VwGH vom 29.05.2013, 2013/22/0050
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der O, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 161.967/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer moldawischen Staatsangehörigen, auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des Schulbesuches gemäß § 19 Abs. 3, § 63 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 29 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in Verbindung mit § 8 Z 6 lit. c Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) ab.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier entscheidungswesentlich - aus, die Beschwerdeführerin habe zuletzt über eine bis gültige "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" verfügt. Die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck des Besuchs einer Schule sei gemäß § 63 Abs. 3 NAG nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis über den Schulerfolg erbringe. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar seien, könne trotz Fehlens des Schulerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden. Gemäß § 8 Z 6 lit. c NAG-DV sei für die Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher Nachweis der Schule oder der nicht schulischen Bildungseinrichtung über den Schulerfolg im vorangegangenen Schuljahr vorzulegen.
Die Beschwerdeführerin habe den hier gegenständlichen Verlängerungsantrag am gestellt. Das vorangegangene Schuljahr im Sinn der genannten Bestimmung der NAG-DV betreffe daher das Schuljahr 2010/2011. Die Beschwerdeführerin sei mit Schreiben vom aufgefordert worden, sämtliche Semester- und Jahreszeugnisse seit Schulbeginn 2008/2009 inklusive der jeweiligen gesonderten Semestermitteilungen, ob ihr die Wiederholung der negativ abgeschlossenen Module erlaubt sei und sie berechtigt sei, in das jeweils weitere Semester aufzusteigen, vorzulegen. Weiters sei sie darauf hingewiesen worden, dass "bei einer unablässigen Wiederholung derselben zwei Schulsemester oder Lernmodule, nicht von einem Schulerfolg gesprochen werden" könne.
Den vorgelegten Zeugnissen sei zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin kein einziges Semester mit durchwegs positivem Erfolg abgeschlossen habe. Dennoch seien ihr während der gesamten Schulzeit ab immer wieder Aufenthaltstitel zum Zweck des Schulbesuchs erteilt worden.
Im Schuljahr 2010/2011 sei der Beschwerdeführerin "zudem bescheinigt" worden, dass sie infolge Überschreitens der nach § 31 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge (SchUG-BKV) zulässigen Höchstdauer "aufgehört" habe, "Studierende der Schule in Wien 10" zu sein. Dazu sei anzumerken, dass die Beschwerdeführerin insgesamt dreimal die ersten beiden Semester unablässig wiederholt habe.
Im Weiteren habe die Beschwerdeführerin die Schule gewechselt und besuche denselben Schultyp nunmehr im Schuljahr 2011/2012 in Wien 12. Dort habe sie erneut die ersten beiden Semester besucht. Sie habe die Module Englisch und Betriebswirtschaft negativ abgeschlossen.
Betreffend das Zeugnis vom sei "keine Information der Schule vorgelegt" worden, ob die Beschwerdeführerin trotz der zwei mit "nicht genügend" beurteilten Gegenstände berechtigt sei, in das dritte Semester aufzusteigen, obwohl die Beschwerdeführerin zur Vorlage eines entsprechenden Schreibens aufgefordert worden sei. Weiters sei hinsichtlich der drei mit einem "E" beurteilten Gegenstände keine Information über deren Bedeutung vorgelegt worden. Sohin könne die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie sei zum Aufsteigen in das nächste Semester berechtigt, "nicht eindeutig nachvollzogen werden".
Zwar habe sich die Bestimmung des § 26 SchUG-BKV zwischenzeitig geändert und die Beschwerdeführerin wäre "wahrscheinlich" auch schon nach der früher geltenden Bestimmung berechtigt gewesen, in das nächst höhere Semester aufzusteigen. Dies könne allerdings nur vermutet und mangels Vorlage von Unterlagen nicht verifiziert werden. Auch die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Schulbesuchsbestätigung, wonach sie das Semester "3BKC" besuche, könne nicht als Nachweis für die Berechtigung des Aufsteigens angesehen werden, weil der Besuch des dritten Semesters "auch mit der erfolgten Gesetzesänderung begründet werden" könnte und "nicht auf einen unmittelbaren Schulerfolg mittels aufsteigen Ihrerseits in ein höheres Semester". Ein Zeugnis über das dritte Semester sei nicht vorgelegt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Februar 2013 nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 50/2012 und der NAG-DV in der Fassung des BGBl. II Nr. 201/2011 richtet.
Gemäß § 63 Abs. 3 NAG ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen dem Besuch einer Schule im Sinn des § 63 Abs. 1 NAG dient, für diesen Zweck nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis über den Schulerfolg und in den Fällen des § 63 Abs. 1 Z 5 NAG darüber hinaus über die Aufnahme als ordentlicher Schüler erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Schulerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.
Nach § 8 NAG-DV sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zusätzlich zu den im § 7 NAG-DV genannten Urkunden und Nachweisen weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen; und zwar für eine "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" im Fall eines Verlängerungsantrages: ein schriftlicher Nachweis der Schule oder der nichtschulischen Bildungseinrichtung über den Schulerfolg im vorangegangenen Schuljahr und in den Fällen des § 63 Abs. 1 Z 5 NAG darüber hinaus über die Aufnahme als ordentlicher Schüler (§ 8 Z 6 lit. c NAG-DV).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Schulerfolg in ausreichender Weise nachgewiesen worden sei, weil die Beschwerdeführerin zum Aufstieg in das dritte Semester der von ihr besuchten Schule berechtigt sei.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Hinsichtlich des für die Beurteilung heranzuziehenden Schuljahres ist zunächst auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0294, hinzuweisen. In diesem Erkenntnis hat sich der Verwaltungsgerichtshof näher damit auseinander gesetzt, welches Studienjahr bei einem Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung als Studierender für die Frage des nachzuweisenden Studienerfolges maßgeblich ist. Die dortigen Ausführungen lassen sich im Hinblick auf die insoweit gleichartige Rechtslage auch auf die Frage, welches Schuljahr (im Sinn des § 2 Schulzeitgesetz 1985, der sich gemäß § 4 SchUG-BKV auch bei der hier vorliegenden modularen Organisationsform als relevant darstellt) als maßgeblich anzusehen ist, übertragen.
Demnach ist für die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung als Schüler grundsätzlich der Schulerfolg für jenes abgeschlossene Schuljahr nachzuweisen, das dem Antragszeitpunkt auf Verlängerung vorangeht. Anders stellt sich allerdings die Sach- und Rechtslage dann dar, wenn auf Grund der Dauer des Verlängerungsverfahrens bereits ein weiteres Schuljahr bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag verstrichen ist. In einem solchen Fall ist auch die Erbringung eines Erfolgsnachweises durch den Antragsteller bzw. die Einforderung eines solchen durch die Behörde für das zuletzt abgelaufene Schuljahr zulässig.
In diesem Sinn hat sich die Beschwerdeführerin darauf berufen - und dazu auch Unterlagen vorgelegt -, dass sie im zeitlich zuletzt abgelaufenen Schuljahr den vom Gesetz geforderten Schulerfolg aufgewiesen hätte. Für die im vorliegenden Fall vorzunehmende Beurteilung stellt sich somit nach der dargestellten Rechtslage das Schuljahr 2011/2012 als maßgeblich dar.
Der Schulerfolg ist in der Regel durch Vorlage eines positiven Jahreszeugnisses nachzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0123, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings für den Fall, dass Gegenstände mit der Note "nicht genügend" beurteilt wurden, festgehalten, dass dann, wenn ein Schüler zum Aufstieg berechtigt ist und er sich auf diese Weise ohne Verzögerung der abschließenden Prüfung (fallbezogen relevant: § 33 SchUG-BKV) zu nähern vermag, von einem "positiven Schulzeugnis" in diesem Sinn zu sprechen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0205).
Gemäß dem hier zur Anwendung zu bringenden § 26 Abs. 1 erster Satz SchUG-BKV( in der Fassung des BGBl. I Nr. 9/2012) ist ein Studierender an sich zum Aufsteigen in das nächste Semester berechtigt (der in dieser Bestimmung vorhandene zweite Satz, der sich ausschließlich auf das Realgymnasium für Berufstätige an der Theresianischen Militärakademie bezieht, ist fallbezogen nicht weiter relevant). Die Beschwerdeführerin hat eine am ausgestellte Bestätigung der von ihr besuchten Schule vorgelegt, nach der sie - ungeachtet der vorangegangenen negativen Bewertungen - das dritte Semester ihres Schulzweiges besucht. Die belangte Behörde hat dieser Bestätigung vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage in rechtswidriger Weise keine Relevanz beigemessen. Hingegen sind die - hier nicht weiter wiedergegebenen - Ausführungen der belangten Behörde zu schulpolitischen Erwägungen fehl am Platz, weil den hier anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen ist, dass solche für die Entscheidung maßgeblich wären.
Sollte die belangte Behörde allerdings - was im Hinblick auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid nahe liegt - die Auffassung vertreten, die Beschwerdeführerin verfolge im Hinblick auf die bisher von ihr gezeigten schulischen Leistungen in Wahrheit einen anderen Aufenthaltszweck, als den der Absolvierung einer Schulausbildung, spräche sie in Wahrheit das Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG an. Diesfalls wäre allerdings der Antrag der Beschwerdeführerin nicht abzuweisen, sondern die nach § 25 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte zu setzen.
Nach dem Gesagten leidet der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am