben, welches jedoch noch nicht rechtskräftig sei, das Vorliegen eines gültigen Titels als dinglich Berechtigte verneint und die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien mangels Parteistellung zurückgewiesen. Eine Bindung an dieses (nicht rechtkräftige) Zivilurteil bestehe aber nicht.

7Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der darauf hingewiesen wurde, dass zwischenzeitlich das Oberlandesgericht Graz die Berufung der revisionswerbenden Parteien abgewiesen habe. Die Revision sei jedoch gemäß § 502 Abs. 1 ZPO zugelassen worden, sodass das Verfahren 7 Cg 46/19x des Landesgerichts Leoben tatsächlich bis dato noch nicht rechtskräftig beendet sei. Im Lichte der Eindeutigkeit der vorliegenden Zivilurteile sei der angefochtene Beschluss aber dem Ergebnis nach richtig, weshalb beantragt werde, der Revision keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8Die Revision ist zulässig und begründet.

9§ 31e EisbG räumt den an der betroffenen Liegenschaft dinglich Berechtigten Parteistellung im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren ein. Als solche können sie subjektiv öffentliche Rechte geltend machen, die gemäß § 31f Z 3 EisbG einer eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung entgegenstehen.

10Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der dinglich Berechtigte an der betroffenen Liegenschaft - vergleichbar den Eigentümern von betroffenen Liegenschaften (vgl. dazu etwa ) - erfolgreich nur solche Nachteile einwenden, durch die er unmittelbar beeinträchtigt ist. Die geltend gemachten Rechte müssen mit seinem dinglichen Recht untrennbar verbunden und im EisbG als subjektiv öffentliche Rechte ausgebildet sein. Demnach können dinglich Berechtigte im Rahmen der gemäß § 31f Z 3 EisbG gebotenen Interessenabwägung einwenden, dass das geplante Bauvorhaben keinen Vorteil für die Öffentlichkeit darstelle oder der Vorteil für die Öffentlichkeit geringer sei als die ihnen dadurch erwachsenden Nachteile.

11Derartige Einwände haben die mitbeteiligten Parteien im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren erhoben und sich auf eine dingliche Berechtigung an der betroffenen Liegenschaft gestützt, über deren Vorhandensein ein gerichtlicher Zivilrechtsstreit zwischen den Parteien anhängig ist, in dem über diese Frage als Hauptfrage bindend entschieden werden wird.

12Ausgehend davon hat das LVwG das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom bis zur rechtskräftigen Erledigung des Zivilverfahrens zu Recht unterbrochen (vgl. dazu ).

13Bei der nunmehr angefochtenen Entscheidung hat das LVwG jedoch übersehen, dass mit dem erstinstanzlichen Urteil des Landesgerichts Leoben vom , 7 Cg 46/19x-5, mit dem das Klagebegehren der revisionswerbenden Parteien auf Feststellung des strittigen dinglichen Rechts abgewiesen wurde, dieser Zivilrechtsstreit noch nicht (materiell) rechtskräftig entschieden worden ist. Eine Bindung des LVwG an das Urteil des Zivilgerichts war daher jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (noch) nicht gegeben (vgl. zur Bindungswirkung zivilgerichtlicher Entscheidungen für die Verwaltungsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht im Allgemeinen etwa , mwN).

14Zwar erwächst einer Partei aus einer rechtskräftigen Aussetzungsentscheidung kein subjektives Recht auf Nichtbeendigung des ausgesetzten Verfahrens und die Partei kann durch die Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens vor Beendigung des die Vorfrage betreffenden Verfahrens nicht in ihren Rechten verletzt sein (vgl. etwa , mwN).

15Will die Verwaltungsbehörde oder - wie hier - das Verwaltungsgericht sein Verfahren vor (materiell rechtskräftiger) Beendigung des die Vorfrage betreffenden Verfahrens fortsetzen, so muss es aber die im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfrage, die als Hauptfrage vor dem Zivilgericht zu entscheiden wäre, selbständig beurteilen und zu diesem Zweck die erforderlichen Feststellungen treffen bzw. Erwägungen anstellen (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz. 31, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Es ist jedoch nicht ausreichend, sich - wie im vorliegenden Fall - bloß auf das Vorliegen eines erstinstanzlichen, noch nicht rechtskräftigen und somit nicht bindenden Zivilurteils über die Hauptfrage zu berufen.

16Da das LVwG insoweit die Rechtslage verkannt hat war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

17Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

18Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030008.L00

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